USA: Landesweite Proteste an Universitäten gegen den Völkermord in Gaza und den Angriff auf Meinungsfreiheit

Nach der Verhaftung von mehr als 100 Studierenden der Columbia University, die sich letzten Mittwoch an einer pro-palästinensischen Demonstration beteiligt hatten, breitet sich in den USA eine wachsende Bewegung von Studierenden und Jugendlichen aus.

Innerhalb weniger Tage nach dem brutalen Vorgehen, das zwischen der Präsidentin der Columbia University, Nemat Minouche Shafik, dem New Yorker Bürgermeister, Eric Adams (Demokraten), dem New York City Police Department (NYPD) und der Biden-Regierung abgestimmt war, kam es im ganzen Land zu Solidaritätsprotesten.

Protestveranstaltung an der NYU am 22. April 2024

Letzten Freitag errichteten Hunderte von Studierenden an der Universität Yale in New Haven (Connecticut) ein Protestlager auf der Beinecke Plaza des Campus. Während eines Abendessens des Kuratoriums zu Ehren des scheidenden Präsidenten Peter Salovey wurden 24 Zelte errichtet. Die Studierenden forderten, dass Yale seine Investitionen in Kriegswaffen und deren Hersteller, die die israelischen Streitkräfte (IDF) beliefern, offenlegt und sich von ihnen trennt. 

Am Montagmorgen kam es an der New York University (NYU) und an Universitäten in der Metropolregion Boston zu ähnlichen Demonstrationen, u.a. am Emerson College, dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Tufts University.

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Auch auf dem Campus der University of Maryland schlugen Studierende am Montag ein Protestlager auf. An der University of Michigan errichteten mehrere Dutzend Studierende ein Protestlager auf dem großen offenen Platz in der Mitte des Campus, der als „The Diag“ bekannt ist. An der University of California in Berkeley bauten Studierende ein Lager vor den Stufen der Sprout Hall in der Mitte des Campus auf. An der Cal Poly Humboldt in Nordkalifornien besetzten Studierende die Siemens Hall, woraufhin Polizei in Kampfausrüstung anrückte. An der New School in New York City gingen die Proteste auch am Montag weiter.

An der Columbia wurden die Protestlager erneuert und wuchsen trotz der Verhaftung der Studierenden am letzten Mittwoch weiter an. Am Montagnachmittag organisierten Hunderte von Professoren der Columbia einen spontanen Ausstand, um gegen das harte Vorgehen gegen die Studierenden zu protestieren. Die Demonstranten verließen ihre abgelegenen Lehrbüros und versammelten sich auf dem Rasen vor dem Protestlager mit Schildern, auf denen „Hände weg von unseren Studierenden“ stand. Die Universitätsleitung, die offensichtlich eine Ausweitung der Proteste fürchtet, kündigte an, alle Lehrveranstaltungen bis zum Ende des Frühjahrssemesters am 29. April online abzuhalten.

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Die herrschende Klasse reagiert auf die rasche Ausbreitung der Proteste mit zunehmender polizeistaatlicher Unterdrückung. Bis zum Montagmorgen hatte die Universitätspolizei in Yale 47 Demonstranten verhaftet und wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Am Montagabend stürmte die Bereitschaftspolizei des NYPD das Protestlager am Gould Plaza vor der Stern School of Business vor und verhaftete Dutzende von protestierenden Studierenden und Dozenten. In den sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Livestream-Videos von den Verhaftungen. Laut Berichten in den sozialen Netzwerken zogen mindestens 300 Menschen zur nahegelegenen Polizeiwache, um die Freilassung der verhafteten Studierenden und Fakultätsmitglieder zu fordern. Gould Plaza wurde von Beamten des NYPD besetzt. Bisher haben hunderte Menschen gegen die Verhaftungen protestiert.

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Das harte Vorgehen wurde eindeutig auf höchster staatlicher Ebene mit den Demokraten als auch mit den rechtsextremen Republikanern abgestimmt. Am Sonntag veröffentlichten Joe Biden und das Weiße Haus Erklärungen, in denen sie den Angriff auf die Meinungsfreiheit an den Universitäten verteidigten. Am Montag hielt die Gouverneurin des Bundesstaats New York, Kathy Hochul, vor dem Hauptcampus der Columbia eine heuchlerische Videoansprache, in der sie sagte: „Die jüngsten Schikanen und die Rhetorik sind ekelhaft und abstoßend. Jeder Studierende verdient es, sicher zu sein.“ 

Hochul wiederholte die verleumderische Gleichsetzung von Protesten gegen den Völkermord mit „Antisemitismus“, aktuell die Grundlage für die Verfolgung von Kriegsgegnern (von denen viele selbst Juden sind), und deutete an, auf dem Campus der Columbia gehe es um religiöse Verfolgung. Sie erklärte: „Dieses Land wurde von Menschen gegründet, die Religionsfreiheit suchten und vor religiöser Verfolgung in anderen Ländern flohen. Niemand hier auf dem Campus sollte sich wegen seiner religiösen Vorstellungen verfolgt fühlen.“

Die wahren Antisemiten sind jedoch diejenigen, die jetzt von den Demokraten und Persönlichkeiten wie Hochhul mobilisiert und gefördert werden, um die Meinungsfreiheit abzuschaffen. Letzten Dezember, sofort nach den McCarthy-ähnlichen Anhörungen des Komitees „Education and the Workforce“ unter Leitung der faschistischen New Yorker Abgeordneten Elise Stefanik, die zur Absetzung der Präsidentin der University of Pennsylvania (UPenn), Liz Magill, führten, hatte Hochul die Anhörungen gelobt und den öffentlichen Universitäten mit dem Entzug der Finanzierung gedroht, wenn sie nicht in ähnlicher Form gegen pro-palästinensische Äußerungen vorgehen würden. 

Stefanik wiederum veröffentlichte am Montagmorgen eine Erklärung im Namen der republikanischen Kongressabgeordneten des Bundesstaats New York, in der sie der Präsidentin der Columbia University, Minouche Shafik, vorwarf, nicht ausreichend gegen die Proteste vorzugehen. In ihrem Schreiben forderte sie Shafik zum Rücktritt auf, da sie „nicht in der Lage ist, einen nicht-genehmigten Mob von Studierenden und Agitatoren zu beenden“.

Johnathan Greenblatt von der Anti-Defamation League (ADL), einer rechten zionistischen Organisation, besuchte den Campus der Columbia und forderte die erneute Verlegung des NYPD auf den Campus sowie die Präsenz der Nationalgarde. Diesen Forderungen schlossen sich später am Montag auch die faschistischen Trump-nahen republikanischen Senatoren Josh Hawley (Missouri) und Tom Cotton (Arkansas) an. 

Führende Mitglieder der Gewerkschaftsbürokratie haben sich den Angriffen der faschistischen Republikaner und der Demokraten auf die Demonstranten angeschlossen. Die Vorsitzende der American Federation of Teachers (AFT), Randi Weingarten, die im Jahr 2022 in der Ukraine Bewunderern des Faschisten und Antisemiten Stepan Bandera die Hand geschüttelt hatte, verunglimpfte die Demonstrierenden an der Columbia als „Antisemiten.“

Weingarten schrieb auf X/Twitter: „Die antisemitischen Parolen von Demonstranten vor der Columbia University sind entsetzliche und inakzeptable Beispiele für Antisemitismus. Dieser Hass und diese Bosheit machen jüdische Studierende, Professoren und die Gemeinde verständlicherweise nervös. Hassreden und Gewaltandrohungen sind keine rechtlich geschützte Meinungsäußerung und müssen verurteilt werden. Aufrufe zur Desinvestition sind rechtlich geschützte Meinungsäußerung, Aufrufe zur Ermordung von Juden nicht. Ich habe es gesagt und werde es wieder sagen: Hass gehört nicht auf den Campus.“

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Diese bösartige Kampagne, mit der Gegner des Völkermords als „Antisemiten“ verunglimpft werden, ist eine staatliche Provokation zur Rechtfertigung eines Kriegs gegen demokratische Rechte und des staatlichen Massakers an Palästinensern in Gaza. Sie ist völlig unglaubwürdig.

Die IYSSE sprachen mit Elijah, einem der Studierenden, die an der Universität Yale protestieren. Er ist Mitglied der Gruppe Yale Jews for a Ceasefire. Auf die verleumderischen Antisemitismusvorwürfe gegenüber den protestierenden Studierenden und Dozenten erklärte er:

Antizionismus ist absolut nicht gleichbedeutend mit Antisemitismus! Natürlich gab es an den Universitäten und an anderen Orten im Land und auf der Welt antisemitische Vorfälle. Aber der Antisemitismusvorwurf wird jetzt oft als Waffe gegen Menschen benutzt, die einfach nur ablehnen, was in Gaza passiert. Sie lehnen es auf eine gänzlich faktengestützte, prinzipientreue und völlig vernünftige Weise ab, und man wirft ihnen die Verbreitung einer hasserfüllten Ideologie vor, mit der sie wirklich nichts zu tun haben. 

Elijah wies auf die große Zahl jüdischer Studierender und Lehrkräfte hin, die den Völkermord ablehnen und sich an den zahllosen Protesten beteiligen:

Es ist beleidigend für Juden und ihre Familien, die echten Antisemitismus erlebt haben. Menschen, die etwas so Schrecklichem wie dem Holocaust entkommen sind und jetzt dafür kämpfen, dass so etwas nie wieder passiert. Ihnen Antisemitismus vorzuwerfen, ist meiner Meinung nach verletzend und haltlos. Viele von uns stammen aus Familien, die den Holocaust oder Pogrome erlebt haben und von der Überzeugung getrieben werden, dass sich so etwas weder zu unseren Lebzeiten noch in der Zukunft wiederholen darf.

Über die Entwicklung der Proteste in Yale erklärte er:

Die allgemeine Stimmung am Campus ist geprägt von Entsetzen darüber, was in Gaza in den letzten sechs Monaten passiert ist. Studierende haben auf dem Campus vor Treffen des Kuratoriums protestiert. Bei einer früheren Protestveranstaltung hatten wir, ich glaube, mehr als 100 Teilnehmer. Wir haben im November eine Mahnwache abgehalten, an der mehr als 100 Menschen teilgenommen haben. Es gibt Studenten, die in den Hungerstreik getreten sind. An der Brown gab es einen Hungerstreik, ich glaube letzten Monat, und jetzt haben wir hier einen Hungerstreik. Es herrscht eine lebendige und aktive Kultur studentischer Organisierung, die in den Monaten nach dem 7. Oktober, während dieses Kriegs, wirksam mobilisiert wurde, und ich hoffe, dass sie weiterhin so viel Energie haben wird.

Ich denke, besonders wenn es um Themen wie Desinvestition geht, wissen wir, dass die Verwaltung in Waffenlieferanten und Waffenhersteller investiert, die Waffen an das israelische Militär verkaufen und damit direkte Komplizen in diesem Krieg sind. Doch selbst bei den von Yale öffentlich bekanntgegebenen Investitionen – und ich bin kein Experte auf diesem Gebiet – hat Yale in Index-Fonds und andere Arten von Fonds investieret, die an diesen Unternehmen beteiligt sind, die Waffen an das israelische Militär liefern. Die sind im Portfolio und öffentlich bekannt sowie bestätigt. Yale und viele andere große Universitäten sind absolut korrupt und sind diesen Investitionen verpflichtet, die wir ablehnen. Es ist absolut heuchlerisch, dass eine Universität, die freie Recherche und Meinungsfreiheit für Studierende verficht, so offensichtlich Zensur und Unterdrückung einsetzt.

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