Ein Interview mit Hans-Christian Ströbele

Am Rande einer Antikriegskundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz sprach die WSWS am 26. Oktober mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christan Ströbele. Ein kritischer Kommentar zu dem Interview findet sich im Artikel "Protest ohne Perspektive" (http://www.wsws.org/de/2002/nov2002/prot-n01.shtml).

WSWS: Wie ist Ihre Haltung gegenüber der Position der deutschen Bundesregierung zu einem möglichen Krieg gegen den Irak?

H-C.S : Ich muss sagen, dass ich erstens meine Zweifel über die Haltung der Regierung habe, basierend auf ihrer Praxis in der Vergangenheit. In den vergangenen Monaten hatte die Regierung eine klare Position, und ich kann nur hoffen, dass sie bei ihrem Standpunkt bleibt. Zweitens müssen wir viel konsequenter gegen diesen Krieg argumentieren. Dieser Krieg ist ein eindeutiger Angriffskrieg und verstößt gegen das internationale Völkerrecht.

Wenn die Regierung ihre Opposition gegen einen Krieg im Irak ernst meint, müssen wir vermeiden, dass die deutsche Beteiligung an anderen Kriegseinsätzen, wie etwa in Afghanistan, als Entlastung für amerikanische Truppen genutzt werden kann.

Gleichzeitig tauchen eine Reihe von praktischen Fragen auf, z. B. die Benutzung deutscher Basen für die amerikanische Kriegsführung. Obwohl es internationale Bestimmungen zur Benutzung der deutschen Basen gibt, verbietet die deutsche Verfassung, die einen Angriffskrieg ausschließt, auch die Nutzung deutscher Basen für den Irak-Krieg. Wenn die deutsche Regierung konsequent in ihrer Haltung gegen einen Krieg im Irak ist, dann sollte sie auch die in Kuwait stationierten deutschen Fuchs-Panzer abziehen. Aber ich muss zugeben, dass ich keinen Widerhall erzeuge, wenn ich diese Punkte zur Sprache bringe.

WSWS : Sie sind jetzt ein Mitglied des Vorstands der grünen Bundestagsfraktion. Wie wird die Frage des Kriegs gegen den Irak innerhalb der Fraktion behandelt?

H-C.S.: Ich muss zugeben, dass seit der Wahl die Fraktion bislang die Fragen nicht diskutiert hat und dass das als Mangel innerhalb der Partei betrachtet werden muss. Es gibt Mitglieder der Parteibasis, die solche Diskussionen führen wollten, z. B. auf unserem letzten Parteitag, aber eine vernünftige Diskussion über die Frage hat in der Partei bisher nicht stattgefunden

WSWS : Wie vereinbaren Sie Ihre Antikriegsposition mit der Tatsache, dass Sie in der Bundestagsabstimmung letzte Woche über einen weiteren Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien mit "ja" gestimmt haben?

H-C.S.: Ich muss zugeben, ich habe meine Position geändert. Bei der ersten Abstimmung über einen Mazedonien-Einsatz habe ich dagegen gestimmt, beim zweiten Mal habe ich mich enthalten und jetzt, bei der letzten Abstimmung, habe ich mit "ja" gestimmt.

Als Rechtfertigung könnte man argumentieren, dass deutsche Soldaten stationiert in Mazedonien dann mindestens nicht im Irak-Krieg kämpfen könnten, aber das wäre zu billig. Aber eigentlich ist die Situation in Mazedonien ganz anders. Unsere Beteiligung ist von einem frei gewählten Parlament und einer sozialdemokratisch geführten Regierung gewünscht. Es findet im Mazedonien im Moment kein Krieg statt. Die eigentliche Aufgabe ist der Schutz der internationalen Beobachter in dem Land.

WSWS : Eine letzte Frage: Haben Sie weitere Informationen über den versuchten Mordanschlag auf Sie?

H-C.S.: Ich würde es nicht als Mordanschlag beschreiben oder betrachten. Der Typ ist sturzbetrunken aus einer Kneipe gekommen und hat mich attackiert. Das, was mich am meisten geschmerzt hat, war der plötzliche physische Angriff. Der Angreifer war zwei Meter groß und hat mich attackiert, ohne ein Wort zu sagen. Und so eine Art Angriff macht mich recht wütend. Bisher sehe ich keine Hinweise auf eine Beteiligung des Verfassungsschutzes. Aber wer weiß?

Siehe auch:
Protest ohne Perspektive -Ein Kommentar zu den jüngsten Anti-Kriegsdemonstrationen
(1. November 2002)
Neonazi-Angriff auf den Grünen Hans-Christian Ströbele
( 26. September 2002)
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