Schweden und Finnland treten der Nato bei, während Krieg gegen Russland eskaliert

Einen Tag nachdem Finnland angekündigt hat, der Nato „unverzüglich“ beizutreten, nahmen die regierenden Sozialdemokraten in Schweden einen Parlamentsbericht entgegen, der ebenfalls den Beitritt in das US-geführte Bündnis fordert. Die Nato droht damit, Skandinavien und die ganze Ostsee in eine zweite Front im Krieg gegen Russland zu verwandeln, den sie seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar führt.

Finnische und schwedische Truppen werden nächste Woche mit amerikanischen und ukrainischen Soldaten an der Nato-Übung „Hedgehog“ in Estland teilnehmen. Die Grenze zwischen Estland und Russland ist nur 150 Kilometer von St. Petersburg entfernt ist. Bei dieser Übung werden insgesamt 15.000 Soldaten einen Krieg zwischen der Nato und Russland in Estland üben. Das verdeutlicht, dass Finnlands riesige 1.300 Kilometer lange Grenze mit Russland zu einem potenziellen Kriegsschauplatz wird.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow erklärte am Donnerstag auf die Frage nach einem möglichen Nato-Beitritt Finnlands: „Russland wird zu Vergeltungsmaßnahmen militärisch-technischer und anderer Natur gezwungen sein, um die Bedrohungen für seine nationale Sicherheit zu stoppen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben.“ Sollten Schweden und Finnland der Nato beitreten, erklärten russische Regierungsvertreter, so würde Moskau versuchen, durch die Stationierung von Atomraketen in der Ostsee-Enklave Kaliningrad das Gleichgewicht in der Region zu erhalten.

Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew erklärte letzte Woche, dass sich Europa rasch auf einen offenen Krieg gegen Russland zubewege: „Die Nato-Staaten pumpen Waffen in die Ukraine, bilden deren Soldaten an westlichem Kriegsgerät aus, schicken Söldner in die Ukraine und halten in den Nato-Mitgliedsstaaten nahe unserer Grenzen Militärübungen ab. Alle diese Schritte erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines direkten und offenen Kriegs zwischen der Nato und Russland. ... Ein solcher Konflikt birgt das Risiko, sich zu einem uneingeschränkten Atomkrieg zu entwickeln.“

Dennoch hat die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson für heute eine Debatte über den Beitritt zur Nato anberaumt. Die schwedischen Sozialdemokraten beenden mit erschütternder Skrupellosigkeit die Politik der Bündnisfreiheit, die Schweden seit dem Ende der napoleonischen Kriege 1814 eingehalten hat. Gleichzeitig beendet Finnland die Neutralität, die es seit dem Zweiten Weltkrieg gewahrt hat.

Der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist gab am Freitagabend bei einer Pressekonferenz zu, dass Schwedens Ankündigung einen Krieg mit Russland auslösen könne, doch tat er die Gefahr ab: „Wenn Schweden beschließt, der Nato beizutreten, besteht das Risiko einer Reaktion Russlands. ... Lassen Sie mich sagen, dass wir für diesen Fall bereit sind, mit jeder Art von Gegenreaktion fertigzuwerden.“

Die schwedische Außenministerin Ann Linde erklärte am Freitag bei einer Pressekonferenz: „Die Nato-Mitgliedschaft Schwedens würde die Schwelle für militärische Konflikte erhöhen und somit einen hemmenden Effekt auf mögliche Konflikte in Nordeuropa haben.“

Die Begründung der schwedischen Regierung für den Beitritt zur Nato ist eine Mischung aus politischen Lügen und Selbsttäuschung. Schweden wird Russland nicht von einem Angriff abschrecken, weil Moskau in diesem Fall einen militärischen Zusammenstoß mit der Nato riskieren würde, wie es Linde behauptet. Vielmehr stellt sich Schweden auf die Seite des Nato-Kriegskurses gegen Russland, den Washington, London und Berlin bereits forcieren.

Hultqvists Behauptung, die schwedische Regierung sei auf „jede Art von Gegenreaktion“ Russlands vorbereitet, ist erstaunlich. Offenbar hat der schwedische Verteidigungsminister vergessen, dass Russland über mehr als 6.000 Atomsprengköpfe verfügt: Im Fall einer deutlichen Eskalation des Kriegs zwischen der Nato und Russland könnte Schweden durch die „Gegenreaktion“ Russlands vernichtet werden.

Die gegenwärtige Eskalation widerlegt die Propaganda der Nato, sie würde lediglich die unschuldige Ukraine gegen russische Aggression verteidigen. Russland ist im Februar 2022 in der Tat in die Ukraine einmarschiert. Doch die imperialistischen Nato-Mächte, die die Folgen der stalinistischen Auflösung der Sowjetunion von 1991 ausgenutzt haben, benutzen nun einen Konflikt, den sie selbst maßgeblich provoziert haben, um die Weltpolitik drastisch umzugestalten.

Seit die Nato im Jahr 2014 einen rechtsextremen Putsch in Kiew unterstützt hat, der dort ein nationalistisches Regime an die Macht brachte, hat sie der Ukraine Waffen im Wert von Milliarden US-Dollar geliefert und Militärberater entsandt. Letztes Jahr rief Kiew die sogenannte „Krim-Plattform“ ins Leben – eine Aktion, bei der die ukrainische Regierung die Rückeroberung der Krim ankündigte. Die Bevölkerung der russischsprachigen Halbinsel hatte auf den Putsch reagiert, indem sie für eine Abspaltung und für die Angliederung an Russland stimmte. Washingtons hat durch seine Unterstützung für die Krim-Plattform signalisiert, dass die Nato eine gewaltsame territoriale Aufspaltung Russlands akzeptiert.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine war ein verzweifelter und reaktionärer Versuch, den Aufbau der Ukraine als Nato-Basis für Angriffe gegen Russland zu verhindern. Schweden und Finnland werden nun von der Aussicht darauf angezogen, dass bei der Aufteilung und Plünderung Russlands durch die imperialistischen Großmächte ein Teil der Beute für sie abfällt. Sie treten nun der Nato mit der Absicht bei, imperialistische Kriege im Ausland und Klassenkrieg im Inland zu führen.

Kritik an den Plänen, Schweden und Finnland in die Nato aufzunehmen, kam nicht nur von Russland, sondern auch von der Türkei und China. Da die Türkei Nato-Mitglied ist und deshalb ein Veto gegen den Antrag zum Beitritt anderer Staaten einlegen kann, könnte dies potenziell die Aufnahme von Schweden und Finnland verhindern.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan erklärte am Freitag: „Wir verfolgen die Entwicklungen in Bezug auf Schweden und Finnland, aber wir stehen dem nicht positiv gegenüber.“ Er warf Schweden vor, Beziehungen zu kurdisch-nationalistischen Gruppen wie der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterhalten, die der türkische Staat als Terrororganisationen einstuft: „Leider könnte man die skandinavischen Staaten beinahe als Gästehäuser für Terrororganisationen bezeichnen. Die PKK und die DHKP-C haben sich in den Niederlanden und Schweden eingenistet. Ich gehe noch weiter und sage, sie sind auch an den dortigen Parlamenten beteiligt.“

Aus diplomatischen Kreisen der USA hieß es am Freitagabend, man werde versuchen, Erdoğans Aussagen zu klären, um festzustellen, ob er seine Haltung ändern könne.

Die staatliche chinesische Zeitung Global Times kritisierte die Nato-Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands als Gefahr für den Weltfrieden. Zu den Plänen der USA, zum Nato-Gipfel in Madrid im Juni auch Japan und Südkorea einzuladen, schrieb sie: „Das wird nicht nur die Ukrainekrise noch weiter verkomplizieren, sondern auch die Basis für eine nachhaltige Sicherheit in Europa zerstören. Angesichts der ständigen Ausweitung der Nato nach Osten, Norden und sogar nach Asien gefährdet dies gar die ganze Welt.“

Die Ausweitung der Nato ist untrennbar mit den Versuchen der herrschenden Klassen verbunden, angesichts der wachsenden Wut der Arbeiter über soziale Ungleichheit und über die katastrophale Reaktion auf die Corona-Pandemie das politische Leben so weit wie möglich nach rechts zu verschieben.

Zweifellos erinnert der Überfall des Kreml auf die Ukraine viele Menschen im Baltikum an den reaktionären Überfall der Sowjetbürokratie auf Finnland 1939. Zuvor hatte das stalinistische Regime mit den Großen Säuberungen einen politischen Völkermord an der marxistischen Bewegung innerhalb der Sowjetunion begangen und war nunmehr vollkommen unfähig, einen revolutionären Appell an die internationale Arbeiterklasse zu richten. Die Bürokratie versuchte einer potenziellen Invasion Nazi-Deutschlands und seines Verbündeten Finnland mit roher Gewalt zuvorzukommen. begeistert

Doch viele der glühendsten Unterstützer der Nato im Baltikum sind heute kaum bemüht, ihre historischen und politischen Sympathien für das deutsch-finnische Bündnis unter den Nazis zu verbergen. Finnland unterstützte die Nazi-Invasion der Sowjetunion 1941, die zum Tod von 27 Millionen Menschen und zum Holocaust an den europäischen Juden führte. Vor allem unterstützte Finnland die Nazis bei der Belagerung von Leningrad (dem heutigen St. Petersburg). Die schwedische Bourgeoisie versorgte das Naziregime für die gesamte Dauer des Kriegs mit Eisenerz und anderen wichtigen Ressourcen.

In der lettischen Hauptstadt Riga kam es am Freitag zu Protesten gegen die Pläne der Behörden, ein Denkmal für die sowjetische Befreiung Lettlands von der Nazi-Herrschaft zu zerstören. Die entsprechende Entscheidung des Stadtrats von Riga folgte auf eine Aktion, bei der die Behörden Blumensträuße, die von russischen Rednern am 9. Mai, dem Tag des sowjetischen Sieges über die Nazis, am Ort des Denkmals abgelegt hatten, beseitigen ließen.

Am Freitag verhaftete die lettische Polizei mehrere russischsprachige Demonstranten. Sie behaupteten, das Zeigen von russischen Flaggen oder Symbolen, die Unterstützung für die Sowjetunion oder Russland zeigen, sei eine Rechtfertigung von „Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen gegen den Frieden und Kriegsverbrechen“. Damit berufen sie sich auf die falschen und haltlosen Vorwürfe, Russland würde in der Ukraine einen Völkermord verüben.

Die Entscheidung der schwedischen und finnischen Regierung, der Nato beizutreten, muss von Arbeitern als Warnung verstanden werden: Das Schüren von Militarismus und Hass gegen Russland sowie die Unterstützung rechtsextremer Kräfte durch die imperialistischen Mächte bedroht die Welt mit Krieg und einem nuklearen Flächenbrand. Die entscheidende Aufgabe besteht in der internationalen Vereinigung der Arbeiterklassen in ganz Europa und der ehemaligen Sowjetunion sowie dem Rest der Welt im Kampf gegen imperialistischen Krieg und für Sozialismus auf der Grundlage der Traditionen der bolschewistischen Revolution, für die die trotzkistische Bewegung heute steht.

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