Marine Le Pen spricht in der Oxford Union

Mit der Oxford Union (OU) beteiligt sich eine weitere bedeutende Institution an der internationalen Kampagne zur Legitimierung des neofaschistischen französischen Front National (FN).

Parteichefin Marine Le Pen sprach am Donnerstag vor der OU, dem unabhängigen Debattierklub der Universität von Oxford, obwohl es großen Widerstand gegen ihren Auftritt gab. Die OU verfolgte mit der Einladung von Le Pen nach England das Ziel, ihrer Behauptung akademisches Gewicht zu verleihen, sie habe das faschistische Vermächtnis der Partei ihres Vaters hinter sich gelassen - sie spricht dabei von "Entdämonisierung".

Jean Marie Le Pen ist noch immer "Ehrenvorsitzender" der Partei.

Wie es mittlerweile ein gängiges Muster ist, wurde der Einsatz der historischen Gesellschaft für "freie Meinungsäußerung" und "den Austausch von Argumenten" als Rechtfertigung benutzt, um Le Pen ein Podium für ihre faschistische politische Agenda zu geben. Die Einladung deckt sich jedoch sowohl mit den aktuellen politischen Vorgaben herrschender Kreise als auch mit der politischen Entwicklung der Oxford Union in der jüngeren Vergangenheit.

Der FN ist zur drittgrößten politischen Organisation in Frankreich geworden, da er von Teilen der herrschenden Klasse unterstützt wird und die Feindseligkeit gegenüber der rechten Politik der Regierung von Francois Hollande und der Sozialistischen Partei für ihre Zwecke ausnutzt. An ihrem zuwandererfeindlichen, nationalistischen Programm hat sie nichts geändert. Nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo in Paris wurde Le Pen, die den Anschlag als "Kriegserklärung des islamischen Fundamentalismus" bezeichnete, zu einem Gespräch mit Hollande in den Elysee-Palast eingeladen. Danach schrieb sie eine Kolumne in der angeblich liberalen New York Times und wurde vom Wall Street Journal. wohlwollend interviewt

Le Pens islamfeindliche Tiraden und Erklärungen, der Islam sei eine Bedrohung für das Abendland, werden im ganzen offiziellen politischen Spektrum dankend als Chance angenommen, die räuberischen Kriege der Großmächte und die Angriffe auf demokratische Rechte im Namen des "Kriegs gegen den Terror" zu rechtfertigen. Genau wie in den 1930ern werden die Faschisten als potenzielle Retter der bestehenden Ordnung vor äußeren und inneren Feinden aufgebaut - damals den Juden, heute den Moslems - um auf die Arbeiterklasse losgelassen zu werden.

Wie um diese Botschaft deutlich zu machen, wurde Le Pen eingeladen, im Rahmen einer Diskussion über "westliche Werte" vor der OU zu sprechen.

Die OU hat es Journalisten untersagt, über das Ereignis zu berichten, vermutlich wegen ihrer Definition von "freier Meinungsäußerung." OU-Sprecher Daniel Valentine schrieb in einer E-Mail, die "nationale und internationale Presse ist zu dieser Veranstaltung nicht eingeladen." Das hinderte den Daily Telegraph jedoch nicht daran zu behaupten, dass die 200 - 300 Demonstranten gegen Le Pens Auftritt für den Ausschluss der Reporter verantwortlich seien: "Wegen des Menschenauflaufs vor dem Gebäude der Union konnten Reporter es nicht betreten."

Le Pen betrat laut der Times um 19 Uhr das Podium, eine Stunde später als geplant, und legte ihre Ansichten auf Französisch ohne Störung dar.

Die Times zitiert Teile des Publikums, laut denen Le Pen über die Einwanderung in die EU und Grenzkontrollen sprach und erklärte: "Die Grenze der Nation ist die erste Verteidigungslinie der Nation gegen den islamischen Fundamentalismus."

"Ohne Grenzen gibt es keinen Staat, keine Souveränität, keine Freiheit.... Ich will die nationalen Grenzen wiederherstellen."

Sie fügte hinzu: "In multikulturellen Gesellschaften entstehen oft zahllose Konflikte. Wir müssen jetzt alles tun, um einen Zusammenstoß der Kulturen zu verhindern, der unseren Kontinent in den Abgrund ziehen könnte."

Normalerweise hätte auch ein Gegner die Möglichkeit zum Reden gehabt. Aus Achtung vor Le Pen wurde darauf jedoch verzichtet.

Die OU erklärte natürlich, sie verfolge keine politische Agenda und hege auch keine Sympathien mit Le Pens Ansichten. Allerdings erklärten Kommentatoren der Zeitung Oxford Student, die von der Oxford University Students Union (OUSO) herausgegeben wird, die OU sympathisiere mit Le Pen. Mitglieder der OUSO protestierten gegen den Auftritt Le Pens. Sie wurden für diese Haltung im Kommentarbereich der Webseite ihrer eigenen Zeitung dafür als "völlig willkürlich, grundlegend fehlerhaft und selbst faschistoid" verurteilt.

In einem Kommentator hieß es: „Seid vorsichtig vor Schreihälsen. Jeder, der unabhängig denkt, vor allem über den Wert unabhängiger Nationen und über die Rückkehr zu Landeswährungen, wird zum Ziel von Angriffen werden, die von der EU unterstützt werden."

Ein anderer schrieb sogar, Le Pen habe "sich nie gegen Einwanderer ausgesprochen, sondern gegen die offizielle Einwanderungspolitik. Und der Faschist Le Pen Pere [Jean Marie Le Pen] war der erste, der in den 1950ern einen Schwarzen als Abgeordneten vorgeschlagen hat, und eine Muslima für einen Regionalrat. Er hat nie gesagt, der Holocaust sei nur ein Detail der Geschichte gewesen; als ein linker Journalist ihn während eines Interviews über den Zweiten Weltkrieg eine ganze Weile wegen der Gaskammern unter Druck gesetzt habe, habe er ihm, gesagt, dieser Krieg könne nicht auf die Geschichte der Gaskammern reduziert werden."

Le Pens Auftritt war darauf ausgerichtet, an diese Stimmungen zu appellieren. Trotz der Behauptung der OU, sie sei unparteiisch, ist sie immer enger an die Konservative Partei gerückt, vor allem an ihren rechten Flügel. In den letzten Jahrzehnten gehörten prominente Tories wie Edward Heath, Michael Heseltine, William Hague, Michael Gove und Boris Johnson zu ihren Präsidenten

Der derzeitige Präsident Roberto Weeden-Sanz ist ein Konservativer. Weitere Funktionäre sind u.a. die ehemaligen Tory-Abgeordneten Ann Widdecombe und Edwina Currie, aktuelle Tory-Abgeordnete wie Damian Hinds, Jacob Rees-Mogg, Nicky Morgan und Louise Mensch, die im Jahr 2012 zurücktrat.

Premierminister David Cameron ist ein Oxford-Absolvent.

Es gibt Schichten, die ein halbseidenes Verlangen, durch die Einladung von "kontroversen" Persönlichkeiten zu Debatten zu schockieren, mit einer deutlichen Affinität zu Rechtsextremen kombinieren; das hat sich immer wieder gezeigt.

Die OU wurde 1823 gegründet und rühmt sich ihrer "Geschichtsträchtigkeit." Zu ihrer jüngeren Geschichte gehört jedoch:

* Im Jahr 1998 wurde eine Debatte geplant, an der John Tyndall teilnehmen sollte, der Großvater des britischen Faschismus der Nachkriegszeit, allerdings wurde sie aufgrund von Widerstand in der Öffentlichkeit und auf Anraten der Polizei abgesagt.

* Im Jahr 2001 wurde eine Einladung an den Holocaustleugner David Irving, in einer Debatte über Zensur eine Rede zu halten, aufgrund von massivem Widerstand zurückgezogen.

* Im Jahr 2007 wurde Irving wieder eingeladen, diesmal zusammen mit dem Führer der faschistischen British National Party Nick Griffin, um sich an einer Debatte über den Antrag "Dieses Haus glaubt, dass sogar Extremisten ein Recht auf freie Meinungsäußerung haben", zu beteiligen. Die WSWS schrieb damals:„Die OU hat den Fokus ihrer Kampagne für Meinungsfreiheit auf ganz andere Gesetze gerichtet: Sie kritisiert Gesetze, die von der Regierung gegen die Aufwiegelung zu religiösem Hass erlassen wurden" und hat eine Diskussionsveranstaltung inszeniert "in der die staatliche Zensur so dargestellt wurde, als richte sie sich in erster Linie gegen Rechtsextreme."

* Und so ging es weiter. Im Jahr 2014 hielt der Gründer der English Defence League, Tommy Robinson, eine Rede vor der OU, nachdem ihm davor zweimal abgesagt wurde.

Die politische Entwicklung der OU entspricht dem Rechtsruck der Bourgeoisie und der schlimmsten Elemente innerhalb der wohlhabendsten Schichten des oberen Kleinbürgertums, aus denen ein erheblicher Teil der Studentenschaft der Eliteuniversitäten stammt. Tatsächlich steht sie in diesem Prozess an erster Stelle und zieht die künftigen Macher der bürgerlichen Politik und Finanz an - die ihrerseits von der Politik Le Pens und ihresgleichen angezogen werden, wie Motten vom Licht.

In dieser Hinsicht sollte man darauf hinweisen, dass Le Pen im Jahr 2013 auch vor der Cambridge Union Society sprach, wenn auch weniger begeistert als in Oxford. Cambridge hatte im Jahr 2003 zudem eine Einladung für Irving - der im Rahmen der Diskussion über "freie Meinungsäußerung" und die angebliche Diskriminierung von Rechtsextremen eine Rede halten sollte - aufgrund von Widerstand stillschweigend zurückgezogen.

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