Israel und USA verlassen UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus

Der gemeinsame Abzug der amerikanischen und israelischen Delegationen von der UNO-Konferenz gegen Rassismus im südafrikanischen Durban kam keineswegs überraschend. Das Ganze war ganz bewusst inszeniert und zielte darauf ab, jegliche Opposition gegen die Verfolgung der Palästinenser durch den zionistischen Staat als rassistisch darzustellen.

Im ursprünglichen Resolutionsentwurf der UNO-Konferenz war von "tiefer Beunruhigung" angesichts der "Zunahme rassistischer Praktiken des Zionismus und Antisemitismus" die Rede und vom Entstehen von "Bewegungen, die sich auf die Vorstellungen von Rassismus und Diskriminierung gründen, insbesondere der zionistischen Bewegung, die sich auf das Prinzip der Rassenüberlegenheit gründet". Die Resolution erhob direkte Kritik gegen die israelische Unterdrückung der Palästinenser in der Westbank als eine "neue Form von Apartheid, ein Verbrechen gegen die Menschheit".

Die USA und Israel bestanden darauf, dass die direkte Bezugnahme auf Israel gestrichen werde. Bevor beide Delegationen die Konferenz verließen, machte man ihnen das Angebot einer Kompromiss-Resolution, die von Finnland und Südafrika in Konsultation mit den arabischen Staaten ausgearbeitet werden sollte. Nachdem man Kritikpunkte, die sich spezifisch auf Israel bezogen, abgemildert hatte, wurde laut Presseberichten die neue Version durch den US-Kongressabgeordneten Tom Lantos, einem Teilnehmer der US-Delegation, sogar für die Regierung in Washington als akzeptabel erklärt. Aber es sollte sich zeigen, dass die USA und Israel keinerlei Absicht hatten, einem Kompromiss zuzustimmen.

Die Konferenz in Durban zu diskreditieren war für das zionistische Regime und seine amerikanischen Unterstützer oberstes Ziel, bot sie doch den Palästinensern eine mögliche Arena für einen Propagandafeldzug in eigener Sache, auch wenn alles andere zu ihren Ungunsten verlief.

Die stillschweigende Unterstützung der militärischen Offensive des israelischen Premierministers und Likud-Führers Ariel Sharon gegen die Westbank und den Gazastreifen durch die USA hatte die Palästinenser völlig isoliert. Außer symbolischen Geldgeschenken erhielten sie keinerlei tatkräftige Unterstützung von den arabischen Staaten, die im ganzen vergangenen Jahr, das stark von Auseinandersetzungen geprägt war, eigene Beziehungen zu Israel unterhielten. Die europäischen Staaten wiederum treten zwar etwas eifriger dafür ein, dass die USA die Verhandlungen zwischen den beiden Konfliktparteien wiederaufnimmt, sind aber nicht zu Maßnahmen bereit, die Israel missfallen könnten. Die Europäische Union erachtet eine enge Beziehung zu Israel, dem militärischen Kraftzentrum im Nahen Osten, als notwendig, um die US-Vorherrschaft in der Region auszugleichen.

Auch Russland kommt Israel stärker entgegen. Russland unternimmt einen weiteren Versuch, die Vorherrschaft der USA im Nahen Osten herauszufordern, indem es sich selbst als ehrlichen Vermittler zwischen Israel und den Regierungen der arabischen Ländern anbietet. Im gleichen Zeitraum, als die Konferenz in Durban abgehalten wurde, traf Scharon sich mit Präsident Putin in Moskau, um Themen wie die gemeinsame Bedrohung durch den islamischen Terrorismus (Scharon äußerte sogar Verständnis für die blutige Unterdrückung islamischer Rebellengruppen in Tschetschenien durch Russland), die Einwanderungsmöglichkeiten für eine weitere Million jüdischer Immigranten von Russland nach Israel, sowie Handelsgeschäfte im Rüstungsbereich und anderen Bereichen zu erörtern.

Die USA und Israel setzten alles daran, die pro-zionistischen Front, die sie unter den Großmächten herzustellen suchten, intakt zu halten. Um den Abzug ihrer Delegationen zu rechtfertigen, bezeichneten die Bush- und die Scharon-Regierung die Durban-Konferenz als Brutstätte des Antisemitismus, vergleichbar mit einer Versammlung von Nazis.

Shimon Samuels, Vorsitzender des jüdischen Ausschusses in Durban, erklärte: "Es gab da ein Dokument des Forums der Nichtregierungsorganisationen, das für Goebbels eine wahre Freude gewesen wäre. Und inzwischen ist klar, dass es am Schluss der Konferenz der Regierungen Resolutionen geben wird, die man als ‚Mein Kampf' der UNO bezeichnen kann."

Mordeschai Jedid, offizieller Konferenzsprecher, bestand darauf, dass die Resolution keine Verurteilung Israels enthalten dürfe. Bevor die Delegationen der USA und Israels die Konferenz verließen, erklärte er vor der Vollversammlung: "Anti-Zionismus, den Juden das Grundrecht auf ein Zuhause zu verweigern, ist nichts anderes als Antisemitismus in reinster Form." Jedid verspottete die arabischen Länder, die in ihren Entwürfen Israels Vorgehen gegenüber den Palästinensern kritisiert hatten, als "eine Gruppe von Staaten, in deren einheimischem Lexikon die Begriffe ‚Rassismus', ‚Diskriminierung' und selbst ‚Menschenrechte'" gar nicht existierten. Die UNO-Resolution, meinte er weiter, sei "die rassistischste Erklärung einer großen internationalen Organisation seit dem zweiten Weltkrieg."

Der ägyptische Außenminister Ahmed Maher verließ nach diesen Ausführungen den Konferenzsaal. Ägypten gehört zu den arabischen Ländern, die ganz besonders enge Kontakte zu den USA unterhalten.

In seiner Rede, die den Abzug der US-Delegation ankündigte, verurteilte US-Außenminister Colin Powell das Vorgehen, "nur ein einziges Land, nämlich Israel, herauszugreifen, um es zu tadeln und zu beschimpfen", und wandte sich gegen den Vorwurf, dass in Israel Apartheid praktiziert werde. Der israelische Außenminister Schimon Peres seinerseits erklärte: "Man hat uns in beleidigender Art und ohne Grundlage als Nation mit Kolonialpraktiken dargestellt... Die Arabische Liga, ihre gesamte Mitgliedschaft, stellt sich somit gegen den Frieden."

Die rechte Medienlandschaft in Israel blies in das gleiche Horn. Ein Artikel von Jossi Olmert in der Jerusalem Post vom 4. September beschreibt die Konferenz in Durban als "Spiegelbild der Nürnberger Propagandamärsche, in denen die Nazis ihre judenfeindlichen Botschaften propagierten und alles daran setzten, um der jüdischen Bevölkerung jegliche Legitimität abzuerkennen, ein Schritt, der schließlich unweigerlich zur Liquidierung der Juden führte." Etwas unwillig räumte er ein, "nicht alle Teilnehmer in Durban sind Nazis, vielleicht nicht einmal die Mehrheit unter ihnen, aber es gibt deren zu viele und ihnen verdankt diese schändliche Zusammenkunft ihren wahren Charakter".

Die israelisch-amerikanische Offensive konnte ihr Ziel durchsetzen, und hat verhindert, dass Israels Vorgehen gegen die Palästinenser durch eine offizielle UNO-Resolution verurteilt wird. Der Offensive folgten die Androhungen Kanadas und der EU, die Konferenz zu verlassen, wenn die Abschluss-Resolution diese Punkte nicht berücksichtige. So machte der deutsche Bundesaußenminister Joschka Fischer bei der Debatte der EU-Außenminister über die UNO-Konferenz in Genval deutlich, dass Deutschland aussteigen werde, wenn die gegen Israel gerichteten Änderungen in die Abschlusserklärung übernommen würden - eine Position die auch Großbritannien und die Niederlande teilten. Die skandinavischen EU-Länder wollten es bei einem Protest belassen.

Der französische Premierminister Lionel Jospin sagte, dass Frankreich und die EU die Konferenz verlassen würden, "wenn die Abschluss-Resolution weiterhin die Begriffe Zionismus und Rassismus" enthalte. Daraufhin beauftragte die Konferenz eine Kommission aus fünf Delegierten von Südafrika, Belgien (als Vertreter der EU), der Arabischen Liga, Norwegen und Namibia, um eine Kompromisserklärung zum Nahen Osten auszuarbeiten.

Noch vor Abzug der israelischen Delegation konnte Peres seine Genugtuung nicht verbergen und sagte gegenüber der Presse: "Zum ersten Mal befinden sich nicht nur die Vereinigten Staaten in Opposition zum arabischen Resolutionsentwurf, sondern auch die fünfzehn Staaten der EU, die in einer förmlichen Abstimmung gegen diesen Entwurf gestimmt haben; dann alle Länder Osteuropas, die in der Vergangenheit meist mit den arabischen Ländern stimmten; Kanada, Russland, die lateinamerikanischen Staaten... Indien, Japan und Singapore." Er dankte den 43 Staaten, die gegen die "einseitige Entscheidung" der arabischen und muslimischen Ligen gestimmt hatten.

Die Behauptungen dieser Regierungen, sie hätten sich auf die Seite Israels gestellt, um Position gegen den Antisemitismus zu beziehen, ist völlig haltlos. Es steht außer Zweifel, dass einige der Protestler außerhalb des Konferenzgebäudes sowie auch die Erklärungen Syriens und des Iran Elemente von antijüdischem Rassismus beinhalteten - wobei der Iran eine Diskussion über Antisemitismus mit der Begründung ablehnte, dass es sich hierbei nicht um eine zeitgenössische Form des Rassismus handele. Aber es wäre durchaus möglich gewesen, sich gegen den Antisemitismus auszusprechen und gleichzeitig die israelischen Unterdrückungspraktiken gegenüber den Palästinensern und die zur Routine gewordene Diskriminierung von Nicht-Juden durch das zionistische Regime zu verurteilen. Statt dessen haben die USA sowie die Länder der EU dazu beigetragen, dass Scharon seinen Versuch, die Autorität der Palästinensischen Autonomiebehörde weiter zu untergraben und den Großteil der besetzten Gebiete erneut der direkten Kontrolle Israels zu unterstellen, weiter vorantreiben kann.

Siehe auch:
Plant Israel eine Invasion in Westbank und Gaza?
(17. Juli 2001)
Israel und das Rückkehrrecht der Palästinenser
( 26. Januar 2001)
Scharons Wahlsieg kündet von wachsenden Spannungen in Israel und im Nahen Osten
( 14. Februar 2001)
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