Murdoch-Skandal bringt britischen Premier Cameron in Gefahr

Die politische Krise um den Abhörskandal der News of the World bedroht mehr und mehr auch die Position von Premierminister David Cameron.

Nach der Verhaftung der früheren Vorstandsvorsitzenden von News International, Rebekah Brooks, schießen sich die Metropolitan Police (Scotland Yard) und Murdochs Mediengruppe in aller Öffentlichkeit aufeinander ein.

Brooks Verhaftung ist die zehnte Festnahme im Rahmen der Untersuchung des Abhörskandals und der Bestechung von Polizisten durch News International. Niemand wurde bisher angeklagt.

Brooks war früher auch schon Herausgeberin von News of the World. Wenige Stunden, nachdem sie von ihrem Posten bei News International zurückgetreten war, wurde sie am Freitag von der Polizei für das Wochenende vorgeladen. News International ist die Muttergesellschaft von Murdochs britischen Medien. Anfänglich gab es Vermutungen, die Vorladung sei nur ein Trick der News Group und der Polizei gewesen, um zu verhindern, dass sie gemeinsam mit Rupert Murdoch und seinem Sohn James, dem Vorsitzenden von News International, am Dienstag zur Untersuchung vor den parlamentarischen Ausschuss vorgeladen werde. Für diesen Dienstag war eine parlamentarische Untersuchung über das Abhören von Telefonaten angesetzt.

Die Murdochs hatten schon vorher klar gemacht, dass ihre Aussagen vor dem Ausschuss ihre Grenze in den Polizeiuntersuchungen finden würden. Brooks Verhaftung, so hieß es, könne ihren Auftritt vor dem Ausschuss verhindern. Letztlich erklärte dann Brooks Anwalt jedoch, ihr Erscheinen vor dem Ausschuss liege in dessen eigenem Ermessen.

Der Anwalt verhehlte auch nicht Brooks’ Verärgerung über ihre neunstündige Vernehmung. Sie „ist keines Vergehens schuldig“, schrieb er. „Umso weniger ist die Position der Metropolitan Police zu verstehen. Obwohl sie [Brooks] gestern festgenommen und neun Stunden lang verhört wurde, hat die Polizei keine Beschuldigungen gegen sie erhoben und keinerlei Dokumente vorgelegt, die sie mit irgendeinem Verbrechen in Zusammenhang bringen.

Die Polizei wird sich für ihr Verhalten rechtfertigen müssen, besonders für ihre Entscheidung, sie festzunehmen, weil das für sie mit einem großen Ansehensverlust verbunden ist.”

Diese Erklärung zeigt, was für scharfe Konflikte jetzt auf den höchsten Ebenen des Staatsapparats ausbrechen.

Murdochs Times kommentierte, würde sich als wahr herausstellen, dass aktive Polizisten bestochen wurden, dann würde das bedeuten, dass „die britische Polizei als Institution von Korruption zerfressen ist. Journalisten, die Polizisten bestechen, sind Anzeichen für einen beschädigten Berufsstand. Polizisten, die bestechlich sind, sind Anzeichen für einen beschädigten Staat.“

Vor allem aber beschädigt Brooks Befragung Cameron, denn sie ist schon der zweite enge Freund des Premierministers, der verhaftet wird. Der ehemalige Herausgeber der News of the World, Andy Coulson, war bereits vergangene Woche verhaftet worden.

Es soll auf Brooks’ Einfluss zurückgehen, dass Coulson zu Camerons erstem Pressesprecher ernannt wurde, – sowohl zu Oppositions- wie auch zu Regierungszeiten –, obwohl er 2007 nach der ersten Untersuchung wegen illegalem Abhören bei der News of the World ausscheiden musste. Im Januar trat Coulson endlich doch von seinem Sprecherposten zurück, weil klar wurde, dass er Zahlungen für illegales Abhören genehmigt hatte. Selbst da hörte Cameron nicht auf, ihn zu verteidigen.

In seiner Rücktrittserklärung am Sonntag nahm der Londoner Polizeichef Sir Paul Stephenson den Premierminister aufs Korn.

Stephenson wurde als Londoner Polizeichef untragbar, als bekannt wurde, dass er von Oktober 2009 bis September 2010 Neil Wallis, Ex-Vizeherausgeber der News of the World unter Coulson, als Medienberater für sich selbst und seinen Stellvertreter John Yates beschäftigt hatte. Das war der Zeitraum, in dem Yates entschieden hatte, die Untersuchungen gegen Murdochs News Group nicht wieder aufzunehmen.

In seiner Erklärung ließ Stephenson durchblicken, das die Anstellung von Wallis gar nichts sei im Vergleich zur Beschäftigung Coulsons durch Cameron. Im Unterschied zu letzerem „musste Wallis bei News of the World nicht ausscheiden und war auch, zumindest so weit ich weiß, in keiner Weise in den ursprünglichen Abhörskandal verwickelt“, sagte er.

Stephenson sagte, er habe seine Verbindung mit Wallis bisher nicht offenbart, „weil ich den Premierminister nicht dadurch kompromittieren wollte, dass ich einen potentiellen Verdächtigen enthüllt oder in die Debatte gebracht hätte, der offensichtlich enge Verbindungen zu Coulson unterhielt”.

Seine vergiftete Rücktrittserklärung war sichtlich ein harter Schock für Cameron. Mit einer Handelsdelegation in Afrika unterwegs, hatte er die Dauer seiner Reise wegen der wachsenden Krise schon von vier auf zwei Tage reduzieren müssen.

Am Montagnachmittag gab Yates seinen Rücktritt bekannt. Auch er versuchte nicht sehr überzeugend seine Unschuld zu beteuern und nutzte seinen Auftritt für einen indirekten Angriff auf Cameron. Er erklärte: „Wir bei der Polizei stehen natürlich für das, was wir tun, gerade. Jene von uns, die die schwierigsten Aufgaben haben, müssen natürlich dafür gerade stehen, wenn etwas schief läuft.“

Die größte Polizeieinheit Großbritanniens hat jetzt innerhalb von 24 Stunden ihre beiden obersten Repräsentanten verloren (der eine der höchste Terrorismusbekämpfer), weil immer mehr Informationen über das Ausmaß ihrer Zusammenarbeit mit News International ans Licht kommen.

Der Guardian berichtete, Cameron habe “versucht, die Implosion eines politischen Bündnisses zu kontrollieren, das ihn mit Hilfe von News International an die Macht gebracht hat. Er kann nicht wissen, welche Spaltungen, Gegenbeschuldigungen, Wutausbrüche und Verrat im nächsten Jahr noch bevorstehen, wenn einmal die Ursachen der Krise untersucht werden und Einzelne, denen Gefängnis droht, versuchen, ihren guten Ruf zu retten“.

Warum diese politische Allianz implodierte, sagte der Guardian nicht. Murdochs Sündenregister ist den Parteien, dem Parlament, der Polizei und den Medien seit langem bekannt. Wie könnte es anders sein, wenn so viele von ihnen – in dem einen oder anderen Maße – auf seiner Gehaltsliste standen?

Offenbar versuchen einige, eine politische Kursänderung zu erreichen. Sie wollen sie dadurch erreichen, dass sie einen Kampf rivalisierender Presseimperien um Marktanteile ausnutzen. Der Versuch, Mudochs Einfluss einzudämmen, ist nur der erste Schritt.

Labour spielt hierbei die führende Rolle. Labour Führer Ed Miliband hat die Beziehungen zwischen Murdoch und Cameron ungewöhnlich direkt aufgegriffen und den Premierminister gezwungen, die Sommerpause des Parlaments zu unterbrechen und für Mittwoch eine Debatte über den Abhörskandal anzusetzen.

Milibands Angriffe sind äußerst zynisch. Schließlich waren es die Labour-Regierung und Ex-Premierminister Tony Blair, die jahrelang als Murdochs willige Vollstrecker fungierten.

In einer Rede zu dem Skandal ließ Miliband einige Überlegungen für seine Initiative gegen Murdoch und jetzt gegen Cameron durchblicken. In „nur wenigen Jahren haben wir jetzt drei große Krisen erlebt (…) bei denen Menschen und Institutionen im Zentrum standen, die große Macht ausüben“, sagte er. Er nannte „die Banken, die Abgeordnetenspesen und jetzt auch unsere Presse“.

Bei allen ging es “um die Verantwortungslosigkeit der Mächtigen”, fuhr er fort, die “Großbritannien in einem tieferen Sinn zurückhalten.“

Miliband machte keine substanziellen Vorschläge, wie diesen “Missbräuchen“ beizukommen sei. Er machte klar, dass seine Kritik an Murdoch und den „großen Machtkonzentrationen“ darauf abziele, die freien Märkte und „wirklich wettbewerbsfähige“ private Konzerne effektiv zu schützen.

Der wirkliche Zweck seiner Forderung, “Verantwortlichkeit als große britische Tugend wiederherzustellen”, besteht darin, Labours Anspruch als die Partei anzumelden, die am ehesten in der Lage sei, die soziale Konterrevolution gegen die Rechte und den Lebensstandard der Arbeiter zu führen.

Miliband betonte mehrfach die Bedeutung einer „Reform“ des Sozialstaats. „Wir können keine Gesellschaft von Freibierschluckern billigen“, sagte er. Die Leute müssten verstehen, dass das „für alle gilt, vom Aufsichtsrat bis zum Arbeitsamt“.

Alle großen Parteien stimmen mit der Notwendigkeit überein, massive Kürzungen durchzuführen. Aber es gibt immer größere Teile der Bourgeoisie, die der Meinung sind, dass es dieser Offensive schade, wenn ein großer Teil der Bevölkerung gegen Cameron eingenommen sei.

Im Guardian forderte der ehemalige Chefredakteur des Daily Mirror, Roy Greenslade, die Liberaldemokraten auf, ein Misstrauensvotum gegen den Premierminister einzubringen. Das würde das „Vertrauen der Öffentlichkeit ins Parlament wiederherstellen“ und „Bedingungen für Neuwahlen schaffen, in denen nervöse Lib-Dem-Abgeordnete wieder Mut fassen können“.

Vizepremierminister und Führer der Liberaldemokraten Nick Clegg verteidigt bis jetzt Cameron vorbehaltlos. Auch Miliband lehnt die Forderung einiger Labour-Hinterbänkler nach einem Rücktritt Camerons bisher ab.

Aber es gibt andere, unter ihnen auch Anhänger der Konservativen, die glauben, dass Camerons Tage gezählt seien. Damian Thompson vom Tory-freundlichen Daily Telegraph schrieb: „Die Fluten [des politischen Skandals] steigen langsam aber unaufhörlich, und es scheint niemanden zu geben, der sie stoppen kann.“

Er fügte hinzu: “Es ist möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich, dass Cameron schon nächste Woche Geschichte ist.”

Auf einer Pressekonferenz zum Rücktritt von Yates weigerte sich Boris Johnson, der konservative Bürgermeister von London, eine Frage nach dem Rücktritt Camerons zu beantworten. „Ich bin nicht hier, um Regierungsämter zu diskutieren“, sagte er. „Solche Fragen müssen Sie der Regierung stellen.“

Johnsons Aufgabe besteht eigentlich darin, die Londoner Metropolitan Police zu beaufsichtigen, er „überwacht“ angeblich die Hauptstadtpolizei und soll sie “demokratisch rechenschaftspflichtig” machen.

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