Perspektive

Südafrika: Klassenkämpfe brechen offen aus

Der Streik von 1,3 Millionen Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes in Südafrika stellt eine bedeutende Eskalation des internationalen Klassenkampfes als Reaktion auf die globale Rezession und die Sparmaßnahmen der Regierungen in aller Welt dar. Er ist Ausdruck des fundamentalen Widerspruchs zwischen den Interessen der arbeitenden Menschen und allen Regierungen, die das kapitalistische System verteidigen.

Dies zeigt vor allem der Fall des African National Council (ANC), der mit Unterstützung einer populären Massenbewegung an die Macht kam.

Keine Regierung hat eine solche lange Phase des Wohlwollens genossen wie der ANC, seit er 1994 unter der Präsidentschaft von Nelson Mandela an die Macht kam, das Apartheid-System beendete und versprach, eine „Regenbogen-Nation“ zu schaffen, in der die wirtschaftlichen Vorteile des an Rohstoffen reichen Landes der gesamten Bevölkerung zugute kommen würden. Stattdessen hat sich die Kluft zwischen Arm und Reich verstärkt. Eine winzige Schicht von Geschäftsleuten im Umfeld des ANC ist zu Millionären geworden. Statt von einem „Schwarzen wirtschaftlichen Aufschwung“ zu profitieren, lebt die Mehrheit derer, die die Regierung unterstützt haben, in Townships und ländlichen Gebieten, in denen selbst die notwendigsten sozialen Einrichtungen fehlen.

Klassenspannungen nehmen seit Jahren zu. Der ANC hat eine Politik des freien Marktes verfolgt, die zu steigender Arbeitslosigkeit geführt und die Bedürfnisse der Bevölkerung missachtet hat. Präsident Jacob Zuma hat Mandelas Nachfolger, Thabo Mbeki, abgelöst und versprochen, für Arbeitsplätze, Wohnungsbau und soziale Dienste zu sorgen. Aber er hat dieselbe marktorientierte Politik verfolgt, die die Desillusionierung wachsen ließ und nun zum gegenwärtigen Streik mit seinem Ausbruch an Wut und Empörung geführt hat.

Was als normale Auseinandersetzung in der regulären jährlichen Tarifrunde begann, in der Verwaltungsbeamte, Lehrer und Krankenhausbedienstete Lohnerhöhungen und Aufwandsentschädigungen in der Höhe forderten, die von anderen Teilen der Arbeiterschaft erkämpft wurden, droht die südafrikanische Wirtschaft nun zum Stillstand zu bringen. Minenarbeiter und andere Industriearbeiter zeigen ihre Solidarität. Es heißt, der Streik koste bereits 1 Milliarde Rand oder 135,5 Millionen US-Dollar pro Tag.

Der Streik hat zu einem direkten Konflikt zwischen der Arbeiterklasse auf der einen und der ANC-Regierung und dem südafrikanischen Staat auf der anderen geführt. Die Polizei setzt Gummigeschosse und Wasserwerfer gegen Streikende ein, die Gerichte untersagen Teilen der Beschäftigten, am Streik teilzunehmen und die Armee wird in Krankenhäusern stationiert. Mit Unterstützung der Medien hat die Regierung eine Verleumdungskampagne gegen die Streikenden gestartet. Minister der Regierung werfen Krankenhausangestellten „Mord“ vor.

Die Regierung ist entschlossen, den Streik zu brechen und an den öffentlichen Angestellten ein Exempel zu statuieren. All das hat eine politische Dimension angenommen und die Regierung ist sich darüber im Klaren, dass ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel steht.

Oppositionspolitiker der Demokratischen Allianz stellen die Frage, ob die Regierung oder die Gewerkschaften Südafrika regieren. Wichtiger noch ist die Tatsache, dass globale Banken und Spekulanten genau beobachten, ob der ANC die notwendige Entschlossenheit zeigt, um mit der Arbeiterklasse fertig zu werden.

Die herrschende Elite fürchtet nichts mehr, als dass eine Mehrheit der Bevölkerung, die nicht in den Gewerkschaften organisiert ist, mobilmachen könnte, und es zu einem Massenaufstand kommen könnte wie dem, der die Apartheid beendete. Etwa die Hälfte der jungen Menschen ist ohne Arbeit. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei 30 Prozent. Die wirkliche Quote liegt eher bei 40 Prozent. Die Bedingungen für eine soziale Explosion sind gegeben und ein länger anhaltender Streik im öffentlichen Dienst könnte zum Zündfunken werden.

Gewerkschaftsführer wie der Generalsekretär des südafrikanischen Gewerkschaftsverbandes (COSATU), Zwelinzima Vavi, legen sich richtig ins Zeug, um die Regierung zu kritisieren und schimpfen mit linken Worten, um die Führung des Streikes auf Biegen und Brechen in der Hand zu behalten. Sie wissen genau, welches Ausmaß die Wut ihrer Mitglieder angenommen hat, und tun alles, um den Streik zu beenden, bevor er außer Kontrolle gerät. Sie haben den Streik auf die Zeit nach der Fußballweltmeisterschaft verlegt und anfänglich empfohlen, dass die Arbeiter das Angebot der Regierung annehmen. Sie betteln geradezu um Verhandlungen auf höchster Ebene und haben Zuma aufgefordert, von seiner Reise nach China zurückzukehren, damit sie mit ihm verhandeln können.

Der Widerstand der COSATU gegen die Regierung ist rein rhetorischer Natur. Der Gewerkschaftsverband bleibt Teil der Dreier-Allianz mit dem ANC und der südafrikanischen kommunistischen Partei (SACP), die die Regierung in den vergangenen fünfzehn Jahren an der Macht gehalten hat. Die südafrikanischen Arbeiter haben eine formelle parlamentarische Demokratie gewonnen, aber es gibt nichts wirklich Demokratisches an einer Regierung, die die Verteidigung der Profite über das Recht der Arbeiter auf einen anständigen Lebensstandard stellt.

Während fundamentale Klassenkonflikte auf Grund des globalen Versagens des kapitalistischen Systems mit ungeheurer Kraft zurückkehren, bekommt die nationale südafrikanische Bewegung tiefe Risse. Die Versuche der Regierung, den Forderungen der internationalen Märkte nachzukommen und mit anderen aufstrebenden Wirtschaften wie denen Brasiliens, Russlands, Indiens oder Chinas zu konkurrieren, werden diese Risse nur vertiefen. Die südafrikanischen Arbeiter werden zunehmend mit ihren eigenen Gewerkschaftsführern und den Führern des SACP zusammenstoßen, die die Dreierallianz mit aller Macht erhalten wollen.

Die Beteiligung des COSATU und der SACP an der regierenden Koalition hat dazu beigetragen, das Märchen aufrecht zu erhalten, der ANC sei in gewissem Sinne eine Organisation, die die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertritt. Der ANC ist eine bürgerlich-nationalistische Bewegung, die die Interessen der Kapitalistenklasse verteidigt. In seiner Gründungsurkunde wird die Absicht ausdrücklich ausgesprochen, ein kapitalistisches Südafrika zu schaffen – in dem schwarze Geschäftsleute sich gemeinsam mit ihren weißen Kollegen an der Ausbeutung der Arbeiterklasse beteiligen dürfen. Das ist genau die Politik, die der ANC bisher verfolgt hat und die er auch weiter verfolgt.

Die SACP gibt dem ANC ein linkes Deckmäntelchen, indem sie behauptet, der Sozialismus könne in Südafrika nur in zwei Stadien erreicht werden. Zuerst einmal müsse die Herrschaft der Mehrheit errichtet werden, erst in einem späteren Stadium sei es möglich, den Kampf für den Sozialismus zu beginnen. Die Arbeiter sollten daher ihre Klasseninteressen so lange hinter die des nationalen Kampfes zurückstellen, bis es einen demokratischen Staat gab.

Die Stalinisten haben das Programm der permanenten Revolution verdammt. Sie betont, dass die Arbeiterklasse ihre eigene revolutionäre Bewegung organisieren und sich die Führung über die Bauernmassen im Widerstand gegen die nationale Bourgeoise sichern muss. Das muss sie auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms tun. Wie Leo Trotzki immer wieder betont hat: Die demokratischen Aufgaben, vor denen unterdrückte Länder wie Südafrika stehen, können nur im Verlauf einer sozialistischen Revolution und durch die Errichtung eines Arbeiterstaates gelöst werden.

Der offene Ausbruch des Klassenkampfes in Südafrika und das Aufbegehren von Millionen von Arbeitern gegen die bürgerlich-nationalistische ANC-Regierung zeigen eines: der einzige Weg, die demokratische Revolution zu vollenden und die tiefgehenden Probleme wie die Verteilung des Landes und die Einrichtung notwendiger sozialer Dienste zu lösen, ist der Sturz des Profitsystems und die Organisation der Produktion auf der Grundlage sozialer Bedürfnisse und nicht des Profits.

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