Die Abramoff-Affäre: Korruptionsskandal gefährdet republikanische Mehrheit im Kongress

Michael Scanlon, ein politisch einflussreicher Republikaner, Publizist und Pressesprecher des ehemaligen Fraktionsführers der Republikaner im Kongress, Tom DeLay, bekannte sich am 21. November der Verschwörung mit dem Lobbyisten Jack Abramoff schuldig. Deren Ziel war es, einen republikanischen Kongressabgeordneten zu bestechen und mehrere amerikanische Indianerstämme um Dutzende Millionen Dollar zu betrügen.

Das Geständnis Scanlons - und noch mehr seine Bereitschaft zur vollständigen Zusammenarbeit mit den Bundesstaatsanwälten und zu einem Auftritt als Kronzeuge gegen frühere Kollegen - ließ einen eiskalten Wind durch die Reihen der Republikaner wehen. Es eröffnete ihnen die Aussicht auf zahlreiche Anklagen, Verurteilungen und Gefängnisstrafen, sowohl für Kongressabgeordnete und Kongressmitarbeiter, als auch für Beamte der Bush-Regierung, die in die ausufernde Korruption des offiziellen Washington verstrickt sind.

Presseberichten zufolge sind mindestens vier Abgeordnete der Republikaner und 17 derzeitige oder ehemalige Angestellte des republikanischen Mitarbeiterstabs im Zusammenhang mit der Abramoff-Affäre von den Justizbehörden überprüft worden. Das Wall Street Journal nannte DeLay, den Kongressabgeordneten Robert Ney aus Ohio, den kalifornischen Kongressabgeordneten John Doolittle und den Senator Conrad Burns aus Montana als Verdächtige, so wie auch einige ehemalige Beamte der Bush-Regierung. Die Washington Post berichtete, die Staatsanwaltschaft habe dem Kongressabgeordneten Ney mitgeteilt, dass in einem Bestechungsfall gegen ihn ermittelt werde, außerdem seien auch die Ehefrauen von Ney und Doolittle in Abramoffs Beziehungsnetz verstrickt.

Die Affäre Abramoff wird vermutlich noch viel weitere Auswirkungen haben. Ein Reporter, der für Business Week berichtet, sagte in einem Fernsehinterview, er habe aus Quellen in der Justizbehörde erfahren, dass sogar bis zu 60 Kongressabgeordnete in den Schmiergeldskandal verwickelt sein könnten - das sind so viele, dass die Mehrheit im Repräsentantenhaus ernsthaft gefährdet ist. Die Republikaner haben dort eine Mehrheit von 231 zu 202, bei einem Unabhängigen.

Associated Press nannte noch weitere acht Abgeordnete und Senatoren, die von Abramoff Zahlungen erhielten, weil sie ihm politische Vorteile verschafften; vier Republikaner und vier Demokraten. Von den Republikanern waren dies die Kongressabgeordneten Charles Taylor aus North Carolina, J. D. Hayworth aus Arizona, Todd Tiahrt aus Kansas und Dave Camp aus Michigan. Bei den Demokaten handelt es sich um drei Senatoren, Carl Levin und Debbie Stabenow aus Michigan und Byron Dorgan aus North-Dakota (er ist Sprecher der Demokraten im Untersuchungsausschuss über die Abramoff-Affäre), sowie der Kongressabgeordnete Dale Kildee aus Michigan.

In früheren Presseberichten wurde festgestellt, dass der Sprecher des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, ein Republikaner aus Illinois, und der führende Demokrat im Senat, der Minderheitsführer Harry Reid, bedeutende Wahlkampfspenden von Gruppen erhielten, die unter Abramoffs Einfluss standen. Dabei ging es meist um indianische Stämme, die sich beim Kongress um Gefälligkeiten für ihre Spielkasino-Unternehmen bemühten.

Während einige dieser Zuwendungen an führende Demokraten gingen, insbesondere an Mitglieder der Ausschüsse beider Häuser für Indianerfragen, floss der Großteil des Geldes in die Taschen der Republikaner. Zum einen spielten sie als Mehrheitspartei in beiden Häusern die entscheidende Rolle, zum anderen hatte Abramoff sein Lobby-Imperium auf seinen jahrelangen Verbindungen zu republikanischen Spitzenpolitikern wie DeLay, Bushs obersten politischen Berater Karl Rove, dem Anti-Steuer Lobbyisten Grover Norquist und Ralph Reed, dem ehemaligen Vorsitzenden der Christlichen Koalition aufgebaut.

Als Abramoff Mitte der 1980er Jahre Präsident der Republikaner am National College war, waren seine beiden favorisierten Abgeordneten Norquist und Reed. Alle drei stiegen in wichtige Positionen im ultrarechten politischen Lager auf. Abramoff wandte sich danach dem Lobbyismus für die Contras in Nicaragua und für antikommunistische Terroristengruppen im südlichen Afrika zu. Später, insbesondere nachdem die Republikaner 1994 den Kongress erobert hatten, widmete er sich dann der Lobbytätigkeit im Bereich kommerzieller und geschäftlicher Interessen.

Mit dem Amtsantritt der Bush-Regierung konnte der Lobbyist mit den guten Verbindungen zu den Republikanern dann die Preise für politische Vorteilsnahme selbst festlegen. Mit seinen windigen Geschäften brachte er es schnell zum Multimillionär, der unter anderem auch Tyco International und Unisys Corp. vertrat.

Im Zentrum sämtlicher Machenschaften von Abramoff stand nach Presseberichten und Senatsanhörungen der vergangenen 18 Monate die Plünderung der großen Fonds, die Indianerstämme für ihre Lobbytätigkeit im Zusammenhang mit ihren lukrativen Glücksspielgeschäften zur Verfügung stellten. Viele dieser Gelder leitete Abramoff an Scanlon weiter. Dieser beendete seine Mitarbeit im Büro DeLays im Jahr 2000 und baute eine Werbefirma in Washington auf, um unter Nutzung seiner Beziehungen zu hochrangigen Republikanern Kasse zu machen. Die Hälfte der Gewinne ließ Scanlon dann insgeheim an Abramoff zurückfließen.

Von 2001 bis 2004 ergaunerten Abramoff und Scanlon laut dem Bundesgericht in Washington D.C. vorgelegten Dokumenten ungefähr 82 Millionen Dollar aus Zahlungen der Indianerstämme. Scanlon selbst stellte vier Indianerstämmen in diesem Zeitraum 52 Millionen Dollar in Rechnung und ließ 19 Millionen unter dem Tisch an Abramoff zurückfließen.

Der 35-jährige Scanlon, der 1999 aus seinen Einnahmen als Kongressmitarbeiter immer noch sein College-Stipendium abzahlte, wurde über Nacht Millionär und erwarb kurz nach seinem Einstieg ins Geschäft für mehrere Millionen Dollar in Delaware ein Anwesen am Strand. Nach einem Pressebericht ist er heute, fünf Jahre später, immer noch enorm reich, auch wenn er sich bereit erklärt hat, 19 Millionen Dollar an die Stämme zurück zu zahlen.

Abramoff manipulierte die amerikanischen Ureinwohnerstämme, indem er seinen Einfluss bei christlichen Fundamentalistengruppen nutzte, die Glücksspiele ablehnen, und presste in einer Weise Geld aus ihnen heraus, die man nur als politische Schutzgelderpressung bezeichnen kann. Im berüchtigtsten Fall mobilisierte Abramoff christliche Fundamentalisten zur Ablehnung eines Antrags eines kleineren indianischen Stammes auf Einrichtung eines Kasinos, das die Gewinne seiner eigenen Klientel, der Organisation der Coushatta-Indianer in Louisiana, geschmälert hätte.

Die Coushattas heuerten Abramoff und Scanlon an, um das Kasino von Livingstone (Texas) im Grenzgebiet zwischen Louisiana und Texas, das den Jena, einem anderen Stamm in Louisiana, gehörte, zur Schließung zu zwingen. Unter Abramoffs Regie ließen die Coushattas Geld in verschiedene republikanische politische Aktionskomitees und konservative Gruppen fließen, darunter waren auch zwei Wahlkampfkomitees DeLay’s, ARMPAC und TRMPAC.

Abramoff und Scanlon benutzten Ralph Reed als Kontaktmann zu rechten christlichen Gruppen und nahmen auch Kontakt zu John Cornyn auf, der damals Generalstaatsanwalt von Texas war und heute Senator ist. Sie wollten das Casino der Jena durch einen Gerichtsbeschluss verhindern. Reed organisierte eine Gruppe von fünfzig Pastoren für ein Treffen mit Cornyn. Er berichtete Abramoff später in einer E-Mail: "Wir haben auch die Antwort von Cornyn schon entworfen. Der Generalstaatsanwalt wird erklären, dass das Gesetz klar ist... und dafür plädieren, dass schnell gehandelt werden müsse, um es durchzusetzen." Die Pfarrer waren sich angeblich nicht darüber im Klaren, dass ihre moralische Entrüstung über das Glücksspiel dazu benutzt wurde, ein Glücksspielinteresse gegen ein anderes zu unterstützen.

Noch unverfrorener war der Versuch von Abramoff und Scanlon, Millionen Dollar über Reed umzuleiten und in eine Kampagne zur Schließung des El Paso, eines vom Stamm der Tigua betriebenen texanischen Casinos, zu kanalisieren. Nachdem das Casino geschlossen worden war, brachten Abramoff und Scanlon die Tigua dazu, sie für eine Kampagne zur Wiedereröffnung des Casinos zu engagieren. Obwohl die Tigua Millionen bezahlten, scheiterte diese Kampagne.

Abramoff und Scanlon diskutierten ihre hinterhältigen Operationen in unverhüllt zynischer Sprache, wie E-Mail-Korrespondenzen belegen, die vom Senatsausschuss für Indianische Angelegenheiten (Senate Indian Affairs Committee) veröffentlicht wurden. In einem Memo an Abramoff schreibt Scanlon in Bezug auf die christlichen Fundamentalisten: "Die Spinner bekommen ihre Informationen von der christlichen Rechten, christlichem Radio, Post, dem Internet und Telefonketten. Um es einfach auszudrücken: Wir wollen die Spinner dazu bringen, gegen etwas zu stimmen, und sicherstellen, dass der Rest der Öffentlichkeit davon nichts mitbekommt."

Das könnte man als eine vereinfachte, aber nichtsdestoweniger aussagekräftige Zusammenfassung der gesamten politischen Strategie der Bush-Administration betrachten: die "Spinner" werden mobilisiert, während allen anderen Sand in die Augen gestreut wird.

Obwohl über Abramoffs Betrug an den Indianerstämmen in den Medien ziemlich ausführlich berichtet wurde, ist der republikanische Lobbyist bisher nur in einem damit nicht zusammenhängenden Fall von Wirtschaftsbetrug in Südflorida angeklagt worden, bei dem er und ein Verbündeter die Kontrolle von Sun Cruz übernahmen, einer Kreuzfahrtlinie mit Glücksspieltouren im Programm, wobei sie betrügerische Finanzinformationen und ungedeckte Schecks benutzten.

Mit Scanlons Zeugenaussage könnte jedoch bald eine Anklage wegen Betrugs an den Indianerstämmen zustande kommen. Die neuesten Ausgaben des Wall Street Journal und der Washington Post legen offen, dass die Untersuchungsgruppe des Justizministeriums, die die Fälle von Einflusshandel untersucht, auf 35 bis 40 Personen aufgestockt wurde. Sie legen nahe, dass eine Vielzahl strafrechtlich relevanter Anklagen erhoben werden könnten.

Vom Standpunkt der betroffenen Kongressabgeordneten ist die Aussicht besonders ominös, dass Anklagen wegen krimineller Bestechung möglicherweise aufgrund von Wahlkampfspenden erhoben werden, obwohl das Geld nicht direkt in die Taschen der Abgeordneten wanderte, sondern benutzt wurde, um deren Wiederwahlkampagnen zu finanzieren. Das ganze Tamtam mit den umständlichen Bestimmungen der Bundeswahlkommission verfolgte nämlich den Zweck, die wachsenden finanziellen Zuwendungen der Wirtschaft an die Abgeordneten zu legalisieren.

Abramoff ging häufig so vor, dass er die Ehefrauen des Kongresspersonals oder der Kongressabgeordneten selbst einstellte, was sich zu einer direkten Bestechung unter dem Deckmantel von Arbeitsverhältnissen auswuchs. Ein mit Abramoff verbundenes Unternehmen, die Alexander Strategy Group, die von Edwin Buckham und Tony Rude, ehemaligen Mitarbeitern von DeLay, geführt wird, heuerte Christine DeLay an, die Ehefrau des Kongressabgeordneten, "um herauszufinden, welche Wohltätigkeitorganisation jedes Kongressmitglied bevorzugt", wie aus einem Beitrag in der Washington Post hervorgeht. Dieser nicht besonders anspruchsvolle Job, für den es wohl ausreichend war, etwa 435 Telefongespräche zu führen, brachte Christine DeLay Gehaltszahlungen in Höhe von 3.200 bis 3.400 Dollar im Monat für drei Jahre ein, was insgesamt 115.000 Dollar ausmachte. Der Familienanwalt der DeLays, Richard Cullen, sagte der Post : "Es war nicht so, dass sie es von neun bis 17 Uhr betrieb, sondern das war ein längerfristiges Projekt. Sie fand das sehr interessant, sehr herausfordernd und sehr lohnend."

Wie aus den vom Justizministerium im Zusammenhang mit Scanlons Geständnis veröffentlichten Strafanzeige hervorgeht, waren die Wahlkampfspenden für Kongressabgeordnete sowie persönliche Geschenke wie Super Bowl-Eintrittskarten, Urlaubsreisen und teure Restaurantessen "die Belohnung für eine Reihe von Amtshandlungen". Dazu gehörte es zum Beispiel, Gesetze durchzubringen, die Aufnahme von Kommentaren in das Kongressprotokoll zu befürworten, Bundesbeamte zu kontaktieren und ihre Entscheidungen zu beeinflussen, Abramoffs Klienten zu treffen und Verträge für die Renovierung von Bürogebäuden des Kongresses zu vermitteln.

Zwar ist der republikanische Lobbyist bisher nur in Florida angeklagt und bisher noch keines Verbrechens überführt worden, aber die in die Medien gelangten Einzelheiten verdeutlichen die außerordentlich korrupte Allianz von christlichen Fundamentalisten, jüdischen Ultra-Zionisten, Anti-Steuer-Fanatikern und extremen neokonservativen Ideologen im Dienst des kapitalistischen Amerikas.

Der Skandal - das Wort ist unvermeidbar aber unzureichend, zumal es hier die Regel und nicht die Ausnahme im heutigen Washington beschreibt - reicht bis in die höchsten Ränge der Republikanischen Führung und der Bush-Regierung. DeLay, der nach seiner Anklage in einem anderen politischen Korruptionsfall in Texas gezwungen war, als Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses zurückzutreten, ist das erste hochrangige Opfer. Er hat Abramoff einmal als "einen meiner engsten und besten Freunde" bezeichnet.

David Safavian, ein Vertreter des Weißen Hauses, oberster Einkäufer der Regierungszentrale und vormaliger Personalchef bei der Allgemeinen Verwaltung, wurde letzten Monat angeklagt, weil er die Bundesermittler über eine Vergnügungsreise angelogen haben soll, die er mit Abramoff, Reed und dem Kongressabgeordneten Ney nach Schottland unternommen hatte.

Es wird sicher zu weiteren Schockwellen im Weißen Haus kommen. Dokumenten zufolge, die am 9. November veröffentlicht wurden, verlangte Abramoff eine Zahlung von neun Millionen US-Dollar vom westafrikanischen Staat Gabun, um ein Treffen mit Präsident Bush zu arrangieren. Abramoff wollte, dass das Geld auf elektronischem Wege an eine von ihm privat geführte Firma bezahlt wurde, anstatt an die Lobbyistenfirma Greenberg Traurig, bei der er damals angestellt war. Präsident Omar Bongo traf Bush zehn Monate später im Oval Office. Bis jetzt hat es aber noch keine Bestätigung gegeben, dass er eine Zahlung an Abramoff geleistet oder die Einladung im Gegenzug für die Zahlung erhalten hat. Vertreter des Weißen Hauses leugneten jede Verbindung und behaupteten, Bongos Besuch stehe im Zusammenhang mit dem "Interesse des Präsidenten am afrikanischen Kontinent".

Siehe auch:
0
Loading