Nahost-Führer nicken US-Besetzung des Irak ab

Die internationale Ministerkonferenz im ägyptischen Badeort Scharm-el-Scheich am Roten Meer lieferte letzte Woche ein abstoßendes Schauspiel politischer Feigheit und Kriecherei vor der Bush-Regierung.

Alle Nachbarn des Irak - Saudi-Arabien, Kuwait, Syrien, Iran, Jordanien und die Türkei - waren vertreten; außerdem noch Bahrain, Algerien, Tunesien, die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Konferenz. US-Außenminister Colin Powell nahm ebenso teil wie die Außenminister der übrigen G8-Länder und Chinas, Vertreter der Europäischen Union und der UNO.

Es war das erste wichtige internationale Treffen zum Irak seit der US-geführten Invasion. Es bot die Gelegenheit, das illegale Vorgehen der Bush-Regierung zu verurteilen und den sofortigen, bedingungslosen Rückzug aller ausländischen Truppen aus dem Land zu fordern. Die Konferenz fand unmittelbar nach der brutalen Zerstörung von Falludscha statt, bei der Tausende Widerstandskämpfer und Zivilisten unterschiedslos vom amerikanischen Militär abgeschlachtet worden waren.

Die Feststellung erübrigt sich, dass nicht einer der versammelten Minister die Verbrechen Washingtons verurteilte. Alle arrangierten sich mit der US-Invasion, auch Syrien, das im November 2002 einen Sitz im UN-Sicherheitsrat inne gehabt und für die UN-Resolution zu Iraks angeblichen Massenvernichtungswaffen gestimmt hatte, die als Vorwand für den Krieg diente.

Weil sie sich über die Massenopposition in der Region gegen die US-Besatzung und die Empörung über den Angriff auf Falludscha bewusst waren, schützten mehrere Länder am Montag, dem ersten Tag der Scharm-el-Scheich-Konferenz, Opposition vor. Am nächsten Tag ließen aber alle Teilnehmer ihre Kritik in der Schublade verschwinden und stimmten einstimmig für ein gemeinsames Kommuniqué, das allen Forderungen Washingtons nachkam.

Bei der Eröffnung der Konferenz konnte der ägyptische Außenminister Ahmed Aboul Gheit nicht umhin, versteckte Hinweise auf die Zerstörung von Falludscha zu machen. Er warnte, dass "die Politik von Gewalt, Einschüchterung und übermäßiger Anwendung des Rechts des Stärkeren... zu weiteren Spaltungen und Zerstörungen führen wird". Der syrische Außenminister Farouk al-Sharaa schloss sich mit der Bemerkung an: "Wir verurteilen Gewalt, Terrorismus und Entführungen, aber wir verurteilen auch das Töten von Zivilisten und die Zerstörung der öffentlichen Institutionen des Irak."

Kein Minister war bereit, die USA als Schuldigen zu benennen. Sie waren auch nicht bereit, sich öffentlich mit dem bewaffneten Aufstand gegen die illegale Besetzung des Irak durch die USA zu solidarisieren. Stattdessen akzeptierte al-Sharaa, indem er den Begriff "Terrorismus" benutzte, stillschweigend die Lüge Washingtons und seines Marionettenregimes in Bagdad, dass alle ihre Gegner "Terroristen" seien. Irans Außenminister Kamal Kharrazi nahm die gleiche "unparteiische" Haltung ein, als er die Anwendung von "übermäßiger Gewalt und die Bombardierung von Städten" kritisierte und gleichzeitig die Gewalt des irakischen Widerstands verurteilte.

Powell und der irakische Interims-Außenminister Hoshyar Zebari wischten diese Kritik genauso beiseite, wie die zahmen, von Frankreich unterstützten Appelle Syriens und des Iran an die USA, einen Zeitpunkt für den Rückzug aller ausländischen Truppen festzulegen. Der Iraner Kharrazi erklärte, dass "die ausländischen Truppen den Irak so bald wie möglich verlassen müssen", schränkte seine Aussage aber sofort mit den Worten ein: "Wenn nicht vor Ablauf des Jahres 2005, dann zumindest Ende 2005." Schlussendlich ließen alle drei Länder auch diese begrenzte Forderung fallen und akzeptierten eine bedeutungslose Klausel im Abschlusskommuniqué, die lediglich darauf verweist, dass das UN-Mandat für die US-Besatzung "nicht unbegrenzt" sei.

Diese hohlen politischen Gesten stellen die Fassade dar, hinter der sämtliche Nahost-Regierungen - Syrien und Iran eingeschlossen - sich mit Washingtons Forderungen abgefunden haben. Die Konferenz hatte den Zweck, der illegalen US-Besatzung des Irak und den Plänen für die landesweiten Scheinwahlen am 30. Januar einen Anschein von Legitimität zu verleihen.

Abdel Moneim Said, Direktor des Al-Achram Zentrums für politische und strategische Studien in Kairo, bemerkte dazu gegenüber der New York Times : "Eines der großen Probleme des amerikanischen Projekts im Irak besteht darin, dass es illegitim ist. Es gab dafür keine Übereinstimmung in der UNO, keine Übereinstimmung im Sicherheitsrat, keine Übereinstimmung mit den Ländern in der Region. Diese Konferenz bietet nun eine internationale und regionale Legitimität, mit der die Iraker leben können."

Genau das leisteten die regionalen Außenminister. Al-Sharaa aus Syrien fragte am ersten Tag der Konferenz rhetorisch: "Wir müssen uns fragen, ob wir hierher gekommen sind, um lediglich unsere Unterstützung des Status Quo zu Protokoll zu geben." Er beantwortete seine eigene Frage, indem er wie alle anderen ein Kommuniqué unterstützte, das den Status Quo und die Januar-Wahlen legitimiert.

Im Irak selbst werden die Wahlen, die unter der militärischen Besatzung der USA abgehalten werden sollen, weithin als Betrug angesehen. Schon 47 sunnitische, schiitische, turkmenische und christliche Parteien haben angekündigt, die Wahlen boykottieren zu wollen. Im New Standard gab Dr. Wamidh Omar Nadhi, Sprecher des Irakischen Nationalen Gründungskongresses, der Stimmung weiter Teile der Bevölkerung Ausdruck, als er erklärte: "Wie kann es freie Wahlen unter Kriegsrecht geben? Statt einen Waffenstillstand zu schließen, greifen sie Falludscha an. Befürchten sie nicht, dass es nach Falludscha noch blutiger wird? Das Kriegsrecht ist ein Nagel im Sarg dieses Regimes. Ihr letzter Vorwand für Demokratie wird jetzt beerdigt. Die Verhängung des Kriegsrechts ist eine Erklärung des politischen Bankrotts."

In dem Badeort am Roten Meer dagegen segneten die Außenminister des Nahen Ostens die geplante Wahl ab. Ein von einer Delegation gemäßigter irakischer Oppositionsgruppen vor der Konferenz verbreiteter Aufruf forderte, die Wahlen zu verschieben. Ägypten und Jordanien griffen die Frage halbherzig auf, ließen sie aber sofort wieder fallen, als Powell und Zebari klar machten, das eine Verschiebung nicht in Betracht komme.

Die versammelten Minister verliehen der amerikanischen Unterdrückung des Irak nicht nur Legitimität, sie boten auch konkrete Unterstützung an. Iran wird nächste Woche in Teheran eine Konferenz regionaler Innenminister ausrichten, die Mittel und Wege zur Erfüllung der Forderungen Washingtons diskutieren soll. Die US-Regierung verlangt von den Nachbarländern des Irak, mehr zu tun, um das Einsickern "ausländischer Terroristen" in den Irak zu unterbinden.

Powell machte bei einem privaten Treffen mit Außenminister al-Sharaa klar, was von Syrien erwartet wird. Washington hat schon verschiedentlich drohende Bemerkungen über Syriens angebliche Massenvernichtungswaffen gemacht und Damaskus beschuldigt, dass seine Grenzen zu wenig kontrolliert würden. Powell, der das Treffen als "solide" und "offen" beschrieb, sagte den Medien: "Die Syrer haben in der letzten Zeit einige Schritte getan, aber wir glauben, sie können viel mehr tun."

Ein Treffen Powells mit dem iranischen Außenminister Kharrazi war allgemein erwartet worden, kam aber nicht zustande. Kharrazi gab sich aber dennoch alle Mühe, Irans Bereitschaft zu erklären, Washington nicht nur bei der Grenzsicherung zu unterstützen, sondern auch Druck auf den oppositionellen schiitischen Kleriker Moqtada al-Sadr auszuüben, um ihn zur Akzeptierung der Januarwahl zu bewegen. "Wir haben versucht, ihm [Sadr] zu einer moderateren Haltung zu verhelfen, und ihn ermutigt, mit Ayatollah Sistani zu kooperieren", erklärte der Minister der Presse nach der Konferenz.

Die Bereitschaft Syriens und des Iran, sich mit dem US-Imperialismus zu verständigen, unterstreicht nur die Niedertracht der Bourgeoisie in der ganzen Region. Für Teheran und Damaskus ist das Schicksal des irakischen Volkes nichts weiter als Verhandlungsmasse in ihren eigenen Beziehungen zu Washington. Der Iran, der sich mit aggressiven Forderungen der USA konfrontiert sieht, seine Nuklearprogramme zu stoppen, hofft offensichtlich, etwas Zeit zu gewinnen, wenn er der Bush-Regierung hilft, ihre Kontrolle im Irak zu festigen.

Aber die Unterwürfigkeit der Nahost-Führer wird den US-Militarismus keineswegs bremsen, sondern die Bush-Regierung nur ermutigen, ihre weitergehenden Pläne für die wirtschaftliche und strategische Beherrschung der Region voranzutreiben.

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