US-Kongress:

Kerry fordert Zustimmung zu unbefristetem Nahostkrieg

Die Obama Regierung erwartet vom Kongress, dass er dem amerikanischen Militär in einer Resolution eine nach Umfang, Zeitraum und Methoden unbegrenzte Aktion im Irak und in Syrien genehmigt. Dies forderte Außenminister John Kerry am Dienstag in einem ungewöhnlichen Auftritt vor dem Senatsausschuss für Auswärtige Beziehungen.

Kerry sprach sich für eine unbefristete Resolution, ohne verbindliches Zeitlimit und ohne Begrenzung auf ein geografisches Gebiet aus, um amerikanische Kriegsoperationen durchzuführen. Außerdem betonte er, die Resolution dürfe Präsident Obama nicht daran hindern, den Befehl zum Einsatz von US-Kampftruppen zu geben.

In der dreieinhalbstündigen Anhörung kritisierten die Republikaner im Senat, die ab Januar den Ausschuss leiten werden, das Weiße Haus dafür, dass es die Befugnisse für das Militär nicht ausgeweitet und keinen umfassenden Kriegsplan präsentiert habe. Nur der scheidende Vorsitzende, der Demokrat Robert Menendez, erklärte, ihm wäre eine begrenztere Resolution lieber. Kein einziger Demokratischer Senator sprach sich gegen den aktuellen Krieg im Irak und in Syrien oder gegen dessen Eskalation aus.

Zu Beginn der Anhörung behauptete Kerry, die Resolution müsse „begrenzt“ sein und sich unmittelbar gegen die Bedrohung durch die sunnitischen Fundamentalisten der Isis (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) richten. Die Isis-Miliz kontrolliert zurzeit das östliche Drittel Syriens und das westliche Drittel des Iraks einschließlich der Stadt Mosul, der mit fast zwei Millionen Einwohnern drittgrößten Stadt des Iraks.

Aber sobald sich Kerry den Details zuwandte, lösten sich diese Einschränkungen in Luft auf. In der Diskussion über die so genannte Authorization for Use of Military Force (AUMF – Genehmigung zum Einsatz militärischer Gewalt) sagte Kerry: "Wir glauben nicht, dass eine AUMF geographisch begrenzt sein sollte."

Er fuhr fort: "Wir gehen nicht davon aus, Operationen in anderen Ländern als dem Irak und Syrien durchzuführen. Aber soweit [Isis] eine Bedrohung für amerikanische Interessen und Personen in anderen Ländern darstellt, würden wir nicht wollen, dass eine AUMF unsere Fähigkeit einschränkt, falls nötig auch an diesen Orten mit angemessener Gewalt gegen [Isis] vorzugehen. Aus unserer Sicht wäre das ein Fehler und käme dem Angebot an [Isis] gleich, dass es außerhalb des Irak und Syriens sichere Zufluchtsorte gibt."

Mit diesen Worten macht Kerry die ganze Welt zum potenziellen Schlachtfeld. Darauf gingen mehrere Senatoren in der darauf folgenden Anhörung ein. Der Republikaner Rand Paul bezog sich zum Beispiel auf die zwei heiligsten Städte des Islams und sagte: "Wenn Medina oder Mekka dem Islamischen Staat die Treue schwören, wird es möglich, diese zu bombardieren. Damit sendet man eine Botschaft an den Nahen Osten, dass keine Stadt verschont bleibt."

Solche Bedenken tat Kerry mit Verachtung ab. "Niemand spricht davon, überall zu bombardieren", sagte er und empfahl Paul, von der "gesunden Vernunft des Präsidenten der Vereinigten Staaten" auszugehen.

Paul, ein ultra-rechter Liberalist, gibt sich zwar gelegentlich als Gegner der US-Kriege im Nahen Osten aus, er hat aber in einer früheren Anhörung des Ausschusses für Auswärtige Beziehungen schon vorgeschlagen, der Kongress solle eine Kriegserklärung an Isis verabschieden. Dies wäre die erste formale Kriegserklärung seit dem Zweiten Weltkrieg. Sie würde die Rechtsgrundlage dafür schaffen, jede Opposition gegen den Krieg zu verbieten und als "Verrat" oder "Unterstützung des Feindes" zu ahnden.

Ein Land, das in naher Zukunft zur Kampfzone gegen Isis werden könnte, ist der Libanon, wo sunnitische Fundamentalisten in Tripolis und der Bekaa-Ebene aktiv sind. Zwei andere arabische Staaten, Jordanien und Saudi-Arabien, grenzen an Gebiete, die von Isis kontrollierte werden.

In der vergangenen Woche deuteten Presseberichte an, die Obama Regierung neige zu einer beschränkten Flugverbotszone für einen Teil der türkisch-syrischen Grenze. Durchgesetzt würde sie von US-Kampfflugzeugen des Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei. Diese Entscheidung würde auch Incirlik und andere Gebiete in der Südtürkei zu wahrscheinlichen Kriegsgebieten im Kampf zwischen Isis und den US-NATO-Streitkräften machen.

Kerry und der aus dem Amt scheidende Demokratische Ausschussvorsitzende Senator Robert Menendez widersprachen sich kurzzeitig in der Frage der Wortwahl. Menendez schlug vor, "Bodenkampfhandlungen“ zu verbieten, es sei denn „für notwenige Schutz- oder Rettungsmaßnahmen von US-Soldaten oder -Bürgern, für Geheimdienstoperationen, für Aufklärer zur Vorbereitung von Luftangriffen oder strategischer Planung, oder für andere Formen der Beratung und Unterstützung".

Kerry behauptete einerseits, die Regierung habe nicht vor, Kampftruppen im Krieg gegen Isis einzusetzen, aber dann betonte er: "Das kann nicht heißen, dass wir den Oberbefehlshaber oder die Einsatzkommandeure präventiv daran hindern, auf Szenarien und nicht absehbare Eventualitäten angemessen zu reagieren."

Was die Dauer des Krieges anbelangt, betonte Kerry: "Wir können sicher sein, dass diese Konfrontation nicht schnell vorübergeht." Er sagte: "Wir verstehen den Wunsch vieler, keine völlig unbeschränkte Genehmigung zu erteilen. Ich nehme zur Kenntnis, dass der Vorsitzende Menendez eine Beschränkung auf drei Jahre vorgeschlagen hat. Wir unterstützen diesen Vorschlag, behalten uns aber vor, ihn auszuweiten, und würden uns freuen, darüber zu diskutieren."

Mit anderen Worten: eine zeitliche Begrenzung des Kriegs wird es nicht geben. Drei Jahre, das bedeutet, die Kämpfe gehen unter der nächsten Regierung weiter, bis ein neuer Präsident den Krieg unbegrenzt verlängern wird.

Republikaner des Senatsausschusses kritisierten Kerry dafür, dass er selbst keinen Entwurf mit einem Wortlaut für die AUMF vorgelegt habe. Das Weiße Haus hat solche Anträge stets zurückgewiesen und zieht es vor, in Abwesenheit einer Kongress-Resolution völlig freie Hand zu haben.

Als Folge der Demokratischen Niederlage bei den Wahlen vom 4. November werden im Januar die Republikaner im Senat die Mehrheit übernehmen. Die Regierung spekuliert darauf, dass sie dann eine noch weiter reichende Kriegsresolution erhält als im September, als Obama zum ersten Mal Luftangriffe auf Syrien anordnete.

Die kriegerische Haltung der Republikaner wurde von Senator Bob Corker aus Tennessee zum Ausdruck gebracht. Corker wird als Menendez‘ Nachfolger den Vorsitz des Ausschusses für Auswärtige Beziehungen übernehmen. Er sprach sich gegen jegliche Beschränkung der Macht Obamas aus, Militäraktionen im Irak und in Syrien anzuordnen, und sagte sarkastisch, ein solcher Beschluss sei "ein wirklicher Isis-Schutzplan. (…) Dann kann man jegliche Gewalt gegen Al Qaida und andere anwenden, aber nicht gegen Isis. Das ist ein ziemlich interessanter Ansatz.“

Ein weiteres vorrangiges Thema wurde kaum berührt, obwohl Kerry es indirekt andeutete: Die Frage, ob die Resolution US-Militäraktionen gegen die syrische Regierung von Präsident Bashar al-Assad erlauben würde.

Kerry hielt die Senatoren dazu an, die Kriegsresolution nicht von vorneherein zu beschränken, sondern auch US-Angriffe auf „[mit Terroristen] verbündete Kräfte" zu erlauben. Diese Wortwahl hatte schon die Bush-Regierung benutzt, um Angriffe auf Islamisten in praktisch jedem Land in Nordafrika, dem Nahen Osten und Süd- und Südostasien zu rechtfertigen, ganz gleich ob diese tatsächlich in Verbindung zu Al-Qaida standen oder nicht.

Die von der CIA unterstützten syrischen Oppositionsgruppen haben wiederholt behauptet, dass das Assad-Regime in einer stillschweigenden Allianz mit Isis stünde, da beide gegen die "Rebellen" kämpften. Nach dieser Definition müssten die syrische Armee und Isis als "verbündete Kräfte" gelten, und die Kriegsresolution könnte so ausgelegt werden, dass sie US-Luftangriffe und einen ausgewachsenen Krieg gegen das Regime in Damaskus erlaube.

Der demokratische Senator Robert Casey aus Pennsylvania forderte genau solch ein Manöver in einem Gastkommentar der Washington Post vom 27. November. Er wählte die Überschrift: "Der US-Plan zur Zerstörung des Islamischen Staats muss auch Bashar al-Assad beseitigen."

Welche Form der Kongress für seine Resolution auch immer wählen wird: Es ist klar, dass der amerikanische Imperialismus sich stetig auf einen umfassenden Krieg in Syrien und dem Irak zu bewegt. Dieser Krieg, der sich auch gegen den Iran und Russland, die Hauptverbündeten der syrischen Regierung, richtet, wird die Invasion des Iraks von 2003 bei weitem in den Schatten stellen.

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