Ford Saarlouis: Die Hinhaltetaktik des Betriebsrats

Dem IG Metall-Betriebsrat des Ford-Werks in Saarlouis unter Markus Thal ist kein Winkelzug zu schäbig, wenn es darum geht, das Werk im Auftrag der Konzernspitze und ihrer Aktionäre abzuwickeln und die Arbeiter an der Nase herumzuführen.

Schichtwechsel bei Ford Saarlouis (Foto: WSWS)

Donnerstag letzter Woche, auf den Tag genau ein Jahr nachdem die Beschäftigten erfahren hatten, dass ihr Werk spätestens 2025 geschlossen wird, wurde die Belegschaft auf einer Betriebsversammlung zum wiederholten Male von Thal und der Geschäftsführung hingehalten.

Seit über einem Jahr wissen die 4500 Arbeiterinnen und Arbeiter des Werks nicht, wie es in zwei Jahren weitergeht. Als letzten Mittwoch Geschäftsführer Martin Sander erneut um „Geduld“ bat, weil er noch keinen Investor benennen könne, der das Werk nach 2025 weiterführe, verloren die Beschäftigten die Geduld.

Doch damit die Versammlung nicht eskaliert, hatten sich Thal und seine Betriebsratsmannschaft vorbereitet. Sie hatten ihre Vertrauensleute angespitzt, Sander gnadenlos auszubuhen und nicht zu Wort kommen zu lassen. Den ohrenbetäubenden Lärm und Tumult nahm Thal dann zum Anlass, die Versammlung abzubrechen und die Belegschaft wieder nach Hause bzw. zurück an die Arbeit zu schicken. Der gesamte Vorgang war ein abgekartetes Spiel, damit sich die Belegschaft in der explosiven Lage nicht entschließt, für ihre Zukunft wirklich zu kämpfen.

Thal hatte noch auf der Versammlung angekündigt, eine Woche später, also am gestrigen Mittwoch, eine Urabstimmung über einen Streik durchzuführen, um damit einen Sozialtarifvertrag zu erzwingen. Der Sozialtarifvertrag regelt die Abwicklung des Werks und legt fest, wie hoch die Abfindungen für die Beschäftigten sind.

Am Dienstagnachmittag, rund zwölf Stunden vor Beginn der Urabstimmung, blies Thal erwartungsgemäß alles wieder ab. In einer Videobotschaft der IG Metall Völklingen behauptet er: „Jetzt ist Bewegung in der Sache.“ Er habe in der letzten Woche mit der Verhandlungsgruppe der IG Metall „erstmalig“ Einblick in „Entwürfe von möglichen Vorverträgen“ erhalten. Gewerkschaft und Betriebsrat bewerteten diese als „durchaus positiv“.

Aktuell fänden „ohne Unterbrechung rund um den Erdball zu jeder Uhrzeit“ Besprechungen und Verhandlungen zwischen Ford, möglichen Investoren und der Landesregierung statt. „Und es geht in die richtige Richtung, es geht um mehr Arbeitsplätze für uns hier am Standort in Saarlouis“, so Thal.

Am Freitag lädt Thal zu einer weiteren Betriebsversammlung ein, auf der er von der Konzernspitze „weitere belastbare Ergebnisse“ erwartet. Was hat die Belegschaft zu erwarten? Einen Letter of Intent (LoI), also eine Absichtserklärung. Dies hat der Erste Bevollmächtigte der IG Metall Völklingen, Lars Desgranges, bestätigt: „Wir rechnen mit der Unterzeichnung eines LOI bis dahin.“

Alle Beteiligten bewahren Schweigen über die Investoren, die ihre unverbindliche Absicht erklären wollen, auf dem Werksgelände tätig zu werden.

Es ist aber kein Geheimnis, dass einer der zuletzt noch zwei Interessenten für das Werksgelände der chinesische Konzern BYD (Build Your Dreams) ist, der auch Autos herstellt. BYD hat ein Interesse, auf dem europäischen Kontinent Fuß zu fassen. Insbesondere in der Elektromobilität sind die chinesischen Hersteller den europäischen weit voraus. BYD ist daher direkter Rivale von Volumenherstellern wie Ford und Volkswagen, schreibt das Handelsblatt. Der oberste Ford-Chef Jim Farley habe erst kürzlich auf einem Finanztreffen in den USA gesagt, seine Hauptkonkurrenz seien „nicht Toyota oder General Motors“, sondern die chinesischen Autohersteller.

Laut dem Wirtschaftsdienst Bloomberg soll neben BYD nur noch eine Gruppe kleinerer chinesischer Autobauer an dem Ford-Standort in Saarlouis interessiert sein.

Selbst wenn eine Absichtserklärung zu einem Vorvertrag und dann einem Vertrag führen würde, gäbe es noch gewaltige Hürden. Neben der direkten Konkurrenz sind das vor allem die Kriegsvorbereitungen der USA gegen China. „Ein Deal mit einem chinesischen Investor dürfte Berlin auf den Plan rufen“, schreibt das Handelsblatt, „da die Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz (SPD) derzeit viel tut, um die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Volksrepublik zu verringern und somit Lieferketten hierzulande widerstandsfähiger zu machen.“

Es ist also noch lange nicht ausgemacht, ob am Ende nicht doch das Verramschen des Werksgeländes und das Zerfleddern der Produktionsstätte stehen kann. Auf den Ruinen von Ford könnte dann z.B. ein großes Batterie-Recyclingzentrum entstehen, dass gelegentlich ins Spiel gebracht wird.

Dass es so weit gekommen ist, liegt in der Verantwortung der IG Metall und ihres Betriebsrates unter Thal. Die IG Metall und ihre Vertreter in den Betrieben organisieren für die Belegschaften eine Katastrophe nach der anderen. Sie arbeiten die Mechanismen und Instrumente aus, mit denen die Arbeiter angegriffen werden, um die Aktionäre zu bereichern.

Thal hatte 2019 den Betriebsratsvorsitz in Saarlouis übernommen. Seitdem hat er den Abbau von fast 3000 Stellen durchgesetzt, immer mit dem Hinweis, dass dadurch die Wettbewerbsfähigkeit und somit der Standort gesichert werde.

Im ruinösen Bieterwettbewerb zwischen den beiden Ford-Werken in Saarlouis und Almussafes (Valencia), den die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte in Deutschland und Spanien 2021 und 2022 geführt hatten, waren Thal und die IGM sogar noch weiter gegangen. Sie hatten dem Konzern, der jedes Jahr Milliarden an seine Aktionäre auszahlt, angeboten, die Löhne aller 22.000 Beschäftigten in den deutschen Werken um 18 Prozent zu kürzen. Die saarländische SPD-Landesregierung bot Milliarden an Subventionen an.

Doch die spanische Gewerkschaft UGT und ihre Betriebsvertreter hatten noch größere Angriffe auf Arbeitsplätze und Löhne und die spanische Regionalregierung noch höhere Subventionen angeboten.

Nun werden die Löhne trotzdem auch im Werk in Almussafes empfindlich gekürzt und zusätzlich über 1140 Arbeitsplätze von ehemals rund 6000 abgebaut. Gegen Opposition innerhalb des Werks geht die UGT genauso gnadenlos vor wie die IGM in Saarlouis.

Neben den ehemals 4600 Arbeitsplätzen in Saarlouis werden in Deutschland weitere 2300 in anderen Werken, vor allem in den Entwicklungsstandorten in Köln und Aachen vernichtet.

Die Belegschaft in Saarlouis wird seit einem Jahr von Ford und Betriebsrat vertröstet. Ford hat gefühlt schon zehn Mal ein „Zukunftskonzept“ versprochen und nicht vorgelegt. Und Thal hat genauso häufig einen „Kampf“ angekündigt, wenn nicht beim nächsten Mal ein Konzept vorliege. Inzwischen bettelt er nur noch um „Belastbares“ und Absichtserklärungen.

Wie belastbar das Versprechen von Ford ist, am Standort 1000 Arbeitsplätze bis 2032 fortzuführen, weiß nur Thal. Es dürfte genauso belastbar sein, wie die Absichtserklärung, die Thal und Sander morgen präsentieren wollen.

Die Tatsache, dass Thal den stückchenweisen Abbau von Arbeitsplätzen aushandelt, ist dagegen belastbar. 80 Beschäftigte gehen über Altersteilzeit aus dem Betrieb, 650 über „individuelle Lösungen“, sprich Abfindungen.

Der Zulieferpark des Ford-Werks mit aktuell noch 1300 Beschäftigten in sieben Unternehmen wird abgewickelt. Die IG Metall hat hier Anfang Juni Verhandlungen für einen Sozialtarifvertrag aufgenommen. Die Arbeitsplätze sollen mithilfe von geringen Abfindungen, einer Transfergesellschaft und einem Überbrückungsmodell für ältere Beschäftigte vernichtet werden.

Das Ford-Aktionskomitee hat seit seinem Bestehen genau vor einer solchen Entwicklung gewarnt. In seinem ersten Aufruf im Januar 2022, kurz nachdem Thal und IG Metall ihr Kahlschlagangebot für den Bieterwettbewerb in der Kölner Konzernzentrale abgegeben hatten, hatte das Aktionskomitee geschrieben:

Verzicht rettet keinen Arbeitsplatz! All unser Verzicht in der Vergangenheit und all die Zugeständnisse, die bereits an allen Standorten gemacht wurden, sind heute keinen Cent wert.

Wir lehnen die Erpressung und den brutalen Wettbewerb zwischen uns und unseren Standorten prinzipiell ab. Das gegeneinander Ausspielen führt in die Katastrophe.

Nun wird diese Katastrophe immer realer. Betriebsrat und Gewerkschaft haben sich mit Haut und Haaren den Interessen des Konzerns und seiner Besitzer verschrieben. Sie stehen auf der anderen Seite der Barrikade. Ihr penetrantes Schwadronieren von „Kampf“ und „harten Auseinandersetzungen“ ist Betrug. Der einzige „Kampf“, den Thal und seine Kompagnons führen, hat zum Ziel, die Belegschaft von einem wirklichen Kampf abzuhalten und die Abwicklung des Werks zu ermöglichen.

Wer sich nicht damit abfinden möchte, von Thal, Gruschka und den anderen Handlangern des Konzerns in Betriebsrat und IG Metall verkauft zu werden, ist aufgerufen, sich beim Ford-Aktionskomitee zu melden. Es muss gestärkt werden.

Seine inhaltliche Stärke hat es hinreichend bewiesen. Nun muss es von den Kolleginnen und Kollegen personell gestärkt werden.

Meldet euch daher beim Aktionskomitee per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 oder füllt das folgende Formular aus.

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