Berliner Sparkasse sperrt Konto der „Jüdischen Stimme“ wegen Antikriegsveranstaltung

Inmitten weltweit wachsender Opposition gegen Israels Genozid im Gaza-Streifen werden in Deutschland wieder Konten von jüdischen Antikriegsorganisationen gesperrt. Nachdem die Berliner Landesregierung zuletzt die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, Studierende auf politischer Grundlage zu exmatrikulieren, werden nun in den Medien auch Forderungen laut, Antikriegsveranstaltungen zu verbieten.

Iris Hefets, ein Vorstandsmitglied der Jüdischen Stimme, wurde von der deutschen Polizei im November 2023 verhaftet, weil sie allein über einen öffentlichen Berliner Platz schritt und dabei ein Schild trug mit der Aufschrift: „Als Jüdin und Israelin: Stoppt den Genozid im Gazastreifen“. (YouTube)

In der vergangenen Woche sperrte die Berliner Sparkasse ohne vorherige Rücksprache und Begründung „vorsorglich“ und mit sofortiger Wirkung das Konto des Vereins „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, der als Gegner des Genozids in Gaza und der israelischen Apartheid und Besatzungspolitik bekannt ist. In einem Schreiben an den Vorstand verlangte die Berliner Sparkasse, dass innerhalb weniger Tage eine Liste mit Namen und Anschriften sämtlicher Mitglieder einzureichen sei.

Es handelt sich um einen antidemokratischen und kriminellen Übergriff einer Bank auf eine politische Organisation, der in den letzten Jahrzehnten beispiellos ist. Dass ein deutsches Institut einer linken jüdischen Organisation Finanzmittel in fünfstelliger Höhe einfriert, weckt Erinnerungen an die Beschlagnahmung jüdischen Eigentums in der Nazi-Diktatur und ist offensichtlich politisch motiviert.

In einem Statement berichtete die Jüdische Stimme, dass die Bank für Sozialwirtschaft bereits im Jahr 2019 das damalige Konto des Vereins auf politischer Grundlage geschlossen habe: „Dieser Druck und die politische Verfolgung werden immer größer, je mehr Israel und seine Apartheidpolitik im Staat Israel und im Westjordanland, und nun seine genozidale Politik im Gazastreifen, an Zustimmung in der Welt verlieren. Die Bundesrepublik gehört zu Israels letzten treuen Verbündeten, und die deutsche Politik kooperiert mit Israels Apartheid und Genozid, obwohl über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung die Politik der Bundesregierung nicht unterstützen.“

Anlass des Übergriffs ist ein für Mitte des Monats in Berlin geplanter „Palästina-Kongress“, der sich gegen Israels Massaker im Gaza-Streifen richten und verschiedene Vorträge von Menschenrechtsaktivisten, Künstlern, Gewerkschaftsfunktionären und bürgerlichen und pseudolinken Politikern wie dem früheren griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis umfassen soll. „Je näher der Kongress rückt, desto mehr Verfolgung findet statt“, berichtet der Verein. „Wir, die Jüdische Stimme, haben unser Konto dafür zur Verfügung gestellt – weshalb es jetzt gesperrt wurde.“

Der Verein hat angekündigt, juristisch gegen die Sperrung seines Kontos vorzugehen, und verglich die Forderung nach einer Mitgliederliste mit den Repressionsmaßnahmen „des LKA oder der Polizei, die uns seit geraumer Zeit als jüdische Organisation politisch verfolgen“.

In der Tat kann kaum ein Zweifel daran bestehen, dass das Vorgehen der Sparkasse die politische Unterstützung der Regierungsbehörden genießt und mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar auf Betreiben des schwarz-roten Berliner Senats selbst geschah. Innenstaatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) hatte Mitte März angekündigt, ein Verbot des „Palästina-Kongresses“ zu prüfen und dessen Vorbereitung geheimdienstlich auswerten zu lassen. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner erklärte: „Wir müssen alles uns Mögliche tun, damit eine solche Judenhasserveranstaltung nicht stattfindet.“

Die ins Auge gefassten Maßnahmen sind extrem weitgehend. Während Stettner an Berliner Veranstalter appellierte, den Organisatoren „keine Räume zu vermieten“, und die Bundesregierung aufrief, Referenten „die Einreise zu verweigern“, drohte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) gegenüber der Bild-Zeitung, gegen Teilnehmer „ein Verbot der politischen Betätigung in Bezug auf die Veranstaltung zu erlassen“.

Die Verbotsforderungen und Zensurvorstöße wurden von den bürgerlichen Medien sofort begierig aufgegriffen und mit weiteren hemmungslosen Lügen gerechtfertigt. Wie sehr dabei die Grenze zwischen „Qualitätspresse“, rechten Boulevardmedien und pseudolinken Gazetten verschwimmt, zeigt schon ein Blick auf die Schlagzeilen: Von „Juden-Hasser planen Gipfel in Berlin“ (Bild-Zeitung) über „Kongress der Israelhasser“ (Jungle World) bis hin zu „Antisemiten der Welt wollen sich in Berlin versammeln – Behörden prüfen Verbot des Israelhasser-Kongresses“ (Tagesspiegel).

Routinemäßig wird dabei Kritik an dem bürgerlichen Staatsapparat Israels zu ethnischem Hass umgedeutet. Dieser Vorgang beruht auf einer Form nationalistischer Mythologie, die mehr Ähnlichkeit mit der „Blut-und-Boden“-Ideologie der extremen Rechten hat als mit einem ernsthaften Argument.

Dass der Kongress „verboten“ und seinen Referenten „die Einreise nach Deutschland und Berlin untersagt, sowie ein Betätigungsverbot verhängt werden“ müsse, forderte auch Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde Berlin, in der konservativen Wochenzeitung Jüdische Allgemeine. Der Kongress ziele darauf ab, zur „Vernichtung Israels“ aufzurufen und zu fordern, „dass die dort lebenden Menschen entweder ermordet oder vertrieben werden sollen“. „Neonazis, Antiimperialisten, Muslimbrüder, Teheraner Mullahs und marxistische PFLP-Terroristen“ seien laut Königsberg inhaltlich „kaum voneinander zu unterscheiden“. Jede dieser Behauptungen ist eine dreiste Lüge, die jeder Grundlage entbehrt.

In derselben Zeitung forderte Volker Beck, ehemaliger Bundestagsabgeordneter der Grünen und heutiger Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dass nicht nur der „Palästina-Kongress“, sondern darüber hinaus auch sämtliche Aufrufe verboten werden müssten, die sich für eine Abschaffung von Nationalstaaten aussprechen. Man könne „gesetzgeberisch für Israel keine Extrawurst braten“, so Beck. Um der Justiz entsprechende Mittel an die Hand zu geben, müssten „Bundeshaushaltsordnung, Strafgesetzbuch und Außenwirtschaftsrecht endlich angepackt werden“.

Die mediale Hetze und die Polizeistaatskampagne gegen den Palästina-Kongress und die Jüdische Stimme bestätigen, wovor die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) gewarnt hat. Als der Berliner Senat im November vergangenen Jahres dazu ansetzte, das Kulturzentrum Oyoun zu liquidieren, konstatierte die SGP „weit fortgeschrittene Säuberungsaktionen in der Kunst- und Kulturwelt“ und erklärte in einem massenhaft verbreiteten Flugblatt:

„Jede Einrichtung, die die Politik der Regierung kritisiert, muss von nun an fürchten, jedwede Arbeitsgrundlage zu verlieren... Wer die Kriegspolitik der Regierung kritisiert, muss mit willkürlichen Festnahmen, Hausdurchsuchungen und geheimdienstlicher Überwachung rechnen. Demonstrationen gegen das Massaker in Gaza werden reihenweise verboten, die Forderung nach gleichen Rechten für Palästinenser kriminalisiert und muslimische Personen unter Generalverdacht gestellt.“

Seitdem hat sich der Berliner Senat auf die Einführung einer Zensurklausel im Kultur- und Kunstbereich verständigt und arbeitet daran, ein verschärftes Ordnungsrecht über die Universitäten zu verhängen, das es den Universitätsleitungen ermöglichen soll, Studierende auf politischer Grundlage zu exmatrikulieren. Nun, so muss man ergänzen, droht die herrschende Klasse auch, jüdische Organisationen zu enteignen, wenn sie die Kriegspolitik der deutschen Regierung und ihres israelischen Verbündeten kritisieren.

Wir rufen alle Arbeiter, Jugendlichen und Verteidiger demokratischer Rechte auf, die Angriffe auf Kriegsgegner sowie linke jüdisch-israelische und palästinensische Organisationen auf das Schärfste zurückzuweisen und dagegen zu protestieren. Die Weitsicht der Warnungen der SGP zeigt, dass eine sozialistische Perspektive notwendig ist, die den Kampf zur Verteidigung demokratischer Rechte mit dem Kampf gegen Krieg und seine Wurzel, das kapitalistische System, verbindet.

Loading