Frankreich: Die NPA schmiedet für die Regionalwahlen rechte Allianzen

Die NPA (Neue Antikapitalistische Partei) bereitet sich intensiv darauf vor, gemeinsam mit etablierten Linksparteien eine Regierung zu bilden. Für die Regionalwahlen 2010 schmiedet die NPA eine Allianz mit Parteien, die zum linken Flügel des bürgerlichen Spektrums gehören.

Seit einigen Wochen hält die Partei regelmäßig Versammlungen ab, um die Einzelheiten eines solchen Bündnisses mit der so genannten "Linksfront" festzulegen. Die Linksfront besteht aus der PG (Linkspartei, eine von Jean-Luc Mélenchon angeführte Abspaltung der Sozialistischen Partei) und der KPF, der französischen Kommunistischen Partei.

Der Nationale Politische Rat der NPA, der vom 7. bis 8. November tagte, stimmte einer "nationalen Vereinbarung" mit diesen Parteien mit einer Zweidrittelmehrheit zu. Für die erste Abstimmungsrunde will die NPA mit eigenen Listen antreten, "unabhängig von den Listen der Sozialistischen Partei und von Europa-Ökologie [von den Grünen]". Je nachdem, in welchem Verhältnis die Ergebnisse für PS, NPA und andere verbündete Parteien ausfallen, könnten dann für die zweite Runde "demokratische Fusionen" von Listen stattfinden.

Der Geist der nationalen Vereinbarung der NPA schlug sich am deutlichsten in einem Text nieder, der auf einem Treffen der Linksfront am 28. Oktober beschlossen wurde.

Dieses Dokument bekräftigt den Grundsatz, dass die NPA in von der PS geführten Verwaltungen mitarbeiten soll. Dies trotz aller Beteuerungen der NPA, die eigene Unabhängigkeit zu wahren, und trotz ihrer heftigen Kritik an der PS wegen deren "sozialliberaler" - das heißt am freien Markt orientierter - Politik.

Nach dieser Klarstellung warf die NPA sofort ein paar Nebelkerzen und legte einen Ergänzungsantrag zum Text der Linksfront vor. Darin heißt es, die Mitarbeit der NPA in regionalen Verwaltungsbehörden "wird nicht möglich sein im Rahmen von Verwaltungen, in denen PS und Europa-Ökologie dominieren und eine Politik verfolgen, die sich an den Liberalismus anpasst".

Das ist nichts weiter als ein verlogener Versuch, den Schein der Unabhängigkeit von der SP zu wahren, denn natürlich stellt sich die Frage: Was anderes könnte eine Bündnispolitik mit PS und KPF hervorbringen als Marktliberalismus? Jeder weiß, dass diese Parteien unter der Präsidentschaft François Mitterands (1981-1995) und der Regierung von Premierminister Lionel Jospin (1997-2002) eine Austeritätspolitik verfolgten. Nach Beginn der Finanzkrise im vergangenen Jahr und dem Scheitern der PS bei den Europawahlen im Juni 2009 wollte ein nicht unbedeutender Teil dieser Partei sogar den Begriff "sozialistisch" aus dem Parteinamen streichen!

Im Klartext bedeutet es, dass die NPA an Regionalverwaltungen der PS teilnehmen möchte, solange deren wirtschaftsliberale und rechte Politik nicht auf allzu viel Kritik stößt. Kommt es jedoch zu Konflikten, dann will sie auf das Recht begrenzter Kritik an der PS nicht verzichten.

Der Ergänzungsantrag der NPA passte der KPF-Vorsitzenden Buffet und dem PG-Chef Mélenchon nicht ins Konzept, da ihre beiden Parteien von einem direkteren Bündnis mit der PS abhängen.

Um der NPA Druck zu machen, stellte Marie-Georges Buffet, die nationale Sekretärin der KPF, ihre Ansichten in l’Humanité vom 6. November dar. "Ziel der Linksfront ist, die Linke gemeinsam am höchsten Streben der Bevölkerung zu orientieren. Wir haben deutlich gemacht, dass wir in der zweiten Runde für eine Vereinheitlichung arbeiten werden, damit wir die Rechte schlagen und Mehrheiten im Sinne unserer Ziele bilden können. Denn im Gegensatz zu Olivier Besancenot von der NPA glauben wir, dass die Regionen nicht ’eine gute linke Opposition’, sondern gute linke Mehrheiten brauchen."

Am 16. November erschienen die Vertreter der Linksfront nicht an dem mit der NPA vereinbarten Treffen.

In einem Artikel vom 22. November kam die NPA wieder auf ihren von der Linksfront abgelehnten Vorschlag zurück: " Die Möglichkeit zur Teilnahme an den Regionalwahlen hängt deshalb von der Beziehung der politischen und sozialen Kräfte ab, die die Bedingungen festlegen, unter denen Politik letztendlich nur umgesetzt werden kann.... Deshalb weigern wir uns, uns an von PS und Europa-Ökologie dominierten Regionalverwaltungen zu beteiligen. Sie würden eine marktliberale Politik entlang den Forderungen der Unternehmer und der Europäischen Union verfolgen."

Am 25. November formulierte eine Mehrheit der NPA den so genannten Vorschlag A, der das Zugeständnis an die Rechte beinhaltet: "Falls unsere Listen mehr als fünf Prozent der Stimmen erhalten, sind solche demokratische, vom (Wahl)- Gesetz erlaubten Fusionen nur mit linken Listen vorstellbar, die keine Absprachen mit der MoDem [Demokratische Bewegung, konservative Partei unter Vorsitz von François Bayrou] getroffen haben." [Ein Teil der SP arbeitet offen mit MoDem zusammen.]

Trotz dieses Fehlschlags hat die NPA die Brücke hinter dem Bündnis mit der Linksfront nicht abgebrochen: "In den kommenden Wochen wird die NPA die Diskussionen fortsetzen und anstreben, alle für eine solche Politik zur Verfügung stehenden Kräfte zu vereinheitlichen. Keine Anpassung an den von der PS vorgeschlagenen Rahmen, aber auch kein Alleingang, der unserer Politik nicht entspricht."

Die Verhandlungen berühren unmittelbar die Existenzgrundlagen der NPA, die im Februar 2009 durch ihre Vorgängerorganisation LCR (Ligue Communiste Révolutionnaire) gegründet wurde. Der wichtigste ideologische Schritt beim Gründungskongress der NPA bestand darin, die letzten Verbindungen zum Trotzkismus zu kappen, um eine Zusammenarbeit mit den Regierungsparteien zu erleichtern. Die auf dem Kongress diskutierten Fragen politischer Taktik betrafen gerade potentielle Bündnisse mit Linkspartei (PG) und KPF. Die NPA gestattete der KPF sogar, Flugblätter in ihren eigenen Kongressräumen zu verteilen.

Bei den Europawahlen im Juni 2009 kandidierte die NPA noch eigenständig und weigerte sich, eine Allianz mit der Linksfront der KPF und der PG einzugehen. Die Wahlergebnisse der NPA fielen schlecht aus: Sie lagen hinter denen der Linksfront, die vier bzw. sechs Prozent der Stimmen erhalten hatte. Der Rückschlag bei den Europawahlen wurde als Rechtfertigung dessen benutzt, was schon die zentrale Perspektive des Gründungskongresses war: enger an die Stalinisten der KPF und die Sozialdemokraten der Linksfront heranzurücken.

Die Verhandlungen selbst wirken gekünstelt, da versucht wird, die vorhandenen engen Bindungen zwischen NPA und Linksfront zu verbergen. Ein großer Teil der NPA, die von Christian Piquet angeführte Minderheit der Vereinigten Linken, arbeitet in Wirklichkeit bei der Linksfront mit. Diese erhielt beim Gründungskongress eine offizielle Vertretung in der nationalen NPA-Führung. Die Kongressdelegierten nahmen im Wesentlichen eine positive Haltung zu KPF und PG ein.

Es ist nicht sicher, ob die NPA für ihre vielen regionalen Sektionen eine nationale Richtlinie erlassen wird. Es wäre möglich, dass diese jeweils eigenen regionalen Abkommen mit der Linksfront und der PS treffen.

Der gekünstelte Charakter der Opposition der NPA gegenüber den Bürgerlichen wird auch bei ihren Bestrebungen um eine Allianz zwischen NPA und Linksfront deutlich. Die Linksfront lehnt Übereinkünfte mit der Rechten nicht prinzipiell ab. Die KPF hatte bei den Gemeindewahlen 2008 verschiedene gemeinsame Listen mit der MoDem gebildet, allen voran die von Lille und Dijon.

Für die PS gewinnt das Bündnis mit einem Teil der Rechten immer größere Bedeutung. Bei den Regionalwahlen 2004 eroberte die PS noch 20 der 22 städtischen Regionen Frankreichs. Und gerade da erlebte die PS bei den Präsidentschaftswahlen 2007 und den Europawahlen 2009 massive Verluste. Um diese Regionen zu halten, ist die PS zu breitest möglichen Bündnissen gezwungen. Bündnisse mit der MoDem, wie auch mit den Grünen (der Langzeitpartner der PS) erscheint der Führung der PS immer attraktiver.

Die Haltung der NPA zu dieser Option macht den heuchlerischen Charakter ihrer verbalen Opposition gegenüber PS und den rechten Parteien deutlich. In einer Erklärung stellt die NPA fest, ein Bündnis zwischen PS und Bayrou wäre "genau das gleiche Szenario, das in Italien in die Katastrophe führte. Im Bündnis mit dem Zentristen Prodi schlug die Linke zuerst Berlusconi, enttäuschte dann die allgemein in sie gesetzten Erwartungen und machte so den Weg für Berlusconi II frei. Heute ist im italienischen Parlament nicht ein einziger linker Abgeordneter übrig geblieben."

Das Beispiel Italiens ist von grundlegender Bedeutung, da es zeigt, dass die NPA bewusst Bündnisse anstrebt, die auf einen Verrat an der Arbeiterklasse hinauslaufen. Bei den Wahlen 2006 erhielten Rifondazione Comunista (Kommunistische Neugründung), die italienische Kommunistische Partei (PdCI)und die Grünen zusammen beinahe vier Millionen Stimmen. Am 14. und 15. April 2008 brachen dieselben Parteien stimmenmäßig dermaßen ein, dass sie nicht einmal mehr die parlamentarische Sperrminorität erreichten.

In den zwei Jahren zwischen diesen Wahlen beteiligten sich die zur linken Regenbogenkoalition gehörenden Parteien aktiv an der Regierung Romano Prodis und unterstützten seine gegen die Arbeiterklasse gerichtete Politik uneingeschränkt. Die Regierung Prodi sandte zusätzliche Truppen nach Afghanistan und verkleinerte das Defizit im Staatshaushalt, indem sie die Renten angriff.

Mit dem Argument, dies sei der einzig gangbare Weg zur Verhinderung der Rückkehr Silvio Berlusconis an die Macht, unterstützten die Koalitionäre des linken Regenbogens all diese Maßnahmen. Die rechtesten Elemente der Regierung Prodi setzten ihre politischen Programme durch, die so genannte "Linke" übernahm deren Programm und fiel ihren Wählern in den Rücken.

Die Kritik der NPA an der Regierung Prodi, einschließlich der italienischen Gesinnungsgenossen der NPA, die sich seit 2007 in der pablistischen Organisation Sinistra Critica neu formierten, ist ganz und gar substanzlos. Die italienischen Pablisten beteiligten sich an der stalinistischen Partei Rifondazione Comunista, einem unerlässlichen Pfeiler der Prodi-Koalition. Heute handelt die NPA genauso wie die italienischen Pablisten: Sie bereitet ein Bündnis mit den französischen Stalinisten vor, die nichts anderes im Sinn haben, als die PS auf Grundlage eines rechten Programms zurück in die Regierung zu hieven.

Siehe auch:
Die NPA und Frankreichs politische und Finanzskandale
(26. November 2009)
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