Bush und Blair veranstalten Krisengipfel

US-Präsident Bush und der britische Premierminister Blair trafen letzte Woche zu einem eilig anberaumten Gipfeltreffen in Camp David zusammen, um die völlig schief gelaufene Kriegsstrategie zu diskutieren und Meinungsverschiedenheiten über den politischen Rahmen des Irak nach dem Krieg zu überwinden.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Donnerstag versuchten die beiden Führer aus dem drohenden militärischen Debakel das Beste zu machen. Keine der rosigen Vorhersagen der vergangenen Woche war eingetreten. Anstatt mit jubelnden Menschenmengen waren die alliierten Truppen mit entschlossenem Widerstand konfrontiert. Die irakische Armee ist nicht massenhaft desertiert und das Hussein-Regime ist noch intakt.

Blair und Bush blieb nichts weiter übrig als die hohle Behauptung zu wiederholen, die irakischen Massen würden durch Brutalität und Angst zurückgehalten. Die entscheidenden Schlachten um die Kontrolle der Städte haben noch gar nicht begonnen, die bisherigen Gegner waren hauptsächlich schlecht ausgerüstete irakische Milizen, und dennoch verkündete Bush: "Wir nehmen uns jetzt die entschlossensten und verzweifeltsten Einheiten des Diktators vor." Blair appellierte pathetisch an die Medien, "den Fortschritt zu erkennen, den wir schon gemacht haben".

Die Aussichten auf einen länger andauernden, blutigen und möglicherweise ergebnislosen Krieg verschärft die Spannungen in Washington und London. Auf eine Frage nach der zu erwartenden Dauer des Krieges antwortete ein sichtlich irritierter Bush: "So lange wie nötig. Das ist die Antwort auf Ihre Frage. Und das ist es, was Sie wissen müssen. Es geht hier nicht um einen Zeitplan, es geht um den Sieg. Und das irakische Volk muss das wissen."

Bushs Gereiztheit spiegelt die Meinungsverschiedenheiten über die amerikanische Kriegsstrategie wider. Die Financial Times berichtete: "Insider, die mit hohen Vertretern des Pentagon gesprochen haben, berichten über wachsende Verärgerung über Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, der ihre Pläne, stärkere Bodentruppen bei der Invasion einzusetzen, abgelehnt habe." Auf Anfrage wies Rumsfeld diese Andeutung zurück und sagte, die Generäle seinen alle "eng beteiligt" gewesen und hätten die Pläne "gebilligt".

Nicht so einfach abtun ließen sich die Bemerkungen von General William Wallace, der am Donnerstag gegenüber der Washington Post offen einräumte: "Der Feind, gegen den wir kämpfen, ist anders als der Feind in unseren Planspielen." Er äußerte sich schockiert über die Bereitschaft von Zivilisten, Selbstmordangriffe auf schwerbewaffnete US-Ziele zu verüben. "Die Angriffe erscheinen bizarr - Pickups mit aufmontierten Maschinengewehren und ähnlichen Waffen greifen Panzer und Bradleys [gepanzerte Fahrzeuge] an."

Zwar hielt sich Wallace an die Linie des Pentagon, dass diese irregulären Kräfte "gezwungen werden zu kämpfen", er gestand aber indirekt ein, dass das US-Militär einer feindlichen Bevölkerung gegenüber steht. Über das Sperrfeuer, dass vor Bagdad Apache-Kampfhubschrauber vom Himmel geholt und beschädigt hatte, sagte er. "Dies ist ein Land, in der jeder eine Waffe hat, und wenn sie alle auf einmal in die Luft schießen, dann ist das nicht ohne."

Die Washington Post bemerkte, dass Wallace, der oberste Kommandeur der US-Bodentruppen im Irak, damit nur ausdrückte, "was hohe Offiziere im Irak im persönlichen Gespräch seit Tagen sagen". Der irakische Widerstand hat unter dem Gewicht der vernichtenden Bombardierungen nicht nachgelassen, und die Generäle müssen sich jetzt auf einen langwierigen Häuserkampf vorbereiten, um die wichtigen städtischen Zentren zu erobern und zu sichern. Ein hoher Offizier kommentierte düster: "Wenn man es wirklich ernst meint, dann muss man es machen wie die Israelis, mir Panzern und Bulldozern."

Das sicherste Anzeichen, dass sich die militärische Lage für die USA verschlechtert hat, ist die Ankündigung, so bald wie möglich 120.000 Mann als Verstärkung in den Irak zu entsenden. Die Soldaten, die ursprünglich nach dem Sturz des Hussein-Regimes als Besatzungssoldaten vorgesehen waren, werden jetzt als aktive Kampftruppen gebraucht. Es wird Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis alle Truppen vor Ort sind. Blair wird sich vom britischen Kabinett 5.000 zusätzliche Soldaten für den Irak genehmigen lassen, um die Kräfte, die im Moment Basra belagern, für den Kampf um Bagdad freizusetzen.

Der Nachkriegs-Irak

Bush und Blair legten zwar eine gemeinsamen Haltung zur Kriegsstrategie dar, über die Verwaltung des Nachkriegsiraks konnten sie dagegen deutliche Differenzen nicht verbergen.

Die Differenzen drehen sich um die Rolle der Vereinten Nationen. Teile der Bush-Regierung, die die UN als ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges betrachten, wollen sie vollkommen links liegen lassen. Aber öffentlich gesteht das Weiße Haus der UNO zu, eine nützliche Rolle bei der Legitimierung einer von den USA bestimmten Verwaltung in Bagdad und bei der humanitären Hilfe zu spielen.

Außenminister Colin Powell zog aber auch unverblümt die Grenzen für eine Einbeziehung der UNO im Irak. Er bescheinigte der UNO, eine "äußerst nützliche" Rolle zu spielen, schloss aber im gleichen Atemzug eine UN-Kontrolle der Nachkriegsverwaltung des Irak aus. "Wir haben mit unseren Koalitionspartnern nicht diese riesige Last geschultert, um hinterher keine maßgebliche, bestimmende Kontrolle über die zukünftige Entwicklung zu haben", sagte er.

Blair wünscht sich eine zentralere Rolle für die UNO, konnte aber in Camp David keine Zugeständnisse erreichen, die über das auf dem Azorengipfel Vereinbarte hinausgingen. Zurückhaltend erklärte er vor den Medien: "Die Position ist genau so, wie der Präsident und ich es auf den Azoren skizziert haben, nämlich, dass wir mit der UNO, mit unseren Alliierten und Partnern und mit bilateralen Gebern arbeiten werden." Nach Einzelheiten gefragt, wich Blair einfach mit der Bemerkung aus, dass "noch zahlreiche Details" diskutiert werden müssten.

Blair steht zu Hause unter starkem Druck, nicht zu erlauben, dass Washington die Macht in Bagdad monopolisiert. In einem Leitartikel der Londoner Financial Times mit dem Titel "Die UNO sollte den Irak nach dem Krieg kontrollieren" wurden die Sorgen eines Teils des britischen Establishments formuliert. Die Zeitung stellte fest, dass "es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass der Präsident und der Premierminister die gleiche Sprache sprechen", und mahnte einen Kompromiss an, der die Spannungen zwischen den USA und Europa beseitigen und allen einen Anteil an der Beute im Nachkriegsirak sichern könnte.

Der Leitartikel warnte: "Eine vollständige Besetzung des Irak würde die Welle des Antiamerikanismus, die die arabische und islamische Welt überspült, unermesslich verstärken" und die Gefahr von Terrorangriffen erhöhen. Die Billigung der UN sei notwendig, argumentierte er, "um einem Unternehmen zum Erfolg zu verhelfen, dem es jetzt an Legitimation fehlt". Der Leitartikel fügte hinzu: "Eine einseitige Besetzung durch die USA, die trotz der Proteste Washingtons weithin als imperialistisch gesehen würde, hätte keine Legitimation."

Die einzige Vereinbarung, die bislang im Sicherheitsrat getroffen wurde, ist die Wiederaufnahme des "Öl-für-Lebensmittel"-Programms der UN unter Aufsicht von Generalsekretär Kofi Annan für 45 Tage. Selbst diese Resolution traf auf die Opposition Syriens und Russlands, die gemeinsam mit Frankreich und Deutschland gegen jede UN-Resolution sind, die Washingtons unilaterale Invasion des Irak im Nachhinein absegnet. Ein von Deutschland vermittelter Kompromiss beinhaltete schließlich den Hinweis auf die "Pflicht von Besatzungsmächten", entsprechend internationaler Verträge für humanitäre Hilfe zu sorgen.

Die Bereitschaft Frankreichs und Deutschlands, das Programm "Öl-für-Lebensmittel" wieder aufzunehmen ist eines von mehreren Anzeichen, dass Berlin und Paris mit Washington ins Reine kommen wollen. Deutschland und Frankreich unterstützten auch den Widerstand der USA gegen Bestrebungen der UN-Menschenrechtskommission in Genf, eine Sondersitzung einzuberufen, "um die Auswirkungen des Kriegs auf die irakische Bevölkerung und deren humanitäre Lage zu beraten".

In einer Rede vor dem Internationalen Institut für Strategische Studien in London machte der französische Außenminister Dominique de Villepin eine weitere versöhnliche Geste. "Wir sind nicht gegen die Anwendung von Gewalt," betonte er. "Wir warnen nur vor den Risiken von Präventivschlägen als Doktrin." Dann forderte er zur Wiederannäherung auf und sagte: "Diese Zeiten großer Veränderungen verlangen eine erneuerte enge, vertrauensvolle Beziehung zu den Vereinigten Staaten."

Ein Anteil an der Beute

Ein wichtiges Motiv für die Manöver hinsichtlich der Rolle der UNO ist das unappetitliche Gerangel über die Aufteilung der Kriegsbeute. Nicht nur Frankreich und Deutschland, sondern auch Washingtons engster Verbündeter, Großbritannien, sind schockiert, mit welcher Geschwindigkeit Washington begonnen hat, hochprofitable Verträge für den Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg an amerikanische Firmen zu vergeben.

Das hervorstechendste Beispiel war die Entscheidung, den Auftrag für das Löschen der brennenden Ölquellen an Kellogg Brown & Root (KBR) zu vergeben, eine Tochtergesellschaft von Halliburton, der texanischen Ölfirma, die eng mit Vizepräsident Dick Cheney verbunden ist. Die Bekanntgabe ließ die Aktien der Firma um 54 Prozent in die Höhe schnellen. Ein weiterer Vertrag über 900 Millionen Dollar für die Wiederherstellung der Straßen, der Elektrizitätsversorgung und der Infrastruktur des Irak steht vor dem Abschluss, und eine ganze Reihe weiterer Projekte werden von der amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (USAID) abgewickelt.

Ein Artikel in der heutigen Ausgabe der Australian Financial Review mir dem Titel "Schlacht um die Kriegsbeute tobt" kommentierte: "Die Auswahl von KBR hat einen Proteststurm in Europa entfacht; Vorwürfe von Vetternwirtschaft werden erhoben und der Verdacht geäußert, die USA beabsichtigten, die lukrativsten Wiederaufbauprojekte für sich selbst zu reservieren." Die Kosten für den Wiederaufbau des Irak werden auf 25 bis 100 Mrd. Dollar (23 bis 92 Mrd Euro) geschätzt, die zum großen Teil aus den irakischen Öleinnahmen bestritten werden sollen.

Die britische Handels- und Industrieministerin Patricia Hewitt sagte dem BBC Radio, dass Großbritannien zwar nicht an dem Krieg um "Handelsvorteile" teilnehme, es müsse aber "Chancengleichheit" beim Wettbewerb britischer Firmen mit ihren amerikanischen Rivalen herrschen. Sie sagte, es sei wichtig, dass die Zuständigkeit für den Wiederaufbau einer neuen, von den UN unterstützten Zivilregierung übertragen werde.

Unter den gegenwärtigen Verhältnissen haben die US-Konzerne einen eingebauten Vorteil. Die Richtlinien von USAID besagen, dass amerikanische Firmen bei Regierungsaufträgen Priorität haben müssen. Außerdem müssen alle Firmen eine Sicherheitsfreigabe haben - ein weiteres großes Hindernis für alle Bewerber von außerhalb der USA. Wenn der Wiederaufbau in die Hände der UNO gelegt würde, hätten europäische und andere Firmen bessere Chancen, Aufträge zu ergattern.

Blairs Drängen auf eine wichtige Rolle der UN im Nachkriegsirak geht aber nicht nur auf dieses obszöne Gerangel um die Kriegsbeute zurück. Er versucht, einen Drahtseilakt zwischen den Vereinigten Staaten und Europa zu vollziehen und eine "Brücke" zwischen ihnen zu bauen. Sein Appell für eine UN-Rolle beim Wiederaufbau zielt darauf, die tiefen Risse, die sich bei den Diskussionen im UN Sicherheitsrat über den Krieg aufgetan haben, zu flicken. Dass Blair in Camp David keine Einigkeit über die Rolle der UNO erreicht hat, stärkt nur seine Kritiker, die argumentieren, dass Großbritanniens Interessen in Europa liegen.

Der frühere europäische Botschafter in Washington, Roy Denham, kommentierte z.B. in der International Herald Tribune : "Tony Blairs Wunschdenken fliegt ihm jetzt um die Ohren... Der Mythos vom britischen Einfluss in Washington ist entlarvt wie nie. Aber der britische Einfluss in Europa ist noch geringer.... Auf die Politik eines unabhängigen Europa könnte Großbritannien bedeutenden Einfluss nehmen. Auf die Politik der Vereinigten Staaten wird der Einfluss nicht größer sein, als der eines Sahnehäubchens auf dem Pflaster von Manhattan."

Siehe auch:
Die zwanzig Lügen des George W. Bush
(27. März 2003)
Die Krise des amerikanischen Kapitalismus und der Irakkrieg
( 25. März 2003)
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