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Der Wahlskandal der Teamster-Gewerkschaft und seine Bedeutung für die Arbeiterklasse

In der amerikanischen Gewerkschaft der Transportarbeiter, der Teamsters Union, haben staatliche Stellen eine Umbesetzung der Führungsspitze veranlaßt. Nachdem vor nahezu sechs Monaten ein Bezirksgericht den Teamster-Vorsitzenden Ron Carey für das Wiederwahlverfahren disqualifiziert hatte, hat nun ein von der Regierung ernannter Wahlprüfer den Weg für seinen Hauptrivalen James P. Hoffa, den Sohn des bekannten früheren Gewerkschaftschefs Jimmy Hoffa, freigemacht. Die Neuwahl wird für September dieses Jahres erwartet.

Hoffa junior war von Carey in der Wahl 1996 knapp geschlagen worden. Aber die Regierung hatte das Wahlergebnis angefochten, nachdem aufgedeckt worden war, daß Carey und seine Spendensammler mit Hilfe eines komplizierten Netzes von Mittelsmännern auf illegalen Wegen fast eine Million Dollar an Gewerkschaftsgeldern in Careys Wahlkampagne gepumpt hatten.

Wie alles in dem Teamster-Wahlskandal trägt auch der Erlaß des Wahlprüfers Michael Cherkasky vom 21. April den Stempel einer verdeckten Intrige. Cherkasky räumte ein, daß es nicht nur bei Carey, sondern auch im Falle Hoffas beträchtliche finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben habe, die eigentlich für seine Disqualifizierung genügt hätten. Dennoch erklärte er, für eine solche Maßnahme seien die Betrügereien nicht gravierend genug gewesen.

Die große Mehrheit der amerikanische Arbeiter wird von der Entscheidung des Wahlprüfers kaum Notiz genommen haben. Nur wenige außerhalb der Gewerkschaften hegen die Illusion, daß diese Organisationen für ihre Rechte kämpfen. Und auch bei der schrumpfenden Minderheit von Arbeitern, die in den offiziellen Gewerkschaften geblieben sind, hat das Personenkarrussell an der Spitze kaum die Gemüter erregt; zeigt ihnen doch die lange und bittere Erfahrung, daß keine der Fraktionen der Gewerkschaftsbürokratie irgendeine Perspektive hat, ihre Interessen zu verteidigen.

In den engeren Kreisen der Gewerkschaftsbürokratie und der kleinbürgerlichen Ex-Radikalen allerdings wird Cherkaskys Entscheidung sicherlich einen Aufschrei der Empörung und des Protests hervorrufen. Der Spruch des Wahlprüfers beweise, werden sie behaupten, daß Careys Disqualifizierung das Ergebnis einer Hexenjagd der Regierung auf einen angeblich militanten Gewerkschaftsführer und dessen „progressive" Verbündete im Dachverband AFL-CIO gewesen sei.

Eine objektive Untersuchung der Fakten straft allerdings derartige Behauptungen Lügen.

Cherkaskys Erlaß ist nur die jüngste Maßnahme einer bundesstaatlichen Überprüfung der Teamsters, die bereits 1989 begonnen hat. Damals hatten die Gewerkschaft und das Justizministerium der Bush-Regierung vereinbart, bei der Aufklärung eines Erpressungsfalls zusammenzuarbeiten. Unter dem Vorwand, sie wolle den Einfluß der Mafia bekämpfen, griff die Regierung in dem Moment ein, als die alte Führung der Teamsters ihre Glaubwürdigkeit und Kontrolle über die Mitgliedschaft zu verlieren drohte. Auch suchte und erhielt sie die Unterstützung der TDU (Teamsters for a Democratic Union), einer oppositionellen Gruppe in der Gewerkschaft, die von Radikalen aus der früheren International Socialists Gruppe gegründet worden war.

Das Arbeitsministerium nutzte seine Aufsichtsbefugnisse und die Hilfe der TDU, um Ron Carey zu begünstigen und ihm den Weg zum Gewerkschaftsvorsitz in der Wahl 1991 zu ebnen. Carey, ein bürokratischer Karrierist, dessen antisozialistische Positionen genügend belegt sind, wurde als Gegner von Korruption und Mafiaverbindungen dargestellt, als ehrlicher Reformer und militanter „Mann des Volkes".

Allen Bemühungen von Regierung und TDU zum Trotz gelang es Carey jedoch niemals, eine Massenbasis unter den Gewerkschaftsmitgliedern zu finden. Abgesehen von seiner Rhetorik unterschied sich seine Politik kaum von der seiner Vorgänger. Die Mitgliedschaft der Teamsters schrumpfte weiter, und Carey unterzeichnete eine Anzahl von Vereinbarungen mit den Transportunternehmen und United Parcel Service (UPS), die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten weiter verschlechterten.

Als die Zeit der Vorstandswahlen 1996 herangekommen war, schien es überhaupt nicht sicher, ob er gewinnen würde. Viele Leute des politischen und wirtschaftlichen Establishments, von der Clinton-Regierung bis zum Magazin Business Week, unterstützten Carey. Aber Hoffa, der sich auf die alte Garde der Bürokratie stützen und die Unzufriedenheit der Arbeiter mit Carey ausnutzen konnte, wurde zu einem ernsten Herausforderer. Im Spätsommer 1996 sah das Carey-Lager seine Macht dahinschwinden. Darauf wandte Carey sich an seine Freunde in der Demokratischen Partei, eine Reihe reicher Liberaler und früherer Radikaler der 60er Jahre, und an die AFL-CIO-Bürokratie, um Finanzen für eine Propagandaschlacht aufzutreiben. Hauptsächlich wurden Gelder aus der Gewerkschaftskasse illegal in die Kassen der Carey-Kampagne umgeleitet. Selbst dann noch verfehlte Carey beinahe den Sieg bei den Wahlen im Dezember 1996, bei der nur knapp ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder abstimmten.

Acht Monate später brach der ganze Zauber zusammen. Man deckte die Geldwäscheaktion auf, in die Spitzenfunktionäre des AFL-CIO wie Kassenwart Richard Trumka, liberale Wahlunterstützergruppen, sowie Vertreter des Demokratischen Nationalkomitees und der Wahlkampfleitung für die Wiederwahl von Clinton und Gore verwickelt waren.

Weit entfernt davon, eine Hexenjagd auf Carey zu beginnen, bemühten sich die staatlichen Kontrolleure der Gewerkschaft nun eifrigst, den Amtsinhaber zu decken und auf seinem Posten zu halten. Nur sehr zögernd, und erst, als die Beweise für die groben Amtsvergehen nicht länger ignoriert werden konnten, entschieden sie, eine Neuwahl anzuordnen.

Im August 1997, vier Tage nach dem Ende des Streiks bei UPS, annullierte die damalige Wahlprüfungsbeauftragte Barbara Zack Quindel die Ergebnisse der Teamsterwahl von 1996. Zwei Aspekte dieser Entscheidung sind bemerkenswert. Der erste betrifft den Zeitpunkt.

Bis zum Auslaufen des Tarifvertrags für UPS gingen Quindel und das Justizministerium ebenso wie Carey und Hoffa wie selbstverständlich davon aus, daß Neuwahlen ausgerufen werden müßten. Zu jenem Zeitpunkt waren bereits zwei Wahlleiter Careys verhaftet und angeklagt worden. Einer von ihnen hatte sich schuldig bekannt und einverstanden erklärt, mit dem FBI und dem Bundesstaatsanwalt zusammenzuarbeiten. Carey selbst war vor eine große Jury in New York geladen worden, und sein politischer Sprecher hatte den Fünften Verfassungszusatz (Aussageverweigerungsrecht) in Anspruch genommen und seinen Gewerkschaftsposten aufgekündigt.

Indem Quindel erst nach dem Streik, der offiziell als Gewerkschaftssieg dargestellt wurde, die Wahlen von 1996 für ungültig erklärte, verhalf sie, wie sowohl die Unternehmensleitung von UPS als auch Hoffa betonten, Carey zu einem gewaltigen Auftrieb. Ihm wurde auf diese Weise ermöglicht, das Beste aus der für ihn denkbar schlechten Situation zu machen.

Zweitens und vielleicht noch bemerkenswerter ist die Tatsache, daß Quindel erklärte, Carey habe weder von der Geldwäscheaktion etwas gewußt noch sei er in sie verwickelt. Darauf gestützt fällte sie die Entscheidung, ihn als Kandidaten für die Neuwahl zuzulassen.

Einen Monat später trat Quindel von ihrem Posten zurück. Inzwischen war bekannt geworden, daß sie und ihr Ehemann Mitglieder der New Party sind, einer Organisation, die hauptsächlich aus Gewerkschaftsfunktionären der mittleren Ebene und Ex-Radikalen besteht, und daß Carey persönlich 5.000 Dollar aus der Gewerkschaftskasse an diese Partei gespendet hat. Darüber hinaus stellte sich heraus, daß Quindels Ehemann im Vorstand der Filiale von Citizen Action in Wisconsin saß, einer Organisation, der die Beteiligung an Careys Geldwäsche mit einem Betrag von 475.000 Dollar angelastet wird.

Michael Cherkasky kommt ins Spiel

Im Dezember 1997 wurde Michael Cherkasky zum neuen Wahlbeobachter für die Teamsters Union ernannt. Im Unterschied zu Quindel kommt Cherkasky nicht aus der „linken" Demokratischen Partei und Kreisen der Arbeiterbürokratie. Bis 1994 war er 11 Jahre lang als Chefermittler für den New Yorker Staatsanwalt Robert Morgenthau tätig gewesen. In dieser Funktion hatte er besonders markante Fälle bearbeitet, vom Gangster John Gotti über den Skandal um die BCCI (Bank of Credit and Commerce International) bis zum Bombenanschlag auf das World Trade Center.

Cherkasky ist zur Zeit Spitzenmanager der nordamerikanischen Niederlassungen von Kroll Associates, einer Sicherheitsfirma für internationale Gesellschaften, die Aufträge für die 500 größten Unternehmen des Landes abwickelt und enge Beziehungen zum amerikanischen Militär unterhält.

Warum die Entscheidung, Hoffa als Kandidaten zuzulassen? Zweifellos spielten dabei mehrere Überlegungen eine Rolle, und man kann keine geradlinige Erklärung geben. Aber es ist möglich und auch notwendig, diese Entscheidung in größerem politischen Zusammenhang zu sehen.

Am Tag von Cherkaskys Entscheidung klagte die große Bundesjury in New York William Hamilton, den früheren politischen Sprecher der Teamsters, in sechs Punkten des Betrugs, Meineids, der Veruntreung und Verschwörung an, die aus seiner Verwicklung in die Wahlmanöver von Carey resultieren. Die Klage nannte außerdem Spitzenfunktionäre des AFL-CIO und Beauftragte des Demokratischen Nationalkomitees und der Wahlkampagne für Clinton und Gore.

Der Jury zufolge hatte Hamilton auf Aufforderung von AFL-CIO Kassenwart Richard Trumka einen Scheck der Teamsters über 150.000 Dollar an die Dachorganisation [d.h. den AFL-CIO] gespendet. Trumka wiederum veranlasste eine Spende des AFL-CIO über 150.000 Dollar an Citizen Action, die ihrerseits 100.000 Dollar an eine Firma fließen ließ, die Massenwurfsendungen für Careys Kampagne organisierte.

Drei Tage nach der Anklage wurde AFL-CIO-Chef John Sweeney zu einer Anhörung vor den Kongreßausschuß des Republikaners Peter Hoekstra geladen. Er sollte begründen, warum sein Stellvertreter Trumka den Fünften Verfassungszusatz in Anspruch genommen und die Aussage sowohl vor dem Kongreß als auch vor der Bundesjury in New York verweigert hatte. In den Teamster-Skandal verwickelt sind auch andere AFL-CIO-Führer wie der Vorsitzende der Gewerkschaft für die Verwaltungsangestellten von Bund, Staaten und Gemeinden (AFSCME), Gerald McEntee, sowie ein weiterer Spitzenfunktionär der AFSCME, Paul Booth, und der Vorsitzende der Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, Andrew Stern, Sweeneys alter Kricketpartner.

Die Entscheidung über die Kandidatur von Hoffa kann auch mit Befürchtungen zusammenhängen, daß der Teamster-Skandal weitere Kreise zieht. Dabei könnte die gesamte Führungsriege des AFL-CIO, die erst vor drei Jahren mit beträchtlichem Medienspektakel auf ihre Posten gehievt wurde, dezimiert werden. So könnte sich Trumka, der Nachfolgekandidat für Sweeney, gezwungen sehen zurückzutreten, egal ob er angeklagt wird oder nicht. Auch ein Rücktritt von McEntee und ernste juristische Probleme für Sweeney selbst sind nicht auszuschließen.

Wäre es unter diesen Bedingungen nicht klüger, eine neue Auswahl von Handlangern zu lancieren, um den alten Gewerkschaftsapparat zusammenzuhalten? Schließlich haben die Teamsters und der AFL-CIO viel Nützliches geleistet, um die Arbeiterklasse zu unterdrücken und die Interessen und Ideologie des amerikanischen Kapitalismus zu verteidigen. Hoffa mag zwar ein „Mängelexemplar" sein, aber vielleicht der einzige Kandidat, der dafür zu haben ist.

Cherkaskys Entscheidung sollte man auch im Zusammenhang mit den andauernden Querelen um Präsident Clinton sehen, vor allem mit den Ermittlungen der Republikaner in angebliche finanzielle Machenschaften bei der Wiederwahl Clintons 1996. Das Büro des New Yorker Bundesstaatsanwalts hat bereits in Aussicht gestellt, es werde die Verbindungen zwischen der Teamster- und der Clinton-Wahlkampagne überprüfen. Die Republikaner im Repräsentantenhaus untersuchen dieselben Vorwürfe. Hoffa hat keinen Hehl daraus gemacht, daß er zu einem Bündnis mit dieser Untersuchungskomission bereit ist.

Politische Lehren für die Arbeiterklasse

Die Absichten und Ziele, die die Bundesbehörden und Gerichte mit ihren Maßnahmen verfolgen, kann man wahrscheinlich nicht exakt bestimmen. Eines kann man jedoch mit Gewißheit sagen: Die Manöver der herrschenden Klasse in der Frage, wer künftig die Teamsters Union führen soll, finden über den Köpfen und hinter dem Rücken der Arbeiterklasse statt.

Drei Schlußfolgerungen kann man aus diesen Ereignissen ziehen:

Erstens, die staatliche Intervention in der Teamsters Gewerkschaft ist völlig entlarvt worden. Von dem Vorwand der Regierung, sie wolle im Interesse der Mitgliedschaft saubere Verhältnisse in der Gewerkschaft schaffen, ist nichts übriggeblieben, nachdem sie James P. Hoffa unterstützt, der Karriere als Aushängeschild der alten Garde der Teamsters-Bürokratie gemacht hat.

Zweitens unterstreichen die verschiedenen Manöver und Untersuchungsausschüsse die Tatsache, daß Arbeiter keinerlei echte Kontrolle über die Teamster-Gewerkschaft, den AFL-CIO oder irgendeine andere Gewerkschaft haben.

Schließlich gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Fraktionen der Gewerkschaftsbürokratie. Weder Hoffa noch Ken Hall, der Bürokrat aus West Virginia, den die Carey-Anhänger erneut gewählt haben, haben die Absicht, die Interessen der Teamster-Mitglieder oder der Arbeiterklasse als Ganzes zu verteidigen. Beide sind loyale Anhänger des kapitalistischen Zwei-Parteien-Systems, Feinde des Sozialismus und Gegner jedes Kampfs, der das Profitsystem in Frage stellt.

Organisationen, die an den kapitalistischen Staat gebunden sind und die ökonomischen Forderungen des großen Kapitals verteidigen, können und werden nicht für die Interessen der Arbeiterklasse eintreten. Letzendlich beweisen Aufstieg und Fall von Ron Carey und deren schäbige Umstände, wie degeneriert die alten Gewerkschaften sind, und wie dringend es ist, daß sich die Arbeiter eine neue Bewegung aufbauen, die eine grundlegend andere, eine sozialistische und internationalistische Orientierung hat.

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