Ernst hatte ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und ein starkes Gefühl für internationale Solidarität

Auf der Gedenkveranstaltung am 10. März erinnerte Elisabeth Zimmermann besonders an die vielfältigen politischen Aktivitäten, für die sich Ernst Schwarz auf internationaler Ebene engagiert hatte.

Liebe Almuth, liebe Judith, liebe Freunde und Genossen,

wie alle hier war ich sehr schockiert, als ich von Genosse Ernsts plötzlichem Tod erfuhr. Ich empfinde es als bitter, dass wir nicht mehr in der Lage sind, Schwierigkeiten und Probleme, auf die wir in den letzten Monaten gestoßen waren, weiter zu diskutieren und zu klären.

Ich habe versucht, mich an die wichtigsten gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnisse zu erinnern. Eine der wichtigsten war die gemeinsame Teilnahme an der Internationalen Schule der Vierten Internationale im Januar 1998 in Sydney. Sie stand unter dem Thema: "Marxismus und die Probleme des 20. Jahrhunderts" und war ein Meilenstein in der Geschichte unserer internationalen Bewegung.

Viele Genossen in Australien, die ich bei der Schulung Anfang dieses Jahres in Sydney wieder getroffen habe, sprachen mich auf Ernst und seinen tragischen, viel zu frühen Tod an. Sie konnten sich lebhaft an seinen Aufenthalt in Australien vor drei Jahren erinnern. Sie erinnerten sich insbesondere daran, wie Ernst in einer Auseinandersetzung mit einem Leser aus Melbourne vehement die Theorie der Evolution gegen dessen etwas mystische Auffassungen über die Entstehung des Lebens verteidigt hatte.

Des Weiteren erinnere ich mich an eine gemeinsame Fahrt mit ihm und einem australischen Genossen in das Stahlwerk von Wollongong. Peter Stavropoulos, der damals dort arbeitete, ermöglichte es uns das Stahlwerk zu besichtigen. Wie bereits andere Redner von anderen Gelegenheiten geschildert haben, versuchte Ernst mit jedem Arbeiter, den wir dort trafen, ins Gespräch zu kommen. Er berichtete von seinen Erfahrungen aus Deutschland, fragte sie nach ihren und betonte die Dringlichkeit der internationalen Zusammenarbeit der Arbeiterklasse.

Ernst Schwarz war ein herausragendes Mitglied der Arbeiterklasse, der sich Anfang der 90er Jahre erneut der Vierten Internationale angeschlossen hat und vehement für unsere Perspektiven, vor allem die Perspektive der internationalen Vereinigung der Arbeiterklasse eingetreten ist. Ich bin im November 1991 auf der Fahrt nach Berlin zur Internationalen Arbeiterkonferenz gegen imperialistischen Krieg und Kolonialismus, die unsere Bewegung als Antwort auf den Golfkrieg organisiert hatte, wieder mit ihm zusammengetroffen.

Ernst hat auf der Konferenz gesprochen. David Walsh erinnerte mich dieses Jahr in Sydney an das sehr lebhafte Interview, das wir damals mit Ernst für das Bulletin, die Zeitung der amerikanischen Sektion machten. Ernst blieb nach dem Ende der Konferenz noch einige Tage in Berlin, um internationalen Genossen Sehenswürdigkeiten zu zeigen. Helen Halyard, die damalige nationale Sekretärin der amerikanischen SEP, erinnerte bereits in ihrem Beileidsschreiben an wichtige Diskussionen mit Ernst über die tragischen Erfahrungen der deutschen Arbeiterklasse, ihren Verrat durch Sozialdemokratie und Stalinismus und die internationalen Auswirkungen davon, die bis heute spürbar sind. Bei den Rundgängen durch Berlin zeigte Ernst ihnen unter anderem die Stelle, wo Rosa Luxemburg ermordet wurde.

Das Jahr 1992 war geprägt von Auseinandersetzungen über die Bedeutung des Zusammenbruchs der Sowjetunion und den enormen Schaden, den die jahrzehntelange Vorherrschaft des Stalinismus am sozialistischen Bewusstsein der Arbeiterklasse angerichtet hatte. Wir sahen es als die zentrale Aufgabe unserer internationalen Bewegung an, erneut für sozialistisches Bewusstsein in der Arbeiterklasse und für die Hebung der Kultur in der gesamten Gesellschaft zu kämpfen.

Im November 1992 kam Helen Halyard, die damalige Präsidentschaftskandidatin der Workers League [Vorläuferorganisation der SEP], im Rahmen einer internationalen Rundreise nach Duisburg, wo sie über ihre Erfahrungen und Diskussionen mit Arbeitern in Sri Lanka, das sie vorher besucht hatte, und über die Situation der Arbeiterklasse in den USA berichtete.

Im Dezember 1992 organisierten wir die Konferenz gegen Rassismus und Kriegsgefahr in Frankfurt / Main.

Ein herausstechendes Ereignis des Jahres 1993 war der Brandanschlag von Neonazis auf das Haus einer türkischen Familie in Solingen, bei dem sieben Mitglieder dieser Familie ums Leben kamen. Wenige Tage danach fand eine große Demonstration in Solingen statt, wo es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der Demonstranten und schwer bewaffneter Polizei kam. Ernst half mit, unseren Infostand dort zu schützen und dann, als die Situation unkontrollierbar wurde, unseren Rückzug daraus zu organisieren.

Von seiner wichtigen Arbeit im Betrieb, den Vorbereitungen und Auseinandersetzungen darüber, wurde bereits ausführlich berichtet. In den Jahren 1993 bis 1997 war Genosse Ernst immer dabei, wenn es darum ging, gegen Angriffe auf Arbeiter international oder Mitglieder unserer eigenen Bewegung Stellung zu beziehen. So erinnere ich mich an die Lobby, die wir vor der US-Botschaft (damals noch in Bonn) organisierten zur Verteidigung von Roger Cawthra, einem amerikanischen Busfahrer, der willkürlichen Beschuldigungen ausgesetzt war. Wir hatten mehrere Lobbys vor der srilankischen Botschaft in Bonn, um gegen die Verhaftung und Unterdrückung von unseren Genossen in Sri Lanka zu protestieren.

Ernst hatte ein sehr ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und ein starkes Gefühl für internationale Solidarität. Im Jahr 1997 beteiligte er sich mehrmals an Lobbys vor und in dem Amtsgericht in Moers, wo unsere Partei den Arbeiter Duran Özel bei seiner Klage gegen die Ruhrkohle AG unterstützte. Diese wollte dem türkischen Bergarbeiter aufgrund von Krankheit, die er sich bei der schweren Arbeit unter Tage zugezogen hatte, den Lohn kürzen. Aufgrund unserer Kampagnen und anderer politischer Arbeit in diesem Zusammenhang gewann Duran Özel seinen Fall.

Ernsts Arbeitskollegen hatten Respekt und Achtung vor ihm, auch wenn sie nicht in allen Punkten seinen Perspektiven und Auffassungen zustimmten. Dies war ausgedrückt in seiner Wahl in den Betriebsrat auf der Grundlage einer unabhängigen Plattform, die er mit der Partei ausgearbeitet hatte.

Ich möchte zum Schluss meines Beitrags kurz eingehen auf die schwierigen Bedingungen in der Stahlindustrie und die gesundheitlichen Probleme, die allein durch die Kontischicht entstehen, sowie die extremen Formen von Stress und die unglaubliche Rücksichtslosigkeit gegenüber den Arbeitern, um bestimmte Produktivitätsziele durchzusetzen. Letzteres gilt natürlich nicht nur für die Stahlindustrie, sondern auch für viele andere Bereiche. In der Stahlindustrie hat es in den vergangenen Jahren zu vielen tödlichen und schweren Unfällen geführt. Der tödliche Unfall bei HSP im November 1999 hatte für Ernst traumatische Auswirkungen.

Gerade vor zwei Tagen habe ich einen Zeitungsbericht zu diesem Thema gelesen. Die IG Metall, die selbst einen großen Teil der Verantwortung für diese Bedingungen trägt, hatte eine Veranstaltung zu dem Thema durchgeführt und auf zahlreiche Studien hingewiesen, die besagen: "Das Risiko eines Herzinfarkts steigt im Drei-Schicht-Betrieb um das Dreieinhalbfache und bei chronischem Ableisten einer erheblichen Zahl von Überstunden sogar um das Siebenfache." Auch die Einführung der 35-Stunden-Woche hat zu einer extremen Leistungsverdichtung unter den gegenwärtigen Bedingungen beigetragen. Als ein weiterer starker psychischer Stressfaktor gilt die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust, selbst wenn man seine Arbeit hasst, angesichts zunehmender ungesicherter Beschäftigungsverhältnisse und weiterem Arbeitsplatzabbau.

Die Bedingungen der Schichtarbeit schränken die Möglichkeiten zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben stark ein. Umso mehr zeichnete es Ernst aus, dass er auch unter diesen schwierigen Bedingungen für die Perspektiven der Vierten Internationale kämpfte. Das spricht für ihn als Person wie für die Stärke unserer Perspektiven. Ernst wäre sicher sehr glücklich, wenn er noch erleben könnte, wie hoch angesehen er bei seinen internationalen Genossen war.

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