Perspektive

Obama, der Kongress und der Krieg gegen Syrien

Präsident Barack Obama vollzieht einen Kurswechsel, indem er den amerikanischen Kongress um die Zustimmung zu militärischen Aggression gegen Syrien ersucht. Dabei handelt es sich nicht um eine gemäßigtere oder demokratischere Herangehensweise, sondern um den Versuch, politische Rückendeckung für einen unpopulären Krieg von völlig unklarem Ausmaß zu erlangen. Was hier geplant wird, geht weit über das hinaus, was der amerikanischen- und der Weltbevölkerung vorgegaukelt wird.

Die Regierung begann am Dienstag eine heftige Propagandakampagne, die von Beratern als „Überflutungsaktion“ bezeichnet wurde. Das Ziel dieser von den Medien voll unterstützten Kampagne ist es, jede kritische Hinterfragung der Lügen und Vorwände zu verhindern, mit denen ein weiterer unprovozierter Krieg gegen ein unterdrücktes ehemaliges Kolonialland gerechtfertigt werden soll. Die Kriegspropaganda zielt darauf ab, gleichzeitig den Widerstand zu delegitimieren und einzuschüchtern und ein militärisches Vorgehen als unausweichlich darzustellen.

Der Kongress wird in diese Versuche miteinbezogen, damit er eine Resolution zur Ermächtigung militärischer Gewalt (AUMF) annimmt, die mit der Unterstützung der Führung der beiden Parteien des Großkapitals – der Demokraten und der Republikaner – durchgewunken werden soll.

Die Behauptung, der bevorstehende Krieg sei eine „begrenzte“ humanitäre Mission, um das syrische Regime von Präsident Assad für den angeblichen Einsatz von Chemiewaffen zu bestrafen, wird dabei gründlich widerlegt.

Während Sprecher der Regierung, allen voran Außenminister John Kerry – ehemals reichster Mann im US-Senat – das Assad-Regime als Äquivalent zum Dritten Reich verteufelten, hat Washington noch immer keinen einzigen brauchbaren Beweis dafür geliefert, dass das syrische Militär für den Chemiewaffenangriff am 21. August außerhalb von Damaskus verantwortlich war. Das ist aber der offizielle Kriegsgrund für die kommende amerikanische Aggression.

Stattdessen gibt die US-Regierung einfach die Propaganda der von ihr unterstützten Opposition in Syrien wieder. Das ist eine Gruppe von brutalen Milizen unter Führung von Al Qaida. Als Kerry für einen Angriff der USA warb, behauptete er, dass bei dem Angriff vom 21. August 1.429 Menschen ums Leben gekommen seien, während Washingtons wichtigster Verbündeter Großbritannien nur von 350 Toten spricht.

Eine so krasse Übertreibung ist das Kennzeichen für einen konstruierten Kriegsvorwand. Während Washingtons Behauptungen diskreditiert wurden, gibt es zunehmend Beweise, dass die Todesopfer vom 21. August auf das Konto der Opposition gehen, die am meisten davon profitieren würde, einen solchen Angriff zu inszenieren und dem Regime die Schuld daran zu geben. Am gleichen Tag nahmen UN-Waffeninspektoren ihre Arbeit in Damaskus auf.

Bei der bevorstehenden Militäraktion geht es nicht um Chemiewaffen oder den Schutz von syrischen Zivilisten. Vielmehr werden tausende von syrischen Soldaten und Zivilisten getötet werden, damit der US-Imperialismus die Landkarte des Nahen Ostens neu zeichnen und alle Hindernisse für seine Hegemonie über die strategisch wichtigen und energiereichen Regionen des Persischen Golfs und Zentralasiens zerstören kann.

Der Entwurf für die (AUMF), den das Weiße Haus dem Kongress vorgelegt hat, ist entsprechend abgefasst.

Es ist erwähnenswert, dass die Bush-Regierung vor zwölf Jahren eine AUMF vom Kongress erhielt, die bis heute in Kraft ist. Im Namen eines kaum näher definierten „Kriegs gegen den Terror“ wurde sie von der Bush- wie auch von der Obama-Regierung als Rechtfertigung für Angriffskriege gegen Afghanistan und den Irak, die Aussetzung des Habeas Corpus, für das Gefangenenlager Guantanamo, Folter, Überstellungen, für Abhöraktionen ohne richterliche Anordnung und massive Überwachung der Bevölkerung und für die unbegrenzte Inhaftierung und sogar Ermordung amerikanischer Staatsbürger allein auf Anordnung des US-Präsidenten benutzt.

Die Verabschiedung einer neuen AUMF unter dem Vorwand des Einsatzes von Chemiewaffen in Syrien wird Auswirkungen haben, die genauso weit reichen und potenziell noch katastrophaler sind.

Es ist kein Zufall, dass eine entlarvende Analyse der AUMF, die die Obama-Regierung vorschlägt, von einem Juraprofessor der Universität Harvard namens Jack Goldsmith kommt, der wegen der sogenannten Folter-Memos von seinem Posten als Rechtsberater des Justizministeriums der Bush-Regierung zurückgetreten war.

Goldsmith warnt auf der Webseite Lawfare: „Darin steckt viel mehr als man auf den ersten Blick sieht. Die vorgeschlagene AUMF konzentriert sich zwar auf die syrischen Massenvernichtungswaffen, ist aber ansonsten sehr allgemein. Sie ermächtigt den Präsidenten dazu, alle Elemente der amerikanischen Streitkräfte und jede Form von Gewalt anzuwenden. Sie setzt keine klaren Grenzen oder Ziele – weder was die Identität der Ziele angeht (d.h. die syrische Regierung, syrische Rebellen, die Hisbollah, den Iran), noch bei der Geographie der Ziele.

Die Resolution ermächtigt zum Einsatz von Gewalt „in Verbindung mit dem Einsatz von Chemiewaffen“, um den Einsatz oder die Verbreitung „innerhalb, nach oder aus Syrien“ nicht nur solcher Waffen zu verhindern, sondern „aller Komponenten oder Materialien, die in solchen Waffen eingesetzt werden. Zusätzlich kann auch Gewalt angewandt werden, um „die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten und Partner vor der Gefahr durch solche Waffen zu schützen.“

Dieser Wortlaut würde es Obama erlauben, einen Angriff auf den Iran oder auf Russland anzuordnen, da ihre materielle Unterstützung für das syrische Regime mit dessen Fähigkeit „zusammenhängt“, Chemiewaffen einzusetzen. Es ermöglicht amerikanische Militäraktionen als Reaktion auf angebliche Bedrohungen Israels, der Türkei oder Jordaniens. Kurz gesagt, es ermöglicht einen regionalen und sogar internationalen Krieg.

Die schüchternen Verbesserungsvorschläge, die die Führer in Repräsentantenhaus und Senat vorgebracht haben, unterstreichen nur das Ausmaß der geplanten Militäraktion. Ein Vorschlag wäre die Begrenzung der Aktion auf 60 Tage, mit der Möglichkeit sie auf weitere 30 Tage zu verlängern. Mit anderen Worten, es wird erwogen, Syrien, ein Land, das bereits vom Krieg zerstört ist, bis zu drei Monate lang zu bombardieren, was die bereits bestehende humanitäre Katastrophe noch immens verstärken würde. Der Ausschluss von Bodentruppen würden scheinbar Ausnahmen für den möglichen Einsatz von Spezialeinheiten enthalten.

Die Obama-Regierung wird, wie schon die Bush-Regierung, jede Ermächtigung nutzen, um zu tun, was das US-Militär und die Geheimdienste für notwendig halten, um die Ziele des US-Imperialismus zu erreichen, und sie wird alle Einschränkungen, die eine Resolution vorschreibt, als bedeutungslos und nicht-bindend abtun.

Obama will dem Assad-Regime keinen „Schuss vor den Bug“ setzen und eine „begrenzte und abgezirkelte Operation“ durchführen, sondern versichert den Mitgliedern des Kongresses, vor allem rechten Republikanern, dass die bevorstehende Militäroperation ernsthafte „Zähne“ haben und in großem Maße darauf ausgerichtet sein wird, die militärischen Fähigkeiten der syrischen Regierung zu „schwächen“ und die Fähigkeiten der „Rebellen“ zu „verbessern.“

Das war von Anfang an das Ziel. Die Chemiewaffen wurden als Vorwand für eine Militärintervention herangezogen, die die Niederlagen ausgleichen sollte, die die von Al Qaida angeführten Milizen in den letzten Monaten hinnehmen mussten.

Bezeichnenderweise waren die ersten Kongressmitglieder, um deren Unterstützung Obama sich bemühte, die republikanischen Senatoren John McCain und Lindsey Graham, die zuvor die Regierung stark kritisiert hatten, weil sie es bisher nicht geschafft hatte, eine direkte Militärintervention zur Unterstützung der Assad-Gegner zu organisieren.

Die Einigkeit zwischen McCain und Obama zeigt den betrügerischen Charakter der amerikanischen Demokratie. Vor kaum mehr als fünf Jahren trat Obama gegen McCain an und gewann die Präsidentschaft wegen der Ablehnung der Kriege und Verbrechen, für die die Bush-Regierung verantwortlich war. Jetzt bittet er Leute wie McCain um Unterstützung, während die überwiegende Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung einen neuen Krieg auf der Grundlage von Lügen im Nahen Osten ablehnt.

Die Demokratische Obama-Regierung steht diesen Gefühlen genauso unverbesserlich feindselig gegenüber wie ihre Vorgängerregierung und ist genauso entschlossen, die räuberischen Ziele der amerikanischen Wirtschafts- und Finanzelite zu verfolgen, selbst wenn es Millionen Tote fordert.

Der Kampf gegen einen neuen Krieg muss von einer breiten Bewegung der Bevölkerung aufgenommen werden. Eine solche Bewegung kann nur unabhängig von den beiden Parteien des Großkapitals und dem Kongress organisiert werden. Sie muss Studenten und Jugendliche unter Führung der Arbeiterklasse zum Widerstand gegen Krieg und Militarismus und das krisengeschüttelte kapitalistische System mobilisieren, aus dem sie entstehen.

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