US-Generalstabschef fordert höhere britische Militärausgaben

In einem Exklusiv-Interview mit dem Telegraph hat sich General Raymond Odierno, der US-Generalstabschef, besorgt über die Höhe der britischen Militärausgaben geäußert. „Ich würde lügen, wenn ich verschweigen würde, dass ich über die Investitionen gemessen am BIP [Bruttoinlandsprodukt] in Großbritannien sehr besorgt bin“, sagte er.

„In der Vergangenheit hatten wir an der Seite jeder amerikanischen Division immer auch eine britische Division. Heute dürfte es vielleicht noch eine britische Brigade innerhalb einer amerikanischen Division sein, oder gar ein britisches Bataillon innerhalb einer amerikanischen Brigade.“

Es gehe darum, einen „Partner“ zu haben, „der praktisch unsere Werte und Ziele teilt“, sagte er weiter, und fügte hinzu: “Wir alle müssen in der Lage sein, zu investieren und zusammen zu arbeiten.”

Odierno sprach mit Con Coughlin vom Telegraph am Rande einer Konferenz über die „Zukunft des Kriegs”. Die Denkfabrik New America Foundation hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen. Darin sollte es um die Frage gehen, inwiefern „sowohl die Entwicklung der technologischen Kriegsführung, als auch die Feinde, mit denen wir konfrontiert sind, die herkömmlichen Grenzen zwischen ‘Krieg’ und ‘Frieden’ verwischen“.

Laut Coughlin hatten die USA „seit Ende des Kalten Kriegs vor über zwanzig Jahren noch niemals ernsthafte Zweifel an Großbritanniens Fähigkeit, ein wichtiger militärischer Verbündeter zu sein, wenn die westliche Allianz vor Gefahren stand. Bis heute.”

Odierno habe nun aber erklärt, dass die Kürzungen im britischen Verteidigungshaushalt das amerikanische „Vertrauen in unser Engagement für die globale Sicherheit“ untergraben hätten.

Coughlin ereiferte sich darüber, dass die britische Regierung nicht in der Lage sei, die Verteidigungsausgaben von den Sparmaßnahmen auszuklammern. Er klagte, dies habe die globale Militärpräsenz Großbritanniens beeinträchtigt und gefährde das transatlantische Bündnis.

Er schrieb: „Vor den anstehenden Wahlen lautet die große Frage, ob die Bedenken ranghoher amerikanischer Persönlichkeiten irgendeine der großen Parteien dazu bewegen, in ihrem Wahlprogramm der Verteidigung eine prominente Stellung einzuräumen.”

The Telegraph-Artikel ist Teil einer militaristischen Kampagne, welche die weit verbreitete Antikriegsstimmung in der Bevölkerung untergraben soll.

Auf dem Nato-Gipfel im vergangenen September in Wales haben die USA und die EU eine stärkere Militarisierung Europas beschlossen. Sie einigten sich darauf eine 5.000 Mann starke, gegen Russland gerichtete Schnelle Eingreiftruppe und neue NATO-Kommandoposten in sechs östlichen Mitgliedsstaaten an den Grenzen zu Russland einzurichten. Insgesamt wurden rund 30.000 Nato-Soldaten in Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Bulgarien stationiert.

Zusätzlich verpflichten sich alle 28 Mitgliedstaaten darauf, mindestens zwei Prozent des BIP für das Militär auszugeben. Großbritannien ist eines von nur vier Ländern, die gegenwärtig dieses Ziel erfüllen. Die Regierung besteht darauf, dass dies so bleibt, trotz der vor kurzem erneut verschärften Sparmaßnahmen.

Das Verteidigungsministerium unterstrich jüngst seine Verpflichtung, im nächsten Jahrzehnt 163 Milliarden Pfund (224 Milliarden Euro) für das Militär auszugeben. Das Geld ist unter anderem für Jagdbomber, Überwachungsflugzeuge, U-Boote, zwei Flugzeugträger und die neuesten gepanzerten Fahrzeuge bestimmt.

Die britische Regierung hat bereits 1000 Soldaten für die Nato-Truppen an der russischen Grenze zugesagt und „militärische Ausbilder”“ in die Ukraine geschickt. Waffenlieferungen an das rechte Regime in Kiew schließt sie nicht aus. Letzte Woche haben britische Truppen an der provokativen Parade des US-Militärs in Estland teilgenommen, die bis zu 300 Meter an die russische Grenze heranführte.

Dabei könnte jeder Vorfall, egal wie trivial, eine Katastrophe auslösen.

Die Konservativen, aber auch Labour und die Liberaldemokraten wollen jede Diskussion über die möglichen Folgen der NATO-Aktionen vermeiden, denn am 7. Mai finden in Großbritannien Parlamentswahlen statt. Ebenso wenig wird eine Partei offen zugeben, dass die Militärausgaben sogar noch erhöht werden sollen, während die Ausgaben für Schulen, Krankenhäuser und andere lebenswichtige Dienstleistungen weiter gekürzt werden.

Der Economist kommentierte: „Die Aktionen im Irak und in Afghanistan werden von einer unzufriedenen, selbstbezogenen nationalen Stimmung als zu kostspielig und erfolglos wahrgenommenen. Im August 2013 haben sie der Regierung im Fall Syriens eine Niederlage beigebracht. Dadurch ist das politische Establishment ängstlich geworden; es setzt sich nicht mehr vorbehaltlos für das ein, was der Chef des Verteidigungsstabes, General Sir Nick Houghton, in einer Rede vor Weihnachten mit folgenden Worden beschrieb: ‘Eine größere Rolle, einen größeren Ehrgeiz, ein Platz jenseits des Gewöhnlichen (...) eine Nation, die ebenso viele Werte wie Interessen hat und die der Ansicht ist, dass ihr in der Welt eine Führungsrolle zukommt’.”

Kurz vor dem Interview mit Odierno soll Präsident Barack Obama den Premierminister David Cameron gewarnt haben, die britischen Militärausgaben im Januar seien zu niedrig gewesen. Das Thema kam in mehreren Interviews mit ehemals führenden Nato-Größen zur Sprache, darunter die ehemaligen Generalsekretäre Anders Fogh Rasmussen und Jaap de Hoop Scheffer.

Ein Flügel der herrschenden Elite nutzt nun diese Kritik, um vor den Wahlen höhere Verteidigungsausgaben anzumahnen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass sich immer mehr hochrangige Offiziere in diese Kampagne einschalten.

Die Spannungen sind so stark, dass Cameron Berichten zufolge im letzten Monat General Houghton zurück pfiff. Houghton sollte bei einer Konferenz in der Denkfabrik Chatham House eine Rede mit dem Titel „Aufstrebende Mächte und künftige Zusammenarbeit bei der Verteidigung“ halten, aber die Downing Street legte ihr Veto gegen seinen Auftritt ein, nachdem sie eine Kopie seiner Rede und die darin enthaltene Regierungskritik gelesen hatte.

Luftmarschall Sir Michael Graydon, ein ehemaliger Chef der Royal Air Force, kritisierte diese Absage. In einem Brief an die Times bezeichnete Graydon sie als „sehr bedauerlich“. Houghton „hätte sagen können, dass unsere Glaubwürdigkeit in Europa (...) gleich Null ist, solange sich das Vereinigte Königreich auf einen minimalen Verteidigungshaushalt von zwei Prozent des BIP verpflichtet“, schrieb Graydon. (Hervorhebung hinzugefügt).

Admiral Lord West of Spithead, ehemaliger Leiter der Royal Navy, ging noch weiter. West zitierte Lord Nelson: „Ich hasse deine Feder und alle Tintenmänner; die beste Verhandlungsführung in Europa ist eine Flotte von britischen Kriegsschiffen.“ In einem Brief an die Times schrieb West, höhere Verteidigungsausgaben seien notwendig, um „Leute wie Putin und andere [wissen zu lassen], dass wir es mit Verteidigung, Härte und Macht ernst meinen“.

Nur wenige Tage nach Houghtons verhindertem Auftritt wandte sich General Sir Adrian Bradshaw, der ranghöchste britische Nato-Offizier, an das Royal United Services Institute. Er warnte vor „einer Zeit des ständigen Wettbewerbs mit Russland“, die sich auch fiskalisch bemerkbar machen werde. Er bezeichnete den Nato-Aufmarsch in Osteuropa als notwendig, „um Russland oder jeden anderen feindlichen Staat zu überzeugen, dass jeder Angriff auf ein Nato-Mitglied zwangsläufig in einen Konflikt mit dem ganzen Bündnis führt“.

Am Samstag betonte Sir John Sawers, ehemaliger Chef des Geheimdienstes MI6, in der Radiosendung „Today“ der BBC, Russland stelle „eine Bedrohung“ dar. Das Vereinigte Königreich müsse Maßnahmen ergreifen, um sich selbst und seine Verbündeten zu verteidigen. „Es ist entscheidend, dass wir in der Lage sind, alle unsere Verteidigungsverpflichtungen zu erfüllen, und ich denke, das erfordert eine Trendwende bei den Verteidigungsausgaben“, erklärte er.

Am selben Wochenende forderte der ehemalige Chef des Heeres, General Sir Peter Mauer, die großen Parteien auf, sich öffentlich auf höhere Verteidigungsausgaben zu verpflichten. Im Gespräch mit BBC Radio 4 sagte Wall: „Wir Militärs würden gerne öffentliche Verpflichtungen hören, dass die Verteidigungsausgaben auf ein bestimmtes Niveau angehoben werden. Wir finden es beunruhigend, dass sich alle Parteien damit zufrieden geben, dass sie so etwas im Moment nicht sagen können.“

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