David North spricht in London zum fünfzehnjährigen Jubiläum der WSWS

Veranstaltung zum fünfzehnten Jubiläum der WSWS in London.

David North, der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS und nationale Vorsitzende der amerikanischen Socialist Equality Party, sprach am 5. Mai in London auf einer Veranstaltung in London zum fünfzehnjährigen Jubiläum der WSWS. Die Veranstaltung war mit 135 Teilnehmern gut besucht, unter anderem von Arbeitern aus Südafrika, Griechenland, Italien, Frankreich, Irland, Sri Lanka, dem Sudan, Pakistan, Libyen und Bangladesch. Norths Präsentation machte großen Eindruck, Dutzende wollten weiterhin mit der britischen Socialist Equality Party in Kontakt bleiben, einige stellten Mitgliedsanträge.

Das Publikum hörte Norths umfangreichem Vortrag aufmerksam zu. Er begann mit einer Beschreibung der theoretischen und philosophischen Grundlagen der WSWS, deren Wurzeln in der historisch-materialistischen Tradition liegen, die von Karl Marx und Friedrich Engels begründet worden war.

North erklärte die aktuelle politische Lage und konzentrierte sich dabei auf einen Vergleich der ersten fünfzehn Jahre der WSWS von 1998-2013 mit dem gleichen Zeitraum hundert Jahre zuvor, d.h. mit den Jahren 1898-1913. Letztere Zeit ebnete den Weg für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahr 1914 und den Sturz des Zarismus in Russland durch die Revolution von 1917, die von Lenin, Trotzki und den Bolschewiki geführt wurde und den ersten Arbeiterstaat schuf.

Die historischen Parallelen umfassten eine Untersuchung des Ausmaßes der aktuellen Wirtschaftskrise, die Rückkehr zu Kolonialkriegen unter Führung der USA und die wachsende Gefahr eines Krieges gegen den Iran im Nahen Osten und gegen China.

North wies auf die scharfe ideologische Trennung zwischen der klassischen marxistischen Tradition, die das Internationale Komitee der Vierten Internationalen und die WSWS repräsentieren, und den verschiedenen kleinbürgerlichen Tendenzen hin, die mittlerweile offen für Kapitalismus und Krieg eintreten.

Auf den Bericht folgte eine Reihe von Fragen aus dem Publikum. Eine der Fragen kam von einem Philosophiestudenten namens Neil. Er erklärte die Bewegung der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen (LGBT) habe rechte Pro-Kriegs-Positionen übernommen und fragte North: „Wie können wir in dieser und ähnlichen Bewegungen unsere Mitstudenten auf eine andere, marxistische Position führen?“

North erklärte, der Marxismus könne nicht dazu benutzt werden, Identitätspolitik weniger falsch zu machen. Er erklärte weiter, die Wurzeln der Identitätspolitik lägen im Postmodernismus, der sowohl das Konzept der Aufklärung von einer vereinten Menschheit als auch den Marxismus ablehne, der auf Klassenpolitik beruht.

North erklärte, jede Diskriminierung, die auf der sexuellen Orientierung einer Person beruht, müsse abgelehnt werden: „Für aufgeklärte Menschen, denen etwas an demokratischen Rechten liegt, sollte das selbstverständlich sein.“ Aber eine politische Perspektive, die in sexueller Identität und ethnischer Zugehörigkeit die wichtigsten sozialen Kategorien sieht, ist unweigerlich ein Angriff auf Klassen basierende Politik und strebe stattdessen Privilegien für unterschiedliche Identitäten an.

Amjad aus Glasgow sprach von der „Inkompetenz“ der Gewerkschaften und ihrer Unfähigkeit „einen ernsthaften Widerstand gegen Austerität“ zu leisten. Er fragte. „Müssen wir neue Gewerkschaften aufbauen? Wie organisieren wir die Arbeiterklasse?“

Dann bezog er sich auf das „Venezuela-Experiment“, wie er es nannte, und fragte, wie die SEP die Zukunft Venezuelas nach dem Tod von Präsident Hugo Chavez bewerte.

North nannte als tieferen Grund für den internationalen Zusammenbruch der Gewerkschaften „die Globalisierung der kapitalistischen Produktion und die internationale Mobilität des Kapitals.“

Die Globalisierung hat die nationalen Programme der Gewerkschaften zerstört. „Es gibt eine objektive Grundlage für die Krise der Gewerkschaften, und die Verkommenheit ihrer Bürokratien ist nur ein subjektiver Ausdruck dieses tieferen objektiven Problems.“

North fügte hinzu, die Gewerkschaften könnten in einer größeren historischen Perspektive „bestenfalls Verteidigungsorganisationen der Arbeiterklasse sein. Das Problem der sozialen Revolution lässt sich jedoch nicht von Organisationen lösen, deren Ziel es ist, die bestmöglichen Bedingungen für den Verkauf von Arbeitskraft auszuhandeln.“

Die bestehenden Gewerkschaften haben selbst diese Funktion schon seit langer Zeit aufgegeben. Allerdings ist „die Aufgabe, die vor uns liegt, nicht der Aufbau neuer Gewerkschaften, sondern die Schaffung von Kampforganisationen der Arbeiterklasse mit demokratischem Charakter und revolutionärer Orientierung, wie Fabrikräte und Basiskomitees. Ein solcher Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn er eine revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse aufbaut.“

„Das Internationale Komitee unterscheidet sich von anderen Gruppen dadurch, dass wir die Arbeiterbewegung nicht durch die Perspektive der Gewerkschaften wahrnehmen. Das zentrale Problem der Arbeiterklasse ist die politische Perspektive, der Kampf um die Macht, die Umgestaltung der Produktivkräfte der Menschheit. Das ist die zentrale Frage.“

Zur Frage Venezuelas fragte North: „Wie lange müssen wir darüber noch debattieren? Einen neuen Führer suchen, egal ob sein Name Castro ist oder Chavez, oder früher Nasser in Ägypten, Ben Bella in Algerien? Einen neuen Helden suchen, der sich auf eine größtenteils bürgerliche Bewegung stützt, die Reformen durchführt, die wir als Sozialismus bezeichnen könnten?“

„Die Frage ist auch hier die unabhängige Organisation der Arbeiterklasse. Der Chavismus ist absolut keine Alternative. Es lag in der ganzen Nachkriegszeit immer in der Natur der Politik des Opportunismus, auf einen kleinbürgerlichen Führer zu deuten und zu sagen: ‚Das ist die Lösung‘... Das Grundproblem ist die Entwicklung des Bewusstseins der Arbeiterklasse und das repräsentiert unsere Bewegung und deswegen legen wir so viel Wert auf die politische Aufklärung der Arbeiterklasse.“

Ein junger Mann fragte North nach seiner Perspektive und seiner Meinung über die Vorgänge in Italien und was dort zu tun sei. North empfahl ihm, die Geschichte der Kommunistischen Partei Italiens zu studieren, die einmal die größte in Westeuropa gewesen war. Nur auf dieser Grundlage könnten die zentralen Fragen verstanden werden, vor denen die italienischen Arbeiter stehen – die Alternative, ihren Kampf weiterhin auf die politisch desaströse nationale Perspektive zu gründen, oder den revolutionären, internationalistischen Weg zum Sozialismus einzuschlagen.

Ein ehemaliges Mitglied der mittlerweile aufgelösten Workers Revolutionary Party griff North an, weil er die Position vertrat, die Gewerkschaften und die Labour Party seien „keine Arbeiterorganisationen“ mehr und weil er angeblich den „Kampf zum Aufbau einer Bewegung zum Sturz dieser korrupten Führung“ aufgegeben habe.

North antwortete darauf, das IKVI greife „immer in alle Kämpfe der Arbeiterklasse ein, aber wir greifen vom Standpunkt ein, eine Rebellion der Arbeiterklasse gegen die Gewerkschaftsbürokratie und die bestehenden Gewerkschaften zu entwickeln. Wir stellen auch klar, dass sich diese Organisationen in den letzten 80 oder 90 Jahren verändert haben. Sie sind weder im politischen, noch im soziologischen Sinne Organisationen der Arbeiterklasse.“

Er fuhr fort: „Die Prämisse deiner Frage ist, dass man innerhalb der Arbeiterklasse keinen Kampf führen kann, wenn man diesen Organisationen nicht eine besondere historische Legitimität andichtet... Wir bauen keine revolutionäre Bewegung auf der Grundlage auf, dass wir den Arbeitern erklären, sie sollten diese Organisationen wiederbeleben. Keine politische Bewegung wurde je auf der Perspektive aufgebaut, dass jemand anderes ihre Arbeit erledigen soll. Wer um die Macht kämpfen kann, der kämpft um die Macht. Wer nicht gewillt ist, um die Macht zu kämpfen, verlangt es von jemand anderem... Tatsache ist, dass diese Organisationen verdorben, verkommen, völlig korrupt und reaktionär sind. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Das Publikum reagierte mit begeistertem Beifall auf Norths Antwort. Danach blieben viele, um mit North und SEP-Mitgliedern den politischen Inhalt der Veranstaltung zu diskutieren und weitere Diskussionen zu organisieren.

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