Israel bereitet Angriff auf Rafah vor

Zahl der Leichen in den Massengräbern an palästinensischen Krankenhäusern steigt auf 310

Am Dienstag stieg die Zahl der Leichen, die in vier Massengräbern beim Nasser-Krankenhaus in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens gefunden wurden, auf mindestens 310.

Die grauenhafte Entdeckung der letzten Stunden ist ein weiterer Beweis dafür, dass Israel, unterstützt von den imperialistischen Mächten, an den Palästinensern einen Völkermord begeht. Gleichzeitig steht mit dem drohenden Angriff auf die über 1,5 Millionen Palästinenser, die in Rafah ums Überleben kämpfen, eine neue Eskalation unmittelbar bevor.

Rauchsäule nach israelischem Luftangriff in Deir al-Balah im Gazastreifen, 23. April 2024 [AP Photo/Abdel Kareem Hana]

Am Dienstag entdeckten Mitarbeiter des palästinensischen Zivilschutzes weitere Leichen, darunter Frauen und Alte, die unter Müll vergraben waren. Zaina Haroun, eine Vertreterin der palästinensischen Menschenrechtsorganisation al-Haq aus dem Westjordanland, sagte gegenüber Al Jazeera, die grausige Entdeckung sei „ein eindeutiger Beweis für Kriegsverbrechen und natürlich für den Völkermord, den Israel in Gaza am palästinensischen Volk verübt“.

Sie verwies auf die Entdeckung ähnlicher Massengräber vor einigen Wochen beim al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt und fuhr fort: „Ein Familienmitglied versuchte verzweifelt, zumindest eine Spur von seinem Onkel zu finden. Er erklärte, er habe seine Sandalen gefunden, aber selbst wenn er nur ein Körperteil, einen Arm oder ein Bein, fände, könnten sie ihn zumindest begraben, damit sie nachts schlafen können.“

Die unmenschlichen Szenen aus Chan Yunis und Gaza-Stadt, die an die Völkermorde des 20. Jahrhunderts erinnern, verdeutlichen die Barbarei des israelischen Regimes, das mit Unterstützung der imperialistischen Mächte handelt.

Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat offen ihre Absicht erklärt, den Gazastreifen ethnisch zu säubern. Sie hat die Palästinenser als „menschliche Tiere“ verunglimpft und Hunderttausenden, die im Norden der Enklave gestrandet sind, systematisch jede Hilfe vorenthalten. In 200 Tagen unablässiger Bombenangriffe sind weit über 34.000 Menschen ermordet worden.

Mit uneingeschränkter Unterstützung des US-Imperialismus und seiner europäischen Verbündeten ignoriert das israelische Regime die Anklage wegen Völkermords, die Südafrika vor dem Internationalen Gerichtshof erhoben hat. Es setzt seine Angriffe ungerührt fort, während sich in Gaza eine Hungersnot ausbreitet.

Am Dienstag hat der US-Sonderbeauftragte für humanitäre Angelegenheiten, David Satterfield, die Gefahr einer Hungersnot im Gazastreifen als „sehr hoch“ bezeichnet. Laut der Medienstelle der Regierung in Gaza sind bisher mindestens 30 Kinder „aufgrund der Hungersnot“ gestorben.

Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge, UNRWA, erklärte in seinem jüngsten Bericht zur Lage in Gaza, dass sich in den letzten Wochen am Umfang der Hilfslieferungen, die nach Gaza gelangen, und an der Genehmigung für Hilfskonvois in den Norden von Gaza „kaum etwas geändert“ hat.

Vor drei Wochen behauptete die Netanjahu-Regierung nach der gezielten Tötung von sieben Mitarbeitern der Hilfsorganisation World Central Kitchen durch Israel, sie sei zur Öffnung eines weiteren Grenzübergangs in den Norden des Gazastreifens bereit, um die Zahl der Lastwagen, die in die Enklave fahren, auf über 300 pro Tag zu erhöhen. Der UNRWA-Chef Philippe Lazzarini berichtete, dass am Dienstag 310 Lastwagen in den Gazastreifen gefahren sind. Allerdings sind sich die meisten Hilfsorganisationen einig, dass 500 bis 600 Lastwagen notwendig wären, um die Bevölkerung von Gaza mit Nahrungsmitteln und Grundgütern zu versorgen.

Das UNRWA wies in seinem Bericht auch darauf hin, dass Israel seit Beginn des Völkermords mindestens 435 Angriffe auf Beschäftigte oder Institutionen des Gesundheitswesens verübt hat – eine höhere monatliche Rate als in jedem anderen Konflikt der jüngeren Vergangenheit. Seit dem 7. Oktober wurden 180 Beschäftigte des UNRWA von Israel getötet.

Israels Zerstörung des Gazastreifens hat mehr als 75 Prozent seiner Einwohner zu Vertriebenen gemacht, und 1,7 Millionen mussten „mehrfach“ fliehen. Die wiederholten Vertreibungen haben zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten geführt, mit denen sich etwa 1,09 Millionen Menschen, bzw. fast die Hälfte der Bevölkerung, infiziert haben. Laut dem Hohen Kommissar der UN für Menschenrechte, Volker Türk, wird in Gaza „alle zehn Minuten“ ein Kind getötet oder verwundet.

Aufgrund der systematischen Zerstörung der gesamten zivilen Infrastruktur durch die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) wurden Bedingungen geschaffen, in denen bald mehr Menschen durch Krankheiten und Hunger sterben als durch die täglichen Luftangriffe. Vor Beginn des Kriegs gab es in der Enklave 36 Krankenhäuser, von denen heute nur noch zehn einigermaßen als Gesundheitseinrichtungen funktionieren. Die Krankenhäuser wurden entweder in Kampfzonen verwandelt, wie das al-Shifa oder das Nasser-Krankenhaus, oder von den IDF übernommen. Das türkisch-palästinensische Freundschaftskrankenhaus südlich von Gaza-Stadt, in dem sich früher die einzige auf Krebs spezialisierte Abteilung in Gaza befand, wurde von den IDF in eine Militärbasis verwandelt.

Das israelische Zentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten (B'Tselem) veröffentlichte diese Woche einen Bericht mit dem Titel „Erzeugen einer Hungersnot: Israel verübt im Gazastreifen das Kriegsverbrechen des Verhungerns“. Darin dokumentiert es die Schuld Israels an der Hungerkrise in der Enklave und deren kurz- und langfristige Auswirkungen. Der Bericht stützt sich auf die „Integrated Food Security Phase Classification“, und stellt fest, dass sich der Gazastreifen im Februar und März in Phase 4 befand, unmittelbar unterhalb von Phase 5, die eine Hungersnot bedeutet.

In diesen Monaten befanden sich 55 Prozent der Haushalte im Norden und 25 Prozent der Haushalte in den zentralen und südlichen Gebieten bereits in Phase 5. Diese Zahlen werden wahrscheinlich auf 70 Prozent im Norden, 50 Prozent im Zentrum von Gaza und 45 Prozent im Süden ansteigen, was eine Hungersnot im gesamten Gazastreifen bedeuten würde. Der Bericht wies darauf hin, dass die Vorsitzende von USAID, Samantha Power, bei einer Anhörung vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses für auswärtige Angelegenheiten Anfang April als erste Vertreterin der USA öffentlich zugegeben hat, dass im Norden von Gaza bereits eine Hungersnot herrscht.

Die Dokumentation enthält den Bericht von Khamis al-A'araj, einem 52-jährigen Bewohner des Viertels Faludschah im Flüchtlingslager Dschabaliya im nördlichen Gazastreifen. Er schildert darin die grauenhaften Lebensbedingungen:

Es gibt hier weder Nahrung noch Wasser. Tatsächlich gibt es gar nichts. Auch auf dem Markt kann man keine Nahrungsmittel bekommen – keine Konserven, kein Mehl oder Reis. Nicht einmal Gerste ist noch da. Manchmal finden wir Chubeisa [eine essbare Blütenpflanze] am Straßenrand oder auf den Feldern und pflücken sie. Wenn wir irgendwo Karton oder Holz für ein Feuer finden, kochen wir sie mit Wasser und essen das einen oder zwei Tage lang, damit wir zumindest nachts besser schlafen. Früher haben wir vielleicht einmal im Jahr Chubeisa gegessen, heute ist es fast unsere einzige Nahrungsquelle. In den letzten vier Tagen haben wir überhaupt nicht geschlafen, weil wir so hungrig waren. Wir haben gar nichts gegessen. Wir konnten nichts finden. Ich suche ständig nach Essen und kann auch nachts nicht aufhören, daran zu denken. Alle hier im Lager sind blass vor Hunger und können sich kaum auf den Beinen halten.

Die rechtsextreme israelische Regierung fühlt sich gestärkt, weil beide US-Parteien am Dienstag auch im Senat die 26 Milliarden Dollar an zusätzlicher Hilfe für ihre Aggression bewilligt haben. Nun bereitet sie sich darauf vor, Rafah, so wie zuvor den Norden und Chan Yunis, in Schutt und Asche zu legen.

Associated Press veröffentlichte am Dienstag Satellitenbilder, die den Bau einer Zeltstadt westlich von Chan Yunis zeigen. Dies deutet darauf hin, dass Vorbereitungen auf die Vertreibung der Bevölkerung von Rafah getroffen werden. Die IDF erklärten gegenüber AP, sie seien nicht an der Errichtung der Zeltstadt beteiligt. Laut der israelischen Tageszeitung Haaretz baut die ägyptische Regierung das Zeltlager, um Palästinenser daran zu hindern, die Grenze zum Sinai zu überqueren.

Was auch immer der Grund ist – eine Zeltstadt für mehr als 1,5 Millionen Menschen wäre faktisch ein riesiges Konzentrationslager für mehr als die Hälfte der Bevölkerung von Gaza. Damit wären auch Bedingungen für eine weitere Ausbreitung der Krankheiten geschaffen.

Fabrizio Carborini, Regionaldirektor des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz für den Nahen Osten, erklärte gegenüber AFP, die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen wüssten nichts von einem Plan zur Evakuierung der Bevölkerung von Rafah, zudem wäre ein solcher Plan unmöglich umsetzbar: „Wenn wir das Ausmaß der Zerstörung in den mittleren und nördlichen Teilen [des Gazastreifens] sehen, ist uns nicht klar, wohin die Leute umgesiedelt werden sollen ... wo sollen sie angemessene Unterkunft und lebenswichtige Dienste bekommen? Daher halten wir heute, mit den uns zugänglichen Informationen und von unserem Standpunkt aus, eine solche [massive Evakuierung] nicht für möglich.“

Washington hat die Normalisierung der Barbarei der IDF uneingeschränkt unterstützt. Es betrachtet den Völkermord als Schlüsselelement seiner Eskalation eines Kriegs in der Region, der sich gegen den Iran richten wird. Dieser Konflikt, mit dem der US-Imperialismus seine Hegemonie über den energiereichen Nahen Osten konsolidieren will, ist nur eine Front in einem Konflikt, der sich sehr schnell zu einem dritten Weltkrieg zwischen den Großmächten um eine Neuaufteilung der Welt entwickelt.

Um den Völkermord in Gaza und den imperialistischen Krieg zu beenden, muss eine internationale Antikriegsbewegung unter Führung der Arbeiterklasse aufgebaut werden. Die imperialistischen Mächte gehen mit extremer Rücksichtslosigkeit gegen jede Form von Widerstand gegen Krieg und Genozid vor. In dieser Situation müssen sich Arbeiter aller Länder gemeinsam erheben. Auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms müssen sie dem kapitalistischen Profitsystem, das alle Schrecken des 20. Jahrhunderts wiederaufleben lässt, ein Ende bereiten.

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