Perspektive

„Jihadi John“, der Imperialismus und der Islamische Staat

Die Washington Post enthüllte am Donnerstag vor einer Woche die Identität von „Jihadi John“, dem Mitglied des Islamischen Staates (IS), der in den grauenhaften Videos zu sehen ist, die die Enthauptung der amerikanischen Journalisten James Foley und Steven Sotfloff sowie der beiden britischen Entwicklungshelfer David Haines und Alan Henning zeigen.

Die Post identifizierte das IS-Mitglied als Mohammed Emwazi, einen sechsundzwanzigjährigen gebürtigen Kuwaiter, der in London aufgewachsen ist. In einem CNN-Bericht wurde er als „Brite aus einer begüterten Familie“ beschrieben, der in West-London aufgewachsen ist und die Hochschule mit einem Abschluss als Computerprogrammierer abgeschlossen hat.

Die Berichterstattung der Medien über diese Identifizierung war dominiert von Diskussionen über die Psychologie des Terrorismus und die Rolle islamistischer Ideologie sowie Spekulationen darüber, warum jemand mit einem solchen Hintergrund solche barbarischen Taten verüben sollte.

All diese Banalitäten sind Teil einer bewussten Vertuschungskampagne. Die zentrale Enthüllung wird bewusst in den Hintergrund gedrängt: die Tatsache, dass „Jihadi John“ dem britischen Geheimdienst bekannt war, der ihn zweifelsfrei identifizieren konnte, sobald sein Bild und seine Stimme erstmals auf IS-Videos auftauchten.

Der britische Sicherheitsdienst MI5 hat nicht nur sein Bewegungsprofil sorgfältig überwacht, sondern auch aktiv versucht, ihn als Informanten und verdeckten Agenten zu rekrutieren. Wie es der britische Guardian am Donnerstag formulierte, wird der MI5 „ernste Fragen“ über seine Beziehungen zu Emwazi beantworten müssen.

Eine der wichtigsten Fragen ist die, ob der Geheimdienst ihn tatsächlich rekrutiert hat. Mit anderen Worten: wusste der MI5, dass Emwazi nach Syrien ging, und hatte er das genehmigt?

Auch wenn Zweifel bestehen, ob Emwazi rekrutiert wurde, so ist doch klar, dass andere IS-Kämpfer rekrutiert wurden. Wie die BBC berichtete, hat sich der britische Geheimdienst aus „operativen Gründen“ geweigert, Emwazis Namen zu nennen. Der Sender fügte hinzu: „Die Praxis der Geheimdienste, Sympathisanten des Dschihad als Mitarbeiter zu rekrutieren, wird vermutlich fortgesetzt werden. Es wird angenommen, dass sowohl Großbritannien als auch die USA Informanten in Raqqa, der 'Hauptstadt' des Islamischen Staats haben. Dennoch scheint das kaum geholfen zu haben, die Taten von Mohammed Emwazi zu verhindern oder ihn zur Rechenschaft zu ziehen."

Im Grunde ist der Fall von „Jihadi John“ vor allem wegen seiner Aussagen über die tatsächliche Beziehung zwischen dem westlichen Imperialismus und dem IS von Bedeutung. Letzten Endes ist der IS ein Produkt der Interventionen Washingtons und seiner Verbündeten in der Region.

Weder im Irak noch in Syrien und ebenso wenig in Libyen gab es bewaffnete islamistische Bewegungen, bevor der US-Imperialismus in diesen Ländern aktiv wurde, um säkulare arabische Regierungen zu stürzen.

Es ist nicht nur so, dass diese Bewegungen aus dem Chaos, dem Tod und der Zerstörung entstehen, die das US-Militär und die CIA in diesen Ländern entfesselt haben, und die bisher über eine Million Todesopfer gefordert und ganze Gesellschaften zerstört haben.

Der IS ist, genau wie davor Al Qaida, eine Schöpfung des amerikanischen und westlichen Imperialismus, der mit klaren strategischen Absichten auf die Bevölkerungen der Region losgelassen wurde. In Libyen stellten die Islamisten, die mittlerweile mit dem IS verbündet sind, die wichtigsten Bodentruppen für den Nato-Krieg zum Sturz von Muammar Gaddafi. In Syrien haben der IS, die mit Al Qaida verbündete al Nusra-Front und ähnliche islamistische Milizen eine vergleichbare Rolle im Krieg gegen Syrien gespielt, der von Washington und seinen Verbündeten unterstützt wird.

Nach allen Schilderungen stellen die sogenannten „ausländischen Kämpfer“ den größten Teil der „Rebellen“, die in den letzten dreieinhalb Jahren versucht haben, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu stürzen. Schätzungen zufolge sind es über 20.000. Die Rekruten stammen aus ganz Europa, Nordamerika, Zentralasien und anderen Teilen der Welt.

Die Medien stellen das massenhafte Eintreffen dieser Kämpfer in Syrien zwar als Mysterium dar, doch die Frage, wie sie dort hingekommen sind, lässt sich leicht beantworten. Die CIA, der MI5 und andere westliche Geheimdienste haben nicht nur weggesehen, wenn Islamisten aus ihren jeweiligen Ländern auf die Schlachtfelder in Syrien gereist sind, sondern haben sie sogar aktiv dazu ermuntert. Die Türkei, ein wichtiger Verbündeter der USA, hat es diesen Elementen leicht gemacht, über ihre Grenze nach Syrien einzudringen.

Man sollte nicht vergessen, dass die westlichen Regierungen und Medien Kräfte wie den IS in Syrien als demokratische „Revolutionäre“ dargestellt haben, die einen fortschrittlichen Kampf gegen einen Tyrannen führen. Der Krieg wurde durch geplante Provokationen geschürt und als Rechtfertigung für eine „humanitäre“ Intervention benutzt.

Die größtenteils islamistischen „Rebellen“ haben Waffen und Geld erhalten, während Washington und seine Verbündeten ihre Drohungen einer direkten Intervention stetig verschärft haben. Die Obama-Regierung stand im September 2013 kurz davor, eine brutale Bombardierung Syriens zu beginnen, musste jedoch angesichts von unerwartet starkem Widerstand einen taktischen Rückzug antreten.

Die islamistischen Kräfte in Syrien fühlten sich betrogen. Genau wie die kubanischen Konterrevolutionäre der CIA in der Schweinebucht vor einem halben Jahrhundert warteten sie vergeblich auf die versprochene amerikanische Luftunterstützung und griffen deshalb zu Vergeltungsaktionen. Das führte letzten Endes nicht nur zu den Enthauptungen westlicher Geiseln, sondern auch zu dem Debakel der von den USA ausgebildeten irakischen Armee.

Washington hat die vom IS durchgeführten Enthauptungen scheinheilig ausgenutzt, um Unterstützung für seine neue Intervention im Nahen Osten zu gewinnen. Als der IS und seine Verbündeten jedoch ähnliche Verbrechen an syrischen Alawiten, Christen und gefangenen Wehrpflichtigen der syrischen Armee verübte, sah die Obama-Regierung weg.

Der britische Premierminister David Cameron verteidigte nach den Enthüllungen über „Jihadi John“ die Geheimdienste des Landes und beschrieb deren Mitglieder als „unglaublich beeindruckend, hart arbeitend, überzeugt und mutig“. Er erklärte seine Sympathie für sie angesichts der „unglaublich schwierigen Entscheidungen“, die sie fällen müssten. Er betonte, es das wichtigste sei, „hinter ihnen zu stehen“.

Wenn Großbritannien eine funktionierende Demokratie wäre, würde sich ein Parlamentsausschuss mit den Enthüllungen über die Rolle des MI5 und seiner Beziehungen zu Mohammed Emwazi und dem IS im Allgemeinen beschäftigen. Er könnte möglicherweise die Regierung zu Fall bringen.

In London wurde die Regierung jedoch, genau wie in Washington, größtenteils vom Militär- und Geheimdienstapparat übernommen und dessen Verbrechen werden systematisch mit Hilfe der gefügigen Mainstreammedien gedeckt.

Die Enthüllungen zeigen Arbeitern in Großbritannien, den USA und weltweit die Notwendigkeit eine wirkliche Antikriegsbewegung auf der Grundlage eines sozialistischen und internationalistischen Programms aufzubauen, die unnachgiebig gegen alle Versuche kämpft, die Verbrechen des IS, einem „Frankensteinschen Monster“ des Imperialismus auszunutzen, um die Verschärfung der Kriegspolitik nach Außen und der Unterdrückung im Innern zu rechtfertigen.

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