"Socialism 2010": Die Politik der International Socialist Organisation

Die ISO und die Linke der amerikanischen Mittelklasse

Die International Socialist Organisation (ISO) und Socialist Worker unterstützen demnächst stattfindende Konferenzen in Chikago und Oakland, Kalifornien, unter der Losung "Socialism 2010": [Sozialismus 2010].

Als erstes ist zu sagen, dass im Titel der Versammlungen, "Socialism 2010", eine nicht beabsichtigte Ironie liegt. Kein Aspekt dieser Konferenzen ist "sozialistisch" in dem Sinne, wie es ernsthafte Vertreter in der Geschichte der sozialistischen Bewegung verstanden hätten.

Die Zeitschrift der ISO, Socialist Worker, möchte den Eindruck vermitteln, dass diese Treffen den Sozialismus von 2010 repräsentieren. Aber auf diesen Versammlungen geht es absolut nicht um die zentralen Fragen für Sozialisten: Den Kampf gegen den Weltkapitalismus, die politische Vorbereitung der Arbeiterklasse auf die Macht, die internationale Vereinigung der Arbeiterklasse, die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, die höchste Dringlichkeit, eine sozialistische Wirtschaftsordnung zu schaffen, die demokratisch von der arbeitenden Bevölkerung kontrolliert wird.

Die Konferenzen orientieren sich nicht an den komplexen Problemen, die mit der sozialistischen Revolution verbunden sind. Sie verfügen nicht über die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, die mit den anstehenden Fragen auf Leben und Tod einhergehen.

Stattdessen wird uns vom Socialist Worker mitgeteilt, das Ziel der Konferenz sei, "die Geschichte der Kämpfe der einfachen Leute zu erforschen, etwas über radikale Personen zu erfahren, die sozialistische Bewegungen geführt haben und theoretische Fragen zu erörtern, die uns helfen können die Welt zu verändern. Diese allgemeine Perspektive wäre für eine ganze Schar liberaler Protestbewegungen in den USA akzeptabel, von denen keine die Grundlagen der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung im Focus hat oder vorhat, sie in Frage zu stellen.

Was sollen diese Konferenzen dann? Wie kann man sie angemessen und präzise definieren?

Schon wenn man sich das Führungspersonal dieser Versammlungen und deren Geschichte ansieht, kann man weitgehende Rückschlüsse ziehen. Sie stammen weitgehend aus diversen Organisationen, die die Radikalisierung der Studenten und Anderer Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre widerspiegelten und ausdrückten. Die ISO-Konferenz bezieht ihre wesentliche Ausrichtung aus dieser sozialen Schicht, die Organisationen beitrat, die die marxistische Terminologie benutzten, um eine Politik zu betreiben, die man nur als kleinbürgerlich bezeichnen kann.

Alle Bewegungen, die bei "Socialism 2010" repräsentiert sind, einschließlich der International Socialists und der verschiedenen Gruppen, die aus der Socialist Workers Party in den USA entstanden sind, lange nachdem diese sich vom revolutionären Sozialismus abgewandt hatte - gingen selbst aus Spaltungen und Neugruppierungen hervor. Mit jedem Mal wandten sie sich entschiedener vom Marxismus, vom Sozialismus und vom Trotzkismus ab.

Die Radikalisierung der 1960er und 1970er Jahre war ein internationales Phänomen, das insbesondere Bewegungen gegen den Vietnamkrieg und die "Studentenbewegungen" in den USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland und anderen entwickelten kapitalistischen Ländern hervorbrachte. Nur wenige Teilnehmer dieser Bewegungen fanden ihren Weg zum wirklichen revolutionären Marxismus und blieben dabei.

1850 gab Marx eine Definition dieses politischen Typus, der sich auf den ISO-Konferenzen tummelt, die bis heute unübertroffen ist. Er erklärte: "Die demokratischen Kleinbürger, weit entfernt, für die revolutionären Proletarier die ganze Gesellschaft umwälzen zu wollen, erstreben eine Änderung der gesellschaftlichen Zustände, wodurch ihnen die bestehende Gesellschaft möglichst erträglich und bequem gemacht wird." Gäbe es eine passendere Beschreibung?

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich diese ehemaligen Rebellen scharf nach rechts gewendet. Sie haben im akademischen Bereich, als Journalisten, in liberalen Thinktanks oder in Gewerkschaften erfolgreich Karriere gemacht. Was sie auch immer ursprünglich zum Sozialismus hingezogen hatte, ist aus dem Gedächtnis verschwunden. Nur wenig ist politisch und intellektuell davon übrig geblieben. Diese soziale Gruppe repräsentiert in Wirklichkeit nichts anderes als die linke Flanke des politischen Establishments.

In den USA definiert gegenwärtig die New York Times die Konturen und Grenzen der liberalen Politik. Das Magazin The Nation nimmt sie auf und ändert sie für ihr linksliberales Publikum ab. Die ISO und andere fügen "radikale" Zutaten und ein bisschen sozialistisches Aroma hinzu und dann wird die Mixtur ihren Zuhörern und Lesern serviert.

Die kleinbürgerliche Politik der "Linken" vom Schlage der ISO zeichnet sich durch ihre theoretische Formlosigkeit, ihr Fehlen jeglicher Perspektive, das pragmatische Nachgeben vor dem vorherrschenden politischen Druck und durch politische Unernsthaftigkeit aus.

Das Programm von "Socialism 2010" ist nicht der revolutionäre Sturz der Bourgeoisie, sondern eine milde reformistische Plattform, eine Rückkehr zum Keynesianismus und nationaler Regulierung (oder Re-Regulierung) der großen Unternehmen, eine weniger kriegslüsterne Außenpolitik der USA, und all dies im Rahmen der Demokratischen Partei.

Die Kritik, die ISO und ihre Anhänger an der Politik der US-Regierung üben, ist weitgehend auch in den liberalen bürgerlichen Medien zu finden. Die Leitartikel im Socialist Worker enthalten nicht einen einzigen revolutionären oder auch nur eigenständigen Gedanken.

Trotzki diskutierte in seinem Artikel, Die Priester der Halbwahrheit von 1938 die politischen Ahnherren der ISO: "Ihre Philosophie widerspiegelt ihre eigene Welt. Von ihrer sozialen Natur her sind sie halb-bürgerlich. Sie nähren sich von Halb-Durchdachtem und Halb-Gefühltem. Sie möchten durch halbe Maßnahmen die Gesellschaft kurieren. Da sie den Verlauf der Geschichte als ein zu unsicheres Phänomen betrachten, weigern sie sich, sich mehr als fünfzig Prozent zu engagieren. So sind diese Leute, die von Halbwahrheiten leben, d. h. der schlimmsten Unwahrheit, zu einer wirklichen Bremse des ernsthaft fortschrittlichen, d.h. revolutionären Gedankens geworden."

Die ISO, Solidarity und derartige Tendenzen haben jahrzehntelang ein politisches Leben innerhalb der beschränkten kleinbürgerlichen "Gender-" und "Identitätspolitik", dem offiziellen Gewerkschaftertum, der Umweltpolitik, unzähligen Einzelthemen und Protestbewegungen für "soziale Gerechtigkeit" geführt.

Bei diesen Konferenzen gibt es nicht einen Hauch von Revolte. Die ISO und ihre Verbündeten pflanzen das Banner "Socialism 2010" auf, um ihre fadenscheinige Politik zu bemänteln und weil sie über die wachsende Radikalisierung besorgt sind.

Denn schließlich könnte es sein, dass Leute zu diesen Versammlungen oder ähnlichen Treffen kommen, die nach Alternativen suchen. Besonders in den USA werden die Anwesenden ohne eigene Schuld wenige Kenntnisse von der sozialistischen Bewegung und ihrer Geschichte haben. Marx, Lenin, Trotzki, Luxemburg... sind Namen für sie, wenig mehr als Bilder oder vage Assoziationen.

Neben Vorträge über dieses oder jenes Thema oder über soziale Bewegungen bietet "Socialism 2010" bietet Vorlesungen über Trotzki, Lenin und den Bolschewismus an. Gerade so als ob Lenin und Trotzki am Leben wären und irgendetwas mit einer derartigen politischen Farce zu tun hätten.

Wenn die Organisatoren ehrlich zu sich selbst und zu ihrem Publikum wären, dann würden sie die Konferenz "Linken Liberalismus 2010" oder "Keynesianismus 2010" oder vielleicht "Halb-Obamaismus 2010" nennen.

Das Ganze ist in vielfacher Hinsicht keine ehrliche Angelegenheit. Die diversen "linken" Berühmtheiten, die daran teilnehmen, sind in der Vergangenheit oft aneinandergeraten und wissen aus etlichen vertraulichen Gesprächen über verschiedene Leichen in verschiedenen Kellern Bescheid. Sie werden in gegenseitigem Einverständnis nicht über ihre eigene Geschichte, die Geschichte der Vierten Internationale und ihrer Gegner oder die strategischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sprechen. Das wäre unhöflich. Die Verrätereien und Niederlagen der Vergangenheit werden nicht untersucht.

Ein Umkreis, der beunruhigt

Die ISO-Konferenz wird im Dunstkreis der Demokratischen Partei und der bürgerlichen Politik insgesamt stattfinden (die grüne Partei und Ralph Nader eingeschlossen).

Die Liste der Sprecher bietet ein perfektes Abbild des prinzipienlosen Charakters der Methoden der ISO. Die Webseite "Socialism 2010" ist ein wenig zurückhaltend, wenn es um den Hintergrund und die Ansichten einiger der vorgesehenen Sprecher geht, aber wenn man ein wenig nachforscht, kann man wichtige Fakten finden.

Zwei von ihnen haben Funktionen im unmittelbaren Umkreis der Demokratischen Partei, andere bewegen sich in etwas größerer Entfernung und weitere Personen, sind aus den Demokraten ausgetreten... um solche Leute wie Nader zu unterstützen.

Zum Beispiel spricht einer der Teilnehmer, Jorge Mujica, über die Rechte von Immigranten. Er wird beschrieben als "ein führender Arbeiterorganisator und Aktivist für die Rechte von Immigranten in Chicago seit dem Ende der 1980er Jahre." In Wirklichkeit war Mujica im letzten Februar Kandidat bei den Vorwahlen der Demokratischen Partei für den 3. Kongressbezirk in Illinois, die er an den Amtsinhaber verlor. Jemand, der offiziell Politik für die Demokratische Partei macht, würde sich als Sprecher auf einer wirklich sozialistischen Konferenz automatisch disqualifizieren.

Weiter als Sprecher bei "Socialism 2010" vorgesehen ist Nativo Lopez, der als führender Aktivist für die Rechte von Immigranten in Südkalifornien" bezeichnet wird. Ein Reporter der Los Angeles Times verglich Lopez mit Jesse Jackson in Chicago und Al Sharpton in New York, die beide seit langem Funktionäre der Demokratischen Partei sind. Dies ist vermutlich als Kompliment gemeint.

In einem enthusiastischen Kommentar vom 7. November 2007 schrieb Lopez: "Das amerikanische Volk kann jetzt über einen der größten Schläge gegen den Rassismus in seiner Geschichte jubeln - die Wahl von Präsident Barack Obama... Egal, wie man zu seiner Politik steht - ob recht oder links davon - der gewählte Präsident Obama wird als eine legendäre amerikanische Persönlichkeit in die Geschichte eingehen." [Hervorhebung im Original]

Über den Radikalismus der amerikanischen Arbeiterklasse, insbesondere über die Märtyrer vom Haymarket wird Professor James Green sprechen. Greens Webseite enthüllt stolz, dass "Redenschreiber des Weißen Hauses sich an Professor James Green von der University of Massachusetts in Boston wenden, den Autor von vier Büchern über die Arbeiterbewegung,....wenn sie Bemerkungen für Obamas Auftritt auf der Jahreskonferenz des Gewerkschaftsdachverbands AFL-CIO zusammenstellen." Ein Foto von Green mit Barack Obama schmückt seine Website.

James Thindwa und Salim Muwakkil, zwei weitere Sprecher bei "Socialism 2010", schreiben für These Times, eine sozialdemokratische Zeitschrift, die fest zur Demokratischen Partei hält.

Thindwa, der das Chicagoer Büro von "Jobs With Justice" [Arbeitsplätze mit Gerechtigkeit] leitet, verfasste im August 2009 eine Schrift mit dem Titel "Dems [Demokraten], ihr habt die Macht", um die Demokraten zu drängen die Republikaner im Kongress anzugehen. Er schrieb: "Im letzten November, einem der gefährlichsten Momente der amerikanischen Geschichte, haben die Amerikaner Barack Obama und den Demokraten ein Mandat gegeben, um die Richtung des Landes zu verändern. Sie wollten nach acht Jahren Niedergang an nahezu allen Fronten das Blatt wenden."

Nach den Wahlen 2008 schrieb Muwakkil einen Artikel mit dem Titel "Stolz auf Obama... zuerst einmal". Er kommentierte: "Was eine ferne Möglichkeit - und kühne Hoffnung - war, ist eine phantastische Tatsache geworden. Die Wahl eines schwarzen Präsidenten war für so unwahrscheinlich gehalten worden, dass es unsinnig schien, auch nur daran zu denken. Ich habe niemals geglaubt, dass ich es erleben würde. Als CNN den Sieg Obama bekannt gab, stiegen mir plötzlich Tränen in die Augen. Die Wahl des ersten schwarzen Präsidenten der Nation hat eine tiefe Saite der Seele angeschlagen."

Ein anderer groß angekündigter Teilnehmer, Sal Rosselli (er spricht über den "Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiterbewegung") ist Präsident der Gewerkschaft der Beschäftigten des Gesundheitswesens, National Union of Healthcare Workers, in Kalifornien. Früher war er Funktionär der Dienstleistungsgewerkschaft Service Employees International Union (SEIU) und kam wegen deren undemokratischen Methoden in Konflikt mit dem Chef der SEIU, Andrew Stern; aber seine eigene Politik ist genau so konventionell. 2008, als er noch in der SEIU war, war Rosselli ein unbeirrter Unterstützer Obamas.

Die Washington Post berichtete im Juni 2008: "Zu denen, die am stärksten für die Unterstützung Obamas kämpften ... gehörte die United Healthcare Workers-West, ein 150.000 Mitglieder zählender Verband der SEIU in Kalifornien, der sich in einer heftigen Auseinandersetzung mit dem SEIU Präsidenten Andy Stern befindet. Gestern sagte der Leiter des Ortsverbandes, Sal Rosselli, dass seine Gewerkschaft sich gegen die Sabotage Sterns zu schützen versuche. Das schränke ihre Möglichkeit ein, Obama zu unterstützen."

Arum Gupta, der Gründer der Zeitung Indypendant und auf der ISO-Konferenz Sprecher zum Thema "Ernährungspolitik" erklärte im November 2008 gegenüber "Democrcy Now!, dass es mit Obama "das Potential für eine Präsidentschaft des Wandels gebe, wenn es von unten kommt."

Dan La Botz, Mitbegründer der Gewerkschaftsopposition Teamsters for a Democratic Union (TDU) und "Altlinker" (er spricht bei "Socialism 2010" über die Mexikanische Revolution), war von Obamas Rede über die Rassenbeziehungen im März 2008 begeistert und nannte sie "die größte Rede eines amerikanischen Politikers seit Jahrzehnten. Sie hat die Diskussion über Rassenfragen in Amerika auf eine neue Ebene gehoben. Was diese Rede so großartig gemacht hat, war nicht allein, was er sagte, sondern auch, was sie uns zu fragen auffordert und welche Antworten sie von uns verlangt."

(Die World Socialist Web Site war weniger angetan von dieser Rede und vermutete, dass sie sich an mehrere Adressaten gleichzeitig richtete, um zu zeigen, "dass die herrschende Elite sich auf ihn verlassen kann, um die Massen unter Kontrolle zu halten und eine grundsätzliche Bedrohung der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung zu verhindern.")

Kevin Ovenden, der auf der Konferenz über das israelische Massaker an der Hilfsflotte für Gaza spricht, ist ein britischer Aktivist der Organisation "Socialist Unity" ("Sozialistische Einheit"). Er behauptete 2008, dass jeder, der sich weigere, Obama zu unterstützen, an einer "Bunkermentalität" leide. Er kommentierte: "Das politische Terrain für radikale Bewegungen wird unter der Präsidentschaft Obamas besser sein. Die Liberalen in den USA sind zurück, die Linken können das auch."

Chris Hedges, leitender Wissenschaftler am Nation Institute und auf der ISO-Konferenz Sprecher zum Thema "Wie die Unternehmen die amerikanische Demokratie zerstört haben", setzte sich 2008 für die Wahl Ralph Naders ein, weil ein Präsident Obama sich für "die im Nahen Osten" nicht von einem Präsidenten McCain unterscheiden würde. Aber man sollte hinzufügen, auch eine grüne Nader-Regierung würde sich in dieser Hinsicht nicht unterscheiden. Dies hat in bewundernswerter Klarheit die Grüne Partei in Deutschland in einer Koalitionsregierung demonstriert.

So sieht der "Sozialismus 2010" der ISO aus.

Die ISO und Barack Obama

Die International Socalist Organisation und der Socialist Worker - und auch die anderen kleinbürgerlichen linken Gruppierungen - sind durch eine ganze Reihe von charakteristischen Eigenschaften bestimmt. Einige von diesen Gruppen werden auch auf den "Socialism 2010" Konferenzen der ISO in Chicago und Oakland, Kalifornien, im Juni und Juli vertreten sein.

Wenn Marxisten von "kleinbürgerlicher Politik" sprechen, ist das nicht als Schimpfwort, sondern als soziologische Definition zu verstehen. Wie den gesellschaftlichen Schichten, deren Ansichten sie ausdrücken, fehlt den kleinbürgerlichen Organisationen jegliche unabhängige Perspektive. Sie hängen hilflos an den Rockschößen der herrschenden Elite.

Das bedeutet, dass solche Politiker der Mittelschichten innerhalb des existierenden politischen Rahmens arbeiten und ihn akzeptieren, wie "links" ihr Gerede auch manchmal tönen mag. Die Ziele und Bestrebungen der ISO und ihrer Verbündeten sind ohne Weiteres mit der politischen Vorherrschaft des Großkapitals, den Bedürfnissen des kapitalistischen Staats und dem Fortbestehen bürgerlicher Eigentumsverhältnisse vereinbar.

Darüber hinaus gehen sie nicht davon aus, dass es notwendig ist, eine ernsthafte Analyse des Kapitalismus in den USA und weltweit, einschließlich des besonderen Stadiums seiner gegenwärtigen Krise, durchzuführen. Daher arbeiten die ISO und andere "Linke" auf der Grundlage von Impressionen, d.h. sie bleiben immer auf der Oberfläche der täglichen Ereignisse. So erweisen sich Socialist Worker und die Nation zum Beispiel oft als weniger durchdacht als ernstzunehmende Publikationen der Bourgeoisie, die sich den dringenden Bedürfnissen ihrer Klasse verpflichtet fühlen und deshalb eine präzise Einschätzung ihrer eigenen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung vornehmen.

Diesem Mangel an ernsthaften Analysen durch die ISO liegt die Überzeugung ihrer Führer zu Grunde, dass es keine historische, systemische Krise des Kapitalismus gibt. Sie haben ein grenzenloses Vertrauen in die unbegrenzte Fähigkeit der herrschenden Eliten, jeder Herausforderung ihrer Herrschaft die Spitze zu brechen.

Warum haben die ISO und andere "Linke" sich vor allem hinter Obama geschart? Im Mittelpunkt ihrer Theorie der amerikanischen Gesellschaft steht die Auffassung, dass die Hautfarbe und nicht soziale Klassen die entscheidende Frage sind. Dies mag auf das Argument hinauslaufen oder auch nicht, dass die bürgerliche Revolution niemals vollendet wurde, weil nach dem Bürgerkrieg eine radikale Rekonstruktion eingesetzt hatte. Derartige Ansichten führen zum Schluss, dass demokratische Fragen, vor allem die Gleichheit der Rassen in den Vereinigten Staaten, angegangen werden müssen, bevor der Kampf für den Sozialismus historisch auf die Tagesordnung gesetzt werden kann.

Wie ausgefeilt auch immer ihre Ansichten sein mögen, die kleinbürgerliche Linke Amerikas ist auf die Rassenfrage fixiert und bewegt sich niemals außerhalb der Grenzen, die die bürgerliche politische Herrschaftsordnung setzt. Daher sah sie die mögliche Wahl eines afroamerikanischen Präsidenten von der Demokratischen Partei als das welterschütterndste Ereignis in der modernen Geschichte der USA, wenn nicht sogar in der gesamten amerikanischen Geschichte.

Für die ISO und andere ist die Hautfarbe die wichtigste Frage, aber eine ganze Reihe verwandter Themen sind im Denken der kleinbürgerlichen und akademischen Linken in Amerika in den letzten Jahrzehnten in den Vordergrund getreten, wie Fragen des Geschlechts und der sexuellen Orientierung.

Das ist alles nichts Neues. Wie Marxisten und hellsichtigere Historiker aufgezeigt haben, ist dies Teil einer Tendenz, die sich in der Demokratischen Partei, in der liberalen und bürgerlichen Politik insgesamt entwickelt hat. Die Orientierung an gesellschaftlichen Klassen, die die amerikanische Linke mindestens bis zur Mitte des 20. Jahrhundert und darüber hinaus bestimmte, ist weitgehend durch eine Politik ersetzt worden, die sich um persönliche Identität dreht. Wir konnten die Entstehung einer besonderen Form des Linksliberalismus über "kulturelle" Fragen beobachten, die einhergeht mit Gleichgültigkeit oder Blindheit gegenüber den großen Problemen der Arbeiterklasse, der sozialen Ungleichheit und der Notwendigkeit, das Wirtschaftssystem radikal zu verändern.

Diese Tendenz findet bei den "Socialism 2010" Konferenzen besonders starken Ausdruck. Und nicht nur dort. Die ISO und die anderen Gruppen mögen scharfe Differenzen haben, aber diese politische und ideologische Ausrichtung schweißt sie in ihrer Gegnerschaft gegen den Marxismus zusammen, der sich auf den Kampf konzentriert, die Arbeiter über den Klassencharakter der Gesellschaft und ihre eigene geschichtliche revolutionäre Rolle aufzuklären.

In den letzten zehn Jahren hat die ISO bei der Grünen Partei und den Kampagnen von Ralph Nader mitgemischt und behauptet, das sei eine Alternative zur Demokratischen Partei. In Wirklichkeit bilden diese beiden Formationen einen Teil des bürgerlichen politischen Rahmens. Sie sind ein Bollwerk gegen die Entstehung einer unabhängigen sozialistischen Politik in Amerika.

Selbst diese nur dem Namen nach "unabhängige" Politik fand angesichts des Phänomens Barack Obama ein Ende. Wie oben gezeigt, erwies sich die Wahlkampagne Obamas für das Milieu, an dem sich die ISO ausrichtet und in dem sie arbeitet, als absolut unwiderstehlich.

Man sollte sich darüber klar sein. Es ist nicht so, dass die ISO und Socialist Worker einfach politisch zu schwach und unzureichend vorbereitet wären, um dem Götzen Obama zu widerstehen, und daher mitgerissen wurden. Das wäre eine Unterschätzung des rechten Charakters ihrer Ansichten und ihrs Handelns.

Wie wir zeigen werden, begrüßte die ISO den Wahlkampf Obamas, förderte ihn im Sommer 2008 gegen seine demokratischen Rivalen in den Vorwahlen und schließlich gegen die republikanischen Kandidaten. Sie unterstützte die neue Regierung, nachdem sie ins Amt gekommen war, mit der Behauptung, sie bedeute einen Bruch mit 30 Jahren rechtsgerichteter Politik in Amerika. Bis heute beharren sie darauf, dass die die Obama-Regierung "fortschrittlich" werden kann, wenn genügend Druck auf sie ausgeübt wird.

Die Wahlkampagne von 2008 und danach

In den Monaten bevor Obama als Kandidat für das Präsidentenamt nominiert wurde, machte die ISO deutlich, dass sie ihn seiner Rivalin Hillary Clinton vorzog, die sie wegen ihrer "rassistischen" Kampagne verurteilte.

Am 3. Juni 2008 zum Beispiel fragte der Socialist Worker irritiert in einem Kommentar unter der Überschrift "McCains Vizekandidat?": "Wann wird Hillary Clinton die Wirklichkeit begreifen und zugeben, dass sie die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin verloren hat?" Wann war es je Aufgabe von Sozialisten bürgerliche Politiker und Parteien zu beraten, wie sie ihre Angelegenheiten regeln sollten?

In dem Kommentar heißt es aufschlussreich, dass die Bemühungen von Bill und Hillary Clinton " Barack Obama herunterzumachen... vielleicht nicht ausreichen, um die Republikanische Partei zu retten... Aber die beiden Gegenspieler haben der ersten Partei des amerikanischen Kapitalismus in die Hände gespielt." (Hervorhebung hinzugefügt)

Später, im Verlauf des Sommers 2008 übernahmen die Herausgeber von socialistworker.org die Verantwortung, Obama gegen die Kampagne von McCain und Palin zu verteidigen. Letzterer warfen sie vor, rassistisch "im Trüben zu fischen". Außerdem zitieren sie, wie gewöhnlich, einen Kolumnisten der New York Times (diesmal war es Bob Herbert), um ihr Argument zu stützen.

Wiederholt nahm der Socialist Worker den Standpunkt eines besorgten Wählers der Demokratischen Partei ein. z.B. sinnierte er am 26. August, dass "viele Demokraten verwirrt zum Parteitag gehen und es leicht zu sehen ist, warum. Die Demokraten sollten einem erdrutschartigen Sieg im November entgegengehen, aber stattdessen kämpfen sie darum, die Führung im Wahlkampf um die Präsidentschaft zu halten."

Mehr als einmal nahm die ISO begeistert Bezug auf "die historische Bedeutung seiner [Obamas] Kandidatur... und die Dringlichkeit, eine Veränderung des Systems herbeizuführen." Sein Wahlkampf, so behauptete der Kommentar, "beschwört die Bilder der großen politischen und sozialen Kämpfe der Vergangenheit herauf."

Gab es einen Zweifel, dass die ISO Obama unterstützte und aktiv daran mitarbeitete, ihn ins Weiße Haus zu bringen?

Socialistworker.org kritisierte im Laufe des Sommers 2008 immer wieder den Wahlkampf der Demokraten. Er unterschied sich damit nicht von zahlreichen liberalen Kritikern. Obamas scharfe und aggressive Rechtswende nach dem Parteitag der Demokraten war auch ihm kaum unbemerkt geblieben, da sie ausgiebig kommentiert wurde, und sich in Teilen der Medien sogar eine gewisse Bestürzung breit machte.

Wenn man danach sucht, etwa 25 Absätze weiter, findet man im Kommentar vom 26. August 2008 eine schwache Unterstützung für die "beiden unabhängigen Präsidentschaftskandidaten links von Obama, deren politische Positionen mit ihren Worten übereinstimmen. Ralph Nader wiederholt seine unabhängige Kandidatur von 2000 und 2004 und die frühere Abgeordnete Cynthia McKinney hat die Nominierung als Kandidatin der Grünen Partei gewonnen." Vier weitere Sätze sind deren Wahlkampf noch gewidmet und das war es.

Der Socialist Worker gibt einen Vorgeschmack auf die Art und Weise, wie die Nation und andere Befürworter die Präsidentschaft Obamas bis heute verteidigen, und malt das Schreckgespenst der republikanischen Rechten an die Wand, um seine Solidarität mit dem Kandidaten der Demokraten zu bekunden. Es ist bezeichnend, dass die ISO am 10. September 2008 leitartikelte: "Bei aller Kritik an Obama[!] weisen wir entschieden die rassistischen und reaktionären Verunglimpfungen zurück, die die Kandidaten der Republikaner gegen ihn schleudern, und die noch begeisterter von den rechten Ideologen in den Radioprogrammen und anderen Teile der Medien verbreitet werden."

Die ISO begrüßte Obamas Triumph enthusiastisch und schrieb am 7. November: "Der Erdrutschsieg von Barack Obama bei der Präsidentschaftswahl verändert die amerikanische Politik grundlegend, denn ein Afroamerikaner übernimmt das höchste Amt in einem Land, das auf Sklavenarbeit aufgebaut wurde." Eine "grundlegend verändernde Wahl" ist eine, die großen Einfluss auf das Leben der Massen hat.

Der ISO-Führung dämmerte zu keinem Zeitpunkt, dass Obamas Kandidatur von großen Teilen der politischen und wirtschaftlichen Elite - vom Parteiapparat der Demokraten bis hin zu den Investmentbanken der Wall Street - auf Grund ihrer Klasseninteressen befürwortet wurde. Sein Wahlerfolg war alles andere als ein Moment "grundlegender Veränderung" im politischen Leben Amerikas. Von diesen Kräften wurde seine Amtsübernahme als Mittel angesehen, um mit einer ganzen Reihe schwieriger Probleme fertig zu werden, die durch die diskreditierte Bush-Regierung geschaffen oder verschlimmert worden waren. Dazu gehörte die Unterhöhlung von Zielen, die die US-Außenpolitik seit Jahrzehnten verfolgt hatte. Obama erfreute sich der Unterstützung der einflussreichsten und gewiss der weitsichtigsten Teile des wirtschaftlichen und politischen Establishments Amerikas.

Am 19. November 2008 erschien auf socialistworker.org ein Leitartikel, dessen Überschrift "Große Erwartungen" sich an genau die Illusionen anpasste, die die herrschende amerikanische Elite durch die Wahlkampagne für Obama befördern wollte. Die Kolumne schlug einen Ton an, den die ISO monatelang beibehielt: Die kommende Obama-Regierung bedeute einen Bruch "mit der rechten Agenda der US-Politik der letzten drei Jahrzehnte." Es ist schon bemerkenswert, wie die ISO betonte, dass "das Ausmaß der Probleme und Fragen, vor denen die USA - nicht nur wirtschaftlich, sondern auch in der Außenpolitik und darüber hinaus - stehen, Obama eine ganz andere Tagesordnung aufdrängen wird". Die Herausgeber lieferten keinerlei Beweise für diese Behauptung.

Ein paar Wochen später leitartikelte der Socialist Worker erneut ohne jeden Beweis: "Die konservative Politik, die in den USA seit einem Vierteljahrhundert von Republikanern und Demokraten betrieben wurde, wird durchbrochen." Der Leser erfuhr, dass "die reale Welt Fragen stellt, die nicht auf die bisherige Weise gelöst werden können. Wenn die Obama-Regierung in der Wirtschaft oder auf anderen Gebieten zu überholten Lösungen greift, dann werden sie versagen - und auf die eine oder andere Weise über Bord geworfen werden."

Die ISO ließ in ihren Schlussfolgerungen ein paar Dinge außer Acht, vor allem den Charakter der Demokraten als einer kapitalistischen Partei und die Tatsache, dass das amerikanische politische und unternehmerische Establishment, einschließlich Obamas und seines mit ihm antretenden Kabinetts, entschlossen war, die gesamte Last der gewaltigen Krise der Bevölkerung aufzuladen.

An dieser Position hielt Socialistworker.org in den ersten Monaten von Obamas Präsidentschaft fest. Sie argumentierte wieder und wieder, dass die neue Regierung auf Druck von unten reagieren werde und dass die herkömmlichen Politikmethoden vorbei seien. Insoweit ihre Mitgliedschaft und Leserschaft das ernst nahmen trug die ISO dazu bei, Opposition gegen die Demokraten abzuwehren und Obama zu unterstützen, Angriffe auf die Arbeiterklasse durchzusetzen.

Leitartikel vom März 2009

Im März 2009 waren zwei Leitartikel des Socialist Worker nicht mehr als Regierungspropaganda. Sie behaupteten, dass mit Obama etwas völlig Neues beginne.

Am 3. März äußerten sich die Herausgeber geradezu entzückt über Obamas Vorschläge zur Haushaltspolitik. In dem Artikel "Worum geht es bei der Schlacht um den Haushalt?" argumentierten sie, dass "niemand erwartete, dass der Haushaltsentwurf der Obama-Regierung genau so aussehen werde wie unter Bush. Aber die Unterschiede gehen über einen einfachen Regierungswechsel hinaus."

Dann fahren sie fort: "Die konservativen Dogmen und Vorurteile, die die Regierungspolitik mehr als ein Vierteljahrhundert rechter Vorherrschaft bestimmten - Steuersenkungen sind gut, viel Regierungseinfluss ist schlecht, Sozialausgaben sind noch schlechter (es sei denn sie dienen den Unternehmen), Deregulierung fördert das Wachstum, der freie Markt hat auf alles eine Antwort - werden auf den Kopf gestellt."

Und dann fügen die ISO-Herausgeber hinzu: "Es gibt sicher viele Gründe, den Haushalt von Obama zu kritisieren", um dann fortzufahren: "Der Haushalt der Obama-Regierung unterstreicht die Tatsache, dass sich die Hauptrichtung der amerikanischen Politik entscheidend verändert hat..... Nach 30 Jahren zunehmendem republikanischem Einfluss in Washington und dem Zurückweichen des Liberalismus an jedem Wendepunkt sind die Bereitschaft Obamas, einen Schlussstrich zu ziehen, und das Versprechen, für seine Prioritäten zu kämpfen, ein begrüßenswerter frischer Wind." (Hervorhebung hinzugefügt)

Am 11. März ("Rückkehr des Sozialismus?") behauptet socialistworker.org noch einmal, dass "das Ausmaß der Wirtschaftskrise und der Bruch der Regierung Obama mit der früheren Politik den USA ein neues Gesicht geben - nicht nur an der Spitze, sondern in der gesamten Gesellschaft."

Nach der Bemerkung, dass Obama die Behauptung zurückgewiesen habe, seine Regierung betreibe "sozialistische" Politik, beeilt sich die ISO hinzuzufügen: "Dennoch, was derzeit in Washington stattfindet, muss als ein Bruch mit der Periode konservativer Vorherrschaft in der amerikanischen Politik anerkannt werden, die unter Jimmy Carter und Ronald Reagan begann und während der Präsidentschaft von Bush weiterging.

Im Angesicht einer ernsten Wirtschaftskrise versucht die Obama-Regierung viele der Grundsätze der vorhergehenden Ära umzukehren." (Hervorhebung hinzugefügt)

Das war nichts als ein politisches Hirngespinst. Die ISO und socialistworker.org tischten Argumente zu Gunsten Obamas auf, die sogar den Herausgebern der Nation die Schamröte ins Gesicht getrieben hätten. Die neue Demokratische Regierung erwies sich nämlich gerade als eine der rechtesten in der amerikanischen Geschichte, weil sie im Ausland imperialistische Kriege fortführte und im Inneren unerbittlich den Reichtum der Finanzaristokratie verteidigte.

Socialist Worker hat sich nicht nur in Obama getäuscht, er hat sich atemberaubend getäuscht. Warum sollte man dieser Publikation heute glauben? Sie ist weder "sozialistisch" noch wird sie im Interesse der "Arbeiter" herausgegeben.

Die ISO gab die Hoffnung nicht auf. Im Juli behauptete socialistworker.org: "Es ist natürlich viel zu früh, das letzte Wort über die Obama-Regierung zu sprechen. Aber bisher haben er und die Demokraten im Kongress die Möglichkeiten, die sich ihnen boten nicht genutzt." Wieso war es viel zu früh? Die Autoarbeiter hätten ihnen ebenso schon einiges sagen können wie die Bevölkerung Iraks oder Afghanistans.

So geht es immer weiter. Im August 2009 wird den Lesern des Socialist Worker mitgeteilt , dass Obama ein "konventioneller Parteipolitiker der Demokraten" sei. "Wenn es keinen Druck von unten gibt, dann bekommen die Unternehmen ihren Willen." Die ISO glaubt also, dass ein "konventioneller" Parteipolitiker der Demokraten so empfindsam ist, dass er durch Druck aus den Klauen der Konzerne gerissen werden kann.

Im Januar 2010 fühlten sich die Herausgeber von socialistworker.org verpflichtet, eine Erklärung für ihren kopflosen Optimismus in Obama während der vergangenen zwölf Monate zu geben. Sie bemerkten, dass "der Gedanke, Barack Obama habe irgendetwas mit Veränderung zu tun, ein Witz zu sein scheint." Aber es war vor einigen Monaten ihr Witz gewesen und er war nicht sehr lustig.

Sie fuhren fort: "Sogar die Linken, die wie wir vom Socialist Worker, Obamas Versprechen gegenüber skeptisch waren, zogen den Schluss, dass die zahlreichen Krisen, mit denen das Weiße Haus konfrontiert war, den Präsidenten dazu bringen würden, sich von der neoliberalen Politik des freien Marktes abzuwenden, die nicht nur für die Bushs, sondern auch für die der vorhergehende Clinton-Regierung typisch war."

Der Socialist Worker fragte: "Warum war Obama so eine Enttäuschung...?" und bemerkt zum ersten Mal, dass er "niemals ein Außenseiter oder Reformer war." Als der eigentliche Schurke stellte sich das amerikanische Volk heraus. Das sagen die Herausgeber nicht direkt und machen die Gewerkschaften und andere Elemente verantwortlich, aber das ist genau das, was sie meinten, als sie schrieben, dass "die einflussreichsten Kräfte der Demokratischen Parteibasis vollkommen versagt haben, Obama Feuer unter dem Hintern zu machen."

Das war aber noch nicht die gesamte Perspektive der ISO. Dazu kommt ihre Behauptung, dass das Ausmaß der Krise und die objektive Logik der Ereignisse die Obama-Regierung trotzdem unaufhaltsam zu grundlegend veränderter Politik im Interesse der Bevölkerung treiben würden. Die Herausgeber des Socialist worker haben nie erklärt, warum sie sich darin so geirrt haben.

Die ISO und socialistworker.org sind unbelehrbar, weil diese Leute sich fest und unwiderruflich im Gravitationsfeld der Demokratischen Partei befinden (und ihren Satelliten in der Identitätspolitik, den Gewerkschaften, den "sozialen Organisationen" usw.) Die wirklichen Tatsachen des Lebens, wie das soziale Elend, die imperialistischen Grausamkeiten, über die die Obama-Regierung Regie führt, sind nur Störfälle, Kräfte oder Impulse, die weit schwächer sind, als das Hauptgravitationsfeld (die Demokraten und die bürgerliche Politik insgesamt), unter dessen Einfluss die ISO steht. Es ist nicht schwer nachzuweisen, dass diese Organisation Teil des linken Flügels des amerikanischen politischen Establishments ist.

Im Gegensatz zu den Erwartungen der ISO und des Socialist Worker, steht die amerikanische Gesellschaft vor großem Aufruhr. "Linke" Organisationen wie die ISO, können wegen ihrer Geschichte, ihres Klassencharakters und ihres Programms, nur eine katastrophale, desorientierende Rolle spielen. Je schneller man diese Politik des linken Kleinbürgertums versteht, desto besser.

Ein Briefwechsel zu "Socialism 2010":

Zu dem obigen Artikel hat die WSWS eine Reihe von Briefen erhalten. Etliche davon unterstützen unsere Auffassung, andere waren kritisch.

Wir veröffentlichen hier die Übersetzung einer E-Mail zur ISO und ihren Konferenzen, mit unserer Antwort:

Hallo zusammen!

Komme gerade zurück von "Socialism 2010" in Chicago. Ich bin ein großer Fan der wsws.org und lese sie seit mehr als einem Jahr mit großem Interesse. Ich war im letzten halben Jahr auch bei einigen ISO-Treffen und habe an mehreren politischen Aktionen, die von der Gruppe organisiert wurden, teilgenommen. Ich würde gern einige Kommentare zu diesem Artikel abgeben.

Zuerst einmal denke ich, dass eure Redakteure Recht haben, wenn sie die ISO und die Redner, die jüngst auf der Konferenz zu Wort kamen, für ihren naiven Glauben kritisieren, dass die Wahl Barack Obamas ein in irgendeiner Weise historischer oder umwälzender Vorgang in der amerikanischen Geschichte und ihren Klassenbeziehungen gewesen ist.

Trotzdem ist es weder zutreffend noch fair, die Organisation selbst nur als den verlängerten Arm der demokratischen Partei zu bezeichnen. Darüber hinaus ist die Annahme, die ISO sei als Organisation nicht im Kampf für den Aufbau einer wirklich sozialistischen und demokratischen Gesellschaft verwurzelt oder sich der historischen Fallstricke des Reformismus nicht bewusst, eine grobe Unterschätzung und Verfälschung der Tatsachen.

Die Mitglieder der ISO predigen vor allem eines immer wieder: "Dass Bewegungen nicht als radikal geboren werden, sondern dass die Menschen sich im Verlauf des Kampfes radikalisieren." Es gehört zur Kernphilosophie der ISO, dass revolutionäre Sozialisten an allen Bewegungen zum Wohl der Arbeiterklasse teilnehmen müssen, wenn sie die Menschen schlussendlich für ihr Lager gewinnen und in einer sich verändernden Gesellschaft Einfluss nehmen wollen.

Was die Wahl von 2008 anbetrifft, so lagen sie mit Sicherheit falsch, denn sie unterstützten eine Partei, die derzeit der mächtigste Feind der internationalen Arbeiterklasse ist.

Ein solch ernster Fehler enthüllt eine Schwachstelle in der Partei. Er bedarf einer gründlicheren Untersuchung und kann in der Tat auf die im Wesentlichen kleinbürgerliche Zusammensetzung der Organisation zurückgeführt werden.

Dennoch haben 99,9 Prozent der Aktivitäten der ISO absolut nichts mit der Demokratischen Partei zu tun. Im Gegenteil. Die ISO kämpft darum, die Menschen sowohl in der Theorie als auch der Geschichte des Marxismus zu erziehen. Die Gründe, aus denen sie in den Sog von Bewegungen mit weniger demokratischen / radikalen Zielen geraten, sind in meinen Augen taktischer Natur und haben etwas damit zu tun, dass man nicht von der Seitenlinie aus zuschauen will, wenn Menschen zu Aktionen wachgerüttelt werden.

Hat die ISO Fehler gemacht? Auf jeden Fall. Gibt es in den Ansichten der Partei Widersprüche und Mängel? Sicherlich. Sie aber einfach als Handlanger der Demokratischen Partei zu denunzieren, ist eine kindliche eindimensionale Einschätzung, die die produktive und wichtige Rolle übersieht, die sie als Studenten, Historiker, Erzieher und Aktivisten in der marxistischen Tradition spielen können.

JS 21. Juni 2010

David Walsh antwortet:

Danke für deinen Kommentar. Freut mich, dass du Leser des WSWS bist. Lass mich auf deine Einwendungen antworten.

Du kritisierst unsere Einschätzung der International Socialist Organisation und ihrer Treffen, aber dein Brief unterstreicht genau unsere Argumentation.

Im ersten Teil argumentierten wir, dass "kleinbürgerliche ‚linke’ Politik der ISO-Variante charakterisiert wird durch theoretische Formlosigkeit, das Fehlen einer Perspektive, pragmatische Anpassung an den herrschenden politischen Druck und politische Unernsthaftigkeit."

Die Beschreibung, die du lieferst, bekräftigt genau das. Du schreibst: "Die Mitglieder der ISO werden dir immer wieder sagen, dass "Bewegungen niemals radikal geboren werden - die Leute radikalisieren sich im Verlauf des Kampfes."

Dies ist ein Rezept für ungebremsten Opportunismus. Die ISO beruft sich auf das, was sie für den gegenwärtigen Stand des öffentlichen Bewusstseins hält, um ihre Anpassung an die Demokratische Partei und die politische Situation als Ganzes zu rechtfertigen. In anderen Worten: Sie entledigt sich der Verantwortung eine eigene klare Haltung gegenüber der Obama-Administration und den Demokraten einzunehmen, indem sie sie der Arbeiterklasse und den Studenten überlässt, genauer gesagt: Sie verhilft den Demokraten zu einem quasi-"linken" Deckmantel.

Du fährst fort: "Dies bildet einen Teil der Kernphilosophie der ISO, dass revolutionäre Sozialisten an allen Bewegungen zum Vorteil der arbeitenden Bevölkerung teilnehmen müssen, wenn sie die Leute schlussendlich für ihr eigenes Lager gewinnen und in einer sich verändernden Gesellschaft Einfluss nehmen wollen."

Du verwechselst hier Teilnahme mit Opportunismus. Sie sind nicht dasselbe. Auf welcher Grundlage beteiligen sich die ISO und ihre Mitglieder? Sie verfolgen mit Sicherheit eine politische Linie, aber sie tun das unaufrichtig und opportunistisch. Sie intervenieren mit dem Ziel, der Demokratischen Partei und ihren Anhängern indirekte, versteckte, aber sehr reale Unterstützung zu bieten. Sie nehmen teil, um die Unterordnung der Arbeiterklasse unter diese bürgerliche Partei aufrechtzuerhalten.

Seit Januar 2009 hat die ISO ihre Bemühungen darauf konzentriert, zu behaupten, dass die Obama-Administration nach links gedrängt werden könne, wenn nur genügend starker Druck ausgeübt wird. Ich habe dazu im ursprünglichen Artikel eine Menge Beweismaterial dazu angeführt, aber wenn es nötig erscheint, kann ich auch noch mehr liefern.

Du nennst sie "revolutionäre Sozialisten", aber du versäumst, genau das zu belegen. Was macht Menschen zu "revolutionären Sozialisten", wenn nicht ihr Programm? Wenn sie sich einfach nur vorherrschenden Illusionen anpassen, dann haben sie nicht das Recht, so genannt zu werden.

Sozialisten entwickeln ihre Haltung zu den großen Fragen bewusst und das bildet die feste Grundlage ihrer politischen Aktivitäten - den gegenwärtigen Stand des Bewusstseins nicht zu ignorieren, sondern Methoden zu seiner Herausforderung zu entwickeln und es mit der objektiven Wirklichkeit in Einklang zu bringen.

Was du über die ISO und Obama schreibst, ist für die Organisation vernichtend. Du kommentierst: "Was die Wahl von 2008 anbetrifft, so lagen sie mit Sicherheit falsch, denn sie verliehen der Partei Legitimität, die derzeit der mächtigste Feind der internationalen Arbeiterklasse ist.

Was soll ich dazu noch sagen? Du gibst zu, dass die ISO "dem mächtigsten Gegner der internationalen Arbeiterklasse""Legitimität verliehen" hat. Man sollte doch annehmen, dass das als Argument ausreicht, um sich von einer solchen Organisation so weit wie möglich fernzuhalten und eine Kampagne zu ihrer Entlarvung zu starten."

Nach deinen früheren Bemerkungen über den "naiven Glauben" der ISO-Führung, "dass die Wahl Barack Obamas ein in irgendeiner Weise historischer oder umwälzender Vorgang in der amerikanischen Geschichte und ihren Klassenbeziehungen gewesen ist", kann ich nur mutmaßen, dass du die Politik von 2008 als unschuldigen Fehler siehst, der sich (wie du später schreibst) aus dem Wunsch der ISO ergab, "nicht von der Seitenlinie aus zuzuschauen, wenn Menschen zu Aktionen wachgerüttelt werden". In anderen Worten: Die ISO hat angesichts der Obama-Hysterie ganz einfach den Verstand verloren und sich in blindem Aktionismus verfangen.

Wieso hältst du solch ein Verhalten für naiv? Entschuldige, aber ich glaube, der Naive bist du. Leute, die einen Beruf daraus machen, dem Großkapital zu helfen und zu dienen, sind alles andere als unschuldig. Wie würdest du das Verhalten der Kommunistischen Partei der USA charakterisieren? Ist sie seit 1936 einfach nur naiv gewesen?

Die Führer der ISO sind Leute mit einer langen, teilweise jahrzehntelangen, politischen Geschichte. Du glaubst ihnen aufs Wort, ohne ihren Werdegang, ihr Programm zu untersuchen. Das ist ein großer Fehler. In unseren Augen wussten diese Leute haargenau, was sie taten, denn ihr Verhalten ist nur die Konsequenz ihrer Geschichte opportunistischer Manöver im Umfeld der Demokratischen Partei, der Gewerkschaften und der verschiedenen Protestbewegungen.

Du schreibt über ihre Unterstützung für Obama: " Ein solch ernster Fehler enthüllt eine Schwachstelle in der Partei. Er bedarf einer gründlicheren Untersuchung und kann in der Tat auf die im Wesentlichen kleinbürgerliche Zusammensetzung der Organisation zurückgeführt werden."

Aber wie war so ein Fehler möglich, wo es doch ausgerechnet um die Demokratische Partei geht? Ernsthafte sozialistische Politik in den USA fängt damit an, die Arbeiterklasse zum Bruch mit der Demokratischen Partei zu bewegen, insbesondere mit ihrem liberalen Flügel. Dieser Kampf hat eine lange Geschichte, den die ISO bestreitet. Sie haben sich den Verrat der Kommunistischen Partei zu Eigen gemacht, der von Trotzki und Cannon gebrandmarkt wurde.

Du gibst den Fehler wenigstens zu, die Führung der ISO tut das nicht. Wo hat sie ihre unsäglich falsche Haltung gegenüber Obama und seiner Administration eingestanden? Wo bleibt die Analyse jener Politik, wo ihre Zurückweisung?

Siehst du nicht, dass ihre Unterstützung Obamas haargenau mit dem Argument übereinstimmt, das du noch immer verteidigst - das man "Menschen während des Kampfes" in Frieden lassen sollte? Sie werden sich ganz von allein "radikalisieren". Da viele Leute Obama unterstützten, musste die ISO sich dieser Linie anschließen. Aber warum versucht man es nicht einmal anders herum und sagt ihnen die Wahrheit? Natürlich macht man sich kurzfristig gesehen nicht gerade beliebt, wenn man kaltes Wasser auf die Illusionen der Menschen schüttet. Aber es ist der einzige Weg, eine revolutionäre Bewegung aufzubauen.

Die ISO verfolgt jedenfalls im Wesentlichen immer die gleiche politische Linie. Am 10. Februar dieses Jahres hieß es im Socialist Worker immer noch, dass das Wesen der Obama-Administration ein Geheimnis sei. "Wenn sie nicht von Millionen von Menschen, die einen Wechsel wollen, unter Druck gesetzt wird, wird die Obama-Administration dem unbarmherzigen Druck, dem sie von oben ausgesetzt ist, nachgeben."

Der Leitartikel vom 10. März diesen Jahres verwies auf den "Druck von unten, der Präsident Franklin Roosevelt veranlasste, große soziale Reformen durchzuführen, die bis heute erhalten sind." Am 21. April 2010 beschwerte sich der Socialist Worker nur noch darüber, dass Obama "viel von dem Optimismus vergeudet" habe, mit dem die Bevölkerung seine Wahl begrüßt hatte. Kein Wort über die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen diese Regierung und die Demokraten!

Du schreibst, "99 Prozent dessen, was die ISO tut und weshalb sie sich organisiert, hat nichts mit der Demokratischen Partei zu tun". Wenn du nur einen Moment lang ernsthaft darüber nachdenkst, wirst du sehen, was das für eine lächerliche Behauptung ist. Es würde heißen, dass der Hauptteil der Aktivitäten der ISO nichts mit den zentralen Fragen des amerikanischen politischen Lebens zu tun hat. Welche Frage stellt sich denn für Sozialisten, wenn nicht die nach der Dringlichkeit eines Bruches mit bürgerlicher Politik, nach der Bekämpfung des Kapitalismus?

Du schreibst, ohne dir dessen bewusst zu werden, dass der Hauptteil der Aktivitäten der ISO darin besteht, der Dominanz bürgerlicher Politik in den verschiedenen Protestbewegungen und den Gewerkschaften Tag für Tag auszuweichen und dann, wenn eine Wahlkampagne ansteht, "legitimiert" die Organisation die Demokraten. Gibt es ein erbärmlicheres Armutszeugnis, ein schillernderes Beispiel für Opportunismus?

Wie dem auch sei, wir haben nie behauptet, dass die ISO und die Demokraten ein und dasselbe seien. Welchem Ziel würde das vom Standpunkt der Verhinderung einer revolutionären Bewegung dienen? Hier gibt es eine politische Arbeitsteilung. Solche "linken" Organisationen existieren, um wachsenden Widerstand gegen den Kapitalismus zu umgarnen und ihn dann daran zu hindern, mit bürgerlicher Politik zu brechen.

Auch die Kommunistische Partei hat in ihrer Glanzzeit, als sie beträchtliche politische Unterstützung erfuhr, nie direkt als ein Flügel der Demokraten funktioniert. Ihre Aufgabe war es, ihre "linke" Glaubwürdigkeit zu nutzen, um gesellschaftlichen Widerstand in Unterstützung für Roosevelt und andere bürgerliche Politiker umzumünzen.

Schließlich schreibst du, wir ignorierten "die produktive und wichtige Rolle, die sie als Studenten, Historiker, Erzieher und Aktivisten in der marxistischen Tradition spielen können."

Von welcher Tradition sprichst du? Leute worin zu erziehen? Es ist die ausdrückliche Politik der ISO, kein sozialistisches Programm zu verfolgen, weil es manche Menschen vor den Kopf stoßen könnte. Ist das marxistische Tradition? Warum hat Marx "Das Kapital" geschrieben? Warum Lenin "Was tun?" Oder Trotzki "Die verratene Revolution"? Warum hat sich Rosa Luxemburg mit "Reform oder Revolution" und dem Kampf gegen die Bernstein-Anhänger abgegeben? Wo in der "marxistischen Tradition" findet man eine Rechtfertigung für die pragmatische, kurzsichtige, opportunistische Politik der ISO?

Dies sind wichtige Fragen und ich empfehle dir dringend, darüber nachzudenken.

David Walsh

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