Finanzmärkte in Feierlaune

Syriza rückt von Abschreibung griechischer Schulden ab

Die Ankündigung des griechischen Finanzministers Yannis Varoufakis, dass die neue, von Syriza geführte Regierung eine "Schuldenumwandlung" beantragen werde, anstatt einen Großteil der Auslandsschulden in Höhe von 315 Milliarden Euro abzuschreiben, bestätigt aufs Neue den bürgerlichen Charakter und das kapitalistische Programm des Regimes.

Der griechische Aktienmarkt reagierte am Dienstag begeistert auf die Nachricht. Die Aktienkurse stiegen um elf Prozent. Aktien von griechischen Banken stiegen um achtzehn Prozent und erholten sich damit von ihren Verlusten seit der Wahl am 25. Januar. Die Märkte in ganz Europa waren darüber in Feierlaune, der Euro stieg fast ein Prozent gegenüber dem US-Dollar. Die amerikanischen Aktienindizes schossen am Montagabend in die Höhe und stiegen auch am Dienstag weiter an.

Varoufakis' Vorschlag auf einem Treffen von Investoren der City of London, der in der Financial Times publik gemacht wurde, basiert auf einem "Menü von Schuldenumwandlungen." Dazu wäre die Einführung von zwei neuen Arten von Anleihen notwendig. Die Financial Times erklärt: "Die erste Art von Anleihe, die an das nominelle Wirtschaftswachstum gebunden ist, würde die europäischen Rettungsgelder ersetzen, die zweite, die [Varoufakis] 'dauerhafte Anleihen' nennt, würden die griechischen Staatsanleihen ersetzen, die sich im Besitz der Europäischen Zentralbank befinden."

Laut der Financial Times schlug Varoufakis einen "beruhigenden Ton" an und versicherte den Investoren, dass eine Schuldenumwandlung ein "kluges Arrangement für die Schulden" sei. Er vermied es von einem "Schuldenschnitt" zu reden, da die deutsche Regierung dies resolut ablehnt.

Syriza lässt mit diesem Vorschlag das wichtigste Standbein des Programms von Thessaloniki fallen, wegen dem sie gewählt wurde. Das erklärte Ziel des Programms war es, den Großteil des nominellen Wertes der Staatsschulden des Landes abzuschreiben, sodass sie im Kontext einer "europäischen Schuldenkonferenz" vertretbar würden.

Varoufakis traf sich mit 100 Vertretern der Londoner Finanzelite, zuvor hatte er am gleichen Tag bereits mit dem britischen Finanzminister George Osborne verhandelt. Laut einer Quelle von Reuters versicherte Varoufakis den Investoren, dass private Besitzer von griechischen Staatsanleihen keine Verluste befürchten müssten.

Die Financial Times schrieb dazu, die Investoren seien "erleichtert, dass die griechische Regierung scheinbar auf eine Umstrukturierung der Schulden drängt, die sie der Troika und staatlichen Gläubigern schuldet, anstatt der Schulden im Privatsektor, deren Kredite bereits 2012 neu verhandelt wurden."

Um seine superreichen Gastgeber weiter zu beruhigen, schrieb Varoufakis später auf Twitter: "Die Schulden werden nachhaltig sein, auch wenn wir statt von Schuldenschnitt von Euphemismen und Umstrukturierungen sprechen."

Nach einem Treffen, das Varoufakis als "frischen Wind" bezeichnete, schloss sich Osborne den Äußerungen von US-Präsident Barack Obama an, der erklärte, man müsse für Griechenland "eine neue Wachstumsstrategie finden" und fügte hinzu: "Wann kann Länder, die mitten in einer Depression stecken, nicht immer weiter ausquetschen."

Als Seitenhieb gegen Deutschland, das jede Form von Schuldenschnitt ablehnt, erklärte Osborne: "Es ist wichtig, dass die Eurozone einen besseren Plan für Arbeitsplätze und Wachstum hat." Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone "ist eine wachsende Bedrohung für die britische Wirtschaft" fuhr er fort und fügte hinzu: "Wir müssen sicherstellen, dass wir uns in Europa, genau wie in Großbritannien, statt für Chaos für Kompetenz entscheiden."

Das Treffen mit Osborne war Teil einer Tournee durch die europäischen Hauptstädte, bei der Varoufakis versucht, Unterstützung für eine Strategie prokapitalistischer Reflation auf der Grundlage der quantitativen Lockerung zu finden, die die Europäische Zentralbank bereits begonnen hat. Er hat sich mit seinen Amtskollegen in Paris und Rom getroffen, außerdem mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Am Donnerstag wird er sich in Berlin mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble treffen.

Varoufakis sagte der Financial Times: "Egal was unsere Partner darüber denken, dass wir der radikalen Linken angehören: wir meinen es ernst mit den Reformen, wir wollen ernsthaft gute Europäer sein, und wir wollen ernsthaft zuhören."

Syriza repräsentiert nicht die Interessen der Arbeiterklasse, sondern eines Teils der griechischen Bourgeoisie. Ihre Strategie für "Wirtschaftswachstum" zielt darauf ab, eine Schicht des oberen Kleinbürgertums zu unterstützen, die unter dem Zusammenbruch der Wirtschaft in den letzten fünf Jahren zu leiden hatte.

Die Kosten für dieses "Wachstum" werden die Arbeiter und Jugendlichen tragen. Wie die Financial Times schrieb, erklärte Varoufakis, "die Regierung strebe einen Primärhaushaltsüberschuss von einem bis 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - nach Abzug der Zinsen - an, auch wenn das bedeutet, dass Syriza, die linke Partei, die die Koalitionsregierung dominiert, die öffentlichen Ausgaben nicht so weit erhöhen kann, wie sie es versprochen hatte, und wofür sie gewählt wurde."

Varoufakis' Mantra ist, dass Syriza die "Oligarchie" in Griechenland "zerstören" wird. Dieser Euphemismus wird von der internationalen Bourgeoisie eindeutig als Gelegenheit aufgefasst, in beispiellosem Umfang Zugang zur griechischen Wirtschaft zu erlangen. Syriza hatte zuvor erklärt, sie beabsichtige, "wettbewerbsfähigen Unternehmen mehr Entstehungsspielraum zu geben."

Die Financial Times schrieb am Dienstag in einem Leitartikel, in dem sie Syrizas Politik lobte, dass Varoufakis es bei seinen Versuchen, Unterstützung für ein neues Abkommen zu gewinnen, "verdient, vollständig und sogar wohlwollend angehört zu werden."

Die Zeitung schrieb, die griechische Wirtschaft habe "zu viele überregulierte Industrien und veraltete Arbeitsmethoden und eine lange Tradition, zu viele Stellen im öffentlichen Sektor zu schaffen". Sie beklagte, dass unter der "Troika" (die aus der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds bestand) "sehr wenig gegen die Oligarchen oder die endemische Steuerflucht getan wurde."

Das Sprachrohr des britischen Finanzkapitals schrieb, Syriza brauche Verbündete, "wenn sie den Kampf mit den Oligarchen aufnehmen, die Banken sanieren und ein modernes Steuererhebungssystem entwickeln will." Die Zeitung fuhr fort, einige ihrer Ideen würden "nach studentischem Radikalismus" riechen, kam jedoch zu dem Schluss, dass Syriza "genug vernünftigen Radikalismus besitzt, um die Grundlagen eines Abkommens zu entwerfen."

Nach nur ein paar Tagen im Amt, in denen mehrere der neuen Minister gegen den Sparkurs polemisierten. beginnt Syriza nun, eine solche "vernünftige" Politik umzusetzen.

Syriza kündigte nur wenige Stunden nach ihrem Wahlsieg eine Koalition mit den rechten, fremdenfeindlichen Unabhängigen Griechen (Anel) an. Ihr Parteichef, Panos Kammenos, der enge Beziehungen zum Militär und den Reedereimagnaten hat, wurde zum Verteidigungsminister ernannt, womit Syriza ihr Versprechen eines "neuen patriotischen Bündnisses" erfüllte.

ANEL hat keine Zeit verloren, eine chauvinistische Atmosphäre zu schüren. Letzten Freitag unternahm Kammenos einen provokanten Flug über die Imia-Inseln, um die sich Griechenland mit der Türkei streitet, und warf Kränze ab, um den drei griechischen Offizieren zu gedenken, die vor neunzehn Jahren bei einem Hubschrauberabsturz nahe der Inseln ums Leben kamen. 1996 standen Griechenland und die Türkei kurz vor einem Krieg um die Inseln. Als Reaktion auf Kammenos' Provokation stiegen türkische Jagdflugzeuge auf und drangen in griechischen Luftraum ein, wo sie von griechischen Flugzeugen abgefangen wurden; außerdem standen sich vor den Inseln sieben Schiffe der griechischen Küstenwache und drei türkische Schiffe gegenüber.

Kammenos erklärte außerdem, ANEL beabsichtige, gegen Syrizas Vorschlag zu stimmen, der zweiten Generation von Einwanderern die griechische Staatsbürgerschaft zu gewähren.

Am Sonntag erklärte Syrizas Arbeitsminister Panos Skourletis, das Wahlversprechen seiner Partei, den Mindestlohn auf 751 Euro anzuheben – d.h. so hoch, wie er vor Beginn der Sparmaßnahmen war - würde nicht sofort, sondern erst schrittweise erfüllt werden.

Skourletis rechtfertigte diese Entscheidung mit Bedenken wegen der Folgen des früheren Versprechens für die Rentabilität verschuldeter Unternehmen. Er erklärte, darüber müsse zuerst mit den Arbeitgebern diskutiert werden.

Er fügte hinzu, jede Erhöhung des Mindestlohns müsse mit "spezifischen Neuausrichtungen kombiniert werden, die den Unternehmen Spielraum lassen. Beispielsweise können die Schulden von Unternehmen bei [Renten]fonds und Banken neu ausgerichtet werden."

Die Arbeiter werden die Konsequenzen tragen müssen und gezwungen sein, mit dem armseligen Mindestlohn von 480 Euro auszukommen, den die Vorgängerregierung auf Befehl der Troika umgesetzt hatte.

Varoufakis machte am Montag einen weiteren Rückzieher hinsichtlich eines früheren Berichtes, dass die Privatisierung des strategisch wichtigen Hafens von Piräus gestoppt werde. Er lehnte die "Rückabwicklung von Privatisierungen, die bald abgeschlossen sind," ab und bezeichnete sie als "unklug."

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