Italien wählt am 13. Mai

Italien stehen acht Wochen intensiver Wahlkampf bevor. Am 8. März hat Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi das Parlament aufgelöst, am 13. Mai finden Neuwahlen statt. Außerdem werden am selben Tag in 1300 Gemeinden - darunter den Großstädten Rom, Mailand, Neapel und Turin - die kommunalen Behörden neu gewählt.

Die Wahl verspricht schon jetzt zu einem politischen Einschnitt zu werden. In den Meinungsumfragen liegt das Rechtsbündnis des Medienzaren Silvio Berlusconi weit vorn. Sollte es die Wahl gewinnen, stünde das regierende Olivenbaum-Bündnis fünf Jahre nach seinem erstmaligen Wahlsieg bereits wieder vor dem Aus. Entschieden ist allerdings noch nichts. Viele Wähler sind unentschieden oder wollen gar nicht zur Urne gehen. Man rechnet mit 30 Prozent Stimmenthaltungen - ein italienischer Rekord.

Da nach dem geltenden Wahlrecht drei Viertel der Abgeordnetensitze nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben werden, kleinere Parteien also auf sich gestellt kaum eine Chancen haben, gruppiert sich die Mehrheit der Parteien in zwei große Lager, einem rechten und einem Mitte-Links-Bündnis.

Das rechte Bündnis besteht aus der Forza Italia Berlusconis, der aus dem faschistischen MSI hervorgegangenen Alleanza Nazionale Gianfranco Finis, der separatistischen Lega Nord Umberto Bossis sowie zwei kleineren christdemokratischen Parteien.

Das Mitte-Links-Bündnis besteht aus insgesamt neun Parteien. Sein Rückgrat bilden die Linksdemokraten (DS), die Nachfolger der Kommunistischen Partei. Außerdem gehören ihm drei christdemokratische Gruppierungen - Volkspartei (PPI), Demokraten und Union der Demokraten für Europa -, Grüne, Sozialdemokraten (SDI), zwei liberale Parteien und am linken Rand die Reformkommunisten (PdCI) an.

Berlusconi hatte im Bündnis mit Neofaschisten und Separatisten bereits 1994 einmal die Regierung gestellt. Das Versinken des alten Parteiensystems in einem Sumpf von Korruptionsskandalen hatte seiner neugegründeten Bewegung damals den Weg an die Macht geebnet. Seine Regierung hielt sich aber nur wenige Monate. Unmittelbarer Anlass für ihr Scheitern war das Ausscheren der Lega Nord. Der eigentliche Grund dürften aber die Streiks und Massendemonstrationen gewesen sein, mit denen Millionen von Arbeitern im Herbst 1994 auf Berlusconis Versuch reagierten, die Renten zu kürzen.

Nach einer Reihe von Übergangsregierungen gewann dann das unter dem Zeichen des Olivenbaums antretende Mitte-Links-Bündnis im April 1996 knapp die Parlamentswahlen. Erstmals seit der unmittelbaren Nachkriegszeit übernahmen damit Mitglieder der ehemaligen Kommunistischen Partei Ministerämter.

Die Rechten gerieten in eine Krise. Berlusconi musste sich in zahlreichen Gerichtsverfahren wegen Korruptionsvorwürfen verantworten. Die Lega Nord bemühte sich in bizarren Aktionen um die Gründung eines norditalienischen Staates namens Padanien und konzentrierte sich, als diese fehlschlugen, auf rassistische und fremdenfeindliche Kampagnen, der österreichische FPÖ-Chef Jörg Haider wurde zu ihrem bewunderten Vorbild. Lediglich die Alleanza Nazionale konnte, vorwiegend im Süden, ihren Einfluss festigen.

Wenn es Berlusconi nun gelungen ist, sein brüchiges Rechtsbündnis wieder zusammenzuschweißen, und er sich berechtigte Hoffnungen auf einen Wahlsieg machen kann, dann hat er das in erster Linie dem Olivenbaum und den Linksdemokraten zu verdanken, die mit einer Politik im Interesse der Wirtschaft systematisch die eigenen Wähler verprellt haben.

Als größtes Verdienst rechnen sie sich die Konsolidierung des Haushalts an, die Italien den Beitritt zur Europäischen Währungsunion ermöglicht hat. Außerdem wurden zahlreiche staatliche Großunternehmen privatisiert und Monopolbereiche für den Wettbewerb geöffnet. Beides erfolgte auf Kosten der Beschäftigten und der sozial Schwachen. Die Arbeitslosenquote ist zwar dank Liberalisierung und Flexibilisierung auf den niedrigsten Stand seit 1993 gesunken, beträgt aber im Landesdurchschnitt immer noch 10 und im Süden über 20 Prozent.

Insgesamt hat der Olivenbaum in fünf Jahren vier Regierungen und drei Regierungschefs verschlissen. Romano Prodi, ein aus dem Umkreis der Christdemokraten stammender Wirtschaftsfachmann, musste nach zweieinhalb Jahren gehen, nachdem sein Haushaltsentwurf im Parlament am Widerstand von Rifondazione Communista gescheitert war. Diese Gruppierung, eine Abspaltung der ehemaligen Kommunistischen Partei, hatte Prodi bisher unterstützt, obwohl sie selbst nicht Mitglied der Regierungskoalition war.

Nun übernahmen mit Massimo D'Alema erstmals die Linksdemokraten selbst das Amt des Regierungschefs. Sie sicherten sich zu diesem Zweck die Unterstützung eines weiteren Flügels der Christdemokraten. Doch die Regierung D'Alema erwies sich als weit instabiler als die Regierung Prodi. Schon nach wenigen Monaten trat sie erstmals zurück, um dann im Januar 2000 endgültig das Handtuch zu werfen.

Jetzt übernahm Giuliano D'Amato die Leitung der Regierung, ein Sozialist aus der Umgebung von Bettino Craxi, dem wegen Korruption verurteilten ehemaligen Regierungschef. Craxi, der inzwischen im tunesischen Exil gestorben ist, gilt übrigens auch als Förderer Berlusconis, der seine ersten Millionen unter Craxis schützender Hand als Immobilienmakler in Mailand verdiente.

Mittlerweile zeigt der Olivenbaum eindeutige Zerfallserscheinungen. Regierungschef D'Amato und zwei seiner Minister haben angesichts des erwarteten Siegs der Rechten ihren Rückzug aus der Politik angekündigt. Sie werden bei den Wahlen nicht kandidieren.

Spitzenkandidat des Olivenbaums ist ein Mann, dessen einzige politische Qualifikation darin besteht, dass er es vor den Fernsehkameras mit Berlusconi aufnehmen kann - Francesco Rutelli, der Bürgermeister von Rom. Rutelli hat eine äußerst bewegte politische Vergangenheit. Er begann seine Laufbahn bei den Radikalen, einer bürgerlichen Partei, deren Radikalität sich auf die Sexualmoral beschränkt; in allen anderen Fragen steht sie eher rechts. Dann wechselte er zu den Grünen, für die er ins Rathaus von Rom einzog, und schließlich gründete er gemeinsam mit Prodi die Demokraten, denen er heute angehört.

Rutelli fährt seit Tagen mit einem Sonderzug durchs Land und macht Wahlkampf. Wofür er einsteht, ist allerdings unklar, da er erst Mitte April ein Wahlprogramm veröffentlichen will.

Sollte das Rechtsbündnis die Wahlen gewinnen, käme dies einem deutlichen politischen Rechtsruck gleich. Berlusconi selbst gilt als reichster Mann Italiens. Ähnlich wie Rupert Murdoch und Leo Kirch verfügt er über ein Medienimperium, das er gezielt zu politischen Zwecken einsetzt. Seine Fernsehsender kombinieren rechte Propaganda mit Unterhaltung auf niedrigstem Niveau. Diese Medienmacht in Personalunion mit der Macht des Regierungschefs würde jeden demokratischen Anspruch ad Absurdum führen.

In der Alleanza Nazionale, Berlusconis wichtigstem Verbündeten, befinden sich zahlreiche alte faschistische Kader, deren Wurzeln bis zu Mussolini zurückreichen. Unter Fini hat sich die Partei zwar um einen seriösen Eindruck bemüht, aber das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in ihren Reihen immer noch starke faschistische Strömungen gibt.

Die Lega Nord tritt dagegen ganz offen mit rassistischen und ausländerfeindlichen Kampagnen in Erscheinungen. Das hat bereits zu internationalen Auseinandersetzungen geführt, nachdem der belgische Außenminister Louis Michel Lega-Chef Bossi öffentlich als "Faschisten" bezeichnet hat, der genau so gefährlich sei wie Haider und Belgiens rechtsextremer Vlaams Blok. Italienische Politiker haben heftig dagegen protestiert.

Ein Wahlsieg der italienischen Rechten hätte zweifellos Auswirkungen auf ganz Europa. Er würde als Ende der Erfolgswelle der Sozialdemokraten interpretiert, die mit der Regierungsübernahme Blairs in Großbritannien, Jospins in Frankreich und Schröders in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht hatte. Schon jetzt wird Berlusconi von den Konservativen heftig umworben. Forza Italia ist Mitglied der Europäischen Volkspartei im Europaparlament. Ex-Bundesanzler Helmut Kohl persönlich hatte Berlusconis Partei - gegen den Widerstand vieler christdemokratischer Schwesterparteien - zum Einzug in die konservative Fraktion verholfen.

Inzwischen werfen sozialdemokratische Europaabgeordnete ihren konservativen Kollegen vor, sie würden einen Antrag zur Aufhebung der Immunität Berlusconis, der selbst als Abgeordneter im Europaparlament sitzt, gezielt verzögern. Der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzon, der wegen Veruntreuung und Steuerhinterziehung bei der Übernahme eines spanischen Fernsehsenders gegen Berlusconi ermittelt, hatte vor Monaten einen entsprechenden Antrag gestellt, ohne dass je darüber entschieden wurde.

Ganz gleich wie die Wahl vom 13. Mai letztlich ausgeht, wird sie eine neue Periode der Instabilität einleiten. Schon während der vergangenen Legislaturperiode haben 200 der 630 Abgeordneten die Partei gewechselt. Auch jetzt sind beide Lager in höchstem Grade unbeständig. Zwischen Lega Nord und Alleanza Nazionale, den beiden Bündnispartnern Berlusconis, gibt es unüberbrückbare Differenzen. Während die Lega für einen möglichst weitgehenden Föderalismus eintritt, verteidigt die Alleanza den Nationalstaat. Die Lega hat ihre Basis im relativ reichen Norden, die Alleanza im verarmten Süden.

Eines haben die vergangenen fünf Jahre gezeigt: Der Olivenbaum ist keine Alternative zum Rechtsbündnis. Selbst wenn er die Wahl am 13. Mai wider erwarten noch einmal gewinnen sollte, würde er den Rechten nur um so sicherer den Weg ebnen. Eine wirkliche Alternative kann nur durch eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse zustande kommen.

Siehe auch:
Der "Schönste" gegen den "Reichsten"
(25. Oktober 2000)
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