13. Januar 2002

Erster Todestag von Ernst Schwarz

Vor einem Jahr, am 13. Januar 2001, erlag Ernst Schwarz, langjähriges Mitglied der Partei für Soziale Gleichheit (PSG), einem Herzinfarkt. Der überzeugte Sozialist und Internationalist wurde nur 43 Jahre alt. Er war noch voller Pläne und Hoffnungen, als er völlig unerwartet aus dem Leben gerissen wurde.

Ernst gehörte der Generation an, die sich Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre mit marxistischen Ideen auseinander setzte und gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse rebellierte. Doch er zeichnete sich durch besondere Eigenschaften aus, die ihn schließlich zur trotzkistischen Bewegung führten: Er wollte sich nicht mit oberflächlichen Parolen abspeisen lassen, sondern suchte Antworten auf komplexe geschichtliche Fragen. Vor allem wollte er verstehen, weshalb in Deutschland in den dreißiger Jahren der Hitler-Faschismus gesiegt hatte. Er war stolz auf seine Herkunft aus der Arbeiterklasse und von daher empfänglich für eine Perspektive, die von der Organisierung und politischen Bildung dieser gesellschaftlichen Kraft ausging.

Im Alter von 17 Jahren, als er seine Schlosser-Lehre auf der Henrichshütte in der Ruhrgebietsstadt Hattingen begann, lernte er die Vierte Internationale kennen und schloss sich dem Bund Sozialistischer Arbeiter (BSA) - der Vorläuferorganisation der PSG - an.

Fortan setzte er sich aktiv für sozialistische Prinzipien unter Arbeitern ein und unterstützte den Aufbau der trotzkistischen Zeitung Der Funke. In zahlreichen Diskussionen und Arbeitskreisen verschaffte er sich Klarheit über entscheidende politische Fragen des 20. Jahrhunderts, insbesondere über die Rolle des Stalinismus. Er begriff dessen politische Verantwortung für die Degeneration der Sowjetunion in eine bürokratische Diktatur und für den Sieg des Faschismus in Deutschland.

Die Jahre nach 1977 verbrachte er als Montagebauer auf Arbeitsstätten in Südafrika, Venezuela, in Saudi-Arabien und in den USA.

Als Marxist war Ernst Schwarz überzeugter Internationalist. 1991 - zur Zeit des Golfkriegs - nahm er das aktive politische Leben seiner Jugendzeit wieder auf und unterstützte die Konferenz gegen imperialistischen Krieg und Kolonialismus, die das Internationale Komitee 1991 in Berlin organisierte. Durch den Zusammenbruch der DDR und der Sowjetunion sah er sich in seinen Überzeugungen bestätigt.

1992 beteiligte sich Ernst an der Wahlkampagne der International Communist Party (Vorläuferin der SEP) in Sheffield, Großbritannien. Davon berichtet Julie Hyland vom Vorstand der britischen SEP: "Wir gingen gemeinsam zu zahlreichen Fabriken und Betrieben in Sheffield, auch zu den wenigen verbliebenen Stahlwerken.... Ich erinnere mich lebhaft daran, wie er mit festen Schritten mitten in die Werkskantinen ging und sich zu den Arbeitern setzte, die dort aßen und sich unterhielten. Ernst sprach sie ohne weitere Umstände an.... Er betonte, dass Arbeiter rund um die Welt dieselben Probleme hätten und eine internationale Strategie bräuchten. ‚Worin besteht der Unterschied zwischen uns?‘, fragte er seine verblüfften Zuhörer. ‚Ich bin ein deutscher Arbeiter, der von Kapitalisten ausgebeutet wird. Ihr seid britische Arbeiter, die auch von Kapitalisten ausgebeutet werden. Es gibt keinen Unterschied zwischen uns.‘ Man stelle sich die Wirkung dieses unerwarteten Auftretens vor."

Zu dem Zeitpunkt arbeitete Ernst in der Sinteranlage der zum Hoesch-Konzern gehörenden Dortmunder Westfalenhütte. Damals wurden massiv Arbeitsplätze in der Stahlindustrie abgebaut. Die Gewerkschaft IG Metall und die Betriebsräte setzten diesen Abbau vor Ort durch, indem sie ihn angeblich "sozialverträglich" verbrämten. Ernst verband den Kampf gegen diese Angriffe mit der politischen Aufklärung der Arbeiter über die opportunistische Rolle von Stalinismus und Sozialdemokratie. Aus diesem Grund stand er in einem kompromisslosen Dauerkonflikt mit den Betriebsräten der IG Metall. Er scheute sich nicht, jederzeit aufzustehen und seine Meinung zu sagen, er sagte sie eindeutig und ohne Umschweife, und niemals redete er jemandem nach dem Mund.

Seine konsequente Haltung trug ihm nach der Fusion von Hoesch mit Krupp die Versetzung in den Betrieb HSP (Hoesch Spundwand und Profile), das ehemalige Werk Union ein, was mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden war. Dies konnte ihn jedoch nicht zum Schweigen bringen. Im Februar 1995 kandidierte er auf einer sozialistischen Grundlage für den Betriebsrat von HSP.

Er schrieb in seiner Wahlplattform: "An erster Stelle steht für mich die kompromisslose Verteidigung aller Arbeitsplätze. (...) Dazu braucht es eine neue Politik in der Arbeiterbewegung, die nicht von der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Stahlindustrie, sondern von den gemeinsamen Interessen der Arbeiter aller Länder ausgeht."

Geschichte war für ihn immer Maßstab zur Einschätzung der aktuellen Ereignisse. Dieses historische Verständnis drückte sich auch in seiner Plattform aus: "Nach dem Zweiten Weltkrieg akzeptierten die Spitzen von IG Metall und IG Bergbau die Rückgabe der entflochtenen Montankonzerne an dieselben alten Besitzer, die das Hitler-Regime finanziert und an die Macht gebracht hatten. Als Gegenleistung wurden ihnen von Adenauer die Mitbestimmungsrechte eingeräumt. Kein einziger Arbeitsplatz wurde durch die so gewonnenen Sitze in den Aufsichtsräten verteidigt. Im Gegenteil, die Vernichtung Hunderttausender Arbeitsplätze wurde mittels Sozialplänen, Frühverrentung und Abfindungen auf diesem Wege erst organisiert."

Am Ende seiner Plattform schrieb Ernst: "Ich stehe mit meiner Kandidatur für einen neuen Weg ein. Ich mache keine billigen Versprechungen. Die oben aufgezählten Forderungen zu verwirklichen, wird einen harten Kampf bedeuten. Ich kann Euch nur zusagen, dass ich darin keine faulen Kompromisse eingehen und mich auch dem Druck der rechten Betriebsratsspitze nicht beugen werde."

Auf dieser Grundlage wurde er in den Betriebsrat gewählt. In den folgenden Jahren setzte er sich für seine Kollegen ein und kämpfte für sozialistische Politik, während er gleichzeitig der schweren und aufreibenden Schichtarbeit nachging. Außerdem schrieb er Artikel für die Neue Arbeiterpresse und danach für die World Socialist Web Site.

Im Januar 1998 besuchte er im Rahmen der PSG-Delegation die International Summer School in Sydney, die die Frage einer neuen marxistischen Kultur in der Arbeiterklasse in den Mittelpunkt rückte und die Grundlagen für das WSWS ausarbeitete. Ernst fühlte sich durch diese Perspektive bestärkt und war überzeugt, dass sich die marxistische Weltanschauung, auf die er sich seit langem stützte, in der Arbeiterklasse durchsetzen werde.

Siehe auch:
Gedenken an einen sozialistischen Arbeiter
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