Linkspartei stützt Gewerkschaften bei Angriffen gegen Arbeiter

Am letzten Samstag hielt die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen eine „Gewerkschaftspolitische Konferenz“ im IG Metall-Haus in Gelsenkirchen ab.

Gelsenkirchen liegt inmitten des Ruhrgebiets, keine 20 Kilometer von Bochum entfernt. Dort wird mit dem Opel-Werk zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland eine ganzes Autowerk geschlossen. Die IG Metall und die Betriebsräte spielen dabei eine Schlüsselrolle, um diese Werksschließung gegen die Opel-Arbeiter durchzusetzen. Sie sind daher mit zunehmender Feindschaft innerhalb der Belegschaft konfrontiert.

In dieser Situation springt die Linkspartei der IG Metall und den Betriebsräten beiseite, um ihnen den Rücken gegen die Beschäftigten zu stärken.

Das war das Ziel der Konferenz in Gelsenkirchen. Sie sollte der IGM wie allen anderen Gewerkschaften die volle Unterstützung der Linkspartei versichern. „Die Gewerkschaften sind für uns privilegierte Kooperationspartner“, erklärte der ehemalige Stuttgarter Verdi-Sekretär und heutige Bundesvorsitzende der Linkspartei Bernd Riexinger. Der wachsende betriebliche und gesellschaftliche Protest gegen Angriffe auf Löhne, Arbeitsplätze, soziale Errungenschaften und demokratische Rechte soll durch eine engere Zusammenarbeit von Linkspartei und Gewerkschaften unter Kontrolle gehalten und unterdrückt werden.

Gleich zur Begrüßung verteidigte der Gelsenkirchener IGM-Bevollmächtigte Robert Sadowsky das Verhalten der Gewerkschaft und behauptete: „Uns fehlen die Mittel gegen Entlassungen“. Sadowsky ist ein typischer Vertreter der Gewerkschaftsbürokratie und gleichzeitig Funktionär der Linkspartei. Zynisch kritisiert er das unsoziale Verhalten der Unternehmer und erklärt anschließend, warum angesichts der Globalisierung der Produktion dagegen angeblich nichts getan werden könne.

In seiner Begrüßungsrede berichtete er von einer Versammlung von rund 250 Beschäftigten von TRW, die am Tag zuvor im IGM-Haus stattgefunden habe. Der Autozulieferer produziert Lenksysteme für Ford, Opel, Peugeot und Citroen und hat 2012 einen Rekordumsatz erzielt. Dennoch sollen 150 von knapp 700 Arbeitsplätzen abgebaut werden. Nachdem die TRW-Belegschaft durch Ergänzungstarifverträge – abgeschlossen von den IGM-Vertretern im Betrieb – seit 2004 schon auf rund 40 Millionen Euro Gehalt verzichtet hat, forderte die Geschäftsleitung erneut 15 Prozent Lohnkürzungen. Die TRW-Beschäftigten lehnten ab. Auf den Applaus der Teilnehmer an der Linkspartei-Versammlung reagierte Sadowsky mit dem Hinweis: „Lasst mal stecken!“ Denn diese Ablehnung heiße, dass die Arbeitsplätze verloren seien.

Mit anderen Worten, Sadowsky behauptete, dass die TRW-Beschäftigten mit ihrer Ablehnung von weiterer Lohnsenkung für ihre eigene Entlassungen gestimmt hätten. Das ist die gleiche Argumentationslinie der IGM bei Opel in Bochum. Dort habe das Nein der Belegschaft zum so genannten Mastertarifvertrag die endgültige Schließung des Werks Ende 2014 besiegelt.

Sadowsky, der neben seinem üppigen Gehalt als 1. Bevollmächtigter der IG Metall auch noch Aufsichtsratstantiemen erhält, war früher Tarifsekretär der IGM in NRW und maßgeblich an der Ausarbeitung und Umsetzung des Entgeltrahmenabkommens (ERA) beteiligt. Damit wurden den Belegschaften die Löhne empfindlich gekürzt. „Durch den neuen [ERA-] Tarifvertrag soll eine Renaissance betrieblicher Gewerkschaftsarbeit eingeleitet werden“, schrieb er 2004.

Riexinger übernahm es, die Gewerkschaften als Opfer der Ausdehnung von prekären Arbeitsverhältnissen, von Leiharbeit, Werkverträgen, Teilzeitbeschäftigung, befristeten und niedrig bezahlten Jobs darzustellen. Er stellte damit die Dinge auf den Kopf. Denn die Gewerkschaften sind nicht Opfer sondern Mitgestalter und nicht selten Initiator dieser Maßnahmen.

Auch andere Sprecher machten die Rolle der Gewerkschaften in den letzten Jahren in ihren Berichten sehr deutlich.

Silke Zimmer, Fachbereichsleiterin Handel bei Verdi (Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft) in NRW erklärte, dass Beschäftigte im Einzelhandel seit Jahren Tarifauseinandersetzungen nicht mehr um höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen führen. Vielmehr seien sie mit ständigen Angriffen von Seiten der Unternehmen konfrontiert. So würden die Arbeitgeber in Hamburg derzeit Lohnkürzungen von 382 Euro fordern, die in NRW Kürzungen der Kassenzulage (25,56 Euro) sowie generelle Kürzungen von Löhnen der Teilzeitbeschäftigten und so weiter. Verdi hat dabei in den vergangenen Jahren ständig Kürzungen akzeptiert, Arbeitskämpfe ausverkauft und setzt die Erpressungsmaßnahmen der Unternehmensleitungen gegenüber den Beschäftigten durch.

So berichtete Zimmer, dass die Beschäftigten von Karstadt beispielsweise in den letzten acht Jahren auf 650 Millionen Euro Lohn verzichtet haben – ein Verzicht, den Verdi und die Betriebsräte ausgehandelt und unterzeichnet haben. Der Investor Nicolas Berggruen habe immer versichert, er wolle die Löhne nicht kürzen. Nun sollen die Löhne doch massiv gekürzt werden. „Mit anderen Worten“, so Silke Zimmer, „die Karstadt-Beschäftigten sind verarscht worden“. Was sie nicht sagte: dass Verdi und Betriebsrat Nicolas Berggruen als Heilsbringer gefeiert haben und bis heute aufs engste mit ihm zusammenarbeiten.

Ute Lorenz, Referentin der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) in NRW für Tarifpolitik, erklärte, warum die angestellten Lehrer und Lehrerinnen angeblich nicht mit ihren verbeamteten Kollegen gleichgestellt werden können. Da die anderen an den Tarifverhandlungen beteiligten Gewerkschaften Verdi und DBB „natürlich“ mit den Arbeitgebern Tarifverträge abschließen und die Lehrer und Lehrerinnen isolieren, habe die GEW kaum Mittel, die Interessen der angestellten Lehrer durchzusetzen. Dass die GEW dem letzten Tarifabschluss ebenfalls zugestimmt, gegen die Proteste der Mitglieder durchgesetzt und damit ebenfalls die Gleichstellung der angestellten mit den verbeamteten Lehrern und Lehrerinnen aufgegeben hat, erwähnte sie nicht und erhielt Beifall der Linkspartei-Funktionäre.

Murat Yaman, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender von Opel in Bochum, berichtete zum Schluss ebenfalls, wie der Betriebsrat seit Jahren „Kompromisse“ geschlossen habe, um „das Werk zu sichern“. Er nannte dies mehrmals euphemistisch „Sanierungsbeiträge der Beschäftigten“. Fanden 2004 noch 10.000 Beschäftigte in Bochum Arbeit, sind es aktuell knapp 3.300. Doch obwohl der Betriebsrat einem stetigen Arbeitsplatzabbau und drastischen Lohnsenkungen zugestimmt hat, stehen sie heute vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes.

In der gegenwärtig tagenden Einigungsstelle habe der Betriebsrat laut Yaman immer wieder erklärt, dass er weiterhin kompromissbereit sei. Er habe ein mehrseitiges Papier erstellt, wie Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden können. Yaman bestärkte, dass der Betriebsrat nicht gedenkt, ernsthaft gegen die Schließung vorzugehen. „Wir verhandeln weiter in der Einigungsstelle, nächste Woche ist ein Spitzengespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden oder dem Personalvorstand.“ Während die IG Metall in enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung von Opel und General Motors den Schließungsplan des Bochumer Opel-werks ausgearbeitet hat, hält der Betriebsrat in Bochum die Arbeiter hin und unterdrückt jeden ernsthaften Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass die Gewerkschaften und ihre Betriebsräte eine Schlüsselrolle dabei spielen, die Angriffe der Unternehmen bzw. der öffentlichen Arbeitgeber gegen die Beschäftigten durchzusetzen. Was Riexinger und die Linkspartei auf den Plan ruft, ist der wachsende Widerstand der Arbeiter dagegen. Die Linkspartei versucht der Gewerkschaftsbürokratie in dieser Situation zu Hilfe zu eilen und bietet sich so als Stütze der bürgerlichen Herrschaft an.

Schon in der Einladung zur Konferenz wurde dies klar. „Um die gewerkschaftliche Verankerung der Partei zu verbessern“ wurde auf die Konferenz „Erneuerung durch Streik“ in Stuttgart im vergangenen März verwiesen. Schon diese Konferenz hatte allein den Zweck, die Gewerkschaftsapparate gegen die wachsende betriebliche Opposition zu stärken.

In Gelsenkirchen wurde sichtbar, dass sich die Opposition gegen die Gewerkschaften in wachsendem Maße auch gegen die Linkspartei richtet. Zu ihrer groß angekündigten „Gewerkschaftspolitischen Konferenz“ im IG Metall-Haus kamen nur etwa drei Dutzend meist ältere, abgehalfterte Gewerkschaftsbürokraten und Linksparteifunktionäre, die über die kapitalistische Politik der rot-grünen Landesregierung klagten, während sie im Bundestagswahlkampf einen Wahlsieg von SPD und Grünen anstreben.

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