Vereinigte Staaten

Kritik an Rumsfeld aus den Reihen der Republikaner

Nur wenige Wochen vor Beginn der zweiten Amtszeit der Bush-Regierung ist innerhalb der Republikanischen Partei ein heftiger Streit über die Leistung von US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ausgebrochen. Führende Republikaner greifen den Pentagonchef mindestens ebenso harsch an, wie es zuvor seine angeblichen politischen Gegner aus der Demokratischen Partei getan haben.

Diese Bande von rechten Millionären hat urplötzlich das Elend der geschundenen US-Soldaten im Irak entdeckt und wirft sich in die Pose ihrer Fürsprecher, während sie gleichzeitig dem Verteidigungsminister vorwirft, arrogant und unsensibel gegenüber den Bedürfnissen der Truppen zu sein.

"Ich habe kein Vertrauen in Rumsfelds Führung", erklärte der republikanische Senator aus Nebraska Chuck Hagel in einem Fernsehinterview. "Ich denke, dass das Pentagon und insbesondere seine zivile Führung dieses Land im Stich gelassen haben, als es um den Irak nach Saddam ging." Er fügte hinzu, es sei "unfassbar", dass niemand zur Verantwortung gezogen werde.

Der ehemalige Führer der republikanischen Mehrheitsfraktion im Senat Trent Lott verkündete, er sei "kein Fan" von Rumsfeld, und forderte, dass der Verteidigungsminister "im kommenden Jahr oder so" ersetzt werde.

Senator John McCain, ein Republikaner aus Arizona und ehemaliger Kriegsgefangener in Vietnam, erklärte ebenfalls, er habe "kein Vertrauen" in Rumsfeld und "sehr starke Meinungsverschiedenheiten" mit dem Verteidigungsminister, insbesondere über die Frage der Truppenstärke im Irak.

Den Rücktritt Rumsfelds fordert ausdrücklich William Kristol, der Herausgeber des Weekly Standard, eines einflussreichen Organs der republikanischen Rechten. Kristol gehörte zu denjenigen, die direkt nach dem 11. September 2001 einen Einmarsch im Irak verlangt hatten. Er nutzte die Terroranschläge, um für einen Krieg zu werben, den er seit langem befürwortete.

Wie andere "Experten" seines Schlages hatte Kristol damals behauptet, dass die Einnahme des Iraks durch US-Truppen einem Spaziergang gleichkäme. In den letzten Monaten ist er allerdings zunehmend hysterisch geworden angesichts des Debakels, das die Vereinigten Staaten im Irak erleben. Er hat die Regierung angegriffen, weil sie die Truppenstärke nicht erhöht hat, und den uneingeschränkten Einsatz militärischer Gewalt gefordert, um den Widerstand in der irakischen Bevölkerung zu brechen.

"Man vergleiche die großartige Leistung unserer Soldaten mit dem arroganten Abwälzen von Verantwortung, das Rumsfeld betreibt", schreibt Kristol in einer seiner jüngsten Kolumnen. Der Artikel endet mit den Worten: "Diese Truppen verdienen einen besseren Verteidigungsminister als den, den wir jetzt haben."

Kristol und die republikanischen Politiker konzentrieren sich auf Rumsfelds Auftritt am 8. Dezember, als er vor 2.000 amerikanischen Soldaten in Kuwait sprach, deren Einsatz im Irak bevorstand. Als aus den Reihen der Soldaten aufmüpfige Fragen über das Fahlen gepanzerter Fahrzeuge und anderer Ausrüstungsgegenstände kamen, antwortete der Verteidigungsminister geringschätzig, man könne "alle Panzerung der Welt haben" und trotzdem "hochgejagt werden".

Diese Kritik steigerte die Empörung, nachdem bereits zuvor bekannt geworden war, dass Rumsfeld Kondolenzbriefe an die engsten Angehörigen von gefallenen Soldaten nicht persönlich unterzeichnet hatte, sondern maschinell unterschreiben ließ. Diese Praxis, die beispielhaft für die Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber dem Tod von mittlerweile mehr als 1.300 US-Soldaten im Irak steht, wurde der Öffentlichkeit zum ersten Mal Ende November bekannt, als David Hackworth, ein pensionierter Oberst der US-Armee, in einer Zeitungskolumne darüber schrieb.

Nachdem das Pentagon zunächst wiederholt beteuert hatte, an Hackworths Vorwürfen sei nichts dran, war es schließlich gezwungen zuzugeben, dass die Briefe tatsächlich maschinell unterzeichnet waren, und Rumsfeld versprach schließlich öffentlich, dass er in Zukunft die Briefe persönlich signieren würde. Die Massenmedien griffen das Thema auf und interviewten Angehörige, die zu Recht über die herablassende Art des Pentagons erbost waren.

In seiner Jahresendpressekonferenz sah sich Bush gezwungen, seinen Verteidigungsminister in Schutz zu nehmen. "Ich kenne das Herz von Minister Rumsfeld", sagte er, ohne überzeugend zu wirken. Der Pentagonchef, so Bush, sei "ein guter Mensch", der "wirklich gute Arbeit" leiste.

Rumsfeld selbst verfasste einen Beitrag, der am 21. Dezember in der Zeitung USA Today erschien, in dem er "die Männer und Frauen in Uniform" lobte, die "ihr Leben einsetzen". Weiter schrieb er: "In den letzten Tagen hat es viel Wirbel um die Frage gegeben, die ein Soldat der Nationalgarde bei einer Versammlung in Kuwait an mich gerichtet hatte und die die Panzerung von Armeefahrzeugen betraf. Seine Frage war berechtigt und ich teile seine Besorgnis."

Abseits von den falschen Beteuerungen, sie seien um Leben und Wohlergehen der US-Truppen im Irak besorgt - die von Rumsfeld und seinen Kritikern gemeinsam dorthin entsandt wurden -, existieren tiefe Meinungsverschiedenheiten und Unsicherheiten innerhalb der Regierung und der herrschenden Elite Amerikas als Ganzer.

Dies ist nicht das erste Mal, dass der Verteidigungsminister in der Krise, mit der Washington im Irak konfrontiert ist, als politischer Blitzableiter fungiert. Erst im vergangenen Mai gab es verbreitete Forderungen nach Rumsfelds Rücktritt wegen des internationalen Aufruhrs über die Fotos, die amerikanisches Militärpersonal bei der Folterung irakischer Gefangener im Gefängnis Abu Ghraib zeigten.

Es gab damals wie heute Anzeichen, dass das Weiße Haus grünes Licht für die Angriffe auf Rumsfeld gegeben hatte, um die Kritik von Bush selbst abzulenken. Inmitten des Abu-Ghraib-Skandals ließ man an gegenüber der Presse durchsickern, dass Bush Rumsfeld gerüffelt habe, weil dieser ihn nicht über die Existenz des Fotos informiert haben soll.

Die Tatsache, dass Iraker gefoltert wurden, stand nie im Zentrum der Washingtoner Kontroverse. Die Frage war vielmehr, welchen Schaden das Bild des Präsidenten in der Öffentlichkeit, beziehungsweise die amerikanische Außenpolitik erlitten hatte, nachdem durch die Veröffentlichung der Fotos die hässliche Wirklichkeit des amerikanischen Kriegs im Irak unübersehbar geworden war.

Seitdem sind bezeichnenderweise neue Fotos aufgetaucht, auf denen Spezialeinheiten bei der Misshandlung von Gefangenen zu sehen sind. Es gibt zudem zahlreiche Berichte und Dokumente, die belegen, dass in Abu Ghraib und anderswo weiterhin gefoltert wird und dass amerikanische Militäreinheiten systematisch Zivilisten töten. All dies ruft nicht die geringste Empörung über Rumsfeld hervor, weder von Seiten des amerikanischen Kongresses noch von Seiten der Medien. Sie haben vielmehr applaudiert, als die amerikanischen Streitkräfte wüste Angriffe auf zivile Ziele in Falludscha und anderswo unternahmen.

Gleichzeitig wurde Alberto Gonzalez, der Rechtsberater des Weißen Hauses, der die juristischen Gutachten zur Rechtfertigung von Folter und zur Außerkraftsetzung der Genfer Konventionen entworfen hat, für den Posten des Justizministers nominiert.

In der derzeitigen Auseinandersetzung gab es anfangs Gerüchte, Kristol habe damit geprahlt, dass das Weiße Haus ihn gedrängt habe, in seiner Kolumne die Absetzung von Rumsfeld zu fordern. Später bestritt der rechte Kolumnist diese Darstellung. Was auch immer an der Sache dran sein mag: Die Tatsache, dass eine solche Verbindung allgemein vermutet wurde, ist ein deutlicher Beweis für den Druck, der auf der Regierung lastet.

Diese Spannungen haben verschiedene objektive Quellen. Zum einen ist es trotz aller leeren Behauptungen, die für den 30. Januar geplanten Wahlen im Irak bedeuteten einen Wendepunkt für die amerikanische Besatzung, sowohl für das amerikanische Militär als auch für das US-Außenministerium offensichtlich, dass diese Unterfangen nur noch größeren Aufruhr provozieren und keinesfalls die zunehmenden Angriffe auf die amerikanischen Streitkräfte abflauen lassen wird.

Zum anderen gibt es Anzeichen dafür, dass Teile des Weißen Hauses und Pentagons neue Gewaltakte gegen Syrien, den Iran oder beide Länder in Erwägung ziehen, als Vergeltung für deren angebliche Störung der amerikanischen Bemühungen, ein Marionettenregime im Irak zu errichten. Ein neues militärisches Abenteuer hat angesichts der Krise, der das Pentagon derzeit im Irak gegenübersteht, jedoch das Potenzial, die amerikanischen Streitkräfte bis zur Handlungsunfähigkeit zu überdehnen.

Zudem existieren schon seit langem Spannungen zwischen Rumsfeld und dem Militärkommando über den Irak und über die umfassenden Vorschläge des Verteidigungsministers für eine Umstrukturierung des Militärs. Diese zwei Fragen kamen zusammen im Konflikt um die Truppenstärke im Irak, der mit der Invasion im März 2003 begann. Die Militärspitze hat sich erbittert gegen Rumsfelds Auffassung gewandt, mit einer kleinstmöglichen Truppenstärke auszukommen, und hat ihn hinter seinem Rücken heftig attackiert, weil er den Aufstand nicht vorhergesehen hatte, mit dem das US-Militär nun konfrontiert ist.

Zu den Meinungsverschiedenheit an der Spitze der uniformierten und zivilen Militärführung hinzu kommt eine wachsende Unruhe unter den Truppen, die sich unter anderem in den aufsässigen Fragen zeigte, die die Soldaten in Kuwait an Rumsfeld richteten.

Es gibt zunehmend Bedenken hinsichtlich des wiederholten Einsatzes von Einheiten im Irak, der ständigen Verlängerung von Einsatzzeiten und der Maßnahmen, die Soldaten daran hindern, nach abgelaufener Dienstzeit das Militär zu verlassen. Es wird befürchtet, dass solche Praktiken nicht nur die Moral zersetzen und Rekrutierungen behindern, sondern auch Bedingungen schaffen, unter denen sich innerhalb der Besatzungstruppen eine Meuterei entwickeln könnte.

Um diese Fragen geht es, wenn plötzlich entdeckt wird, dass Donald Rumsfeld "arrogant" und "unsensibel" sei. Die interne Fehde in der Republikanischen Partei hat überhaupt nichts mit echter Sorge um das Leben und Wohlergehen junger US-Soldaten im Irak zu tun - Soldaten, die in ihrer überwiegenden Mehrheit aus der Arbeiterklasse und den ärmsten Schichten der Gesellschaft stammen. Was die herrschende Elite betrifft, so sind ihre Leben entbehrlich, wenn es den strategischen Interessen des amerikanischen Kapitalismus dient.

Inzwischen wird heftig spekuliert, ob Rumsfeld seinen Posten im Pentagon noch über Januar hinaus halten wird.

Der ganze Streit entspannt sich zu einem Zeitpunkt, an dem die amerikanische Präsenz im Irak von der US-Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen wird. Bushs Wiederwahl war alles andere als ein Mandat für den Krieg und hat die Massenopposition gegen die Besetzung des Iraks nicht dämpfen können. Den jüngsten Umfragen von ABC News und der Washington Post zufolge denken 56 Prozent der Befragten, dass der Krieg es nicht wert ist geführt zu werden, was einen deutlichen Anstieg seit der letzten Umfrage im Juli dieses Jahres bedeutet. Während mehr als die Hälfte der Befragten eine Absetzung Rumsfelds befürworteten, sagte eine noch größere Zahl von Menschen (57 Prozent), dass sie Bushs Handhabung der Situation im Irak missbilligen.

Unter diesen Bedingungen ist es für Bush offensichtlich gefährlich, Rumsfeld aufgrund des öffentlichen Drucks zu entlassen. Der Verteidigungsminister hat eine zentrale Rolle dabei gespielt, die Regierungspolitik der unprovozierten Militäraggression zu entwickeln, so dass sein Einsatz als Sündenbock das Weiße Haus selbst mit ihm nach unten reißen könnte.

Siehe auch:
Donald Rumsfeld und Washingtons Verbindungen zu Saddam Hussein
(20. April 2004)
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