Bundesregierung verschärft Asylrecht

Ausweitung der Inhaftierungsgründe für Flüchtlinge, rigorosere Abschiebungen, Aufenthalts- und Einreisesperren und eine restriktive Neufassung des Bleiberechts bilden die Eckpunkte des Gesetzentwurfes, den das Bundeskabinett am vergangenen Mittwoch beschlossen hat. Es reagiert auf die Zunahme von Asylsuchenden in Deutschland mit einer massiven Verschärfung des Asylrechts, um die Abschottung gegen Flüchtlinge weiter zu perfektionieren.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der für den Entwurf des Gesetzes verantwortlich ist, behauptet zwar, es habe „eine einladende und eine abweisende Botschaft“. Tatsächlich stechen aber die abweisenden Elemente weit stärker hervor als die minimalen Verbesserungen beim Bleiberecht, die nur für eine kleine Gruppe langjährig geduldeter Flüchtlinge gelten. Kern des „Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ ist die Kriminalisierung von Flüchtlingen, die zukünftig praktisch jederzeit inhaftiert werden können, und die Beseitigung von so genannten Abschiebehindernissen.

Zwar wurden gegenüber einem ersten Entwurf vom Mai dieses Jahres einige Inhaftierungsgründe umformuliert, aber die Botschaft bleibt dieselbe: Wer als Asylsuchender zukünftig nach Deutschland kommt, muss damit rechnen, eingesperrt zu werden. Er wird inhaftiert, wenn die Annahme einer „erheblichen Fluchtgefahr“ gegeben ist – bei Flüchtlingen ein Widerspruch in sich.

Der Entwurf listet zahlreiche Gründe auf, wann diese „Fluchtgefahr“ vorliegt. Unter anderem reicht es, dass „der Ausländer zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt“ hat. Bereits die Zahlung von 3.000 Euro reicht als Hinweis auf eine unerlaubte Einschleusung aus.

Abgesehen davon, dass der Begriff des „Schleusers“ kein wasserdichter juristischer Begriff ist und damit der Auslegung der Justiz unterliegt, ist es Asylsuchenden völlig unmöglich, ohne teure Fluchthelfer nach Deutschland einzureisen, da sich das Land gegen Flüchtlinge völlig abgesperrt hat.

Auch die Vernichtung von „Identitäts- und Reisedokumenten“ oder die „Täuschung der Identität“ ziehen zwingend Gefängnis nach sich. Dabei handelt es sich um Mittel, die Flüchtlinge gezwungenermaßen anwenden müssen, um überhaupt nach Deutschland zu gelangen und hier um Asyl zu ersuchen.

Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung die neuen Regeln nicht als „hart, sondern drakonisch“ bezeichnet. „Noch nie war es in der Bundesrepublik so leicht, Menschen einzusperren.“

Der Gesetzesentwurf setzt die von EU-Kommission und Europaparlament verabschiedete „Aufnahmerichtlinie“ kompromisslos um. Vor einem Jahr hatten sich die EU-Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, die niedrigsten geltenden nationalen Standards bei der Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen zum Gemeinschaftsrecht zu erheben. Und da unter anderem in Griechenland, Schweden oder Malta Zehntausende Flüchtlinge systematisch weggesperrt werden, sieht die Aufnahmerichtlinie „großzügige“ Inhaftierungsgründe für Asylsuchende in der EU vor.

Ursprünglich hatte die Bundesregierung angekündigt, sie wolle diesen Teil nicht umsetzen. Aber angesichts der sprunghaft gestiegenen Flüchtlingszahlen aus den Krisenregionen im Nahen Osten, Afghanistan und Afrika interessiert das humanitäre Gerede von gestern jetzt nicht mehr.

Massiv verschärft wird auch die konsequente Abschiebung von Flüchtlingen. Dazu wird das „Ausweisungsrecht“ völlig neu gefasst und ein „Ausweisungsinteresse“ des Staates eingeführt, das von den Gerichten gegen das individuelle „Bleibeinteresse“ eines Flüchtlings, dessen Asylgesuch abgelehnt wurde, abzuwägen ist.

Ein erhebliches Ausweisungsinteresse besteht dem Gesetzentwurf nach nicht nur bei Straftaten des Flüchtlings, sondern auch bei politischer Betätigung, die die „freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik“ oder die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gefährdet. Die entsprechenden Paragrafen 53 bis 55 sind wachsweich ausformuliert und bedeuten in ihrer Konsequenz ein politisches Betätigungsverbot für abgelehnte Asylbewerber. Schon die Selbstorganisation von Flüchtlingen, die für ihr Bleiberecht streiten und Flüchtlingscamps oder Hungerstreiks organisieren, kann zukünftig ein erhebliches Ausweisungsinteresse und baldige Deportation begründen.

Die unverhohlene Kriminalisierung von Flüchtlingen wird dabei mit der angeblichen Terrorgefahr begründet. In einer Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums zum Gesetzentwurf werden ausreisepflichtige Flüchtlinge nicht zufällig mit Terroristen in einen Topf geworfen. Dort heißt es: „So soll der Aufenthalt von Personen, denen kein Aufenthaltsrecht in Deutschland zusteht, konsequent beendet werden. Ihre Ausreisepflicht soll dann auch zwangsweise durchgesetzt werden. Die neuen Regelungen berücksichtigen stärker als bisher, dass gewaltbereite Extremisten auch mit den Mitteln des Ausländerrechts bekämpft werden können.“

Bereits im November hatte das Innenministerium die fehlenden rechtlichen Grundlagen für das kompromissloses Deportieren von Flüchtlingen beklagt. Ein Ministeriumssprecher sagte der Zeitung Die Welt: „In der Durchsetzung der Ausreisepflicht besteht derzeit ein erhebliches Vollzugsdefizit.“ Viele Menschen würden „dauerhaft im Bundesgebiet verbleiben, auch wenn sie unter keinem Gesichtspunkt – auch nicht humanitär– für ein Aufenthaltsrecht infrage kommen“.

Im Jahr 2014 wurden rund 10.000 Flüchtlinge aus Deutschland abgeschoben. Diese Zahl gilt offiziellen Stellen als zu gering und wird sogar als Grund für das Ansteigen der Flüchtlingszahlen betrachtet. In der Welt heißt es, in „Übereinstimmung mit Erkenntnissen auf EU-Ebene“ sei „das bestehende Vollzugsdefizit im Bereich der Aufenthaltsbeendigung ein wesentlicher Sog-Faktor nach Deutschland“. Schleuser würden Flüchtlingen raten, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen, da die Gefahr der Abschiebung geringer sei als in anderen Ländern.

Diese Argumentation ist nicht nur hanebüchen, sie verschleiert auch gezielt die Folgen der aggressiven deutschen Außenpolitik in den Krisenherden der Welt, die mit zum weltweiten Anstieg der Flüchtlingsbewegungen beiträgt. Die Flüchtlinge, für deren Schicksal sie maßgeblich mitverantwortlich ist, will die Bundesregierung nun möglichst schnell und geräuschlos wieder loswerden. Mit der Neufassung des Ausweisungsrechts will sie verhindern, dass die Gerichte, die in der Vergangenheit Abschiebungsbescheide häufig einkassierten, den Behörden auch bei zukünftigen Abschiebungen Steine in den Weg legen.

Für die Perfektionierung der Abschiebung soll auch ein viertägiger „Ausreisegewahrsam“ neu in das Arsenal der Flüchtlingsabwehr aufgenommen werden. Abgelehnte Asylbewerber können dann „zur Sicherstellung der Abschiebung“ bis zu vier Tage auf richterliche Anordnung eingesperrt werden, ohne dass dazu irgendwelche sonstigen Gründe vorliegen müssen.

Hinzu kommen Aufenthalts-und Einreisesperren für Flüchtlinge, deren Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurde. Dies zielt in erster Linie auf Flüchtlinge aus sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“, trifft aber alle Flüchtlinge, deren Fluchtgründe für unglaubwürdig erklärt werden, und vor allem Minderjährige, die schon aufgrund ihres Alters ihren Asylantrag nicht ausreichend begründen können.

In der Konsequenz bedeuten diese Einreise- und Aufenthaltssperren, dass Flüchtlinge bei der erneuten Einreise in die EU in jedem Staat inhaftiert werden. Sie werden europaweit kriminalisiert, obwohl ihnen nichts anderes zur Last gelegt wird als das Stellen eines Asylantrags.

Mit dieser Regelung werden auch die leichten Verbesserungen beim Bleiberecht völlig konterkariert und ad absurdum geführt. So sollen zwar zukünftig langjährig geduldete Flüchtlinge ein Bleiberecht erhalten, wenn sie seit acht Jahren in Deutschland leben. Doch mithilfe der sehr restriktiv gehandhabten Aufenthaltsverbote können Betroffene jahrelang von jeder Bleiberechtsregelung ausgeschlossen werden.

Die Flüchtlingsorganisation ProAsyl weist darauf hin, dass mit der Neuregelung Kettenduldungen und damit verbundene unsichere Lebensverhältnisse keineswegs abgeschafft werden. „Stattdessen wird der Druck auf die Betroffenen erhöht, das Land zu verlassen. Diese Regelung ist geeignet, das versprochene Bleiberecht in vielen Fällen leerlaufen zu lassen.“

Es ist bezeichnend, dass der Gesetzentwurf in den Medien sehr positiv aufgenommen wurde. Die angeblichen Verbesserungen beim Bleiberecht, die keine sind, wurden ausdrücklich gelobt, über die Kriminalisierung von Flüchtlingen wurde hingegen weitgehend geschwiegen. Volker Schaffranke rechtfertigte die rigorosen Abschieberegelungen in der ARD mit dem zynischen Argument, sie dienten dazu, „die Akzeptanz von Flüchtlingen in der Bevölkerung zu erhalten“. Diese Berichterstattung ist Bestandteil einer systematischen Hetze gegen Flüchtlinge, die angeblich die Sozialsysteme belasten.

Wenn Bundespräsident Gauck oder Außenminister Steinmeier (SPD) davon reden, „dass Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen“ müsse, meinen sie damit die Verfolgung imperialistischer Interessen mit militärischen Mitteln. Für die Unterstützung der Kriege in Syrien, im Irak, in der Ukraine oder in Zentralafrika werden Milliarden Euro bereitgestellt. Während die Lebensgrundlage von Millionen Menschen weggebombt wird, ist angeblich kein Geld dafür da, Verantwortung für die Menschen zu übernehmen, die auf diese Weise in die Flucht getrieben werden.

Das neue Gesetz ist die Kehrseite der aggressiven Außenpolitik der Großen Koalition in Berlin. Es perfektioniert nicht nur die Flüchtlingsabwehr. Die Kriminalisierung von Asylbegehren, die rigorosen Abschiebungsregelungen und das faktische politische Betätigungsverbot für Flüchtlinge sind ein Angriff auf grundlegende Rechte der gesamten Arbeiterklasse.

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