Perspektive

Sozialistischer Internationalismus und der Kampf gegen Zionismus und Imperialismus

Diesen Vortrag hielt David North, Leiter der internationalen Redaktion der World Socialist Web, am 24. Oktober 2023 an der University of Michigan in Ann Arbor.

Der Titel des heutigen Vortrags lautet „Leo Trotzki und der Kampf für den Sozialismus im 21. Jahrhundert“. Er ist Teil einer Veranstaltungsreihe in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern aus Anlass des 100. Jahrestags der Linken Opposition, die im Oktober 1923 in der Sowjetunion unter der Führung von Leo Trotzki gegründet wurde. Dies war der Auftakt zum folgenreichsten politischen Kampf des 20. Jahrhunderts: dem von Leo Trotzki angeführten Kampf gegen die bürokratische Degeneration der Kommunistischen Partei und des Sowjetstaats unter dem stalinistischen Regime, und gegen den Verrat am Programm und den Prinzipien des Internationalismus, auf denen die Oktoberrevolution von 1917 beruht hatte.

Wenn ich sage, es war der folgenreichste Kampf, dann aus folgendem Grund: Wäre dieser Kampf anders ausgegangen, hätte er also mit dem Sieg der trotzkistischen Fraktion und der Niederlage des Stalinismus geendet, so wäre das 20. Jahrhundert das Jahrhundert gewesen, in dem die sozialistische Weltrevolution gesiegt hätte. In einem Vortrag, den ich Ende der 1990er Jahre hielt, antwortete ich auf die Behauptung, dass es keine Alternative zum Stalinismus gegeben habe und dass die russische Revolution von Anfang an zum Untergang verurteilt gewesen sei. Vertreten wurde diese Einschätzung von Eric Hobsbawm, einem bekannten britischen Historiker, der 60 Jahre lang in der britischen Kommunistischen Partei aktiv gewesen war. Er hatte ein handfestes politisches und theoretisches Interesse daran, die Möglichkeit einer Alternative zum Stalinismus zu bestreiten. Er rechtfertigte damit seine eigene Politik.

Seine Behauptungen waren allerdings falsch. Die Auseinandersetzungen der 1920er und 1930er Jahre hatten tiefgreifende Auswirkungen auf den Verlauf des letzten Jahrhunderts und damit auch auf die Bedingungen, unter denen wir heute leben. Die Niederlage Trotzkis in der Sowjetunion, d. h. der Sieg des Stalinismus, hatte katastrophale Folgen für den Ausgang des Klassenkampfs in Deutschland. Die Kritik Trotzkis an der Politik der stalinistischen Partei in Deutschland – seine Warnungen vor der Gefahr des Faschismus, seine Kritik an der ultralinken Politik der Kommunistischen Partei – sollte sich als richtig erweisen. Der Aufstieg Hitlers hätte gestoppt werden können. Trotzki trat für eine Einheitsfront der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei ein, der beiden Massenparteien der Arbeiterklasse in Deutschland. Er schrieb, dass nichts wichtiger sei als die Niederlage Hitlers, und er warnte, dass die Niederlage der Arbeiterklasse und die Machtübernahme Hitlers eine weltweite Katastrophe von unvorstellbaren Ausmaßen mit sich bringen würde. Und Trotzki warnte auch, dass die Vernichtung des europäischen Judentums Teil dieser Katastrophe sein würde.

Diese Warnungen wurden ignoriert. Hitler kam an die Macht, und die Folgen waren furchtbar. So kam eine Reihe von Ereignissen in Gang, deren politische Wirkung bis heute anhält. Ohne den Sieg Hitlers, ohne den Sieg des Faschismus, hätte es keine zionistische Massenbewegung gegeben und keine Massenauswanderung von Juden nach Palästina. Damit würde einer der Hauptfaktoren für die eskalierende Krise, die wir jetzt erleben, gar nicht existieren.

Der Sieg der deutschen Arbeiterklasse – die Machtübernahme der Arbeiterklasse im fortgeschrittensten Industrieland Europas – wäre ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Sozialismus in der ganzen Welt gewesen.

Ursprünglich wollte ich in diesem Vortrag die historischen Ereignisse und Themen Revue passieren lassen, die zur Gründung der Linken Opposition geführt haben, und erklären, warum die Lehren aus dieser Geschichte so wichtig sind, um die heutige Weltlage zu verstehen und eine revolutionäre sozialistische Strategie zu entwickeln.

Aber aufgrund der aktuellen Ereignisse, da sind wir uns sicher einig, muss der heutige Vortrag etwas anders aufgebaut werden. Ich werde eingangs auf die aktuelle Lage eingehen und dann aufzeigen, wie sie mit den wesentlichen Fragen der marxistischen Theorie, der politischen Perspektive und des sozialistischen Programms zusammenhängt, die im Mittelpunkt des von der Linken Opposition geführten Kampfs gegen den Stalinismus standen.

David North bei seinem Vortrag am 24. Oktober 2023 an der University of Michigan

Wir erleben derzeit die größte internationale Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es gibt zwei entsetzliche Kriege: in der Ukraine und in Gaza. Genauer gesagt handelt es sich um zwei Fronten in einem rasch eskalierenden Dritten Weltkrieg, dessen Ausmaß und Grausamkeit, wenn er nicht durch eine Antikriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse gestoppt wird, den Ersten Weltkrieg (1914–1918) und den Zweiten Weltkrieg (1939–1945) übertreffen wird. Während wir hier zusammenkommen, ziehen die Vereinigten Staaten im Mittelmeer eine massive militärische Eingreiftruppe zusammen, die von zwei Flugzeugträgern angeführt wird. Die Regierung Biden droht mit einer Intervention, falls die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah zunehmen. Dies könnte zu einem Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran führen.

Präsident Biden hat letzte Woche nach seiner Rückkehr aus Israel ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen hergestellt. Er forderte zusätzliche 105 Milliarden Dollar an Militärausgaben – zusätzlich zu der bereits für 2023 genehmigten Billion – und erklärte, beide Kriege seien entscheidend für die „nationale Sicherheit“ der Vereinigten Staaten, womit er die globalen geopolitischen Interessen des amerikanischen Imperialismus meint.

Die USA und ihre Nato-Verbündeten haben mit Hilfe ihrer ukrainischen Stellvertreter einen imperialistischen Krieg gegen Russland angezettelt, dessen Ziel ein Regimewechsel, die Zerschlagung des Landes, die Neuaufteilung seiner Bruchstücke unter die Nato-Mächte nach den Vorgaben der USA und die Plünderung seiner riesigen Rohstoffvorkommen ist.

Wie die drohende Konfrontation mit dem Iran deutlich macht, ist der israelische Angriff auf die Bevölkerung im Freiluftgefängnis von Gaza eine Ausweitung dieses globalen Kriegs. Ziel des israelischen Angriffs auf Gaza, der sich zu einem Völkermord ausgewachsen hat, ist die Zerschlagung des palästinensischen Widerstands gegen das zionistische Regime. Da sich die Regierung und das Militär Israels der Sprache und Methoden der Vernichtung bedienen, ist es durchaus angebracht, diesen Krieg als „Endlösung“ der Palästinenserfrage aus Sicht des zionistischen Regimes zu bezeichnen.

Dieser Vernichtungskrieg wird von den Regierungen aller großen imperialistischen Staaten unterstützt. Inmitten des Gemetzels an der Bevölkerung des Gazastreifens erklären die imperialistischen Staatschefs ihre Solidarität mit Israel. In einem mittlerweile obligatorischen politischen Ritual sind Präsident Biden, der britische Premierminister Sunak und der deutsche Bundeskanzler Scholz nach Israel gepilgert. Der französische Präsident Macron ist heute dort eingetroffen.

Sie alle bekunden tiefes Mitgefühl für das jüdische Volk und verteidigen den israelischen Angriff auf Gaza unter Berufung auf den Holocaust der Nazis. Das Ausmaß der Lüge und Heuchelei dieser Aussagen ist unermesslich. Sie alle sind die politischen Nachfolger von Regierungen, die von 1939 bis 1945 die Verfolgung und den Massenmord an den Juden entweder organisiert, dabei kollaboriert oder die Augen davor verschlossen haben. Mit der Vernichtung der Juden durch die deutsche herrschende Klasse in den Jahren, in denen sie Adolf Hitler die Macht und die Verteidigung ihrer wirtschaftlichen Interessen anvertraute, erreichte die Fäulnis der kapitalistischen Gesellschaft eine grauenhafte Stufe: den Einsatz moderner Technologie und industrieller Organisation für das Verschleppen und Töten von Millionen Menschen. Die französische herrschende Klasse kollaborierte mit dem Naziregime. Etwa 25 Prozent der jüdischen Bürger Frankreichs wurden den Nazis zur Vernichtung überlassen.

Ungarische Juden bei der Ankunft im Vernichtungslager Auschwitz [Photo: Anonymous Auschwitz photographer]

Großbritannien war nicht von den Nazis besetzt, und seine relativ kleine jüdische Bevölkerung blieb von den Schrecken der Vernichtung verschont. Aber in der grausamen Behandlung der Juden, die aus dem von den Nazis besetzten Europa geflohen waren, zeigte sich, welcher Antisemitismus in der britischen herrschenden Klasse grassierte.

Über 20.000 deutsche Juden, die nach Großbritannien geflohen waren, wurden als „feindliche Ausländer“ eingestuft, festgenommen und in Internierungslagern auf der Isle of Man in der Irischen See untergebracht. In einem dieser Lager, dem „Hutchinson Camp“, saßen 1.200 Flüchtlinge ein, darunter führende Künstler, Musiker und Intellektuelle. Eine detaillierte Beschreibung dieser Masseninternierung von jüdischen Flüchtlingen findet sich in dem Buch The Island of Extraordinary Captives des Journalisten Simon Parkin. Die britische Regierung hat die Misshandlung der jüdischen Flüchtlinge nie zugegeben, geschweige denn sich dafür entschuldigt.

Was die Vereinigten Staaten betrifft, so ist die Gleichgültigkeit der Regierung Roosevelt gegenüber dem Schicksal der Juden eine unwiderlegbare historische Tatsache. Hunderttausende europäischer Juden, die hätten gerettet werden können, starben in den Gaskammern der Nazis, weil ihnen die Einreise in die Vereinigten Staaten verwehrt wurde. Im Jahr 1939 verweigerten die Vereinigten Staaten 900 jüdischen Flüchtlingen die Erlaubnis, von Bord der MS St. Louis an Land zu gehen. Sie waren gezwungen, nach Europa zurückzukehren. Hunderte dieser Flüchtlinge wurden anschließend von den Nazis ermordet. Selbst als bekannt wurde, dass Nazideutschland täglich Tausende von Juden vergast, wurden militärische Maßnahmen, die den Transport der Juden in die Vernichtungslager hätten stören können, zum Beispiel die Bombardierung der Eisenbahnstrecken nach Auschwitz, rundweg abgelehnt.

War es späte Reue über ihr Versagen bei der Rettung der Juden vor dem Völkermord Hitlers, die die Vereinigten Staaten veranlasste, sich für die Gründung Israels einzusetzen? Biden brüstete sich letzte Woche damit, dass die Vereinigten Staaten unter Präsident Harry Truman das erste Land waren, das den Staat Israel nach seiner Gründung im Jahr 1948 anerkannte. Grund für diese Entscheidung Trumans war jedoch nicht Mitgefühl für das jüdische Volk.

Ungeachtet seiner gut dokumentierten antisemitischen Bigotterie ließ sich Truman in seiner Politik davon leiten, was in seinen Augen für die Interessen des amerikanischen Imperialismus das Beste war: in erster Linie die Ablösung Großbritanniens als wichtigste imperialistische Macht im Nahen Osten und schließlich der Einsatz Israels als Washingtons wichtigster Kettenhund in der Region. Diese Rolle hat das Land in seiner gesamten 75-jährigen Geschichte fast durchgängig erfüllt. Wie Biden in seiner Rede vor dem israelischen Parlament mit bemerkenswerter Offenheit betonte: „Ich habe schon immer gesagt: Wenn es Israel nicht gäbe, müssten wir es erfinden.“ Israels Dienste als Klientelstaat des amerikanischen Imperialismus sind für den US-Nato-Imperialismus wichtiger denn je, denn er bereitet sich auf militärische Operationen gegen den Iran vor.

Man kann nicht übersehen, dass die bedingungslose Unterstützung Israels seitens der imperialistischen Mächte mit einem offenen Bündnis mit dem Regime in der Ukraine einhergeht, dessen wichtigster Nationalheld, Stepan Bandera, ein bösartiger Faschist und Antisemit war – Führer der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die bei der Ausrottung der Juden in der Ukraine mit den Nazis kollaborierte.

Giorgia Meloni, die faschistische Ministerpräsidentin Italiens, die ihren politischen Stammbaum auf Benito Mussolini zurückführt, ist ebenfalls nach Israel gereist und hat sich an der Seite von Netanjahu mit dem zionistischen Regime solidarisch erklärt.

Letzten Monat erhoben sich alle Mitglieder des kanadischen Parlaments sowie Premierminister Justin Trudeau und der deutsche Botschafter, um dem ukrainischen Faschisten Jaroslaw Hunka, der in der Waffen-SS als Verbündeter der Nazis im Krieg gegen die Sowjetunion gedient hatte, eine stehende Ovation darzubringen.

Das kanadische Parlament applaudiert Jaroslaw Hunka, einem ehemaligen Mitglied der Waffen-SS Galizien. Ganz links (halb abgeschnitten) der Chef des kanadischen Verteidigungsstabs, General Wayne Eyre

Die eklatante Kollaboration der imperialistischen Mächte mit den ukrainischen Faschisten, die insbesondere in Deutschland mit dem ständigen Bemühen einhergeht, die Verbrechen des Naziregimes zu relativieren und zu rechtfertigen, hindert die Vereinigten Staaten, ihre Nato-Verbündeten und natürlich das zionistische Regime nicht daran, jeden, der die brutale Verletzung der demokratischen Rechte der Palästinenser durch Israel aufdeckt, anprangert oder auch nur in Frage stellt, des „Antisemitismus“ zu bezichtigen.

Während seiner jüngsten Welttournee wurde dem legendären Musiker Roger Waters unaufhörlich Antisemitismus vorgeworfen, weil er den Mut hatte, das palästinensische Volk zu verteidigen. Jeder, der das Werk von Roger Waters kennt, weiß, dass er ein bedeutender Künstler ist, der sich an vorderster Front für die Menschenrechte einsetzt, und dass sein Widerstand gegen die Politik des israelischen Regimes absolut nichts mit Antisemitismus zu tun hat.

Der Antisemitismus, der im späten 19. Jahrhundert als mächtige reaktionäre Bewegung zunächst in Wien unter Bürgermeister Karl Lueger entstand, diente von Anfang an als Waffe für den politischen und ideologischen Kampf gegen die aufkommende sozialistische Arbeiterbewegung. Der Zusammenhang zwischen dem Judenhass der Antisemiten und ihrem Hass auf den Sozialismus und die Arbeiterbewegung war weithin bekannt.

Diese Verquickung fand in der Weltanschauung und Politik von Adolf Hitler ihren bösartigsten Ausdruck. Auf der Grundlage einer sorgfältigen Lektüre von Hitlers Mein Kampf führte der Journalist Konrad Heiden, einer der ersten Biographen Hitlers, den rasenden Antisemitismus des Naziführers darauf zurück, dass er die Juden mit der Arbeiterklasse und dem Sozialismus gleichsetzte. Heiden schrieb:

Da ging ihm ein großes Licht auf. Plötzlich wurde die „Judenfrage“ klar … Die Arbeiterbewegung stieß ihn nicht ab, weil sie von Juden geführt wurde, sondern die Juden stießen ihn ab, weil sie die Arbeiterbewegung führten … Nicht Rothschild der Kapitalist, sondern Karl Marx der Sozialist entfachte Adolf Hitlers Antisemitismus. (Konrad Heiden, Der Fuehrer, Boston 1944, S. 58)

Und was an der Arbeiterbewegung war es, das Hitlers Hass erregte? Es war vor allem die Forderung nach der Gleichheit aller Menschen. Heiden schrieb:

Einer der typischsten Vorwürfe Hitlers an die Arbeiterbewegung lautet, dass sie sich in Österreich für gleiche Rechte eingesetzt habe – zum Nachteil der von Gott auserwählten Herrenrasse.

Aber jetzt hat der Antisemitismus im Interesse des Imperialismus eine völlig neue Bedeutung gewonnen. Es dient als Schimpfwort, um diejenigen zu denunzieren und zu diskreditieren, die für demokratische Rechte, die Gleichheit der Menschen und – natürlich – den Sozialismus kämpfen.

Die Propagandakampagne, mit der jetzt der völkermörderische Krieg Israels gegen die Palästinenser gerechtfertigt wird, hat noch ein weiteres Element. Der Ausbruch aus dem Gazastreifen am 7. Oktober, der von der Hamas angeführt wurde und den Tod von etwa 1.500 Israelis zur Folge hatte, wird als ein monströses Verbrechen dargestellt, als Ausdruck dessen, was Biden mehrfach als „das pure, ungeschminkte Böse“ bezeichnet hat

Der Tod so vieler unschuldiger Menschen ist tragisch. Aber die Wurzeln dieser Tragödie liegen in objektiven historischen Entwicklungen und politischen Bedingungen, die ein solches Ereignis unvermeidlich machten. Wie immer sträuben sich die herrschenden Klassen gegen jeden Hinweis auf die Ursachen des Aufstands. Ihre eigenen Massaker und das gesamte blutige System der Unterdrückung, das sie in aller Brutalität betreiben, dürfen nicht erwähnt werden.

Aber ist es wirklich überraschend, dass sich die Wut über die jahrzehntelange Unterdrückung durch das zionistische Regime explosiv Bahn gebrochen hat? So ist es auch früher gewesen, und solange Menschen unterdrückt und misshandelt werden, wird es auch in Zukunft so bleiben. Von denjenigen, die unter Unterdrückung leiden, kann nicht erwartet werden, dass sie in einer verzweifelten Rebellion, bei der ihr eigenes Leben auf dem Spiel steht, ihren Peinigern mit zartfühlender Höflichkeit begegnen. Solche Aufstände sind oft durch grausame und blutige Racheakte gekennzeichnet.

Es gibt viele Beispiele: der Sepoy-Aufstand in Indien, der Aufstand der Dakota-Indianer gegen die Siedler, der Boxeraufstand in China, der Aufstand der Hereros in Südwestafrika und, in jüngerer Zeit, der Aufstand der Mau Mau in Kenia. Jedes Mal wurden die Aufständischen als herzlose Mörder und Dämonen beschimpft und mit brutaler Vergeltung überzogen. Es mussten Jahrzehnte, wenn nicht gar ein Jahrhundert oder mehr vergehen, bis sie mit Verspätung als Freiheitskämpfer geehrt wurden.

„Boxer“, die 1901 in der Nähe von Tianjin von der 6. US-Kavallerie gefangen genommen wurden. Nach der Einschätzung von Historikern waren sie nur Zuschauer. [Photo by ralph repo / CC BY 2.0]

Als Abraham Lincoln über die Ursachen für den amerikanischen Bürgerkrieg sprach, der zu mehr als 700.000 Toten geführt hatte, führte er diese Tragödie auf 250 Jahre Sklaverei zurück und berief sich auf die Worte aus dem Evangelium nach Matthäus: „Wehe der Welt mit ihrer Verführung! Es muss zwar Verführung geben; doch wehe dem Menschen, der sie verschuldet.“ Im Fall der Palästinenser und der Bevölkerung von Gaza geht die „Verführung“ vom zionistischen Staat und seinen imperialistischen Schutzherren aus.

Die lange Geschichte zionistischer Massaker an Palästinensern, ohne die der Staat Israel nicht hätte gegründet werden können, wird bei der Verurteilung der Hamas und der Palästinenser ausgeklammert. Selbst kurz zurückliegende Ereignisse wie die Erschießung von mehr als 200 Bewohnern des Gazastreifens durch israelische Soldaten im Jahr 2018, als diese friedlich auf ihrer Seite der Grenze demonstrierten, werden aus der Berichterstattung herausgehalten.

Erst heute hat John Kirby, der Sprecher der Regierung Biden, wieder ausdrücklich erklärt, dass die Vereinigten Staaten einen Waffenstillstand ablehnen. Er räumte ein, dass viele Zivilisten sterben würden, aber das sei nun einmal so. Mit dieser Aussage hat er die gesamte Grundlage seiner Verurteilung der Hamas ad absurdum geführt. Er sagt schlicht: „Ja, bei einer Militäraktion sterben Zivilisten, aber daran ist nichts auszusetzen, wenn diese Zivilisten von Israelis getötet werden. Mit dem ,puren, ungeschminkten Bösen‘ haben wir es nur zu tun, wenn Zivilisten bei einer Militäraktion der Palästinenser sterben.“

Man hat uns gefragt, warum wir die Hamas nicht für die Gewalt vom 7. Oktober verurteilt haben. Die Antwort ist, dass wir den reaktionären Zynismus und die Heuchelei, Widerstand gegen Unterdrückung zu verurteilen und die episodische Gewalt der Unterdrückten mit der weitaus größeren, unbarmherzigen und systematischen Gewalt der Unterdrücker gleichzusetzen, nicht mitmachen und ihnen keine Legitimität verleihen.

Die Heuchelei wird dadurch verstärkt, dass unter den Gründern des Staates Israel Terroristen waren, die weder vor Bombenanschlägen noch vor Morden zurückschreckten, um ihre politischen Ziele zu erreichen.

Eine der Hauptfiguren in dem Film Exodus, der 1960 zur Verherrlichung der Gründung des Staates Israel gedreht wurde, und zwar eine seltsam ehrliche Hauptfigur, ist ein Anführer einer zionistischen Terrorgruppe. Er erklärt und rechtfertigt ganz unverblümt den Einsatz von Terror. Dieser Mann wird in dem Film als eine fehlgeleitete, aber heroische Gestalt dargestellt. Ihr Vorbild war der Anführer der berüchtigten zionistischen Terrororganisation Lechi, auch als Stern-Bande bekannt. Ihr Gründer Avraham Stern hatte geschrieben:

Das Schicksal der Nationen wurde schon immer durch Gewalt geschmiedet … Das Schicksal des Landes Israel wurde schon immer durch das Schwert bestimmt, nicht durch Diplomatie. Die einzige Gerechtigkeit in der Welt ist Gewalt, und das höchste Gut in der Welt ist die Freiheit. Das Recht auf Leben wird nur dem Starken gewährt, und wenn Macht nicht rechtmäßig verliehen wird, sollte sie illegal erobert werden.

Der operative Anführer der Stern-Bande war Jitzchak Schamir, der 1948 die Ermordung von Graf Folke Bernadotte anordnete – dem Vermittler der Vereinten Nationen, der mit den Verhandlungen über die Beilegung des Kriegs nach der Ausrufung des Staates Israel betraut worden war. Welche Strafe erhielt Schamir für die Ermordung des UN-Vermittlers? In den Jahren nach der Unabhängigkeit Israels bekleidete er eine hochrangige Position in dessen Geheimpolizei Mossad. 1983 wurde Schamir Premierminister. Seine erste Amtszeit endete 1984. Doch 1986 eroberte er das Amt zurück und behielt es bis 1992 bei. Er verstarb 2011 im Alter von 96 Jahren, und alle führenden Politiker des israelischen Staates zollten dem skrupellosen Terroristen höchste Anerkennung.

Unsere Kritik an der Hamas ist politischer, nicht heuchlerisch-moralischer Natur. Sie ist eine bürgerlich-nationale Bewegung, und ihre Methoden, einschließlich Militäroperationen wie der vom 7. Oktober, können weder die Niederlage des zionistischen Regimes noch die Befreiung des palästinensischen Volkes herbeiführen. Und da die Hamas stets von der Schirmherrschaft des einen oder anderen bürgerlichen Regimes im Nahen Osten abhängig ist, bleibt ihr Kampf gegen den zionistischen Staat immer den Interessen der herrschenden kapitalistischen Eliten der Region untergeordnet und damit auch deren reaktionären Manövern mit dem israelischen Regime und dem Weltimperialismus.

Letztendlich kann die Befreiung des palästinensischen Volkes nur durch einen vereinten Kampf der arabischen und jüdischen Arbeiterklasse erreicht werden, der sich gegen das zionistische Regime und gegen die verräterischen kapitalistischen Regierungen der arabischen Länder und des Iran richtet und darauf abzielt, sie durch eine Union sozialistischer Republiken im gesamten Nahen Osten, ja in der ganzen Welt zu ersetzen.

Tausende protestieren in Sanaa, Jemen, 20. Oktober 2023 [Photo: QudsNewsNetwork]

Das ist eine gigantische Aufgabe. Aber es ist die einzige Perspektive, die auf einer richtigen Einschätzung der gegenwärtigen Phase der Weltgeschichte, der Widersprüche und der Krise des Weltkapitalismus sowie der Dynamik des internationalen Klassenkampfes beruht. Die Kriege in Gaza und in der Ukraine sind tragische Beweise für die katastrophale Rolle und Auswirkungen nationaler Programme in einer historischen Epoche, deren wesentliche und prägende Merkmale sich ergeben aus dem Primat der Weltwirtschaft, dem global integrierten Charakter der Produktivkräfte des Kapitalismus und somit der Notwendigkeit, den Kampf der Arbeiterklasse auf eine internationale Strategie zu stützen.

Diese Perspektive gilt genauso für die israelische Arbeiterklasse. In der gegenwärtigen Situation, in der die militärische Macht des zionistischen Staates eingesetzt wird, um den palästinensischen Widerstand zu zerschlagen, richtet sich die Aufmerksamkeit zu Recht auf die Verbrechen des israelischen Regimes.

Es wäre jedoch ein politischer Fehler, zu übersehen, dass die Gründung des zionistischen Staates nicht nur für die Palästinenser, sondern auch für die jüdische Bevölkerung eine Tragödie war und ist. Der Zionismus war nie eine Lösung für die historische Unterdrückung und Verfolgung des jüdischen Volkes und ist es auch heute nicht. Das zionistische Projekt beruhte von Anfang an auf einer reaktionären Ideologie und einem reaktionären Programm. Es führte den Antisemitismus auf eine falsche Quelle zurück und schrieb ihm einen bleibenden und überhistorischen Charakter zu. Daher strebte der Zionismus nie die Überwindung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnisse des Kapitalismus an, die die Quelle des modernen politischen Antisemitismus waren und sind, und wandte sich sogar gegen dieses Ziel.

Beginnend mit Theodor Herzl, dem Begründer des modernen Zionismus, richtete sich das Konzept eines jüdischen Staates gegen das sozialistische Programm, das im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert unter den Massen der jüdischen Arbeiter immer mehr an Boden gewann. Der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse als Weg zur Befreiung der Juden setzte der Zionismus ein Bündnis mit der einen oder anderen reaktionären Macht entgegen. In einem offenen Brief, der 1944 an eine Konferenz der britischen Labour Party gerichtet war, erklärten die Trotzkisten in Palästina:

Während seiner gesamten Geschichte hat der Zionismus immer reaktionäre Kräfte unterstützt. Dr. Herzl, der Begründer des Zionismus, schloss mit dem zaristischen Minister Plehwe (Organisator des Pogroms gegen die Juden von Kischinew) ein Abkommen, das vorsah, dass die zionistische Bewegung als Druckmittel gegen die jüdischen Sozialisten eingesetzt werden sollte, wofür Plehwe im Gegenzug seinen Einfluss bei dem [türkischen] Sultan geltend machen sollte, um eine Charta für den Zionismus in Palästina zu erhalten. (Offener Brief an eine Konferenz der britischen Labour Party, 1944)

Theodor Herzl, der Vater des modernen politischen Zionismus [Photo: Carl Pietzner]

In den ersten vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, vor der Gründung des Staates Israel, war die Strategie der zionistischen Führer auf ein Bündnis mit dem britischen Imperialismus gerichtet. Die Erklärung von Außenminister Balfour aus dem Jahr 1917, in der er seine Unterstützung für ein jüdisches Heimatland in Palästina zusagte, wurde von den Zionisten als höchste und unumkehrbare Bestätigung für die Legitimität ihres Projekts gefeiert. Natürlich wurden die Palästinenser nicht gefragt und hatten auch kein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit.

Den Zionisten war das gleichgültig, denn sie wussten genau, dass ihr Projekt nur in dem Maße lebensfähig war, wie die Gründung eines nicht-arabischen jüdischen Staates den imperialistischen Interessen diente. Dies wurde von Wladimir Jabotinsky, dem Führer des faschistischen Flügels der zionistischen Bewegung und Mentor des späteren israelischen Premierministers Menachem Begin, mit bemerkenswerter Klarheit ausgesprochen. Jabotinsky schrieb:

Auf die Binsenweisheit von der Bedeutung Palästinas für die britischen imperialen Interessen brauche ich hier nicht einzugehen; ich muss nur ergänzen, dass ihre Gültigkeit von einer vorrangigen Bedingung abhängt, nämlich dass Palästina aufhört, ein arabisches Land zu sein. Die Mängel aller „Hochburgen“ Englands im Mittelmeerraum liegen darin begründet, dass sie (mit der einzigen Ausnahme des kleinen Malta) alle von Bevölkerungen bewohnt werden, deren nationale Magnetzentren anderswo liegen und die daher organisch und unheilbar zentrifugal sind. England regiert sie gegen ihren Willen, und das ist unter den heutigen Bedingungen ein prekärer Zustand. … Sollte Palästina arabisch bleiben, würde Palästina auf den arabischen Kurs einschwenken – Sezession, Föderation der arabischen Länder und Beseitigung aller Spuren europäischen Einflusses. Aber ein überwiegend jüdisches Palästina, ein Palästina als jüdischer Staat, der von allen Seiten von arabischen Ländern umgeben ist, wird im Interesse seiner Selbsterhaltung immer versuchen, sich auf ein mächtiges, nicht-arabisches und nicht-mohammedanisches Reich zu stützen. Dies ist eine geradezu von der Vorsehung geschaffene Grundlage für ein dauerhaftes Bündnis zwischen England und einem jüdischen (aber nur einem jüdischen) Palästina.

Das zionistische Bündnis mit dem britischen Imperialismus wurde durch das Herannahen und den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs untergraben, der die Regierung in London zu einer politischen Kurskorrektur im Nahen Osten zwang, bei der sie die jüdische Einwanderung nach Palästina begrenzen musste. Teile der zionistischen Bewegung reagierten mit gewaltsamen Angriffen auf britische Einrichtungen. Unter anderem wurden zwei britische Soldaten gehenkt und das King-David-Hotel bombardiert. Doch das Bündnis mit dem Imperialismus blieb bestehen. Nach seiner Gründung 1948 fungierte Israel als wichtiger Verbündeter des britischen und französischen Imperialismus im Kampf gegen den wachsenden arabischen Nationalismus. 1956 beteiligte sich Israel gemeinsam mit Großbritannien und Frankreich an der Invasion Ägyptens, um das von Nasser geführte bürgerlich-nationale Regime zu stürzen und die Kontrolle über den Suezkanal wiederzuerlangen. Nachdem die Vereinigten Staaten jedoch Großbritannien und Frankreich gezwungen hatten, den Krieg zu beenden und ihre Truppen aus Ägypten abzuziehen, setzte Israel ganz auf enge Beziehungen zum amerikanischen Imperialismus.

Die Aufrechterhaltung eines jüdischen Apartheidstaats, der das palästinensische Volk gewaltsam unterdrückt und zugleich innenpolitisch in Richtung Faschismus geht, ist untrennbar mit der Rolle Israels als Dreh- und Angelpunkt des Imperialismus im Nahen Osten verbunden. Als massiv bewaffnete Garnison des US-Imperialismus muss es in allen von Washington angezettelten Kriegen eingesetzt werden, mit letztlich katastrophalen Folgen.

Im Dezember 1938 warnte Trotzki, dass die Ausbreitung des Faschismus und der bevorstehende Ausbruch eines zweiten imperialistischen Weltkriegs eine existenzielle Bedrohung für das jüdische Volk darstellten. „Man kann sich leicht vorstellen“, schrieb er, „was die Juden schon zu Beginn eines zukünftigen Weltkriegs erwartet. Aber auch ohne Krieg bedeutet die weitere Entwicklung der Weltreaktion fast mit Zwangsläufigkeit die physische Vernichtung des Judentums.“ (Leo Trotzki: Jüdische Bourgeoisie und revolutionärer Kampf)

Im Juli 1940, ein Jahr nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, erklärte Trotzki: „Der Versuch, die Judenfrage durch die Auswanderung von Juden nach Palästina zu lösen, kann jetzt als das gesehen werden, was er ist: eine tragische Verhöhnung des jüdischen Volkes. … Nie war es so klar wie heute, dass die Rettung des jüdischen Volkes untrennbar mit dem Sturz des kapitalistischen Systems verbunden ist.“ (Leo Trotzki, On the Jewish Problem)

Leo Trotzki

Der Zweite Weltkrieg führte zur Vernichtung von 6 Millionen Juden. Doch nach dieser Katastrophe verwirklichte sich die „tragische Verhöhnung des jüdischen Volkes“, vor der Trotzki gewarnt hatte, in der Verwandlung eines historisch unterdrückten Volkes in einen Unterdrücker. Natürlich schreckt ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung in der ganzen Welt, auch in Israel selbst, vor einer solchen Identität zurück. Sie wollen niemanden unterdrücken. Aber politische Programme – auch das Programm des Nationalismus – haben Konsequenzen, die nicht von rein subjektiven Absichten bestimmt werden.

Die Gründung des zionistischen Staates war das direkte Ergebnis der Niederlagen, die die Arbeiterklasse in den 1920er und 1930er Jahren aufgrund des Verrats des Stalinismus und der Sozialdemokratie erlitten hatte. Ohne die Masse der Vertriebenen, der Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager, und ohne die politische Demoralisierung und den Verlust des Vertrauens in die Perspektive des Sozialismus hätten die zionistischen Führer nicht über die nötige Zahl von Menschen verfügt, um einen terroristischen Krieg gegen das palästinensische Volk zu führen, es aus seinen Häusern und Dörfern zu vertreiben und mit im Wesentlichen kriminellen Methoden einen jüdischen Nationalstaat zu errichten.

Doch nun, 75 Jahre später, bestätigt sich Trotzkis weitsichtige Einschätzung des Zionismus als „tragische Verhöhnung“. Der Kern dieser Tragödie besteht darin, dass der Nationalstaat zu einem historischen Zeitpunkt als Lösung angesehen wurde, zu dem diese Form der politischen Organisation bereits zum Haupthindernis für den gesellschaftlichen Fortschritt geworden war. In einem Essay mit dem Titel „Botschaft eines nichtjüdischen Juden“ beschrieb Isaac Deutscher, der Biograph Trotzkis, die Gründung Israels als „die paradoxe Vollendung der jüdischen Tragödie“. Es sei paradox, erklärte er, „weil wir in einer Zeit leben, in der der Nationalstaat schnell zu einer archaischen Erscheinung wird – nicht nur der Nationalstaat Israel, sondern auch die Nationalstaaten Russland, die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere. Das sind alles Anachronismen.“ Die historische Periode, in der Nationalstaaten ein fortschrittlicher Faktor in der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Menschheit waren, war zu Ende gegangen. Dies gilt nicht nur für die alten, etablierten Nationalstaaten, sondern auch für die neuen Staaten, die auf der Grundlage der antikolonialen Kämpfe der Nachkriegszeit entstanden sind.

Deutscher schrieb:

Selbst die jungen Nationalstaaten, die aus dem notwendigen und fortschrittlichen Emanzipationskampf der kolonialen und halbkolonialen Völker hervorgegangen sind – Indien, Birma, Ghana und andere – können meiner Meinung nach ihren fortschrittlichen Charakter nicht lange bewahren. Sie stellen eine notwendige Etappe in der Geschichte einiger Völker dar; aber es ist eine Etappe, die auch diese Völker überwinden müssen, um einen größeren Rahmen für ihre Existenz zu finden. In unserer Epoche ist jeder neue Nationalstaat schon bald nach seiner Gründung vom allgemeinen Niedergang dieser Form der politischen Organisation betroffen; dies zeigt sich bereits in den kurzen Erfahrungen Indiens, Ghanas und Israels. Die Welt hat die Juden gezwungen, sich zum Nationalstaat zu bekennen und ihn zu ihrem Stolz und ihrer Hoffnung zu machen, gerade zu einer Zeit, in der ihm nur noch wenig oder gar keine Hoffnung mehr innewohnt. Man kann nicht die Juden dafür verantwortlich machen, man muss die Welt dafür verantwortlich machen. Aber die Juden sollten sich zumindest des Paradoxons bewusst sein und erkennen, dass ihre Begeisterung für „nationale Souveränität“ historisch zu spät kommt. Sie profitierten nicht von den Vorteilen des Nationalstaats wie in jenen Jahrhunderten, in denen er ein Mittel des Fortschritts der Menschheit und ein großer revolutionärer und vereinigender Faktor in der Geschichte war. Sie haben ihn erst in Besitz genommen, als er bereits zu einem Faktor der Uneinigkeit und des gesellschaftlichen Zerfalls geworden war.

Karl Marx (1818-1883)

Unter Hinweis auf das Beispiel von Spinoza, Marx, Heine, Trotzki und Luxemburg schließt Deutscher seinen Aufsatz mit der Hoffnung, dass

die Juden zusammen mit anderen Nationen sich schließlich der Unzulänglichkeit des Nationalstaates bewusst werden – oder wieder bewusst werden – und dass sie zu dem moralischen und politischen Erbe zurückfinden, das der Genius der Juden, die über das Judentum hinausgewachsen sind, uns hinterlassen hat – die Botschaft der universellen Emanzipation der Menschheit.

Dies bringt uns zurück zur Bedeutung des hundertjährigen Bestehens des Trotzkismus im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Weltkrise. Die spezifischen Probleme, die zur Bildung der Linken Opposition führten und am 15. Oktober 1923 in der „Erklärung der 46“ gegenüber dem Politbüro des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Russlands dargelegt wurden, drehten sich um die immer tiefere Wirtschaftskrise der Sowjetunion und um die Schwächung der innerparteilichen Demokratie infolge des wachsenden Gewichts der Bürokratie sowohl im Sowjetstaat als auch in der Kommunistischen Partei.

Die in dieser Erklärung aufgeworfenen Fragen waren von immenser Bedeutung. Doch wie im Laufe der folgenden Wochen, Monate und Jahre immer klarer wurde, lag die eigentliche Ursache des politischen Konflikts in zwei unversöhnlich entgegengesetzten Auffassungen von der Bedeutung der Oktoberrevolution 1917 und vom Charakter der historischen Epoche.

Der Sturz der bürgerlichen Provisorischen Regierung und die Errichtung des ersten Arbeiterstaats hatten auf dem Programm der internationalen sozialistischen Revolution beruht. Grundlage für die Entscheidung, die Macht zu ergreifen, war nicht allein die Einschätzung der russischen Verhältnisse, sondern die Krise des kapitalistischen Weltsystems, die sich im Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 gezeigt hatte. Die wesentliche Ursache für den Kriegsausbruch, dem nach drei Jahren in Russland die Revolution folgte, war der Widerspruch zwischen der Weltwirtschaft und dem bürgerlichen Nationalstaatensystem.

Die kapitalistisch-imperialistische Lösung dieses Widerspruchs bestand in Eroberungskriegen, der Aneignung von Territorien und der Neuaufteilung von Kolonien – also der Neuaufteilung der Welt. Die sozialistische Lösung war die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse, die Abschaffung des Kapitalismus und die Auflösung des Nationalstaatensystems. Diese „Lösung“ war keine Utopie. Die sozialistische Weltrevolution entsprang denselben globalen Widersprüchen, die auch zum Weltkrieg geführt hatten. Auf dieser Einschätzung der Weltlage beruhte die Strategie, die Lenin 1917 verfolgte – unter dem Einfluss der Theorie der permanenten Revolution, die Leo Trotzki im vorangegangenen Jahrzehnt entwickelt hatte. Der entscheidende Faktor für die bolschewistische Strategie war nicht, ob Russland als nationales Gebilde für den Sozialismus reif war, d. h. ob sein wirtschaftlicher Entwicklungsstand für einen Übergang zum Sozialismus ausreichte. In der Tat war Russland als das wirtschaftlich rückständigste der großen kapitalistischen Länder jener Zeit nicht „reif“ für den Sozialismus. Aber die Probleme der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung, mit denen Russland vor dem Hintergrund der Weltkrise konfrontiert war, konnten nur durch den Sturz der Kapitalistenklasse, den Übergang der Macht auf die Arbeiterklasse und die beginnende Neuorganisation des Wirtschaftslebens auf der Grundlage sozialistischer Eigentumsverhältnisse gelöst werden.

W. I. Lenin

Mit einer rein nationalen Strategie allerdings war der Übergang des sowjetischen Staates zum Sozialismus nicht möglich. Das Schicksal des Arbeiterstaats, der im Oktober 1917 auf der Grundlage einer proletarischen Revolution unter Führung einer marxistischen Partei errichtet worden war, hing davon ab, dass die Revolution über die Grenzen Russlands hinaus auf die fortgeschrittenen kapitalistischen Zentren Westeuropas und Nordamerikas ausgedehnt wurde.

Dies war die vorherrschende Auffassung, solange Lenin an der Spitze der Bolschewistischen Partei stand. Sie fand ihren höchsten Ausdruck in der Gründung der Kommunistischen Internationale im Jahr 1919. In den ersten vier Jahren ihres Bestehens kamen auf ihren Kongressen Revolutionäre aus der ganzen Welt zusammen, um nationale Sektionen aufzubauen, die in der Lage sein sollten, die Macht zu erobern und die Weltrevolution voranzutreiben. Doch die Verschlechterung von Lenins Gesundheitszustand im Jahr 1922, sein vollständiger Rückzug aus der Politik infolge eines Schlaganfalls im März 1923 und sein Tod im Januar 1924 fielen mit dem Wiederaufleben nationalistischer Tendenzen innerhalb der bolschewistischen Führung zusammen und begünstigten diese Tendenzen.

Die Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung in der UdSSR wurden zunehmend aus nationaler und nicht mehr aus internationaler Sicht interpretiert. Diese Tendenz stand in engem Zusammenhang mit dem wachsenden Gewicht und Einfluss der Partei- und Staatsbürokratie. Der Aufstieg Josef Stalins zur Macht war ein Ausdruck dieses Prozesses. Die Anfangsphase des Fraktionskampfs war vom Ärger der Bürokratie über die Kritik Trotzkis und der Linken Opposition am Parteiregime beherrscht. Doch im weiteren Verlauf traten 1924 die grundlegenden programmatischen Unterschiede zutage. Der Angriff der Bürokratie auf Trotzki konzentrierte sich auf die Theorie der permanenten Revolution, d. h. darauf, dass er den wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Schicksal der Sowjetunion und dem Sieg der Weltrevolution hervorhob.

Während des gesamten Jahres 1924 versuchten Trotzkis Gegner in der bolschewistischen Führung – angeführt von einer prinzipienlosen Fraktion aus Grigorij Sinowjew, Lew Kamenew und Stalin – Trotzki zu diskreditieren, indem sie behaupteten, seine Theorie der permanenten Revolution sei anti-leninistisch und drücke einen Mangel an Vertrauen in die Treue der russischen Bauernschaft zum Sozialismus aus. Der zunehmend erbitterte Kampf erreichte am 17. Dezember 1924 einen kritischen Punkt: Erstmals trug Stalin die Theorie des „Sozialismus in einem Land“ vor und erklärte damit – im Gegensatz zur permanenten Revolution – ausdrücklich, dass es möglich sei, auf Grundlage der russischen Ressourcen zum Sozialismus zu gelangen, ohne die sozialistische Revolution auf die fortgeschrittenen Zentren des Weltkapitalismus auszudehnen.

Stalin, Rykow, Kamenew und Sinowjew

Stalin legitimierte mit dieser Rede ein nationalistisches Programm, mit dem die Verbindung zwischen der russischen Revolution und der sozialistischen Weltrevolution gekappt wurde. Dies hatte im weiteren Verlauf nicht nur tiefgreifende Auswirkungen auf die Innenpolitik des stalinistischen Regimes. Es veränderte auch von Grund auf den Charakter der Kommunistischen Internationale, die sich von einem Instrument zur Ausbreitung der sozialistischen Weltrevolution in eine Hilfsagentur der sowjetischen Außenpolitik verwandelte und die revolutionäre Strategie den pragmatischen Interessen der Sowjetunion als Nationalstaat unterordnete. Zunächst hatte die nationalistische Politik des Sowjetregimes eine Desorientierung der Sektionen der Kommunistischen Internationale zu Folge, die zu großen Niederlagen der Arbeiterklasse in Großbritannien, China und Deutschland führte.

Mitte der 1930er Jahre, nach dem Sieg der Nazis und der vollständigen Zerschlagung der deutschen Arbeiterklasse, nahm die Politik der stalinistischen Kommunistischen Internationale einen bewusst konterrevolutionären Charakter an. Die Vernichtung der Sozialisten in der Sowjetunion während des Terrors, der mit den Moskauer Prozessen 1936 begann, ging einher mit dem stalinistischen Verrat an der spanischen Revolution, der den Weg für den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ebnete.

Der Kampf der Linken Opposition war in erster Linie eine Verteidigung des sozialistischen Internationalismus und der Strategie der sozialistischen Weltrevolution. 1930, nachdem er aus der Russischen Kommunistischen Partei und der Kommunistischen Internationale ausgeschlossen und aus der Sowjetunion verbannt worden war, bekräftigte Trotzki die wesentlichen Postulate der Theorie der permanenten Revolution. Er schrieb:

Der Abschluss einer sozialistischen Revolution ist im nationalen Rahmen undenkbar. Eine grundlegende Ursache für die Krisis der bürgerlichen Gesellschaft besteht darin, dass die von dieser Gesellschaft geschaffenen Produktivkräfte sich mit dem Rahmen des nationalen Staates nicht vertragen. Daraus ergeben sich einerseits die imperialistischen Kriege, andererseits die Utopie der bürgerlichen Vereinigten Staaten von Europa. Die sozialistische Revolution beginnt auf nationalem Boden, entwickelt sich international und wird vollendet in der Weltarena. Folglich wird die sozialistische Revolution in einem neuen, breiteren Sinne des Wortes zu einer permanenten Revolution: Sie findet ihren Abschluss nicht vor dem endgültigen Sieg der neuen Gesellschaft auf unserem ganzen Planeten.“ (Leo Trotzki, Die permanente Revolution, Essen 1993, S. 185 f.)

Die Logik des Kampfs innerhalb der Russischen Kommunistischen Partei, der sich auf die grundlegenden Fragen der revolutionären Weltstrategie konzentrierte, führte die Arbeit der Linken Opposition über die Grenzen der Sowjetunion hinaus. 1928, während des Sechsten Kongresses der stalinisierten Kommunistischen Internationale, fiel die Kritik an deren Programmentwurf, die Trotzki in seinem vorübergehenden Exil in Alma Ata in Zentralasien verfasst hatte, zufällig dem amerikanischen Revolutionär James P. Cannon und dem kanadischen Revolutionär Maurice Spector in die Hände. Sie schmuggelten das Dokument aus der Sowjetunion hinaus, und der Kampf, den sie für Trotzkis internationalistisches Programm aufnahmen, war der Beginn der Internationale Linken Opposition.

Mitglieder der Linken Opposition auf dem Weg ins Exil im Jahr 1928. Sitzend von links nach rechts: L. Serebrjakow, K. Radek, Trotzki, M. Boguslawski, E. Preobraschenski; stehend von links nach rechts: C. Rakowski, J. Drobnis, A. Beloborodow, Sosnowski

Fünf Jahre später, im Juli 1933, rief Trotzki als Reaktion auf den stalinistischen Verrat an der deutschen Arbeiterklasse und den Sieg Hitlers zur Gründung der Vierten Internationale auf. Im September 1938 fand der Gründungskongress statt.

Wir begehen jetzt das hundertjährige Bestehen der trotzkistischen Bewegung. Das Fortbestehen dieser Bewegung über einen so langen Zeitraum ist von großer objektiver Bedeutung. Es kann nicht mit der persönlichen Hingabe von Individuen erklärt werden. Die Gründer dieser Bewegung sind längst verstorben. Diese Bewegung hat auf internationaler Ebene gearbeitet, meist unter schwierigsten Bedingungen. Sie war in der Arbeiterbewegung eine Minderheit, eine kleine Minderheit, wenn sie überhaupt präsent war. Warum hat sie bis heute Bestand?

Als ich mich im Herbst 1970 der trotzkistischen Bewegung anschloss, in einer Zeit starker studentischer Radikalisierung und Massenbewegungen in der ganzen Welt, wurde die radikale Politik noch von den Stalinisten, den Maoisten und den Castroisten dominiert. Die kommunistischen Parteien waren Massenbewegungen. Leute wie Allende waren die Helden des Tages. Aber welches Erbe haben sie hinterlassen? Sie alle sind völlig von der Bildfläche verschwunden. Trotzki sagte über die stalinistischen und revisionistischen Bewegungen seiner Zeit, dass große Ereignisse von diesen überlebten Organisationen keinen Stein über dem anderen lassen würden. Warum? Weil ihr Programm nicht der objektiven Beschaffenheit der Epoche entsprach. Sie versuchten, eine falsche Politik durchzusetzen, eine weitgehend nationalistische Politik, eine reformistische Politik, die den Anforderungen der objektiven Krise nicht gerecht werden konnte.

Der Fortbestand der trotzkistischen Bewegung kann nur dadurch erklärt werden, dass ihre Analyse dem Wesen der Epoche entsprach – einer Epoche, die noch nicht überwunden ist. Wir befinden uns in der gleichen historischen Epoche, in der Trotzki gelebt hat, wenn auch in ihrem sehr fortgeschrittenen und letzten Stadium. Es ist die Epoche der Krise und des Verfalls des Imperialismus. Die Russische Revolution und der ihr vorangegangene Weltkrieg ergaben sich aus der Entstehung der imperialistischen Epoche. Wir sind noch nicht über diese Epoche hinaus. Zwischen der heutigen Situation und derjenigen, die zum Ersten und Zweiten Weltkrieg führte, gibt es erstaunliche Parallelen. Wir sprechen die gleiche Sprache, und das ist enorm wichtig, um zu verstehen, wie wir an die heutigen Probleme herangehen müssen.

Die Wirtschaftskrisen, die sich aus dem Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Produktionsprozess und dem kapitalistischen Privateigentum an den Produktionsmitteln ergeben, die geopolitischen Konflikte, die sich aus der Unvereinbarkeit einer hochintegrierten Weltwirtschaft mit dem archaischen System der Nationalstaaten ergeben, die destruktiven Folgen der Unterordnung aller Probleme der modernen Massengesellschaft unter die Anhäufung von privatem Reichtum und die eskalierenden sozialen Spannungen, die durch die Ausbeutung der Arbeiter durch die Kapitalistenklasse und die rücksichtslose Konzentration von schwindelerregendem Reichtum bei gleichzeitigem Hunger der Massen hervorgerufen werden – dies sind die Bedingungen, die eine sozialistische Weltrevolution auf die Tagesordnung setzen.

Und tatsächlich werden wir überall auf der Welt Zeuge einer ansteigenden Flut von Kämpfen der Arbeiterklasse. Sie wird Dimensionen annehmen, wie es sie in der Weltgeschichte noch nie gegeben hat. Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt, wie schnell sich das gesellschaftliche Bewusstsein verändert, wie schnell sich Menschen durch Ereignisse radikalisieren, die sie nicht vorhergesehen haben.

Eines der Elemente der letzten 40 Jahre, insbesondere nach der Auflösung der Sowjetunion 1991, war eine gewisse Apathie, Verdruss, ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, ein Rückzug auf das Individuelle und Private, die Konzentration auf Fragen der persönlichen Identität, des Lebensstils, ein unmäßiger Zeitaufwand für Fitnessstudios, die Verbesserung der eigenen Figur, die Kontrolle des Körpergewichts, die Überwachung jedes Aspekts nebensächlicher Privataktivitäten, während man die großen Ereignisse, die sich um einen herum abspielten, nicht beachtete. Doch plötzlich, und das sehen wir an den Massendemonstrationen überall auf der Welt, beginnt sich dieser Zustand zu ändern.

Trotzki schrieb einmal, dass in Zeiten der Reaktion die Dummheit die Zähne fletscht. Aber dann ändert sich das Leben, Ereignisse brechen herein, und nach einem langen Zeitraum und nach vielen Erfahrungen stellt sich die Erkenntnis ein, dass die Welt eine andere geworden ist. Keiner glaubt den Medien und ihrer Propaganda. Der Bankrott aller politischen Parteien wird offensichtlich. Der Präsident sieht aus wie ein tattriger, seniler Dummkopf. Die Republikanische Partei: eine Bande von Gangstern. Niemand von ihnen hat etwas zu sagen, und die kleinbürgerlichen Radikalen, die Bewohner der Postmoderne, die mit der einen oder anderen Frage der persönlichen Identität beschäftigt sind, unaufhörlich grollen, sich beschweren und sich über den einen oder anderen persönlichen Fauxpas ereifern, versinken im Licht der Ereignisse in der Bedeutungslosigkeit.

Was die Welt heute beschäftigt, ist die Gefahr eines weltweiten Kriegs, der Völkermord an Unschuldigen, die Armut, die Zerstörung der Umwelt, eine massive Pandemie, die Millionen tötet und auf die keine Regierung eine Antwort hat – nicht einmal eine so einfache wie die Aufforderung, lieber Masken zu tragen, als krank zu werden –, weil dies auf die eine oder andere Weise der Anhäufung von privatem Reichtum und Profit im Wege steht. Was aber die Lage auf der Welt wirklich in Bewegung bringt und verändert, ist das plötzliche Wiederaufleben der grundlegendsten und stärksten aller gesellschaftlichen Kräfte: der Arbeiterklasse als internationale Kraft.

Die meiste Zeit eures jungen Lebens habt ihr wenig über Streiks und Aktivitäten der Arbeiterklasse gehört. Eine der Prämissen der Postmoderne besagt, dass die alten Narrative von Klassenkampf und Sozialismus jede Bedeutung verloren hätten. Aber heute gibt es überall Streiks, die breite Teile der Arbeiterklasse erfassen, und es wird deutlich, dass der Klassenkampf die Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung ist. Das heißt aber nicht, dass die Probleme der Arbeiter leicht zu lösen sind. Sie treten in den Kampf mit einer schlechten Führung, mit Organisationen, die sie verraten, und mit wenig Verständnis für die Geschichte des Klassenkampfs, nicht nur in ihrem eigenen Land, sondern auf internationaler Ebene.

Teilnehmer am Literaturtisch nach der Veranstaltung

Und hierin liegt die enorme Bedeutung der Vierten Internationale. Unsere Partei ist der konzentrierte Ausdruck der gesamten historischen Erfahrung der Arbeiterklasse über eine ganze Epoche hinweg. Wir werden oft gefragt, wie die World Socialist Web Site, die seit 25 Jahren ohne Unterbrechung täglich erscheint, es schafft, die Ereignisse mit solcher Präzision und Weitsicht einzuschätzen. Wir haben den Vorteil, dass wir auf eine enorme historische Erfahrung zurückgreifen können, dass wir die Gegenwart mit den Erfahrungen der Vergangenheit in Beziehung setzen können, dass wir die Gegenwart nicht einfach als eine Wiederholung der Vergangenheit auffassen, sondern dass wir über eine Orientierung verfügen, die es uns ermöglicht, uns auf die grundlegenden und wesentlichen Triebkräfte der politischen Entwicklung zu konzentrieren.

Wie ich bereits sagte, erleben wir jetzt eine große politische Radikalisierung. Unsere Aufgabe ist es, in diese Bewegung eine Perspektive und ein Programm hineinzubringen, das sie in die Lage versetzt, ihre wesentlichen Aufgaben zu verstehen. Die Arbeiterklasse und die Jugendlichen, die den Weg des Kampfs einschlagen, müssen die Erfahrungen des letzten Jahrhunderts verinnerlichen, die Geschichte der trotzkistischen Bewegung studieren – und sie müssen dies im Kampf tun. Deshalb rufe ich euch alle auf, aus dem, was jetzt geschieht, die Konsequenzen zu ziehen und euch aktiv am Kampf für den Sozialismus zu beteiligen. Bereitet euch vor, indem ihr der Socialist Equality Party beitretet.

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