Wirtschaftskrieg gegen Russland

Russische Zentralbank gibt den Rubel nach Kurseinbruch frei

Am Montag gab Moskau den Wechselkurs des Rubel frei. Die Vorsitzende der russischen Zentralbank Elwira Nabiullina verkündete, dass die Notenbank falls notwendig „jederzeit und in ausreichendem Umfang“ mit Interventionen am Devisenmarkt reagieren werde.

Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte zu Beginn des Gipfeltreffens der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft Apec in Peking ebenfalls, die Zentralbank werde gegen starke Wechselkursschwankungen vorgehen. Als weitere Maßnahme zur Stützung der russischen Währung begrenzte die Zentralbank vorübergehend die Möglichkeit für Geschäftsbanken, sich mit frischen Rubel einzudecken.

Darauf hin stieg die russische Währung am Montag um zeitweise bis zu 3,7 Prozent. Im Vergleich zum vergangenen Freitag mussten für einen Dollar statt 48,5 nur noch 45 Rubel gezahlt werden. Gegenüber dem Euro legte der Rubel um etwa drei Prozent zu. Mittelfristig drohen die russische Währung und die russische Wirtschaft mit der Freigabe des Rubels jedoch weiter in die Krise zu rutschen.

Die russische Zentralbank rechnet vor dem Hintergrund des Konflikts in der Ukraine mit einem größeren Abzug von Kapital als bisher angenommen. Für 2014 korrigierte sie ihre Prognose von 90 Milliarden US-Dollar auf 128 Milliarden (rund 100 Milliarden Euro) nach oben. Im kommenden Jahr rechnet sie mit einem Kapitalabfluss von bis zu 99 Milliarden Dollar, im Jahr 2016 mit 60 Milliarden. Auch die Wirtschaftsaussichten sind düster. 2015 soll die Wirtschaft stagnieren. Das Inflationsziel von vier Prozent soll erst 2017 erreicht werden. Momentan liegt die Inflationsrate mit 6,5 Prozent deutlich über dem Zielwert.

In den vergangenen Wochen hatte der Rubel eine beispiellose Talfahrt hingelegt und Tag für Tag gegenüber dem US-Dollar und dem Euro neue historische Tiefstände erreicht. Am Freitag lag er bei 60 Rubel pro Euro und 48 Rubel pro US-Dollar. Im Zuge der Ukraine-Krise war die russische Währung immer weiter gefallen und hatte gegenüber dem Dollar über ein Drittel an Wert verloren. Anfang des Jahres hatte der Wechselkurs noch bei 32 Rubel pro US-Dollar gelegen. Im Oktober entwertete der Rubel besonders rasch und fiel von 39,4 auf 43,4 Rubel pro US-Dollar. Nach den Wahlen in der Ostukraine Anfang November war er um weitere 11 Prozent eingebrochen.

Hinter der massiven Entwertung des Rubel stehen mehrere Faktoren. Die Hauptursachen für den Zusammenbruch der russischen Währung sind die Sanktionen des Westens, der fallende Ölpreis und spekulative Angriffe auf den Rubel, die vor allem seit den Wahlen in der Ukraine eskaliert sind. Die Angriffe auf den Rubel sind Teil des Wirtschaftskriegs der USA und EU gegen Russland, mit dem das Putin-Regime in die Knie gezwungen und ein Regierungswechsel herbeigeführt werden soll.

Vieles weist darauf hin, dass die Abwertung der russischen Währung zum großen Teil das Ergebnis gezielter Angriffe auf die russische Wirtschaft sind, die durch die Sanktionen der EU und USA bereits in eine beginnende Rezession getrieben wurde.

Zahlreiche Großkonzerne haben wegen der Sanktionen keinen Zugang mehr zu ausländischem Kapital und müssen Projekte auf Eis legen. In der Industrie haben bereits Massenentlassungen begonnen, und im Oktober ist das Realeinkommen erstmals seit 2008 wieder offiziell gesunken. Die Inflation wird in diesem Jahr aufgrund der Währungsabwertung bei mindestens 8 Prozent liegen. Zeitungsberichte legen nahe, dass der Kreml angesichts der wirtschaftlichen Folgen der westlichen Sanktionen ein rasches Aufbrauchen der Währungsreserven im Umfang von rund 450 Mrd. US-Dollar fürchtet.

Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Ölpreise, von denen ein Großteil des russischen Staatshaushaltes abhängt. Sie sind seit dem Sommer von 100 US-Dollar auf 80 US-Dollar pro Barrel gefallen. Das Budget für 2014 und 2015 geht noch von einem Ölpreis von 97 bzw. 96 US-Dollar pro Barrel aus. Die Gründe für den Ölpreissturz sind nicht ganz klar. Putin macht regelmäßig Finanzspekulationen und politische Manipulation für den Rückgang der Ölpreise und die aktuelle Schwäche der russischen Währung verantwortlich.

Das Wirtschaftsmagazin Forbes veröffentlichte jüngst einen martialischen Kommentar, der die Rubelentwertung als Krieg zwischen den Spekulanten auf den Finanzmärkten und der russischen Zentralbank darstellt und mit den Worten endet: „Allerdings kann die russische Zentralbank immer noch durch eine Kombination von fallenden Ölpreisen und steigender Inflation geschlagen werden. Die Möglichkeit eines Wirtschaftszusammenbruchs ist real und die russische Zentralbank kann kaum etwas dagegen tun: wenn sie die Zinssätze anhebt, um die Inflation einzudämmen, wird die Wirtschaft weiter geschwächt, aber wenn sie die Zinssätze senkt, um das Wachstum anzukurbeln, riskiert sie eine Inflationsspirale.“

Ein Bericht auf Zeit Online über den Finanzkrieg der USA gegen Russland legt nahe, dass der Sturz des Rubels und der russischen Aktienmärkte nicht zuletzt auf gezielte Angriffe der US-Regierung zurückgehen. Der Artikel konzentrierte sich auf Daniel L. Glaser, dem Beauftragten für „anti-Terror Einsätze“ des US-Finanzministeriums. Glaser hat seit 2001 eine führende Rolle bei Wirtschaftskriegsmaßnahmen gegen den Iran und mehrere andere Länder gespielt. Gegenüber der Zeit erklärte er in Bezug auf die Rubelabwertung und den Rückgang der Aktienmärkte in Russland: „Etwas in dieser Größe haben wir noch nicht gemacht. Aber wir lernen bei jedem Einsatz dazu.“

Dann beschreibt das Blatt die Methoden des US-Finanzministeriums: „Glaser hatte sich genau überlegt, wie er seine Waffe gegen Russland einsetzte. Die russische Wirtschaft sollte geschwächt, nicht aber ruiniert werden. Vor allem die mächtigen Oligarchen sollten getroffen werden, in der Hoffnung, dass sie zu Putin auf Distanz gingen. Konten wurden eingefroren, russischen Unternehmen wurde der Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erschwert, doch bislang bleiben russische Banken an das SWIFT-System angeschlossen. Die letzte Stufe hat Glaser eben noch nicht gezündet – auch weil es Anzeichen gibt, dass Russland wegen der Sanktionen einlenken könnte.“

SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication) ist ein vom US-Finanzministerium kontrolliertes internationales System für Finanztransaktionen der Banken, an das rund 10.500 Banken in über 200 Ländern angeschlossen sind. Ohne Zugang zu SWIFT können die Finanzmärkte ganzer Länder ruiniert werden.

Viele westliche Kommentare vergleichen die gegenwärtige Situation mit der Krise von 1998, in deren Verlauf die russische Wirtschaft fast vollkommen zusammengebrochen ist. So schrieb die Moscow Times Ende Oktober: „Seit der Finanzkrise vom August 1998 war Russland nicht mehr mit der sehr realen Gefahr einer Währungskrise konfrontiert, die die grundlegende Stabilität des wirtschaftlichen und politischen Systems des Landes bedroht.“ Anders als vor 16 Jahren ist Russland heute jedoch auch direkt militärisch bedroht. Nach dem von Berlin und Washington orchestrierten Putsch in der Ukraine rüstet die Nato systematisch in Osteuropa auf und kreist Russland ein.

Der westlichen Aggression hat das Putin-Regime nichts Progressives entgegenzusetzen. Hervorgegangen aus der Auflösung der Sowjetunion und der Wiedereinführung des Kapitalismus durch die stalinistische Bürokratie, reagiert es auf die sich zuspitzende Krise mit neuen Angriffen auf die Arbeiterklasse. Der neue Budgetplan soll weit umfassendere Sozialkürzungen beinhalten, als bisher geplant. Die jüngsten Maßnahmen der russischen Zentralbank entsprechen den Interessen des internationale Finanzkapitals.

Das Nachrichtenmagazin Focus, eines der Sprachrohre des deutschen Imperialismus, jubelte am Montag: „Wenn es der Notenbank gelingt, den Rubelkurs koordiniert auf ein bestimmtes Niveau abzusenken und dort stabil zu halten, würde das Land wieder für ausländische Investoren interessant. Es könnte sich dann lohnen, in Russland Fabriken aufzubauen und das Zarenreich quasi als Niedriglohnland zu nutzen. In diesem Fall wäre die Rubel-Freigabe ein geschickter Schachzug.“

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