Neue Drohungen gegen den Guardian und Snowden in der Westminster Debatte

Die Debatte am Mittwoch in der Westminster Hall des Parlaments über die Aufsicht über die Geheimdienste war als Antwort auf die Debatte konzipiert, die der konservative Abgeordnete Julian Smith vergangene Woche zu der Frage initiiert hatte, ob der Guardian durch die Veröffnetlichung der Berichte Edward Snowdens die nationale Sicherheit verletzt habe.

Stattdessen unterstrich die Debatte, die von drei Abgeordneten unterstützt wurde, das Ausmaß, in dem alle drei großen Parteien entschlossen sind, Beweise für die Massenüberwachung durch die amerikanische National Security Agency und das britische Government Communications Headquarters (GCHQ) zu unterdrücken. Die Debatte - die von Julian Huppert von den Liberaldemokraten, vom Konservativen Dominic Raab, und von Tom Watson von der Labour Party einberufen worden war – bekräftigte Drohungen gegen den Guardian und Snowden.

Die dreistündige Debatte stand unter dem Eindruck der Drohung, die Premierminister David Cameron am Montag im Parlament gegen den Guardian und anderen Zeitungen ausgestoßen hatte. Cameron warnte die Medien, sie müssten “gesellschaftliche Verantwortung” zeigen, wenn sie über Internas der NSA und des GCHQ berichteten, oder es würden gerichtliche Verfügungen gegen sie erlassen und / oder die D-Notices ausgesprochen, um die Veröffentlichung von Informationen zu verhindern, die die nationale Sicherheit gefährdeten.

Eine D-Notice, genauer gesagt DA oder Defence Advisory Notice, ist eine Anordnung der Regierung an eine Zeitung, über ein Thema, das die Regierung für sensibel hält, Stillschweigen zu wahren. Cameron sagte, er spreche lieber mit Zeitungen als rechtliche Schritte anzuwenden, aber er sei mit der Gefahr einer “larifari Haltung” zu den Gefahren der Veröffentlichung von Geheimdienstinternas konfrontiert.

“Ich möchte keine Unterlassungsklagen oder D-Notices oder noch massivere Maßnahmen anwenden. Ich denke, es ist viel besser, an das Gespür der Zeitungen für soziale Verantwortung zu appellieren. Aber wenn sie nicht eine gewisse soziale Verantwortung zeigen, wäre es für die Regierung sehr schwierig, sich zurückzuhalten und nicht zu handeln”, sagte er.

Das Stichwort für Camerons Äußerungen gab der Abgeordnete der Konservativen Party Julian Smith, der führende Wadenbeißer der Regierung gegen diejenigen, die es wagen, sich gegen die Massenüberwachung der NSA und des GCHQ zu stellen.

In der Westminster Hall betonte Huppert zuerst, dass die demokratische Legitimität verlange, die Aufsicht über die Dienste auf eine solide Rechtsgrundlage zu stellen. Er erklärte seine Bewunderung für “die Sicherheitsdienste; die Arbeit, die sie tun, ist von grundlegender Bedeutung für unseren Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus, nicht nur in Großbritannien, sondern über unsere Grenzen hinaus.”

Huppert wies darauf hin, dass die USA und Großbritannien enorme Mittel darauf verwendeten, um Verschlüsselungssysteme zu knacken und fragte, was wohl die Reaktion wäre, wenn China das Gleiche täte. Angesichts der Tatsache, dass selbst der nationale Sicherheitsrat angeblich nichts von dem Betrieb des britischen Tempora Überwachungsprogramms und des US-amerikanischen Prism wusste, ist es schwer für das Parlament, die Legitimität zu hinterfragen, sagte er und fügte hinzu, dass das Vereinigte Königreich auch eine unabhängige Kontrolle des Regulation of Investigatory Powers Act [ein Gesetz, das die Telekommunikationsüberwachung im Vereinigten Königreich regelt] und des Geheimdienstgesetzes benötige.

Huppert wurde mehrfach unterbrochen. Den Anfang machte Julian Smith, der behauptete, dass Sicherheitsbeamte durch die Berichterstattung des Guardians einer Bedrohung ausgesetzt worden seien.

Hazel Blears von der Labour Party pflichtete dem bei und fragte Huppert, ob er akzeptiere, “dass praktisch jede Operation in den letzten zehn Jahren, die einen Terroranschlag in diesem Land vereitelt hat, von Kommunikationsdaten abhing, und dass es wichtig für unsere Behörden ist, diese Rechte zu haben, natürlich in einem soliden Rechtsrahmen?”

Tom Watson wies darauf hin, dass Tempora “unsere Internet-Kommunikationsdaten ohne Wissen der Öffentlichkeit in einem gigantischen Maßstab gesammelt hat [und] wir von der Existenz des Tempora Programms nur aufgrund der Aktionen von Edward Snowden und der Zeitung The Guardian wissen. Wenn das Gesetz “einen solch weitgehenden Missbrauch der Freiheit erlaubt, ist das Gesetz schlecht und muss geändert werden”, sagte er.

Auch Dominic Raab eröffnete seinen Beitrag damit, dass er den Sicherheitsdiensten seine Wertschätzung beteuerte, bevor er feststellte: “Die rechtliche Grundlage für den Betrieb von Tempora stellt sich bestenfalls dünn dar, und das Parlament hatte sicher keine Ahnung von dem Ausmaß der Nutzung dieser Befugnisse. Wir haben auch erfahren, dass Großbritannien Daten aus dem amerikanischen Prism Überwachungsprogramm erhält, die es dem GCHQ scheinbar erlauben, die Schutzmaßnahmen zu verwässern - nicht ganz zu umgehen, aber zu verwässern - die greifen würden, wenn die gleichen Behörden die Informationen selber sammeln würden”.

In der darauf folgenden Debatte sprach Labour-Abgeordnete David Winnick zur Verteidigung des Guardian. “Was der Premierminister am Montag sagte, bedeutet eine starke Bedrohung für die Presse”, sagte er.

Er wurde vom Tory-Abgeordneten Adam Holloway angegriffen, der zu wissen verlangte: „Wenn wir in den letzten Wochen eine Stadt durch nuklearen Terrorismus verloren hätten oder es ein gigantisches Massenunglück gegeben hätte, wüsste ich gerne, ob die Wähler dieser ehrwürdigen Gentlemen Edward Snowden für einen trendigen, coolen Whistleblower oder für einen Verräter halten würden”.

Julian Smith nahm dies zum Anlass, dem Guardian erneut die Gefährdung der nationalen Sicherheit vorzuwerfen. Labours George Howarth bescheinigte ihm für diese abwegige Behauptung eine “maßvolle, nachdenkliche Rede” gehalten zu haben. Der Guardian war “wahrscheinlich” berechtigt Snowdens Informationen zu veröffentlichen, aber es war nicht “weise” von ihm, es zu tun, sagte Howarth.

Howarth, ein Mitglied des Geheimdienstausschusses, hielt eine längere Verteidigungsrede für das Prism Programm der NSA. Das Intelligence and Security Committee (ISC) habe es sich angeschaut und hätte im Juli einen Zwischenbericht herausgegeben, der besagte, das das GCHQ durch seine Benutzung britisches Recht nicht umgangen hätte.

Watson fragte dann, was Huppert auflachen ließ, ob das ISC das Problem erst nach den Enthüllungen des Guardian untersucht habe. “Natürlich war es erst nach den Enthüllungen des Guardian. Das ehrwürdige Mitglied für Cambridge scheint zu denken, dass das lustig ist”, antwortete Howarth.

Blears griff erneut ein, um das ISC zu verteidigen, und betonte: “Es ist ein wesentlicher Teil der Debatte, dass die Dienste im Rahmen der bestehenden rechtlichen Vorgaben des britischen Rechts agierten.”

Tory Ben Wallace behauptete zynisch: “Lasst uns im Klaren darüber sein, dass Spione spionieren”. Der Guardian “hat bisher noch kein von der britischen Regierung, von Behörden oder Spionen begangenes Verbrechen benennen können”. Wallace deutete an, die Zeitung könnte angeklagt werden, und drohte Snowden. “Ich bin nicht sicher, ob er ein Verräter ist, aber ich stelle sein Urteilsvermögen hinsichtlich der Länder, in die er zu flüchten beschloss, in Frage”.

Labours John McDonnell begrüßte, ”was der Guardian getan hat” als “heroisch” und entwickelte eine Reihe von “praktischen” Vorschlägen, um die Kontrolle zu stärken. Er kritisierte die ISC, wie nach ihm auch Michael Meacher von der Labour Party.

Dies veranlasste den Liberaldemokraten Martin Horwood sich schützend vor den Geheimdienstapparat zu stellen. “Wir können es denjenigen, die uns schaden wollen, nicht kinderleicht machen, unserer Überwachung zu entgehen”, sagte er.

Sir Malcolm Rifkind von den Tories, der das ISC leitet, verteidigte dessen Bilanz. Auf die Frage von Meacher, “warum der Ausschuss Nichts über das Tempora Programm herausfand, als es in Betrieb ging”, wie es von Howarth angedeutet wurde, antwortete er: “Der ehrenwerte Gentleman hat nicht die leiseste Ahnung, ob sich der Ausschuss über das Programm in irgendeiner Weise bewusst war. Wir erhalten vertrauliche Informationen ... ”

Innenstaatssekretär James Brokenshire antwortete für die Regierung und bestand unverblümt darauf, dass die Überwachung der Geheimdienste selbst geheim sein müsse.

Mit scheinbar unbeabsichtigte Ironie fügte er hinzu: “Es ist auch wichtig zu betonen, dass die Geheimdienste auf einer politischen Ebene letztlich dem Premierminister verantwortlich sind, aber im Tagesgeschäft sind es die Minister - in erster Linie meine ehrwürdigen Freunde, die Innenministerin [Theresa May] und der Außenminister [William Hague]- die verantwortlich dafür sind, zwischen der Notwendigkeit abzuwägen, die nationale Sicherheit zu schützen und der Notwendigkeit, ihre Pflicht zu erfüllen und die britische Öffentlichkeit vor der möglichen Verletzung des Rechts des Einzelnen auf Privatsphäre, was durch die Geheimdienste geschehen könnte.”

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