Perspektive

Was steht in Syrien auf dem Spiel?

Die internationalen Medien verheimlichen bewusst die wahren Ziele und Absichten der Vereinigten Staaten und der anderen Großmächte gegenüber Syrien.

Diese Woche gab es bei den Vereinten Nationen wieder Bestrebungen, das Regime von Bashir al-Assad für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu verurteilen; sowie neue Schilderungen über steigende Opferzahlen in Homs, darunter auch Journalisten. Das Sperrfeuer der Medien macht es unmöglich, den sozialen und politischen Charakter der Opposition, ihre Beziehungen zu den imperialistischen Mächten oder die historischen Hintergründe der derzeitigen Krise objektiv zu analysieren. Alle Todesopfer dieses Bürgerkrieges werden automatisch den Sicherheitskräften der Regierung angelastet.

Hierbei handelt es sich um eine koordinierte Kampagne zur Manipulation der öffentlichen Meinung zugunsten einer Militärintervention im Namen der „Menschenrechte“, wie es im letzten Jahr bereits beim Regimewechsel in Libyen geschehen war. Die unmittelbare Forderung ist die nach der Einrichtung von „humanitären Korridoren“ unter militärischem Schutz der Golfstaaten, der Türkei und der Nato sowie die Bewaffnung des Widerstandes.

Arbeiter und Jugendliche sollten alle Versuche zurückweisen, sie mit Appellen an humanitäre Gefühle in eine weitere koloniale Intervention zu ziehen. Die Destabilisierung Syriens ist nicht das Ergebnis eines Massenaufstandes gegen Assad. Anders als die revolutionäre Bewegung, die sich in Ägypten bildete, hat die syrische Opposition kaum Rückhalt in den großen Städten wie Damaskus und Aleppo, wo Syriens Minderheiten fürchten, dass ein sunnitisches Regime an die Macht kommt, von dem sie verfolgt werden.

Als die Proteste gegen Assads Unterdrückungsregime begannen, arbeitete Washington sofort mit den Regionalmächten – Saudi-Arabien, Katar und der Türkei – zusammen, um eine rechte, religiös orientierte Opposition aufzubauen und zu bewaffnen, die einen Regimewechsel herbeiführen soll. Die Opposition, die die Imperialisten unterstützen, wird von Islamisten angeführt, die mit der rechten Moslembruderschaft verbündet sind. Zusammen mit bürgerlichen Akteuren mit langjährigen Beziehungen zur CIA und ehemaligen Truppen des Regimes dominieren sie den Syrischen Nationalrat (SNC) und die Freie Syrische Armee (FSA).

Viele der Journalisten, die Syrien jetzt anklagen, wissen genau, dass die Unterstützung des Westens für den Widerstand nicht von humanitären Gedanken motiviert ist. Am 26. Februar bestätigte Steven Erlanger in der New York Times, dass der Konflikt in Syrien „bereits zu einem Stellvertreterkampf um mehr Macht in der Region geworden ist.“ Er schreibt: „Für Washington, Europa und die Sunniten in Saudi-Arabien und den Golfstaaten ist der Effekt auf den Iran genauso wichtig wie das Schicksal von Assad.“

Erlanger zitiert Olivier Roy, einen französischen Historiker, der sich mit dem Nahen Osten befasst und offen sagt: „Syrien ist das einzige Land, in dem der Arabische Frühling das geostrategische Konzept der Region verändern könnte… Wenn das Regime stürzt, hätten wir eine ganz neue Landschaft.“

Die Veränderung der Landschaft bedeutet die Isolation des Irans, der strategisch günstig zwischen dem ölreichen Nahen Osten und Zentralasien liegt, und das Ende seiner Stellung als Hindernis für die Errichtung der amerikanischen Hegemonie in der Region.

Die Medien veröffentlichen ständig Pläne, Assad mit militärischen Mitteln zu stürzen, um dieses Ziel zu erreichen. Dadurch soll die öffentliche Meinung auf das Nachfolgende vorbereitet werden.

Die Zeitung Asharq Al-Aswat, die Beziehungen zum saudischen Königshaus hat, berief sich auf eine anonyme Quelle im US-Militär mit der Behauptung, das Pentagon plane, in Syrien in derselben Weise zu intervenieren wie die Nato 1998 im Kosovo. Der Anfang dazu wäre eine „sichere Zone“ nahe der türkischen Grenze, gefolgt von der Verteilung „humanitärer Hilfe… zuerst durch das Internationale Rote Kreuz, dann durch Nato-Truppen aus der Türkei.“

Dadurch würde die Einrichtung einer Flugverbotszone möglich, wie im Kosovo und im Irak vor dem Sturz des Regimes des ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein.

Die UN-Menschenrechtskommission wird die Forderung unterstützen, „Menschenrechtsorganisationen“ zu erlauben, Hilfe nach „Homs, Deraa, Zabadini und in andere Gebiete zu schicken.“ Frankreich erklärte, der UN-Sicherheitsrat werde dann den Entwurf für eine weitere Resolution vorlegen, um Zugang zu diesen Gebieten zu erhalten.

Die Westmächte haben sich bisher nicht nur wegen des Widerstandes Moskaus und Pekings, oder wegen der blamablen Enthüllung, dass sich in der syrischen Opposition bekannte Elemente von Al-Qaida tummeln, von einer direkten Intervention abhalten lassen. Die USA arbeiten in Libyen mit ähnlichen Kräften zusammen. Auch die Tatsache, dass es „starken Widerstand gegen eine ausländische Intervention außerhalb und innerhalb Syriens gibt“, hat dazu beigetragen, wie US-Außenministerin Hillary Clinton in einem Interview mit der BBC zugab.

Momentan spricht keine politische Kraft für die breite Ablehnung des Krieges, die Clinton erwähnte, nicht die korrupten arabischen Regimes, und noch viel weniger die diversen pseudolinken Parteien, große wie kleine, die früher behaupteten, sozialistisch und antiimperialistisch zu sein.

Syrien ist das neueste koloniale Abenteuer, das die USA mit der aktiven Unterstützung der europäischen Mächte austragen. Der erste Golfkrieg im Jahr 1991 fiel zusammen mit der Auflösung der Sowjetunion durch kapitalistische Elemente, die sich in der stalinistischen Bürokratie gebildet hatten. Die USA sahen dies als historische Gelegenheit, die Uhr der Geschichte weltweit zurückzudrehen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war eine Abkehr von direkter kolonialer Herrschaft notwendig, da sich antiimperialistische Massenbewegungen bildeten, die trotz der stalinistischen Entartung der Sowjetunion ihre Inspiration aus der Oktoberrevolution von 1917 zogen.

Es kamen kapitalistische Regimes an die Macht, die nie in der Lage waren, die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen wirklich vom Imperialismus zu befreien. Dennoch war Washington durch diese Gegenwehr gegen seine Herrschaft geschwächt und versuchte, mit blutigen Interventionen, verdeckten Kriegen, Stellvertreterkriegen und der Unterstützung rechter Bewegungen und Regimes die Kontrolle wiederzuerlangen. Durch den Wegfall Moskaus als rivalisierende Supermacht sah Washington sich in der Lage, ungehindert sein Militär einsetzen zu können, um die Hegemonie über strategisch wichtige Ölgebiete zu erlangen. Darauf folgten Interventionen in Bosnien, Kosovo, Irak, Afghanistan und Libyen.

Die neuen neokolonialen Kriege um die Vorherrschaft werden von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen sowie pseudosozialistischen Organisationen, die mit ihnen verbunden sind, überwiegend unterstützt.

Sie alle haben versucht, ihre Position zu rechtfertigen, indem sie die Appelle aus Washington, London, Paris und Berlin wiederholten. Die Unterstützung für jeden neuen Krieg im Namen von Menschenrechten und Demokratie macht es erforderlich, die Verbrechen zu vergessen, die im letzten verübt wurden. Clinton nannte Assad diese Woche einen Kriegsverbrecher. Aber die Welt weiß, dass die USA Kriegsverbrechen verübt haben, die alle Schandtaten Assads in den Schatten stellen, beispielsweise die Zerstörung der irakischen Stadt Falludschah im Jahr 2004.

Das kümmert die liberalen Interventionisten aller Couleur nicht. Sie berufen sich auf die UN-Doktrin der „Verantwortung zu schützen“, mit der alle imperialistischen Verbrechen legitimiert werden. Ihre moralische Entrüstung ist, wie immer, selektiv und bestimmt von der Absicht, ihren eigenen privilegierten Lebensstil zu sichern, indem sie sich als vertrauenswürdige Verteidiger der Finanzoligarchie erweisen.

Ein Krieg gegen Syrien wäre nur der erste Schritt zu einem Krieg gegen den Iran. Er hat bereits dazu beigetragen, den Nahen Osten in Sunniten und Schiiten zu polarisieren. Daraus kann schnell ein regionaler Konflikt werden, auch unter Beteiligung der USA, Russlands und Chinas, die mit Syrien und dem Iran strategische Partnerschaften haben.

Die World Socialist Web Site und das Internationale Komitee der Vierten Internationale sowie seine Sektionen rufen alle Arbeiter und Jugendlichen auf, den Kriegstreibern zu antworten: „Hände weg von Syrien!“ Es ist die Sache des syrischen Volkes, seine Zukunft zu bestimmen, nicht die Sache einer Bande von Räubern, die auf Öl aus sind.

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