Rom: Tausende demonstrieren gegen Kriegspolitik der USA und der Regierung Prodi

Rifondazione boykottiert Antikriegsdemonstration

Rom, 17. März. - Viele Tausende, den Organisatoren zufolge 30.000 Menschen zogen heute durch die Innenstadt von Rom, um gegen den Irakkrieg und die Politik der Prodi-Regierung zu protestieren. Zum vierten Jahrestag der US-Invasion im Irak fanden auch in Madrid, Prag, Kopenhagen, Athen und Istanbul Demonstrationen statt.

Zur Römer Demonstration hatten die Basisgewerkschaften Cobas, die linke Tageszeitung il manifesto und eine Reihe kleinerer Organisationen aufgerufen. Die Hauptforderungen lauteten: Rückzug der italienischen Truppen aus allen Kriegsgebieten, Schließung der US-Militärstützpunkte auf italienischem Boden und Kürzung der Militärausgaben.

Zum ersten Mal hatte Rifondazione Comunista weder zu dieser Demonstration aufgerufen, noch nahm sie daran teil. Die Nachfolgepartei der KPI ist seit April letzten Jahres Teil der Unione-Regierungskoalition von Romano Prodi und hat sich das Recht abkaufen lassen, öffentlich gegen deren Kriegsbeteiligung zu demonstrieren. Erst Ende Februar hat Rifondazione, wie die anderen Regierungsparteien auch, vor einem Ultimatum Prodis kapituliert, um ihm vom Rückritt abzuhalten. Bestandteil des Ultimatums ist die Unterstützung des italienischen Militäreinsatzes in Afghanistan sowie der Ausbau von US-Basen in Italien. Außerdem verleiht es dem Regierungschef außerordentliche Vollmachten.

Am Donnerstag, den 8. März, stimmte dann das italienische Abgeordnetenhaus der Afghanistan-Mission mit 524 Ja-Stimmen gegen drei Nein-Stimmen und 19 Enthaltungen zu. Das bedeutet, dass alle Rifondazione-Abgeordneten bis auf zwei der Afghanistan-Mission Italiens zugestimmt haben. In Afghanistan sind zur Zeit 1.900 italienische Soldaten stationiert, die sich unter anderem an der Frühjahrsoffensive "Operation Achilles" der NATO beteiligen.

Die Lage hat sich zuletzt durch die Entführung eines italienischen Journalisten, Daniele Mastrogiacomo von La Repubblica, in Afghanistan verschärft. Er befindet sich in Händen der Taliban, die für seine Freilassung den Rückzug der italienischen Truppen fordern. Sein Fahrer soll bereits als Spion hingerichtet worden sein. Regierungschef Romano Prodi hat vor wenigen Tagen zur Forderung nach Truppenabzug kategorisch erklärt: "Wir haben Entscheidungen getroffen, an denen wir festhalten, und es gibt zur Zeit nichts, was uns zu einer Änderung bewegen könnte."

Die Politik der aktiven Kriegsteilnahme, die von Prodi verfolgt und von Rifondazione unterstützt wird, war auf der Römer Demonstration zentrales Thema. "Die Berlusconi-Regierung war eine Regierung von Kapitalisten, Faschisten und Rassisten - die Prodi-Regierung ist eine Regierung des Kapitals, des Kriegs und des Betrugs", rief ein Cobas-Wortführer unter Beifall. "Niemals wieder eine Stimme für den Krieg", stand auf zahlreichen Plakaten.

Die Transparenten trugen Aufschriften wie: "Raus aus Afghanistan, weg mit den US-Basen"; "Nein zu dieser Kriegsregierung. Für eine Linke, die nicht verrät"; "Sofortiger Abzug aus Afghanistan und dem Libanon" und "Freiheit für das afghanische Volk - Freiheit für Mastrogiacomo" (d.h. für den entführten Journalisten). Und immer wieder: "Nein zum Krieg" oder "Entwaffnet sie!".

Auf einem Plakat stand: "Der Krieg ist die Mutter, der Terrorismus der Sohn, das Kapital ist der Großvater." Ein großes Transparent aus Neapel zeigte eine Kopie des Gemäldes "Guernica" von Pablo Picasso.

Auf der Anfangs- und Schlusskundgebung erhielten besonders die Redner viel Beifall, die den Verrat von Rifondazione direkt verurteilten, während zum Beispiel Salvatore Cannavò von der innerhalb Rifondazione arbeitenden Fraktion Sinistra Critica, ausgebuht und mit Sprechchören bedacht wurde wie: "Tretet aus der Regierung aus!"

Während auf der Demonstration Rifondazione, die italienischen Kommunisten (Pdci) und die Grünen - beide ebenfalls Bestandteil der Unione-Koalition - komplett fehlten, fiel die große Zahl von zum Teil ganz neuen Gruppen und kleinen Parteien auf, die alle vorgaben, eine Alternative aufzubauen. Man konnte jedoch nicht wirklich erkennen, worin sich ihre Politik inhaltlich von Rifondazione und deren national beschränktem Sozialreformismus unterscheidet, außer dass sie den moralischen Anspruch erheben, sie würden ihrerseits "nicht verraten".

Typisch war Marco Ferrando, der als Führer der pseudo-trotzkistischen Fraktion Progetto Comunista lange Jahre innerhalb Rifondazione gearbeitet hat. Ferrando sagte auf der Abschlusskundgebung auf der Piazza Navona über die Prodi-Regierung: "Es ist eine Regierung des Kapitals und des Vatikans. Die so genannten Linken, die für diese Regierung stimmen, stehen auf der andern Seite der Barrikade. Sie bleiben nur deshalb an der Regierung, weil sie ihre fetten Posten verteidigen, ihre Minister, Sekretäre und ihren Kammerpräsidenten" - eine unmittelbare Anspielung den früheren Parteivorsitzenden Fausto Bertinotti, der heute Präsident der Abgeordnetenkammer ist.

Ferrando fuhr fort: "Das italienische Volk hasst den Krieg. Es braucht in diesem Land eine neue Linke, und wir müssen sie aufbauen. Eine Linke, die nicht lügt und nicht verrät."

Mit keinem Wort unternahm er auch nur den Versuch einer Erklärung, warum seine angeblich "trotzkistische" Tendenz lange Jahre innerhalb Rifondazione gearbeitet hat, eines Zerfallsproduktes der stalinistischen Kommunistischen Partei, und ihr einen linken Deckmantel verschafft hat.

So war es mit allen Rednern und Vertretern der zahlreichen "linken Alternativen". Sie riefen wiederholt dazu auf, ein "nationales Netz aller oppositionellen Gruppen" aufzubauen, um Widerstand zu leisten und dafür zu sorgen, dass "die Bewegung immer größer wird". Gleichzeitig vermieden sie es, sich mit der Frage auseinander zu setzen, warum denn frühere Proteste und soziale Bewegungen in eine Sackgasse geraten sind und welche Politik dafür verantwortlich ist. Vor vier Jahren, am 15. Februar 2003, waren beim Ausbruch des Irakkriegs in Rom drei Millionen Menschen auf die Straße gegangen.

Ein Reporterteam der World Socialist Web Site, das den Aufruf "Stoppt die US-Kriegsvorbereitungen gegen den Iran!" vom 14. Februar verteilte, machte die Erfahrung, dass bei vielen Teilnehmern ein starkes Bedürfnis besteht, politische Fragen ernsthaft zu klären. Mehrere Teilnehmer kannten die WSWS bereits und zeigten sich dankbar für ihre politischen Analysen. Sowohl die internationale Ausrichtung als auch die prinzipielle Unabhängigkeit von allen etablierten politischen Parteien stieß spontan auf Zustimmung.

Michele aus Rom sagte einem Reporter: "Von Rifondazione erwartet hier niemand mehr was, seitdem sie in die Regierung eingetreten sind. Rifondazione ist doch Teil der Prodi-Regierung, und die führt Krieg und greift auf dramatische Weise die sozialen Rechte der Menschen an."

Lino stammt ursprünglich aus Neapel, arbeitet jedoch in Bologna, da es in Neapel extrem schwer ist, Arbeit zu finden. Er sagte: "Ich war selbst bei Rifondazione und hab sie noch im letzten April in Neapel gewählt. Aber nach ein paar Monaten wurde ich richtig wütend über ihre Politik. Ich bin ausgetreten und bin jetzt mit ein paar Freunden in Bologna dabei, eine neue Gruppe aufzubauen. Es braucht eine neue Alternative, und viele Gruppen versuchen schon, eine neue Partei aufzubauen.

Der Krieg ist die zentrale Frage. Deshalb sind wir hier. Italienische Soldaten kämpfen in Afghanistan, und wir sind vollkommen dagegen. Viele andere Fragen sind damit verbunden. So will die US-Armee einen neuen Truppenstützpunkt in Vicenza bauen, und dagegen haben wir vor einem Monat demonstriert. Etwa hunderttausend Menschen waren zum Protest nach Vicenza gekommen, und es war wie ein einziges großes Fest, mit viel Musik und guter Stimmung. Das ist deshalb wichtig, weil eine Woche zuvor die Regierung eine Terrorismushysterie entfacht hatte, um die Leute von der Teilnahme abzuhalten.

Außer der Kriegsfrage ist die soziale Frage im Moment besonders wichtig, sowohl die Einführung eines Mindestlohnes für alle Menschen, als auch die Rentenfrage. In wenigen Wochen soll ein neues Rentensystem beschlossen werden, bei dem auch in Italien für privat Beschäftigte eine Art Pensionfonds eingeführt wird. Darüber finden zurzeit viele Versammlungen und Proteste statt."

Lino zeigte sich sehr interessiert, als er erfuhr, dass die WSWS politische Berichte über die konkreten Arbeits- und Lebensverhältnisse in den verschiedenen Ländern bringt, und sagte, er würde gerne erfahren, wie es in den andern europäischen Ländern um die Rente stehe und ob es nicht möglich wäre, unter französischen, deutschen und italienischen Arbeitern gemeinsam gegen die neoliberalen Angriffe zu kämpfen.

Er stimmte zu, dass die sozialen Angriffe mit der Vorbereitung auf Krieg eng zusammenhängen, und erklärte am Schluss: "Es ist klar, dass es so nicht weitergehen kann, aber wir wollen auch nicht zurück zu den Verhältnissen, wie sie früher waren - das war auch nicht ideal. Man muss vorwärts gehen. Ihr sagt ja, man muss den Kapitalismus abschaffen, und ich bin dabei."

Linda und Samuele aus Rom haben früher ebenfalls Rifondazione gewählt. Linda erklärte: "Ich habe sie unterstützt, weil sie versprochen haben, ohne Wenn und Aber gegen Krieg einzutreten - und dann dies... Heute stimmen die Rifondazione-Abgeordneten selbst mit Ja, wenn es um Krieg geht."

Enrico ist ebenfalls ehemaliges Rifondazione-Mitglied, ist aber schon vor drei Jahren ausgetreten. Er sprach uns auf den Handzettel mit der Aufschrift World Socialist Web Site an und erzählte, er lese die WSWS schon seit einiger Zeit und finde besonders die Nachrichten aus Amerika interessant. Auch die Darstellung der jüngsten Regierungskrise mit Prodis Rücktritt und der Rolle von Rifondazione sei im Wesentlichen korrekt. Er nahm selbst Handzettel mit, um sie unter seinen Bekannten weiter zu verteilen.

Enrico sagte: "Die jüngste Entwicklung zeigt die vollständige Kapitulation von Rifondazione vor Prodi. Sie sind nicht in der Regierung, um den Arbeiterkämpfen eine Stimme zu geben, sondern haben umgekehrt die Durchsetzung der Regierungspolitik zum zentralen Punkt ihrer Tätigkeit gemacht.

Ich selbst gehöre heute keiner Tendenz an, aber ich schaue mich um, weil ich denke, man muss eine internationale Arbeiterbewegung aufbauen, zu der auch Italien gehört."

Siehe auch:
Eine Rebellion auf den Knien: Der italienische Senat spricht Romano Prodi sein Vertrauen aus
(2. März 2007)
Rifondazione Comunista stellt Prodi Blankoscheck für rechte Politik aus
( 27. Februar 2007)
Hunderttausend demonstrieren gegen Irakkrieg und Prodi-Regierung
( 22. Februar 2007)
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