Perspektive

Neun Jahre nach der Invasion des Irak

Vor neun Jahren, am 20. März 2003, begannen die USA und ihre Verbündeten, darunter Großbritannien und Australien, ihre illegale Invasion des Irak. Alle Vorwände zur Rechtfertigung des Krieges waren Lügen. Es gab keine Massenvernichtungswaffen und keine Verbindungen zwischen dem irakischen Führer Saddam Hussein und Al-Qaida. Die von den Amerikanern angeführte Besetzung des Landes brachte ein autokratisches pro-amerikanisches Regime an die Macht und führte zum Tod von Millionen von Irakern und einer enormen sozialen und wirtschaftlichen Rückentwicklung.

Die Invasion löste international koordinierte Anti-Kriegs-Proteste in einem bis dahin nie gesehenem Ausmaß aus. Millionen von Menschen spürten den verbrecherischen Charakter der US-Aktion und strömten auf die Straßen der Städte in aller Welt, um ihre Ablehnung des Krieges zu demonstrieren. Man war sich im Allgemeinen darüber klar, dass es sich um einen „Krieg für Öl“ handelte, der dem US-Imperialismus die Herrschaft über den ölreichen Irak und den Nahen Osten sichern sollte.

Trotz des Ausmaßes der Proteste und der Leidenschaftlichkeit, mit der sie vorgetragen wurden, konnte der Krieg nicht verhindert werden. Neun Jahre später befindet sich die Welt am Abgrund noch größerer Katastrophen. Die Obama-Regierung, die dieselben imperialistischen Ambitionen wie ihre Vorgängerregierung verfolgt, intensiviert rücksichtslos ihre Drohungen und Kriegsvorbereitungen gegen Iran. Das heutige Fehlen einer Anti-Kriegs-Bewegung wirft kritische Fragen über die Fruchtlosigkeit der Proteste von 2003 und einer Erneuerung des Kampfes gegen Militarismus und Krieg auf.

Es gibt keinen Mangel an Ablehnung in der Arbeiterklasse, insbesondere unter jungen Menschen, gegenüber dem erbarmungslosen Militarismus der vergangenen zwei Jahrzehnte. Aber die Entwicklung einer echten Anti-Kriegs-Bewegung, die sich gegen die Wurzeln des Krieges - das Profitsystem - richtet, ist von linken Liberalen, Grünen und vor allem von den verschiedenen pseudo-linken Gruppierungen verhindert worden.

Diese Individuen und Organisationen stehen der Arbeiterklasse und ihrer unabhängigen Mobilisierung alle zutiefst feindlich gegenüber. Ihre soziale Basis besteht aus einer kleinen Schicht der wohlhabenden Mittelklasse, die unter dem Einfluss der Verschlimmerung der kapitalistischen Krise scharf nach rechts gerückt ist. Diese Schicht identifiziert sich zunehmend mit den Interessen des eigenen Imperialismus.

Die Linken aus der Mittelschicht, die sich in den 1960er und 1970er Jahren gegen den Vietnamkrieg ausgesprochen haben, sind Schritt für Schritt zu Anwälten imperialistischer Kriege geworden. Dieser Prozess war bereits während der Balkankriege der neunziger Jahre ersichtlich, als ein beträchtlicher Teil ehemaliger Führer der Anti-Kriegs-Bewegung die Nato-Intervention und ihre verlogene humanitäre Begründung, es gehe um den Schutz bosnischer Muslime und später um die Kosovaren, direkt unterstützte. Hinter dem Angriff auf Serbien stand Washingtons Entschlossenheit, die Möglichkeiten auszunutzen, die sich nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Regimes in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion boten.

Nicht wenige von denen, die die Balkan-Interventionen unterstützten, benutzten später ähnliche humanitäre Vorwände, um die US-Intervention des Irak im Namen der Beseitigung des „Diktators Hussein“ zu unterstützen. Noch hinterhältiger allerdings war die politische Rolle der Liberalen und der „Linken“, die die Massenproteste gegen den Krieg von 2003 dominierten und die Illusion verbreiteten, die Invasion könne durch Anrufung der Vereinten Nationen oder die Regierungen Frankreichs und Deutschlands gestoppt werden. Die letzteren hatten sich gegen den Krieg gewandt, um ihre imperialistischen Interessen im Nahen Osten zu schützen und scharten sich schnell um die USA, als deren Besetzung des Irak zur vollendeten Tatsache wurde.

Diese Kräfte – Stalinisten, Staatskapitalisten, pablistische Renegaten des Trotzkismus – spielten eine entscheidende Rolle bei der Unterordnung des Massenwiderstands gegen den Krieg unter den einen oder anderen Flügel der Bourgeoisie. In den USA benutzten sie ihren Einfluss auf die Protestbewegung, um die Anti-Kriegs-Haltung breiter Bevölkerungsschichten für die Demokraten und die Wahlkampagnen von John Kerry 2004 und Barack Obama 2008 auszunutzen. Das war zusammen mit Obamas Wahl das Vorspiel für die endgültige Beerdigung der gesamten Anti-Kriegs-Bewegung.

Während der Proteste im Jahr 2003 bestand die World Socialist Website darauf, dass die einzige Kraft, die den Krieg wirklich beenden könne, die Arbeiterklasse sei und dass sie dies nur durch die Entwicklung einer revolutionären Bewegung gegen den Kapitalismus tun könne. Die WSWS war die einzige Stimme, die systematisch vor den Gefahren der Illusionen warnte, die von den pseudo-Linken verbreitet wurden, dass nämlich große Proteste ausreichen würden, um die Bush-Regierung und andere Regierungen zu veranlassen, ihren Kurs zu ändern.

Damals mag es für junge Menschen schwierig gewesen sein, die Wichtigkeit der Enthüllungen der Politik der pseudo-radikalen Gruppen durch die WSWS zu verstehen. Sie hatten keine Erfahrung mit Massenbewegungen und wurden von der Euphorie, an den größten internationalen Protesten aller Zeiten teilzunehmen, mitgerissen. Die anschließende Entwicklung dieser sozialen Schicht und ihr Wechsel ins imperialistische Lager unter der Obama-Regierung liefern allerdings eine heilsame politische Lektion.

Vergangenes Jahr unterstützten alle ehemaligen ex-linken Gruppierungen schamlos den Nato-Krieges gegen Libyen. Sie alle benutzten dieselben banalen humanitären Vorwände: Alle Mittel waren gerechtfertigt, um den „Diktator Gaddafi“ zu vertreiben. Diejenigen, die sich gegen die Nato-Bombardierungen wandten, unterstützten die Nato-Bodenkräfte – die Islamisten, ex-Gaddafi-Loyalisten, Stammesführer und bürgerlichen Liberalen, die sich unter dem Banner des von der Nato unterstützten Nationalen Übergangsrates versammelten.

Das Ergebnis ist ein anti-demokratisches Regime in Tripolis, das Washington gegenüber noch ergebener ist und im Interesse des amerikanischen und des europäischen Imperialismus handeln wird, während es das Land, das in einem unkontrollierten Bürgerkrieg zu explodieren droht, entlang seiner Stammesgrenzen zerstückelt.

Hinter dem Ausbruch des amerikanischen Militarismus in den vergangenen zwei Jahrzehnten steht der Versuch aller amerikanischer Regierungen, die militärische Dominanz des US-Imperialismus zu benutzen, um seinen historischen Niedergang aufzuhalten, und zwar auf Kosten seiner europäischen und asiatischen Rivalen. Diese Prozesse sind unter der Obama-Regierung durch die weltweite Wirtschaftskrise noch beschleunigt worden. Die gegenwärtigen Kriegsvorbereitungen gegen Iran und Syrien drohen nicht nur den gesamten Nahen Osten in den Konflikt zu verwickeln, sondern auch andere Länder, einschließlich Russland und China.

Eine neue internationale Bewegung gegen den Krieg und den Militarismus muss sich auf das Verständnis der fundamentalen Ursachen imperialistischer Konflikte und nicht auf die subjektiven Merkmale politischer Führer gründen. Hinter dem Verbrechertum und der Rücksichtslosigkeit der Führer in den USA, Europa und anderswo stehen grundlegende Widersprüche des Kapitalismus – zwischen der Weltwirtschaft und dem überkommenen Nationalstaatssystem und zwischen der vergesellschafteten Produktion und dem Privatbesitz an den Produktionsmitteln.

Eine wirkliche Bewegung gegen den Krieg erfordert eine entscheidende Wendung hin zur Arbeiterklasse und ihre unabhängige Mobilisierung als revolutionäre Kraft zur Abschaffung des Profitsystems und zur Errichtung des Sozialismus. Eine solche Bewegung kann nur auf dem politischen Kampf gegen die ex-Linken aufgebaut werden, die sich einer solchen Perspektive erbittert widersetzen und immer offener als die Befürworter und Verteidiger des Imperialismus auftreten.

Loading