Palästinensische Geheimdokumente entlarven „Friedensprozess“ als Täuschung

Die Veröffentlichung von etwa 1.700 Geheimdokumenten entlarvt den so genannten Friedensprozess als kriminelles Täuschungsmanöver und Bestandteil einer fortgesetzten amerikanisch-israelischen Verschwörung gegen die grundlegenden Rechte des palästinensischen Volkes.

Zu den Dokumenten gehören Verhandlungsprotokolle, Briefwechsel von Diplomaten, Memos, Landkarten und andere Materialien zwischen 1999 und 2010. Sie gelangten in den Besitz des Fernsehsenders Al Jazeera. Es bietet sich ein erschreckendes Bild sämtlicher Teilnehmer der israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen im letzten Jahrzehnt.

Die Dokumente zeigen, wie unterwürfig sich die Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmoud Abbas gegenüber den amerikanischen und israelischen Interessen verhielt. Es ist völlig aussichtslos, dass sie jemals eine Vereinbarung zustande bringt, die auch nur zu einer Fiktion eines palästinensischen Staates führt. Bei ihren Bemühungen, die Privilegien einer schmalen reichen Schicht abzusichern, unterdrückt und belügt sie das palästinensische Volk.

Die Dokumente liefern den Nachweis, dass die Unterhändler der Autonomiebehörde bereit sind, die Einverleibung Ostjerusalems durch zionistische Besiedlungsvorstöße zu akzeptieren. Sie haben aufgehört, die Rückkehr von Exilpalästinensern in ihr Land zu fordern, und protestieren nicht gegen die Massenumsiedlungen arabischer Bevölkerungsteile, die eine Art ethnischer Säuberung darstellen. Damit kommen sie Israel entgegen, das einen demographisch sicheren „jüdischen Staat“ schaffen will. All dies läuft seit Jahren hinter dem Rücken des palästinensischen Volkes ab.

Israel macht seinerseits keinen Hehl aus seiner skrupellosen und brutalen Entschlossenheit, die Palästinenser zu unterdrücken und jedes Fleckchen ihres Landes auszubeuten. Ganz und gar desinteressiert an einer Einigung, nutzen die Israelis die Verhandlungen, um ihren willfährigen palästinensischen Gesprächspartnern immer weiter gehende Zugeständnisse abzupressen. Gleichzeitig schaffen sie durch zionistische Siedlungen, die in den besetzten Territorien wie Pilze aus dem Boden schießen, neue „Fakten vor Ort“.

Die amerikanische Diplomatie zur Palästinenserfrage und zum ganzen Nahen Osten trägt kriminelle Züge. Dies hat sich seit Bill Clinton und George W. Bush nicht geändert, auch nicht unter Barack Obama. Die amerikanischen Unterhändler ergreifen routinemäßig in allen wesentlichen Fragen Partei für Israel und behandeln gleichzeitig die Palästinenser mit unverhüllter Verachtung. Alle Versuche der Autonomiebehörde, grundlegende Fragen internationalen Rechts anzusprechen, werden als „irreal“ und „abwegig“ vom Tisch gewischt. Das gilt auch für Zugeständnisse, die bereits gemacht und regelwidrig gebrochen wurden.

Der Imperialismus behandelt nicht nur Palästinenser, sondern alle unterdrückten Völker und die Arbeiterklasse der ganzen Welt mit Arroganz und Feindseligkeit. Dies zeigte sich in einer Bemerkung der ehemaligen amerikanischen Außenministerin Condoleeza Rice, dokumentiert in einer Mitschrift. Mit wenigen Worten schmetterte Rice die Hoffnungen von Millionen Palästinensern ab, die zu Exil, Staatenlosigkeit und zum Vegetieren in Flüchtlingslagern verdammt sind. Sie sagte: „Auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten haben Menschen Schlimmes erlebt. Man muss nach vorne schauen.“

Diese kaltschnäuzige Haltung angesichts der Not der Palästinenser zeichnet auch Rices Nachfolgerin, Hillary Clinton, aus, wie eine Mitschrift von 2009 zeigt: Clinton stellte die Frage, weshalb die Palästinenser sich so verhielten, als wären sie ständig “Teil einer griechischen Tragödie”.

Für die Millionen Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen, sowie für die millionenfach ins Exil in den Libanon, nach Jordanien und in andere Länder vertriebenen Menschen ist das nichts Neues. Durch ihre Erfahrungen mit israelischen Militärschlägen, Straßensperrungen, Enteignungen und zahllosen Rechtsverletzungen kennen sie den Betrug und das Versagen des so genannten „Friedensprozesses“.

Jedoch die von Al Jazeera veröffentlichten Dokumente bedeuten für Mahmoud Abbas’ korruptes und autoritäres Regime in Ramallah eine tödliche Bedrohung. Das ist nicht anders als mit den WikiLeaks-Dokumenten über Korruption und Folterpraktiken des Ben-Ali-Regimes in Tunesien: Ihre Veröffentlichung trieb die revolutionäre Massenerhebung an, die dem Regime schließlich den Garaus machte.

Die Palästinensische Autonomiebehörde bezeichnete die an die Öffentlichkeit gelangten Dokumente als „einen Haufen Lügen“ und behauptete, die Aussagen seien „konstruiert“. Als der Autonomie-Präsident Abbas in Kairo mit Präsident Hosni Mubarak zusammentraf, behauptete er, die Dokumente seien eine „kalkulierte Konstruktion“. Sie solle glauben machen, die Verhandlungspositionen Israels deckten sich mit denen der palästinensischen Verhandlungsführer.

Jasser Abed Rabbo, der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO, beschuldigte Al Jazeera des Versuchs, „einfache Bürger zu täuschen und in die Irre zu führen“, und deutete an, der Sender arbeite im Auftrag der islamistischen, mit der PLO konkurrierenden Hamas-Bewegung, die im Gaza-Streifen regiert.

Die in der PLO dominierende Fatah-Fraktion organisierte eine Demonstration vor dem Al Jazeera-Büro in Ramallah, dessen Fenster in Bruch gingen. Regierungsvertreter kündigten die Schießung der Niederlassung des Senders im Westjordanland an.

Hamas ihrerseits schrieb, die Dokumente zeigten, “in welchem Ausmaß die Fatah-Behörde in Versuche verwickelt ist, die palästinensische Frage zu liquidieren, insbesondere das Jerusalem- und das Flüchtlingsproblem. Auch zeigen sie, wie sehr sich Fatah gegen den Widerstand im Westjordanland und im Gazastreifen engagiert.“

Die Behauptung, die Dokumente seien frisiert, und den palästinensischen Verhandlungsführern würden zu Unrecht israelische Positionen unterstellt, ist wenig glaubwürdig. Das am meisten belastende Material stammt aus Mitschriften von Verhandlungen, bei denen die Quellen dieser Positionen unzweideutig sind. Neben Al Jazeera verbürgt sich auch die britische Zeitung Guardian für die Korrektheit des Materials, das ihr das Netzwerk ebenfalls zukommen ließ.

Unter den wichtigsten Enthüllungen in den von Al Jazeera veröffentlichten Schriftstücken befinden sich Angebote der Verhandlungsführer der Autonomiebehörde zu wesentlichen Fragen, die in scharfem Kontrast zu den seit Jahrzehnten offiziell vertretenen Positionen der palästinensischen Bewegung stehen.

Zum Beispiel:

  • Ein Angebot an Israel, die Kontrolle über alle Siedlungen in Ostjerusalem außer einer zurückzuerhalten. Faktisch bedeutet dies, die Kontrolle über fast alles, was die Hauptstadt von Palästina ausmachen würde, Israel zu überlassen. Nach internationalem Recht sind diese Siedlungen alle illegal. Der palästinensische Unterhändler Ahmed Qureia wird in der Mitschrift einer Verhandlungssitzung vom Mai 2008 zitiert, wie er dieses Zugeständnis als „einmalig“ und als eine Sache, die wir in Camp David „verweigerten“, bezeichnet.
  • Ein Angebot zur Ansiedlung einer “symbolischen Anzahl” von Flüchtlingen, die 1948 vertrieben wurden, denen die Rückkehr nach Israel erlaubt werden soll; dabei wurde die Zahl von 100.000 Menschen im Lauf von zehn Jahren genannt. Ein solcher Vorschlag kann nur den Verzicht auf die Rechte von mehr als fünf Millionen staatenloser Palästinenser bedeuten.
  • Ein Angebot, unter Aufsicht eines gemeinsamen Komitees die Kontrolle über den Stadtteil Haram al-Sharif (Tempelberg) in der Altstadt Jerusalems, einschließlich des Felsendoms und der Al-Aqusa-Mosche, auszuüben. Dieser Vorschlag verzichtet auf früher von Palästinenserführer Arafat verteidigte Ansprüche. Als der palästinensische Chef-Unterhändler, Saeb Erekat, diesen Vorschlag machte, wurde er mit der sarkastischen Aussage zitiert: „Das einzige, was ich nicht zugestehen kann, ist eine Konvertierung zum Zionismus“.

Weitere Dokumente illustrieren die Zusammenarbeit der Palästinensischen Autonomiebehörde mit den amerikanischen und britischen Geheimdiensten. Sie hat bei der Einschüchterung und Unterdrückung militanter Organisationen in den besetzten Gebieten zusammengearbeitet und konspirative Aktionen ausgeführt, um die Hamas in Gaza zu unterdrücken. In den Dokumenten gibt es Hinweise, dass die Autonomiebehörde vorab über die israelische Invasion in den Gazastreifen gewarnt wurde. Sie vereinbarte mit den Israelis einen Handel über die Auswahl der zu entlassenden palästinensischen Gefangenen, vermutlich um sich gegenüber ihren islamistischen Konkurrenten in ein günstiges Licht zu setzen.

Keines der Zugeständnisse führte zum Entgegenkommen Israels und seines amerikanischen Verbündeten. Während eines Treffens in Washington im Oktober 2009 wurde protokolliert, wie Erekat sichtlich aufgebracht gegen George Mitchell, den Nahostgesandten Obamas, protestierte: „Neunzehn Jahre Versprechungen, und ihr habt immer noch keine Vorstellung, was ihr mit uns anfangen wollt… Wir haben unsere Verpflichtungen aus der Road Map erfüllt. Selbst Juval Diskin [Direktor des israelischen Inlandsgeheimdienstes] anerkennt den Sicherheitszuwachs. Aber nein, Sie gestehen mir nicht einmal einen sechsmonatigen Verzicht [auf Siedlungen] als Feigenblatt zu.“

Washington, so klagte Erekat, sein nur an “PR-Aktionen und schnelllebigen Nachrichten” interessiert, “und wir kosten ja nichts”. Er warnte, falls der „Friedensprozess“ versäume, den Palästinensern irgendetwas einzubringen, könne die Autonomiebehörde die Interessen der amerikanischen Politik nicht mehr bedienen. „Wozu bin ich noch gut, wenn sogar meine Frau mich verspottet, weil ich so schwach bin.“

Was die Israelis betrifft, so wird die ehemalige Außenministerin Tzipi Livni zitiert, die während eines Treffens 2007 eine bemerkenswert unverblümte Beschreibung der Verhandlungsstrategie Tel Avivs von sich gab, deren Leitgedanke nach ihrer Aussage darin bestehe, beharrlich jeden denkbaren Weg zu einem palästinensischen Staat abzuschneiden. „Die Politik Israels besteht darin, Tag für Tag mehr und mehr Land an sich zu bringen, so dass wir schließlich sagen können: Unmöglich, wir haben das Land schon und können keinen [palästinensischen] Staat schaffen“, sagte sie.

In einem Interview mit dem Guardian äußerte sich ein ehemaliger israelischer Unterhändler ähnlich ungeschminkt über den einseitigen und betrügerischen Charakter des “Friedensprozesses”.

“Was so erstaunt, ist nicht so sehr die Art der Zugeständnisse, sondern dass sie dieselbe Strategie jahrelang verfolgen, obwohl sie sich als mehr als verfehlt erwiesen hat. Man probiert fortwährend einen Anstieg, bei dem man immer wieder abrutscht“, sagte der ehemalige Unterhändler Daniel Levy. „Sie wussten, was immer sie preisgäben, die Israelis würden es einsacken, weiter siedeln und dann sagen: Wir brauchen noch mehr Land.“

Weiter sagte Levy: “Die Palästinenser entzogen sich nie Vorgaben, die grundsätzlich nur in Niederlagen münden konnten. Insbesondere klebten sie an der Erwartung, die Amerikaner könnten die Israelis fallenlassen, weil die Palästinenser sich in den Verhandlungen als die Guten wähnten. Aber das trat einfach nicht ein. Die Amerikaner stellten sich ständig auf die Seite der Bösen, und die Palästinenser verstrickten sich immer mehr in ihren fruchtlosen Vorschlägen.“

Die Reaktion der gegenwärtigen Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu auf den Bericht Al Jazeeras bestätigt diese Einschätzung. Sie befasste sich umgehend mit den Dokumenten, äußerte sich zu den pauschal formulierten Zugeständnissen bezüglich Ostjerusalems und verhöhnte die öffentlichen Forderungen der Palästinensischen Autonomiebehörde nach Einstellung der Besiedlung als „lächerlich“.

So zitiert die israelische Tageszeitung Haaretz israelische Regierungsvertreter mit den Worten, die veröffentlichten Schriftstücke “zeigen, dass die palästinensische Forderung nach Einstellung der Bebauung in jüdischen Wohngegenden in den vergangenen anderthalb Jahren lächerlich ist, denn es ist unbestreitbar, dass sie während der Amtszeit Olmerts den erwähnten Wohnprojekten schon zugestimmt hatten“.

Wie umfassend auch immer die Zugeständnisse der palästinensischer Seite waren, faktisch war weder Israel noch Washington je an einer Ansiedlung von Palästinensern interessiert. Die „Friedensgespräche“, die jetzt abgebrochen wurden, weil Israel selbst eine zeitlich begrenzte Einstellung neuer Siedlungen ablehnt, dienten nur als Mittel zur Kontrolle über die palästinensische Bevölkerung und zur Fortführung imperialistischer Intrigen im weiteren Nahen Osten.

In Washington ließ das Außenministerium verlauten, es könne zwar über die Echtheit der Dokumente keine verbindliche Aussage machen, dennoch könnten sie Auswirkungen haben. „Wir können nicht leugnen, dass diese Veröffentlichung, zumindest für einige Zeit, die Situation noch schwieriger machen könnte, als sie ohnehin ist“, sagte der Sprecher Philip Crowley. „Aber wir sehen den Tatsachen ins Auge. Wir haben stets anerkannt, dass es sich um eine riesige Herausforderung handelt. Dies hat unsere generelle Zielsetzung weder in der Vergangenheit geändert, noch wird es sie jetzt ändern.“

In den Dokumenten wird auch enthüllt, dass die Regierung Obama ihre Politik viel stärker als die Regierung Bush an Israel anpasste. In Gesprächen zwischen dem Gesandten Obamas, Mitchell, und dem palästinensischen Unterhändler Erekat im Herbst 2009 drängte Mitchell darauf, dass die Palästinensische Autonomiebehörde Israels Weigerung, die Grenzen von 1967 anzuerkennen, als Grundlage für die Verhandlungen über einen palästinensischen Staat akzeptieren müsse.

Auf den Einwand Erekats, die Grenzen von 1967 seien Bestandteil der Road Map von 2003 und seien kaum ein Jahr später von der Regierung Bush bestätigt worden, sagte Mitchell, Washington sei an diese Zusicherungen nicht gebunden.

“Ich sage ihnen nochmals, dass Präsident Obama frühere Entscheidungen von Bush nicht akzeptiert” erklärte der amerikanische Gesandte. „Setzen sie nicht darauf, es könnte ihnen schaden. Staaten sind an Vereinbarungen gebunden – und nicht an Gespräche oder Erklärungen.“

Die von Al Jazeera veröffentlichten Dokumente machen den wirklichen Charakter des so genannten „Friedensprozesses“ deutlich. Von den Medien wurde er völlig verfälscht dargestellt. Von Anfang an sollte er nicht die sechs Jahrzehnte dauernde Not des palästinensischen Volkes beenden, sondern die nicht endende Gewalt rechtfertigen und den amerikanischen Interessen im Nahen Osten nützen.

Der Kotau der Führung der palästinensischen Autonomiebehörde, den diese Mitschriften aufdecken, kündigt das Ende des bürgerlichen Nationalismus im ganzen Nahen Osten und weltweit an.

Die historischen Forderungen des palästinensischen Volkes können nicht durch das Streben nach imperialistischer Unterstützung für ein winziges, Bantustan-artiges Staatsgebilde in den besetzten Gebieten erfüllt werden. Nur die Mobilisierung der – palästinensischen und israelischen – Arbeiterklasse und ihre Vereinigung auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms können einen Ausweg aus der gegenwärtigen Sackgasse eröffnen und neue, mörderische Kriege verhindern.

siehe auch:

Der politische Bankrott der PLO und die Wurzeln der Hamas (Teil 1-3)

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