Durchgesickerter Bericht enthüllt Folterungen und Morde der Armee in ägyptischer Revolution

Der britische Guardian veröffentlichte vergangenen Mittwoch einen ausführlichen Beitrag unter dem Titel “Das ägyptische Militär nahm während der Revolution an Folterungen und Tötungen teil“.

Der Beitrag basiert auf einem der Zeitung zugespielten Bericht, der im Januar Mohammed Mursi, dem islamistischen Präsidenten, zwar vorgelegt, aber von diesem nie bekannt gemacht wurde. Der Bericht beleuchtet die konterrevolutionäre Rolle des ägyptischen Militärs während der ägyptischen Revolution, die am 11. Februar 2011 zum Sturz des langjährigen Diktators und dienstbaren Zuträgers des US-Imperialismus Hosni Mubarak führte.

Jener Abschnitt des Berichts, den der Guardian einsah, klagt das ägyptische Militär – das sich in der Öffentlichkeit als „neutrale Macht“ darstellt – an, in den ersten achtzehn Tagen der Revolution Verhaftungen, Folterungen und Morde an zahlreichen Protestierenden begangen zu haben. Mindestens 846 Menschen wurden nach offiziellen Angaben während des fast dreiwöchigen Aufstands getötet. Über 1000 Menschen verschwanden und viele, die in Leichenschauhäusern aufgebahrt wurden, waren erschossen worden oder trugen Folterspuren.

Der durchgesickerte Bericht führt aus, dass am 25. Januar 2011 – als der erste Massenprotest gegen das Mubarak-Regime ausbrach – bewaffnete Beamte des Militärgeheimdiensts in ein großes Hotel nahe des Tahrir-Platzes in Stellung gebracht wurden, um die Vorgänge zu beobachten und aufzuzeichnen. Nachdem die Polizei am 28. Januar in Straßenkämpfen in Kairo und in anderen Großstädten überwältigt wurde, setzte Mubarak schließlich die Armee ein. Als das Militär auf den Straßen auftauchte, nahm die Gewalt noch weiter zu.

“Das Komitee ermittelte, dass zahlreiche Bürger während ihrer Inhaftierung durch die Streitkräfte starben und in Armengräbern bestattet wurden, da sie als nicht identifiziert galten“, führt der Bericht aus. Er „empfiehlt, die Befehlshabenden der Streitkräfte zu befragen, welche die Befehle und Instruktionen an jene Untergebenen erteilt haben, die für Folterungen und gewaltsames Verschwinden Lassen verantwortlich sind.“

Der Bericht deckt einen Zwischenfall auf, der sich am 30. Januar 2011 ereignete, als Zivilisten von Soldaten bei einer Militärkontrolle in der Nähe der Hauptstadt Kairo verhaftet wurden und dann verschwanden. Radia Atta, eine Augenzeugin, die nach ihrem vermissten Ehemann suchte, berichtete dem Komitee, dass sie bei der Straßensperre eine große Anzahl Zivilisten gesehen hätte, die mit gefesselten Händen und Füßen auf dem Boden lagen. Die Gefangenen wurden später auf eine Polizeistation in Gizeh gebracht, wo sie von Soldaten durchsucht und geschlagen wurden.

Der zugespielte Abschnitt des Berichts untersucht außerdem das Schicksal von Osama Abdel Hamid, einem Juristen aus dem Regierungsbezirk Menoufiya im Nildelta, der am 1. Februar 2011 mit einigen seiner Kollegen nach Kairo fuhr, um sich dem sogenannten „Eine-Million-Menschen-Marsch“ zum Tahrir-Platz anzuschließen. Gemäß dem Bericht wurde er vom Militär verhaftet und gefoltert und anschließend tot aufgefunden.

Karim al-Gharbali, ein Freund von Abdel Hamid, erzählte dem Komitee, dass Abdel Hamid von Männern in Zivilkleidung verhaftet und dann im Ägyptischen Museum eingesperrt wurde. Dies ereignete sich nach der berüchtigten „Schlacht der Kamele“ am 2. Februar, als Mubaraks Schergen auf Pferden und Kamelen reitend, die Militärlinien durchbrachen und den Tahrir-Platz angriffen.

Ein zweiter Zeuge, Hani al-Azab, sagte, dass er und Abdel Hamid im Ägyptischen Museum gefoltert und mit Geld und Waffen fotografiert worden seien. Später wurden sie in ein Gefängnis überbracht, das von der militärgeheimdienstlichen Gruppe 75 betrieben wurde, wo sie erneut gefoltert und gezwungen wurden, Geständnisse abzulegen. Anschließend wurden sie in ein Gefängnis im Hykestep-Militärstützpunkt am Stadtrand von Kairo gebracht, wo Abdel Hamid seinen Verletzungen erlag.

Abdel Moneim Allam, der Vater von Abdel Hamid, fand den Leichnam seines Sohnes zwölf Tage später im Kairoer Zeinhom-Leichenschauhaus, nachdem er einen Hinweis von einem Juristen erhalten hatte. Er sagte dem Komitee, dass die Leiche seines Sohnes von der Folter „verunstaltet“ war und einen gebrochenen Schädel hatte.

Offenkundig erfasst der Bericht nur einen Bruchteil der Verbrechen, die das ägyptische Militär in den vergangenen zwei Jahren beging. Dennoch ist er eine überzeugende Anklage gegen das gesamte politische Establishment in Ägypten sowie seine imperialistischen Sponsoren in den USA und in der Europäischen Union.

Obwohl das ägyptische Militär die ägyptischen Arbeiter und Jugendlichen mit brutaler Gewalt überzog, um die Revolution einzudämmen, befleißigten sich die westlichen Regierungen und Ägyptens politische Parteien – ob Islamisten, Liberale oder die kleinbürgerliche „Linke“ – dem Militär nach Mubaraks Sturz eine weiße Weste überzuziehen. Sie stellten die Armee als eine angeblich fortschrittliche Kraft dar, die den „demokratischen Übergang“ organisieren würde.

Der frühere UNO-Offizielle Mohamed ElBaradei, der heute die oppositionelle Nationale Heilsfront – eine Dachorganisation verschiedener liberaler und pseudolinker Parteien – koordiniert, fasste die Position der ägyptischen Bourgeoisie zum Militär zusammen, nachdem es die Macht übernommen hatte. Er bezeichnete gegenseitiges Vertrauen zwischen dem ägyptischen Volk und seinem Militär als eine „rote Linie“, die nicht überschritten werden dürfe, da diese „lebensnotwendig für die nationale Einheit“ sei.

Nachdem die Militärjunta Demonstranten am Tahrir-Platz angegriffen, Streiks verboten, Tausende Zivilisten der Militärgerichtsbarkeit ausgeliefert und Hunderte gemordet hatte, feierte Mostafa Omar – ein führendes Mitglied der pseudolinken Revolutionären Sozialisten (RS) – das Militär als demokratische Kraft. Er sagte: „Trotz seiner repressiven Maßnahmen versteht der Militärrat, dass die Erhebung vom 25. Januar Ägypten auf verschiedene Weise ein für allemal verändert hat (…) Der Militärrat verfolgt das Ziel, das politische und wirtschaftliche System zu reformieren, damit es demokratischer und weniger unterdrückerisch wird.“

Hinter der Unterstützung für das Militär und seine repressiven Maßnahmen stehen tief verwurzelte materielle Interessen. Der westliche Imperialismus und die Parteien der herrschenden Elite Ägyptens betrachten das Militär als Rückgrat des bürgerlichen Staates und als Garanten ihrer eigenen Interessen. Indem sie das Militär unterstützen, billigen sie die ausschlaggebende Rolle, die das Militär bei der Unterdrückung und Eindämmung der revolutionären Massenbewegung der Arbeiterklasse seit dem ersten Tag der Erhebung gespielt hatte.

Mursi, der nach seiner Machtübernahme einen Handel mit dem Militär abschloss, versucht, diesen Bericht zu verbergen, den ein vor dem Machtwechsel von ihm zusammengestelltes Komitee herausgegeben hat.

Angesichts einer wachsenden politischen und wirtschaftlichen Krise sowie zunehmenden Streiks und Protesten gegen seine Regierung ist Mursi mehr denn je direkt auf das die Arbeitermassen unterdrückende Militär angewiesen. In den vergangenen Wochen setzte Mursi wiederholt auf das Militär, um Proteste einzugrenzen und Streiks zu brechen.

Um jedwede Nervosität angesichts des durchgesickerten Berichts zu zerstreuen, traf sich Mursi am Donnerstag mit dem Obersten Rat der Streitkräfte und beförderte die Oberbefehlshaber der ägyptischen Flotte, der Luftstreitkräfte und der Verteidigungskräfte vom Rang eines Generalmajors zum Generalleutnant.

Gleichzeitig schickte Washington – das die ägyptische Armee mit 1,3 Milliarden Dollar jährlich ausstattet – kürzlich vier weitere F-16 Kampfjets nach Ägypten. Acht Jets wurden bereits in den vergangenen Wochen als Bestandteil eines milliardenschweren Auslandshilfepakets geliefert. Im Ganzen werden im Jahr 2013 zwanzig Kampfflugzeuge und 200 Abrams-Kampfpanzer an das ägyptische Militär übergeben.

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