Stoppt den Kahlschlag bei VW!

Der Umbau von Volkswagen, den der Aufsichtsrat am 13. Juni beschlossen hat, bedeutet einen Kahlschlag, wie ihn der größte deutsche Autokonzern noch nie erlebt hat.

VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg. CEO Thomas Schäfer stellt das "Performance-Programm" vor. [Photo by Volkswagen]

Das geht bereits aus dem Titel des Umbauprogramms hervor: „ACCELERATE FORWARD | Road to 6.5.“ Oder deutsch: „Nach vorne beschleunigen – der Weg nach 6,5.“ Mit „6,5“ ist die Umsatzrendite gemeint, die die Kernmarke VW in drei Jahren erzielen will. Pro 100 Euro Umsatz sollen dann mindestens 6,5 Euro Gewinn herausspringen; mehr als doppelt so viel wie jetzt. Unter dem Strich will VW 2026 zehn Milliarden mehr als in diesem Jahr verdienen, wie Markenchef Thomas Schäfer im Juni auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg ankündigte.

Diese Verdoppelung des Profits soll, so Schäfer, mit folgenden Mitteln erreicht werden: „Verwaltungsabläufe entschlacken und beschleunigen, Effizienz in Entwicklung und Produktion erhöhen, die Modellpalette straffen und gleichzeitig Ausstattungsvarianten reduzieren.“ Bauteile sollen durch Modulsysteme vereinheitlicht und die Auslastung der Werke weltweit optimiert werden.

Jeder, der bis drei zählen kann, weiß, dass dies eine Verschärfung der Arbeitshetze und ein Arbeitsplatzmassaker ohnegleichen bedeutet – besonders, da das Profitsteigerungsprogramm mit der Umstellung auf Elektroautos zusammenkommt, die die Produktionszeit pro Einheit zusätzlich verringert. Doch die Belegschaft hat bis heute keinerlei Information erhalten, wie viele und welche Arbeitsplätze dem Sparprogramm zum Opfer fallen sollen.

Vorstand, Betriebsrat, IG Metall und Aktionäre, darunter die SPD-geführte Landesregierung, stecken unter einer Decke und agieren wie eine Mafia. Sie haben das Performance-Programm gemeinsam ausgeheckt und beschlossen. Nun definieren sie, wie es im „VW-Newsroom“ heißt, „in Abstimmung mit der Arbeitnehmervertretung bis Mitte September konkrete Maßnahmen“. Im Oktober 2023 soll das Programm dann „in allen Details und Maßnahmen stehen und im Kontext der Planungsrunde in eine Vereinbarung mit der Arbeitnehmerseite überführt werden“.

Mit anderen Worten: Die Verschwörung gegen die Belegschaft geht weiter. Vorstand und Betriebsrat entscheiden hinter verschlossenen Türen, wo gekürzt, abgebaut und entlassen wird. Im Oktober wird die Belegschaft dann vor vollendete Tatsachen gestellt.

Das darf nicht zugelassen werden! Die Belegschaft hat das Recht zu erfahren, wie es um ihre Zukunft bestellt ist! Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen und sämtliche Um- und Abbaupläne offengelegt werden.

Cavallo lügt

Stattdessen erleben die VW-Beschäftigten seit drei Monaten strengste Geheimhaltung, Beschönigungen oder leere Versprechen. Es gibt nur einen Grund, warum sich Vorstand und Betriebsrat zu diesem hinterhältigen Stillschweigen gezwungen sehen: Sie wissen sehr genau, dass die Belegschaften Sturm laufen würden, wenn das genaue Ausmaß des Kahlschlags bekannt wäre.

Auf der Betriebsversammlung in Wolfsburg behauptete die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo: „Wir sind uns einig, dass wir die angestrebten Einsparungen ohne Abstriche beim Tarif oder bei der Beschäftigungssicherung erreichen müssen.“ Das ist eine dreiste Lüge – und Cavallo weiß das.

Die IG Metall und ihre Betriebsräte sind Experten darin, Arbeitsplätze abzubauen und ganze Werke stillzulegen, ohne dass es zu einer einzigen „betriebsbedingten Kündigung“ kommt. Arbeiter, die aus Alters- oder anderen Gründen ausscheiden, werden nicht ersetzt, andere in die Frühverrentung geschickt oder solange unter Druck gesetzt, bis sie freiwillig gehen. In Bochum wurden auf diese Weise beide Opel-Werke stillgelegt, die einmal 20.000 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt hatten.

Noch unverschämter log VW-Markenchef Schäfer auf der Betriebsversammlung, als er– mit offensichtlichem Einverständnis Cavallos – behauptete, mit der Rendite von 6,5 Prozent werde VW „Beschäftigung sichern, unsere Zukunft aus eigener Kraft finanzieren und weiter in neue Fahrzeuge, Technologien, die Modernisierung unserer Werke sowie in die Qualifizierung der Belegschaft investieren“.

Schäfer glaubt wohl, die Beschäftigten läsen keine Zeitungen und hätten nicht mitbekommen, wie unverschämt die Aktionäre und Manager bei VW absahnen. Sie spielen auf den Knochen der Belegschaft Monopoly.

Innerhalb der letzten zehn Jahre hat Volkswagen die Dividende (d.h. den an die Aktionäre ausbezahlten Gewinn) um jährlich zehn Prozent gesteigert. In diesem Jahr rechnen Analysten sogar mit einer Dividendensteigerung von 14 Prozent.

Im Januar dieses Jahres schüttete Volkswagen außerdem eine zusätzliche Sonderdividende von 19,06 Euro pro Aktie aus – das ist etwa dreimal so viel wie die übliche Jahresdividende. Sie stammte aus dem Börsengang der Porsche AG, der Volkswagen über 9 Milliarden Euro einbrachte. Die Hälfte davon reichte der Konzern direkt an die Aktionäre weiter. Allein der Porsche-Piëch-Clan (geschätztes Vermögen 40 Milliarden Euro) kassierte drei Milliarden Euro, die er nutzte, um sich eine Sperrminorität von 25 Prozent an dem hochprofitablen Sportwagenhersteller zu sichern, der eine Umsatzrendite von 20 Prozent anstrebt.

Nicht zufällig hat Oliver Blume, als er die Leitung des Volkswagen-Gesamtkonzerns übernahm, auch seinen bisherigen Job als Porsche-Chef behalten, so dass er nun zwei Dax-Konzerne gleichzeitig leitet. Dabei dient er nur einem Herrn: dem Porsche-Piëch-Clan, der auch 32 Prozent der Volkswagen-Anteile besitzt.

Der Betriebsrat stört sich nicht an diesen korrupten Verhältnissen, er ist Teil davon und sahnt selbst kräftig ab. Er hat Oliver Blume bei seiner Ernennung zum VW-Chef seine „vollste Unterstützung“ ausgesprochen. Blume sagte seinerseits eine enge Zusammenarbeit, „vertrauensvoll und auf Augenhöhe“, zu. Deutlicher könnten der Betriebsrat nicht zeigen, dass er die Interessen des Konzerns und seiner Aktionäre vertritt, und nicht die der Belegschaft, deren Arbeitsplätze bedroht sind. Er wird alles tun, um jeden Widerstand gegen den drohenden Kahlschlag zu unterdrücken.

Die weltweit 670.000 Beschäftigten des VW-Konzerns werden nach Ländern, nach Konzerntöchtern (VW, Audi, Porsche, Skoda, Seat usw.) und nach Standorten gespalten. In den Standorten selbst geht die Spaltung weiter: in Stammbeschäftigte und Leiharbeiter. Dabei stammen die Leiharbeiter in Deutschland fast ausschließlich von den VW-eigenen Firmen der VW Service Group.

Die Betriebsräte und die IG Metall sind in allen Werken vertreten und untereinander gut vernetzt. Ohne sie wäre der geplante Angriff auf die VW-Beschäftigten nicht durchführbar. Das galt in der Vergangenheit, das gilt auch heute.

Als der damalige VW-Chef Herbert Diess vor zwei Jahren offen aussprach, dass der geplante Umbau 30.000 Arbeitsplätze kosten werde, waren sie entsetzt – nicht über die Zahl, die sie längst kannten, sondern aus Furcht, die Belegschaft werde dagegen Sturm laufen. Doch Diess’ Pläne sind nicht vom Tisch, sie werden mit Unterstützung des Betriebsrats systematisch umgesetzt.

Für den Aufbau von Aktionskomitees und internationale Zusammenarbeit

Um die Arbeitsplätze bei VW zu verteidigen, müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, in denen sich alle VW-Arbeiterinnen und Arbeiter zusammenschließen, die ernsthaft kämpfen wollen. Diese Komitees müssen unabhängig vom Betriebsrat und der IG Metall sein.

Der drohende Kahlschlag bei Volkswagen ist Teil eines internationalen Angriffs auf die Arbeiterklasse. Um die gewaltigen Kosten für Krieg und Handelskrieg zu finanzieren und die Aktienkurse weiter in die Höhe zu treiben, greifen Kapital und Regierungen überall soziale Errungenschaften und Rechte an.

Die Autokonzerne nutzen die Umstellung auf E-Mobilität, um die Profite drastisch zu erhöhen. Studien und Strategiepapiere der internationalen Automobilkonzerne planen den Abbau von bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze in der weltweiten Autoindustrie. Dieses Arbeitsplatzmassaker soll genutzt werden, um Löhne und Sozialleistungen drastisch zu senken. Der Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze und Löhne muss daher von Anfang an als internationaler Kampf vorbereitet und geführt werden.

Die VW-Arbeiter sind nicht allein. Gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitees haben sich bereits in mehreren Autowerken gebildet und zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (International Workers Alliance of Rank-and-File Committees, IWA-RFC), die den wachsenden Widerstand weltweit koordiniert.

Die Gründung eines Aktionskomitees bei VW wird entscheidend dazu beitragen, eine Achse des Widerstands zwischen Wolfsburg, Detroit und anderen Autometropolen aufzubauen und den Kampf gegen den Kahlschlag bei VW zum Bestandteil einer systematischen, internationalen Offensive in der Auto- und Zulieferindustrie zu machen.

Dazu müssen sich in jedem VW-Werk Aktionskomitees konstituieren. Als erste konkrete Forderungen schlagen wir vor:

  • Schluss mit den Verhandlungen hinter geschlossenen Türen. Offenlegung aller Pläne des „Performance-Programms“. Das zu gründende gewerkschaftsunabhängige Aktionskomitee wird sie überprüfen und standortübergreifende Kampfmaßnahmen ergreifen.
  • Kampf gegen die Spaltung der Belegschaften nach Standorten, Ländern und Automarken. Das Aktionskomitee muss sich der Profitlogik widersetzen und die Bedürfnisse und Rechte der Beschäftigten höher stellen als die Rendite der Milliardärsfamilien und Investoren.

Wir rufen alle VW-Beschäftigten auf: Meldet euch per Whatsapp-Nachricht unter +491633378340 oder füllt das Formular aus.

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