Berlin: SPD, Grüne und Linke setzen ihren rechten Kurs fort

Am Montag stellten SPD, Grüne und Linke in Berlin den Koalitionsvertrag für den zukünftigen Senat vor. Sie legen damit den Grundstein für die Fortsetzung ihrer rechten Politik.

Am 5. Dezember entscheidet ein Parteitag der SPD und am 12. ein Parteitag der Grünen über die Annahme des Vertrags. Die Linke führt vom 3. bis zum 17. Dezember eine Mitgliederbefragung durch. SPD-Landeschefin Franziska Giffey könnte dann am 21. Dezember vom Abgeordnetenhaus zur Regierenden Bürgermeisterin der Hauptstadt gewählt werden, wo Rot-Rot-Grün bereits seit 2016 gemeinsam regieren.

Lässt man die nichtssagenden Worthülsen und leeren Phrasen des 152-seitigen Papiers beiseite, zeigt der Koalitionsvertrag deutlich, dass die drei Parteien eine direkte Konfrontation mit der Arbeiterklasse vorbereiten.

Giffey, selbst innerhalb der SPD eine rechte Hardlinerin, favorisierte lange Zeit ein Bündnis mit der CDU und der FDP oder – wie im Bund – mit den Grünen und der FDP. Doch nachdem es in Berlin, wo die sozialen Gegensätze noch schärfer zutage treten als in anderen Städten, während der Wahl zu heftigen Streiks und Protesten gekommen war und sich ein Volksentscheid für die Enteignung großer Wohnungskonzerne ausgesprochen hatte, entschied die SPD, dass dieser Widerstand am wirkungsvollsten in Zusammenarbeit mit den Grünen und der Linkspartei unterdrückt werden kann.

Besonders deutlich zeigt die Pandemiepolitik den rechten Charakter von Rot-Grün-Rot. Wie die Bundes- und die anderen Länderregierungen hat auch der Berliner Senat eine bewusste Politik der Durchseuchung verfolgt. Das hat seit Beginn der Pandemie zu 277.000 registrierten Infektionen und zu 3835 Todesfällen geführt – und die Zahlen steigen rasant weiter.

Besonders skrupellos ist die Durchseuchung in den Schulen. Nach Daten der Berliner Gesundheitsverwaltung wurden in den allgemeinbildenden Schulen allein in der letzten Woche 4565 Infektionen unter Schülern registriert. Bereits in der Vorwoche waren es 4272 gewesen. Seit Beginn der Pandemie haben sich zudem 469 Lehrkräfte angesteckt. In den letzten beiden Wochen mussten sieben bzw. neun Schulen wegen hoher Infektionszahlen in den Wechselunterricht. Trotzdem beharrt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) weiterhin auf der Präsenzpflicht in Schulen.

Wie die Bundesregierung unternimmt auch der Berliner Senat nichts, um die Bevölkerung vor den massiv steigenden Infektionszahlen und der gefährlichen Omikron-Variante zu schützen. Bereits im Wahlkampf hatte Giffey erklärt, dass das Instrument des Lockdowns „überholt“ sei, und diese Maßnahme auch bei hohen Infektionszahlen kategorisch ausgeschlossen. Rot-Grün-Rot nimmt lieber tausende Tote und die Durchseuchung von Kindern in Kauf, als die Profite der Wirtschaft auch nur minimal zu beschneiden.

Dieselbe rechte Haltung zeigt auch der Umgang mit dem Volksentscheid über die Enteignung großer Wohnungskonzerne, für die sich im September mehr als 56 Prozent ausgesprochen hatten.

Im Wahlkampf hatte die Linke, die eng mit den Initiatoren des Entscheids verbunden ist, selbst für ein Ja geworben. Doch nun wird das Ergebnis in bewährter Manier in die ferne Zukunft verschoben und zu Grabe getragen. Im Koalitionsvertrag heißt es zwar, das Ergebnis werde „respektiert“. Doch statt praktische Schritte einzuleiten, soll innerhalb von 100 Tagen zunächst eine Kommission gebildet werden, die eine mögliche Verfassungskonformität des Vorhabens prüft und dabei auch finanzpolitische Aspekte berücksichtigt. 2023 werden dann dem Senat „gegebenenfalls“ Eckpunkte vorgelegt, über die er völlig frei entscheidet.

Im Klartext: Es wird zu keiner – wie auch immer gearteten – Enteignung der Immobilienhaie kommen, egal was die Wähler entschieden haben. SPD und Grüne hatten sich bereits im Wahlkampf dafür ausgesprochen, weitere Erleichterungen für Wohnungskonzerne in die Wege zu leiten, damit diese mehr Wohnungen bauen könnten. Damit ist ein weiterer Anstieg der Mieten in Berlin garantiert.

SPD, Grüne und Linke einigten sich außerdem auf einen ausgeglichenen Haushalt zum Ende der Legislaturperiode. Dabei sollen die „Spielräume der Schuldenbremse“ genutzt werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Unter anderem soll dies durch einen nur „moderaten Anstieg der Personal- und Sachausgaben“ – im Klartext: Reallohnsenkungen und weitere Sparmaßnahmen – erreicht werden. Der rigide Sparkurs der letzten Jahre wird also fortgeführt.

Dies ist auch der Hintergrund des unverschämten Ausverkaufs des Streiks an den landeseigenen Kliniken Charité und Vivantes, wo die Beschäftigten bis zu 50 Tage lang für bessere Bezahlung und mehr Personal streikten. Die Regierungsparteien haben in direkter Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft Verdi dafür gesorgt, dass die Streikenden mit einer lächerlichen Entgelterhöhung und leeren Versprechen einer besseren Personalausstattung abgespeist wurden.

Was die Asyl- und Abschiebepolitik betrifft, soll es nach dem Willen der Koalitionsparteien weitgehend beim Alten bleiben. Die Aussage im Koalitionsvertrag, dass Menschen nicht mehr direkt aus Schulen, Kliniken oder Mitten in der Nacht abgeschoben werden sollen, macht nur deutlich, was unter Rot-Rot-Grün bisher gängige Praxis war.

Auch während der Corona-Pandemie wurden unvermindert Menschen abgeschoben. Dabei gingen die Behörden mit rabiaten und menschenverachtenden Methoden vor. Zum Großteil wurden die Deportationen nachts durch die Polizei durchgeführt, was traumatisierende Folgen für die Betroffenen hatte.

Allein in der ersten Hälfte 2021 hat Berlin 516 Menschen abgeschoben. Im selben Zeitraum des letzten Jahres, als die erste Welle der Corona-Pandemie grassierte, waren es „nur“ 301 und im gesamten Jahr 2020 968. Selbst nach Afghanistan hat die Berliner Landesregierung von Januar bis März 2021 trotz Besatzung und Bürgerkriegs noch drei Personen deportiert. Erst im April stellte Innensenator Andreas Geisel die Deportationen nach Afghanistan ein.

Im Wahlprogramm der Berliner Linken hatte es zynischerweise noch geheißen: „Wir lehnen Abschiebungen generell ab. Sie sind Teil einer inhumanen Asylpolitik. Dies gilt besonders für schutzbedürftige geflüchtete Menschen.“

Ein zentraler Punkt des Koalitionsvertrags ist die innere Aufrüstung. Während in allen Bereichen ein Spardiktat herrscht, sieht der Koalitionsvertrag „mehr Personal bei der Polizei“ vor. Diese soll ohne Rücksicht auf Kosten weiter hochgerüstet werden. So soll der Einsatz von Bodycams fortgesetzt und finanziell abgesichert werden. Bei der Vorstellung der Vereinbarung erklärte Giffey: „Ganz klar ist, dass wir einen starken Staat wollen.“

Dazu gehört ausdrücklich auch eine Stärkung des Verfassungsschutzes. Dieser muss laut dem Papier „zur Erfüllung seiner Aufgaben zielgerichtet fortentwickelt werden“. Darüber hinaus werden demokratische Rechte systematisch ausgehöhlt. So soll unter dem Deckmantel der vorbeugenden Kriminalitätsbekämpfung der Einsatz von Videoüberwachung systematisch ausgebaut werden.

Die Verteidigung des Verfassungsschutzes durch Rot-Rot-Grün ist eine Warnung. Um die wachsende Opposition in der Arbeiterklasse zu unterdrücken, paktiert die Koalition mit den rechtesten Elementen im Staatsapparat und stärkt bewusst rechtsextreme Kräfte. Dem neu gewählten Präsidium des Berliner Abgeordnetenhauses gehört mit Martin Trefzer auch ein Vertreter der AfD an. Trefzer wurde nur deshalb gewählt, weil sich SPD, Linkspartei und Grüne weigerten, gegen ihn zu stimmen.

Das ist kein Versehen. Trefzer ist ein offener Unterstützer des rechtsextremen Humboldt-Professors Jörg Baberowski und der rot-rot-grüne Senat hat bereits in der Vergangenheit mit ihm gemeinsame Sache gemacht, um gegen linke Kritik vorzugehen. Als Trefzer 2018 im Abgeordnetenhaus die Namen all jener Studierender forderte, die im AStA politisch aktiv sind, reichte die damalige Humboldt-Präsidentin Sabine Kunst (SPD) Klage gegen die Studierendenvertretung ihrer eigenen Universität ein, um die Herausgabe der Namen zu erzwingen. Später kam heraus, dass Kunst auf direkte Anordnung des Senats gehandelt hatte. Sowohl Kunst, als auch Baberowski, der kritische Studierende nicht nur verbal attackiert, sondern auch tätlich angreift, werden von Rot-Rot-Grün vehement verteidigt.

Das neue Kabinett wird nach bisherigen Informationen stark umgebaut. So sollen mindestens acht der elf bisherigen Senatoren ausgetauscht werden. Bezeichnenderweise wird Innensenator Geisel auf Wunsch aller Koalitionspartner vermutlich im Amt bleiben. Er gilt als ausgesprochener Law- and Order-Mann, der vor allem für seine rigide Abschiebepolitik und sein brutales Vorgehen gegen Hausbesetzer in der Rigaer Straße berüchtigt ist.

Die Linke wird voraussichtlich die Ressorts Kultur, Justiz und Soziales übernehmen. Für die Leitung des Letzteren ist die ehemalige Vorsitzende der Bundespartei Katja Kipping im Gespräch. Kipping stand bis Anfang dieses Jahres neun Jahre lang an der Parteispitze. Sie gilt als starke Verfechterin eines rot-rot-grünen Bündnisses und wird den Sparkurs der letzten Jahre aggressiv fortsetzen.

Arbeiter und Jugendliche müssen sich auf heftige Klassenauseinandersetzungen vorbereiten. Nur eine unabhängige Bewegung der Arbeiter kann die rechte Politik des rot-rot-grünen Senats stoppen. Die Sozialistische Gleichheitspartei nahm an den Abgeordnetenhauswahlen teil, um die wachsende Opposition in der Bevölkerung mit einer sozialistischen Perspektive zu bewaffnen. Ihr Aufbau ist nun von entscheidender Bedeutung.

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