Griechenland:

Regierung kündigt trotz Massenwiderstand neue Kürzungen an

Am Freitag kündigte die griechische Regierung von Premierminister Giorgos Papandreou eine weitere Runde einschneidender Kürzungen der Staatsausgaben und Sozialprogramme an, um sich für Darlehen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu qualifizieren. Die griechische Regierung kämpft darum, ihre Schulden zurückzuzahlen, da die internationalen Banken weitere Darlehen verweigern.

Die Pläne sehen vor, im Jahr 2011 6,5 Milliarden Euro zu sparen und von 2012 bis 2015 weitere 22 Milliarden Euro. Die Regierung rechnet außerdem mit Einnahmen von 50 Milliarden durch Privatisierungen. Zu den staatseigenen Firmen und Anlagen, deren Privatisierung geplant ist, gehören die Hellenische Postbank, die Häfen von Piräus bei Athen und von Thessaloniki, die Hellenische Telekom, die Wasserwerke von Athen und Thessaloniki, der Ölraffineriekonzern Hellenic Petroleum, der Elektrokonzern PPC und verschiedene andere Häfen, Flughäfen, Autobahnen und Bergbaukonzessionen.

Diese Maßnahmen entsprechen fast dem Doppelten der Einschnitte, auf die sich internationale Organisationen und die griechische Regierung bereits geeinigt hatten. Diese schon umgesetzten Maßnahmen hatten katastrophale Auswirkungen auf die griechische Wirtschaft. Die Arbeitslosenquote stieg auf über 16 Prozent, die Wirtschaftsleistung ging im ersten Quartal des Jahres um 5,5 Prozent zurück.

Die Privatisierungen und die Kürzungen – eine Kombination von Erhöhungen der Vermögens- und Verbrauchssteuern und Einschnitten bei öffentlichen Ausgaben und Sozialleistungen – laufen darauf hinaus, dass die griechische Arbeiterklasse einer offenen Diktatur durch das griechische und internationale Kapital unterworfen wird. Sie stellen eine beispiellose Umverteilung des Reichtums der Gesellschaft in die Hände der Finanzaristokratie dar.

Die Kürzungen der Sozialleistungen werden sich dieses Jahr auf insgesamt eine Milliarde Euro belaufen, im Jahr 2012 auf 1,26 Milliarden, 2013 auf eine Milliarde, 2014 auf 790 Millionen, und 2015 auf 400 Millionen. Die Kürzungen im öffentlichen Dienst werden sich auf 800 Millionen im Jahr 2011 belaufen, 2012 auf 660 Millionen, 2014 auf 398 Millionen, und 2015 auf 71 Millionen. Die Kürzungen bei Löhnen im öffentlichen Dienst sollen durch einen Einstellungsstopp, Lohnkürzungen und die Entlassung von 50 Prozent der auf Zeit eingestellten Regierungsangestellten erreicht werden.

Finanzminister Giorgos Papakonstantinou schlug außerdem vor, weitere Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzugehen, dass die rechte Oppositionspartei Neue Demokratie (Nea Dimokratia) das neue Sparprogramm unterstütze. Dazu auch eine Senkung der Unternehmenssteuern durch das neue Steuergesetz, das im September verabschiedet werden soll.

Um das Ausmaß dieser Einschnitte abschätzen zu können, müssen diese Zahlen in Relation zur griechischen Bevölkerung von 11 Millionen und zurr Größe seiner Wirtschaftsleistung – etwa 305 Milliarden Dollar im Jahr 2010 – gesehen werden. Vergleichbar wäre es, wenn ein Land von der Größe der USA jährlich 250 – 375 Milliarden Dollar einsparen und Staatseigentum im Wert von drei Billionen Dollar verkaufen würde. Das würde bedeuten, über fünf Jahre die Hälfte des Budgets für das amerikanische Gesundheitsprogramm Medicare zu streichen und ungefähr 20 Prozent des wichtigsten Aktienindexes S&P 500 zu verkaufen.

Bezeichnenderweise ist die Größenordnung dieser Kürzungen nicht weit entfernt von den von Obama im April vorgeschlagenen Kürzungen zur Reduzierung des Haushaltsdefizits – insgesamt vier Billionen Dollar über die nächsten 12 Jahre.

Am Sonntag versammelten sich wieder Zehntausende in den Städten ganz Griechenlands, um ihre Empörung über die Kürzungen und ihre Gegnerschaft gegenüber den großen Parteien auszudrücken. In Athen, Thessaloniki und anderen Städten fanden Massendemonstrationen der sogenannten „Zornigen“ statt. Zu den riesigen Demonstrationen vom Sonntag kamen Protestaktionen mit Tausenden von Teilnehmern, die sich in den wichtigsten Städten Griechenlands seit mehr als zwei Wochen versammelt hatten.

Diese Proteste sind an die der spanischen Indignados angelehnt, die in den letzten Wochen in ganz Spanien große Plätze in Städten besetzt hatten. Es gibt Anzeichen für einen wachsenden allgemeinen Widerstand gegen die Sparmaßnahmen, die von den Banken von Ländern in ganz Europa und anderen Teilen der Welt gefordert werden.

Um die Kontrolle über die Proteste der Bevölkerung zurückzugewinnen, organisieren die griechischen Gewerkschaften am Mittwoch einen weiteren eintägigen Generalstreik. Diese Streiks, die von den Gewerkschaften GSEE und ADEDY geführt werden, die beide mit der regierenden Partei PASOK verknüpft sind, hatten keinerlei Auswirkungen auf die fortgesetzten brutalen Kürzungen, die die Papandreou-Regierung zusammen mit der internationalen Finanzaristokratie durchführt.

Die Zeitung Athens News bemerkte, dass die „Gewerkschaften, die während der Sparkampagne der Regierung an den Rand gedrängt wurden, dazu provoziert wurden, ihre Flaggen niedriger zu hängen, als sie versuchten, sich einzumischen. Die Entscheidung der Allgemeinen Arbeitergewerkschaft GSEE von letzter Woche, für den 15. Juni zu einem weiteren landesweiten eintägigen Streik aufzurufen, riecht nach Neid auf den Erfolg des öffentlichen Rufes zu den Waffen.“

Mit ihrem Widerstand gegen die Kürzungen bewegen sich die griechische und internationale Arbeiterklasse auf einen Kampf gegen das gesamte politische und Finanzestablishment zu – eine Situation, die sich zu einer Revolution entwickeln könnte.

Der neue Charakter der Demonstrationen in Griechenland wurde in einem Kommentar von Yiannis Mavris, dem leitenden Direktor der Umfrageinstututs Public Issue, thematisiert. Mavris hielt fest: „Die allgemeine Ablehnung der Regierungsparteien und der derzeitigen Politikerriege durch die Gesellschaft führt zu großer sozialer Mobilisierung. Im letzten Monat verdoppelten sich die Teilnehmerzahlen bei allen Arten von Veranstaltungen und Formen des Protestes von 12 auf 25 Prozent, was etwa 2,2 Millionen Bürgern entspricht.“

Mavris‘ Bemerkungen wurden durch eine Umfrage gestützt, die sein Institut für die Zeitung Kathimerini durchführte. Diese Umfrage ergab, dass nur 27 Prozent der Befragten bereit wären, in einer Wahl für Papandreous PASOK zu stimmen. Im Vergleich zum November 2009 hat PASOK 17 Prozent seiner Wähler verloren.

Die konservative Neue Demokratie hatte gegenüber PASOK einen Vorsprung von 4 Prozent, aber ihr Stimmenanteil fiel ebenfalls um 2,5 Prozent auf 31 Prozent.

Dieselbe Umfrage ergab auch, dass fast drei Viertel (genauer 74 Prozent) der Befragten dachten, dass weder PASOK noch ND das Land regieren könne. 82 Prozent sagten, sie seien derzeit mit ihrem Leben unzufrieden, und 87 Prozent fanden, das Land bewege sich in die falsche Richtung.

Unter diesen Bedingungen fordern internationale Finanzinstitutionen eine vollständige und bedingungslose Kapitulation gegenüber den Forderungen der Banken. Bob Traa, der oberste Vertreter des IWF in Griechenland, sagte, „Griechenland ist an einem kritischen Punkt angelangt und hat keine Zeit zu verlieren; jetzt ist nicht die Zeit dafür, langsamer zu werden.“

Gleichzeitig stellte Traa klar, dass der IWF die Zahlung der nächsten Tranche seines Darlehens an Griechenland, die in diesem Monat erfolgen soll, davon abhängig macht, dass die EU-Staaten eine langfristige Lösung für das Problem von Griechenlands fortgesetztem wirtschaftlichen Abstieg finden. Er sagte, „ich glaube, dass es in Europa im Juni einen Gipfel geben wird, auf dem ein paar harte Nüsse geknackt werden und die eine oder andere Entscheidung gefällt werden muss.“

Traa sprach sich auch gegen eine Umschuldung Griechenlands aus, durch die große Banken und Investoren, die griechische Staatsanleihen besitzen, Verluste machen würden.

Die deutsche Regierung hat für Griechenland wiederholt eine Art Zahlungsaufschub als Ausgleich für die massiven Sozialkürzungen gefordert. Laut einem Bericht des Handelsblattes waren die Meinungsverschiedenheiten zwischen den europäischen Großmächten aber so tief, dass die Finanzminister der Eurozone, die sich am 20. Juni treffen werden, möglicherweise keine Einigung über eine weitere Finanzierung Griechenlands erzielen werden.

Sollte keine Einigung erzielt werden, würde die kommende Zahlung des IWF an Griechenland in Frage stehen, und das ganze europäische Finanzsystem könnte ins Chaos stürzen.

Die massiven Sparprogramme führen in der Bourgeoisie zunehmend zu Überlegungen über einen möglichen Staatsstreich und drohen Griechenland in einen Bürgerkrieg zu stürzen.

Laut einem Bericht der Bild-Zeitung warnte die amerikanische CIA in einem Bericht davor, dass die in Griechenland durchgesetzten Sparmaßnahmen zu einer Eskalation sozialer Konflikte und möglicherweise zu einem Staatsstreich führen könnten. Von 1967 bis 1974 wurde Griechenland von einer Militärjunta regiert. Der Artikel zitiert Giorgos Kaminis, den Bürgermeister von Athen, der vor einem Bürgerkrieg in Griechenland warnt: „Es besteht die Gefahr, dass Athen in kurzer Zeit aussehen wird wie die libanesische Hauptstadt Beirut in den 1970ern.“

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