Die Hintergründe des gescheiterten Putschs gegen die australische Premierministerin

Die BBC veröffentlichte am 23. März einen interessanten Kommentar über den gescheiterten Putschversuch gegen die australische Premierministerin Julia Gillard.

Der BBC-Korrespondent Nick Bryant erklärte: „Australien hat eine der brutalsten Putschkulturen in der demokratischen Welt, Parteichefs werden in Massen abgesetzt. Jetzt droht einer weiteren Premierministerin Gefahr aus den eigenen Reihen. Ist das Land zur ‚Putsch-Hauptstadt‘ der Welt geworden?“

Der Artikel weist darauf hin, dass seit Beginn des Jahres Ted Ballieu, der Premier des Bundesstaates Victoria; Terry Mills, der Chefminister des Nordterritoriums und die Führerin der oppositionellen Liberalen in Südaustralien, Isobel Redmond, gestürzt wurden. Weiter heißt es, dass sie dieses Schicksal mit einer langen Liste von politischen Führern der Labor- und der Liberal Party teilen, die in den letzten zehn Jahren gestürzt wurden.

„Für den Rest der Welt müssen diese hohen politischen Opferzahlen etwas verwirrend sein. Australien hat den letzten drei internationalen Abschwüngen getrotzt und hatte schon seit zweiundzwanzig Jahren keine Rezession mehr. Weshalb sind dann die Politiker, die zu dieser nationalen Erfolgsgeschichte beigetragen haben, nicht auch so langlebig?“ fragt Bryant.

Bryant hält diese akute Instabilität trotz positiver Wirtschaftszahlen lediglich für ein seltsames und perverses australisches Phänomen, das sich aus einer „brutalen politischen Kultur“ ergibt, die ihre Wurzeln in gnadenlosen Strippenziehern und der Fixierung auf Meinungsumfragen hat. Diese Antwort erklärt gar nichts.

Tatsächlich sind die aktuellen politischen Umwälzungen mit internationalen Prozessen verbunden, die die Klassenbeziehungen in den letzten 30 Jahren grundlegend verändert haben. Vor allem die Globalisierung der Produktion hat das Programm der nationalen Wirtschaftsregulierung und der begrenzten Sozialreformen untergraben, auf dem die Labor Party und die Gewerkschaften aufbauten. Ähnlich wie Thatcher in Großbritannien und Reagan in den USA führten auch die Labor-Regierungen von Hawke und Keating von 1983 bis 1996 eine erbarmungslose Offensive gegen die Arbeiterklasse, um den australischen Kapitalismus „international wettbewerbsfähig“ zu machen.

Das Ergebnis war eine beispiellose Umverteilung des Reichtums von unten nach oben. Australien ist heute eine der Industrienationen mit der größten sozialen Ungleichheit. Laut der Zentralbank besitzen die reichsten zwanzig Prozent der Bevölkerung fast 67 Prozent des Gesamtvermögens, die ärmsten zwanzig Prozent nur 0,2 Prozent. Im Jahr 1970 lebten weniger als drei Prozent der Haushalte in Armut, 30 Jahre später waren es fast zwanzig Prozent. Dieser umfassende Angriff auf die soziale Stellung der Arbeiterklasse führte zur Zerstörung von hunderttausenden von Arbeitsplätzen in der Produktion und der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen, für deren Verbesserung hart gekämpft worden war, sowie zur Zerstörung wichtiger Sozialleistungen. Das Ergebnis war eine tiefe Entfremdung der Arbeiterklasse von ihren alten Organisationen, der Labor Party und den Gewerkschaften.

Die Vorbedingung für das seit zweiundzwanzig Jahren ungebrochene Wirtschaftswachstum war die brutale wirtschaftsfreundliche „Reformpolitik“ der Hawke-Keating-Zeit, in der eine kleine, einflussreiche Schicht auf Kosten von Millionen einfacher Arbeiter reich geworden war, sowie der Bergbau-Boom, der mit dem Aufstieg Chinas zum größten Billiglohnland der Welt einherging. In den letzten zehn Jahren haben sich die Exporte Australiens von 8,8 Milliarden Dollar im Jahr 2001-2002 auf 77,1 Milliarden Dollar von 2011-2012 erhöht.

Die zunehmende wirtschaftliche Abhängigkeit der australischen Wirtschaft von China hat das Dilemma, vor dem die herrschende Klasse steht jedoch nur verschlimmert: Sie war seit dem Zweiten Weltkrieg strategisch vom US-Imperialismus abhängig, um ihre wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen im asiatischen Pazifik zu verteidigen. Seit dem Ende der Sowjetunion haben australische Regierungen jeden Krieg der USA unterstützt, mit dem Washington versucht hat, seinen historischen wirtschaftlichen Niedergang aufzuhalten. Aber Obamas „Schwerpunktverlagerung auf Asien“ – ein Ergebnis der wachsenden sozialen Spannungen, die der Finanzzusammenbruch von 2008 hervorgerufen hat – sollten China diplomatisch, wirtschaftlich und strategisch in der ganzen Region zurückdrängen. Dies hat scharfe Spaltungen im politischen Establishment Australiens zutage gefördert.

Diese globalen Prozesse sind die Grundlage für die akute politische Instabilität, die nicht nur die Labor Party zerstört, sondern das ganze politische Establishment.

Sie haben sich deutlich in dem langen Konflikt innerhalb der Labor-Führung zwischen Gillard und dem ehemaligen Premierminister Kevin Rudd gezeigt, der im Juni 2010 durch einen Putsch gestürzt worden war. Rudd versuchte die wachsenden Spannungen zwischen Washington und Peking im Interesse eines Teils der australischen Wirtschaft zu entschärfen. Aber mit seinen diplomatischen Initiativen war er der Obama-Regierung im Weg, die entschlossen war, China zu schwächen und die amerikanische Vorherrschaft in der Region zu stärken. Rudds Sturz wurde von Strippenziehern der Labor-Fraktion inszeniert, die enge Beziehungen mit Washington hatten.

Gillard versprach sofort volle Unterstützung für das Bündnis zwischen den USA und Australien und marschierte seither im Gleichschritt mit der Obama-Regierung. Im November 2011 besuchte Obama das Land und erläuterte im australischen Parlament offiziell seine Schwerpunktverlagerung auf Asien. Dann schloss er mit Gillard ein Abkommen zur Öffnung australischer Militärstützpunkte für US-Marines, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge und stellte das Land damit im Falle eines amerikanisch-chinesischen Konfliktes an die Front.

Für die Obama-Regierung sind das amerikanisch-australische Bündnis und der Zugang zu australischen Militärbasen eine Angelegenheit von zentraler strategischer Bedeutung. Gillard überlebte die Führungskrise letzte Woche und den Putschversuch durch Rudd im Februar letzten Jahres hauptsächlich, weil sie weiterhin von Washington unterstützt wurde. Obwohl die Regierung in den Umfragen auf einem Tiefstand steht und ihr bei der nächsten Wahl die Niederlage droht, haben einflussreiche Persönlichkeiten aus den USA und der Labor Party Gillard weiterhin gegen Rudd verteidigt.

Gleichzeitig wird Gillard von mächtigen Teilen des Großkapitals gestützt, die ein Ende der konjunkturfördernden Maßnahmen fordern, die Rudd nach Beginn der internationalen Finanzkrise eingeführt hatte. Weiter verlangen sie eine Neuverhandlung seiner neuen Steuer auf Rekordgewinne im Bergbau. Gleich nach ihrer Machtübernahme versprach sie, die „Reformen“ der Hawke-Keating-Ära auszuweiten und das Gesundheits- und Bildungswesen weiter für Privatunternehmen zu öffnen. Im letzten Jahr kam es unter ihrer Regierung wegen den hohen Kurses des australischen Dollars zu einer neuen Umstrukturierung der Wirtschaft, die zurzeit zu Fabrikschließungen und Entlassungen führt.

Angesichts der nachlassenden Wirtschaft in China und der Flaute in Europa und den USA fordert die Wirtschaftselite weitere tiefe Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben im Haushalt, der im Mai vorgelegt wird, sowie weitere Produktivitätssteigerungen, um die Gewinne zu erhöhen. Die Frustration in den herrschenden Kreisen rührt daher, dass weder die Gillard-Regierung, noch die liberal-nationale Opposition in der Lage ist, diese regressiven Maßnahmen im Rahmen des Parlamentarismus und der Parlamentswahlen durchzusetzen. Das deutet darauf hin, dass die nächsten Putsche noch undemokratischere und autoritärere Formen annehmen werden.

Die Arbeiterklasse kann es sich nicht leisten, abseits zu stehen, während die herrschende Klasse diese Agenda umsetzt. Die Arbeiter müssen bewusst mit der Labor Party brechen und beginnen, auf der Grundlage ihrer eigenen unabhängigen Klasseninteressen politisch zu intervenieren. Die sehr reale Gefahr von Krieg und sozialer Konterrevolution kann nur durch die unabhängige politische Mobilisierung der Arbeiterklasse zur Errichtung einer Arbeiterregierung bekämpft werden, die darauf abzielt, das dysfunktionale und veraltete kapitalistische System abzuschaffen und ein sozialistisches Programm einzuführen, um statt dem Profitinteresse einiger Weniger die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Bevölkerung zu befriedigen. Das ist das Programm der Socialist Equality Party.

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