Italien

Berlusconis Gruselkabinett

Autoritäre und rassistische Ansichten, Verachtung für elementare demokratische Regeln, eine ultraliberale Wirtschaftspolitik kombiniert mit hemmungslosem Eigennutz und eine deutliche außenpolitische Akzentverschiebung von Brüssel nach Washington sind die Kennzeichen der neuen italienischen Regierung, die am Montag in Rom vereidigt wurde. Es handelt sich um die am weitesten rechts stehende Regierung, die seit dem Fall der faschistischen Diktaturen in einem europäischen Land die Macht übernommen hat.

Regierungschef ist der Medienmogul Silvio Berlusconi, der als der reichste Mann Italiens gilt. Wie 1994, als er schon einmal an der Spitze der Exekutive stand, regiert er im Bündnis mit Neofaschisten und Separatisten. Damals war seine Regierung nach sieben Monaten an inneren Streitigkeiten zerbrochen. Diesmal hat er sich besser vorgesehen.

Zum einen hat er seine eigene, 1994 gegründete Partei Forza Italia (FI) zu einem schlagkräftigen politischen Apparat mit 300.000 eingeschriebenen Mitgliedern ausgebaut. "Was die Partei kennzeichnet, ist ein Führerkult, ein nahezu stalinistischer Zentralismus und eine furchterregende Leistungskultur", charakterisiert sie die französische Zeitung Libération. Zum andern hat er, anders als 1994, die Führer der beiden wichtigsten Koalitionsparteien - Gianfranco Fini von der Alleanza Nazionale (AN) und Umberto Bossi von der Lega Nord (LN) - persönlich in die Regierung eingebunden.

Fini bekleidet das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten und ist damit der zweite Mann hinter Berlusconi. Der 49-jährige Chef der AN wird in der Regel als "Postfaschist" bezeichnet. Er hat seine politische Karriere im faschistischen Jugendverband begonnen, dessen Leitung er 1977 übernahm. Zehn Jahre später wurde er Chef der Mutterpartei Movimento Sociale Italiano (MSI), die sich als Erbwalterin Mussolinis verstand. Anfang der neunziger Jahre distanzierte er sich sachte vom Faschismus und wandelte 1995 das MSI in die Alleanza Nazionale um. Diese bezeichnet sich als "moderne europäische Rechtspartei".

Tatsächlich sind die durchgeführten Veränderungen weitgehend kosmetischer Natur. Fini würde heute nicht mehr den Fehler begehen, Mussolini als "größten Staatsmann des Jahrhunderts" zu bezeichnen. Aber die AN hängt weiterhin einem autoritären Weltbild an und arbeitet an einer Revision des Geschichtsbilds: Nicht in den Reihen der Faschisten, sondern im kommunistischen Widerstand saßen am Ende des Kriegs in Italien die eigentlichen Verbrecher und Mordbuben, lautet die Botschaft, die ihre Kulturpolitiker in den regionalen Regierungen verbreiten.

Bossi hat das Ministerium für Reformen und Dezentralisierung übernommen, das für die Abtretung von Machtbefugnissen an die Regionen zuständig ist. Ausgerechnet der Mann, der sich jahrelang für eine völlige Abtrennung des reichen Nordens vom Rest des Landes stark machte und dabei auch vor üblen rassistischen Kampagnen nicht zurückschreckte, ist damit für die Föderalisierung des Landes verantwortlich.

Die wichtigsten und international bedeutenden Ressorts - Außenpolitik, Inneres, Wirtschaft und Verteidigung - hat Berlusconi mit seinen eigenen Parteigängern oder mit Fachleuten besetzt, die über das Vertrauen der Wirtschaft und über internationales Ansehen verfügen. So soll möglicher Kritik von dieser Seite von vornherein vorgebeugt werden. Ministerien, die vorwiegend von innenpolitischer Bedeutung sind, befinden sich dagegen in den Händen von Berlusconis rechten Verbündeten. Die AN stellt insgesamt vier, die Lega Nord drei und die beiden christdemokratischen Kleinparteien CCD und CDU je einen Minister. Forza Italia hat zehn Ressorts übernommen. Fünf Minister sind parteilos.

Betrachtet man die Ministerliste im Einzelnen, so ergibt sich ein beunruhigendes Bild.

Ausgerechnet das Justizministerium befindet sich in den Händen der wegen ihrer rassistischen Tiraden und hemmungslosen Angriffen auf die Justiz berüchtigten Lega Nord. Ursprünglich wollte Lega-Chef Bossi seine rechte Hand, Roberto Maroni, als Justizminister durchsetzen. Dies scheiterte daran, dass Maroni wegen Widerstands gegen die Amtsgewalt vorbestraft ist, und dass zur Zeit ein Verfahren wegen desselben Delikts und wegen Angriffs auf die Einheit des Staats sowie wegen Stimmenkaufs gegen ihn läuft. Er wurde schließlich mit dem Ressort für Soziales und Arbeit getröstet und sein Parteifreund Roberto Castelli übernahm das Justizministerium. Auch Castelli ist in der Vergangenheit durch Ausfälle gegenüber der Justiz hervorgetreten. Er gilt als Separatist und Gegner der Einheit Italiens.

Die Alleanza Nazionale stellt neben dem stellvertretenden Ministerpräsidenten die Minister für Landwirtschaft, Umwelt, Kommunikation und für Italiener im Ausland.

Das Kommunikationsministerium gilt angesichts der Medienmacht des Regierungschefs als besonders sensibel, ist es doch für die TV-Gesetzgebung zuständig. Ursprünglich wollte Berlusconi es durch einen Vertreter seine eigenen Partei besetzen, machte aber schließlich einen Rückzug. Nun wird es von Maurizo Gasparri, der Nummer zwei der AN geleitet. Gasparri hat unter den Neofaschisten den Ruf, Berlusconi am nächsten zu stehen.

An der Spitze des neugeschaffenen Ministeriums für Italiener im Ausland sitzt ein Mann mit berüchtigter faschistischer Vergangenheit. Mirko Tremiglia hatte schon in Mussolinis Republik von Salò als Beamter gedient und danach jahrzehntelang als stellvertretender Vorsitzender des MSI amtiert. Er stand schon 1994 für ein Ministeramt zur Diskussion, was daran scheiterte, dass er damals öffentlich den Anschluss Istriens und Dalmatiens an Italien forderte.

Umweltminister Altero Matteoli, ebenfalls von der AN, ist bisher vor allem als Gegner des Umweltschutzes aufgefallen. Er lehnt wie US-Präsident Bush das Klimaabkommen von Kyoto ab. Als Umweltminister in der ersten Regierung Berlusconi hatte er sich als Lobbyist für Straßenbauprojekte und die Öffnung von Naturschutzparks für die Jagd hervorgetan.

Das gewichtige Innenministerium hat Berlusconi mit seinem engsten politischen Mitarbeiter, Claudio Scajola, besetzt. Scajola war in den vergangenen vier Jahren für die Organisation von Forza Italia zuständig und hat sie zu einer schlagkräftigen Partei umgeformt. Der Sohn eines bekannten christdemokratischen Politikers war in seiner Jugend selbst Christdemokrat. Anfang der 90er Jahre saß er im Zuge der Korruptionsverfahren kurz hinter Gittern.

Das Wirtschaftsministerium, das auch für die Finanzen und den Haushalt zuständig ist, ging ebenfalls an einen Vertrauten des Regierungschefs. Giulio Tremonti, Professor für Fiskalrecht, hatte Berlusconi schon 1994 als Finanzminister gedient. Er war damals für ein nach ihm benanntes Steuergesetz verantwortlich, das Berlusconis Firmenimperium um eine zweistellige Millionensumme entlastete und vor dem Kollaps rettete. Nun soll er an der Spitze des neuen Superministeriums die von Berlusconi angekündigte liberale Revolution verwirklichen und eine massive Senkung der Steuern durchsetzen.

Das Verteidigungsressort wird von Antonio Martino (FI) geleitet. Es sollte ursprünglich an die AN gehen, was aber am Druck der amerikanischen Regierung scheiterte, die keinen Neofaschisten in diesem für die Nato wichtigen Amt sehen wollte. Martino, ein Ökonomieprofessor, der 1994 das Außenministerium leitete, gilt als Mann mit hervorragenden Beziehungen zu den USA.

Eine Schlüsselstellung in Berlusconis Kabinett nimmt der parteilose Außenminister Renato Ruggiero ein. Der 71-jährige Wirtschaftsfachmann dient Berlusconi sowohl als Brücke zur internationalen Finanzwelt und Politik als auch zur alteingesessenen italienischen Bourgeoisie.

Ruggiero arbeitete in den fünfziger und sechziger Jahren als Diplomat in Moskau, Washington und Belgrad und dann bei den europäischen Behörden in Brüssel. 1978 war er kurz Außenminister und wechselte dann als Manager zum Turiner Fiat-Konzern. Von 1995 bis 1999 war er Präsident der Welthandelsorganisation (WTO).

Ruggiero "wird im Ausland hoch geschätzt und soll Roms außenpolitischen Kurs in die richtigen Koordinaten von Globalisierung und liberalen Freihandels rücken", beschreibt die Financial Times Deutschland seine Aufgabe. Andere Kommentare werten den Eintritt des ehemaligen Fiat-Managers in die Regierung Berlusconis als Friedensschluss mit der Wirtschaftsdynastie der Agnellis, die dem Aufsteiger Berlusconi bisher stets mit Misstrauen begegnet ist.

Auch zwei weitere parteilose, wenn auch keineswegs unabhängige Minister unterstreichen die Wirtschaftsnähe der neuen Regierung. InnovationsministerLucio Stanca ist ein ehemaliger Europachef des Computerkonzerns IBM. Bildungsministerin Letizia Moratti war 1994 unter Berlusconi Chefin der staatlichen Fernsehanstalt RAI und sollte den kritischen Sender auf Regierungslinie bringen. Anschließend heuerte sie beim Medienimperium von Rupert Murdoch an - eine höchst zweifelhafte Qualifikation für das Bildungsministerium. Sie soll die von Berlusconi heftig attackierte Schulreform der Mitte-Links-Regierung rückgängig machen.

Auffallend ist, dass mehrere neue Minister als ausgesprochene Euroskeptiker bekannt sind. Das trifft nicht nur auf die Vertreter der Lega Nord zu, die Berlusconi vor der Wahl nur mit Mühe davon abhalten konnte, an einer Demonstration gegen den EU-Gipfel in Nizza teilzunehmen, sondern auch auf Verteidigungsminister Martino und Wirtschaftsminister Tremonti. Äußerungen Tremontis, er wolle die Zustimmung Italiens zur Osterweiterung der EU an Garantien für weitere Strukturhilfen für Süditalien knüpfen, haben in Brüssel bereits die Alarmglocken schrillen lassen. Auch Berlusconi selbst betont bei jeder Gelegenheit seine Nähe zur amerikanischen Regierung unter Präsident George W. Bush.

In der EU sind also mit dem Machtwechsel in Italien weitere Reibungen und Schwierigkeiten zu erwarten. Näheres wird sich am kommenden Wochenende beim Gipfel der Regierungschefs in Göteborg zeigen, an dem Berlusconi teilnimmt. Zuvor hat er am Mittwoch seinen ersten internationalen Auftritt beim NATO-Gipfel in Brüssel.

Die Liste von Berlusconis Gruselkabinett wäre nicht vollständig, ohne den Regierungschef selbst zu erwähnen. Berlusconi ist Herr über ein Imperium von 150 Firmen mit einem Jahresumsatz von 14 Milliarden Mark und 25.000 Beschäftigten und kontrolliert die drei wichtigsten privaten Fernsehkanäle des Landes. In Personalunion mit dem Amt des Regierungschefs verleiht ihm dies eine Machtfülle, die jeder demokratischen Tradition Hohn spricht.

Berlusconi hat zwar versprochen, innerhalb von hundert Tagen eine Lösung für diesen Interessenkonflikt zu präsentieren, aber bisher gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte, ob er dies tatsächlich tut und wie die Lösung aussehen soll. Spekuliert wird über einen "Blind Trust", der seinen Besitz einer Art treuhänderischen Verwaltung unterstellt. Es ist aber auch möglich, dass er ihn einfach seinen Kindern überschreibt, die jetzt schon leitende Funktionen in den Firmen des Vaters ausüben. Seine Ankündigung, er werde umgehend die Erbschafts- und Schenkungssteuer abschaffen, könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein.

Siehe auch:
Silvio Berlusconi bildet 59. Nachkriegskabinett in Italien. Führer der Nationalen Allianz als stellvertretender Ministerpräsident
(19. Mai 2001)
Berlusconi gewinnt Parlamentswahlen. Rechter Medienzar übernimmt die Macht in Rom
( 16. Mai 2001)
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