Griechenland: EZB verlangt noch schärfere Kürzungen für weitere Kredite

Die Finanzminister der Eurozone trafen sich am Montag, um eine Reihe von Vorschlägen der griechischen Syriza-Regierung zu diskutieren, die auf der Grundlage des Kürzungsprogramms erstellt wurden, auf das sich beide Seiten am 20. Februar geeinigt hatten. Von Griechenland war verlangt worden, eine Liste von Vorschlägen vorzulegen, die von seinen Kreditgebern akzeptiert werden mussten. Das ist die Vorbedingung für die Auszahlung einer ausstehenden Kredittranche von 7,2 Milliarden Euro und eventuellen weiteren Krediten.

Das Treffen der Eurogruppe war schon nach 90 Minuten beendet. Das war ein klares Zeichen, dass es keinerlei Bereitschaft gab, von der endgültigen Durchsetzung des Kürzungspakets abzuweichen. Die Finanzminister stimmten überein, die Gespräche über „technische Einzelheiten“ zwischen Griechenland und seinen wichtigsten Kreditgebern, der Europäischen Union (EU) der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) am heutigen Mittwoch zu beginnen.

Der Vorsitzende der Eurogruppe Jeroen Dijsselbloem sagte auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen: „Wir haben die letzten zwei Wochen damit verbracht zu diskutieren, wer wen wo und in welcher Zusammensetzung treffen wird. Das war pure Zeitverschwendung…”

Es sei nötig, dass die Eurogruppe „Anzeichen“ dafür sehe, „dass die Reformen umgesetzt werden“. Dijsselbloem warnte, dass es „keine Gespräche über eine vorzeitige Auszahlung geben kann, wenn keine Übereinkunft erzielt und nichts umgesetzt wird“. Die griechische Regierung hatte der Eurogruppe versprochen, sie werde keine einseitigen Maßnahmen unternehmen, die Kürzungen zurückzufahren, die bereits umgesetzt wurden.

Wenn Griechenland die Milliarden-Euro-Kredite nicht erhält, wird das Land mit seiner Auslandsverschuldung von 320 Milliarden Euro in wenigen Wochen insolvent sein. Das Treffen der Eurozone wurde von Warnungen begleitet, dass die griechischen Banken wegen mangelnder Liquidität und des Abzugs von Einlagen die Wirtschaft nicht mehr finanzieren könnten.

Im Januar und Februar sind fast 20 Milliarden Euro von den Bankkonten abgehoben worden. Zwischen den Bankeinlagen und der Kreditbilanz, die 210 Milliarden Euro übersteigt, klafft eine Finanzierungslücke von 80 Milliarden. Die Banken haben nur vorläufig Zugang zu den Notfall-Liquiditätshilfen (ELA) der EZB, der jederzeit geschlossen werden kann.

Ein leitender Bankmanager sagte gegenüber der griechischen Tageszeitung Kathimerini: „Wie die Dinge stehen, ist es uns einfach unmöglich, die Wirtschaft zu finanzieren, da wir nur gerade eben die von unseren Kunden benötigten Barauszahlungen machen können.“

Letzten Freitag hatte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis der Eurogruppe einen Brief mit einer Liste von sechs Reformvorschlägen überreicht. Danach sollten unter anderem Studenten und sogar Touristen angeheuert werden, um als „nicht professionelle“ Steuerprüfer tätig zu werden, sowie vage „antibürokratische“ Initiativen und Maßnahmen ergriffen werden, um Einnahmen aus online-Glücksspielen zu erzielen. Der Brief wurde nicht annähernd als ausreichend eingestuft.

Unmittelbar nach ihrer Amtsübernahme begann Syriza vor den Forderungen des internationalen Kapitals zu kapitulieren und betonte, sie hätte schon 70 Prozent der bereits beschlossenen Kürzungsmaßnahmen akzeptiert. Zu Syrizas jüngsten Vorschlägen sagte Dijsselbloem: „Diese Vorschläge werden keinesfalls als Ersatz für die 30 Prozent akzeptiert werden, die sie ersetzen wollen.“

In einem Brief an Varoufakis betonte er, dass die Vorschläge auch von der EZB und dem IWF evaluiert und gebilligt werden müssten.

Der Vizepräsident der Europäischen Kommission Valdis Dombrovskis wies den Brief aus Griechenland umgehend zurück und sagte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Ein Brief hin oder her ändert nicht viel.“

Seit der Vereinbarung vom Februar hat die EZB die Daumenschrauben angezogen und besteht darauf, dass die massiven Kürzungsmaßnahmen fortgesetzt und Griechenlands Schuldenberg zurückgezahlt werden müsse. Das Mitglied des EZB-Rats Luc Coene erklärte am Samstag in der belgischen Tageszeitung De Tijd, dass Griechenland neue Kürzungsmaßnahmen durchführen oder sich mit dem Austritt aus der Eurozone abfinden müsse, was „zehnmal schlimmer für das Land wäre“.

Er fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass es einen anderen Ausweg gibt … Syriza hat Versprechen gemacht, die sie nicht halten kann” und das „griechische Volk wird bald verstehen, dass ihm falsche Versprechungen gemacht wurden.“

Dann drohte er: „Reform ist der einzige Weg … Sagt mir, wo das Geld herkommen soll, wenn die Griechen keine Reformen wollen und das Geld nicht an die anderen europäischen Länder zurückzahlen wollen.“

Als sie im Februar einer Verlängerung des Austeritätsprogramms zustimmten, das von der früheren Nea Demokratia/PASOK-Regierung vereinbart worden war, kündigten Varoufakis und Premierminister Alexis Tsipras, absurderweise an, dass sie der weithin verhassten Troika aus EU, EZB und IWF nicht länger Rechenschaft schuldig wären. Sie erklärten, dass diese nicht wieder nach Athen kommen und die Kürzungen beaufsichtigen werde. In Wirklichkeit hatten sie einer weiteren Unterordnung Griechenlands unter die Mitglieder der Troika zugestimmt, die sie nun lediglich als die „Institutionen“ bezeichnen.

Dieser Taschenspielertrick war das einzige „Zugeständnis“, das die griechische Regierung in ihren fast einmonatigen Verhandlungen erreicht hat.

In Wirklichkeit läuft wie seit 2010 alles nach den Vorgaben der Troika weiter. Selbst die Umbenennung der Troika wurde fallengelassen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und Dijsselbloem benutzten das Wort mehrmals auf dem Treffen der Finanzminister der Eurozone am Montag. Die Troika ist weit davon entfernt, die Aufsicht über die griechische Regierung in Athen einzustellen. Laut Dijsselbloem werden weitere Gespräche mit sowohl in Griechenland als auch in Brüssel stattfinden.

Das Verhalten der Minister der Eurozone der griechischen Regierung gegenüber entlarvt die Rücksichtslosigkeit dieser kapitalistischen Bande. Den griechischen Wählern, die auf Grund der Wahlversprechens Syrizas für die Partei stimmten, wurde signalisiert, dass ihre Stimmen nichts wert sind. Die Finanzaristokratie und ihre Institutionen werden nichts dulden, was der Umverteilung des Reichtums von den Armen zu den Reichen im Weg stehen könnte.

Die Antwort der herrschenden Klasse auf die griechische Katastrophe entlarvt die betrügerische Perspektive, mit der Syriza die Wahlen gewann. Syriza hatte behauptet, es sei möglich das Schuldenprogramm auf der Grundlage des Verbleibens in der Eurozone neu zu verhandeln. Teile der herrschenden Elite davon zu überzeugen sei der einzig realistische Weg vorwärts. Stattdessen wurde Syriza innerhalb weniger Tage gezwungen, sich dem Druck zu beugen, und kapitulierte.

Die griechische Regierung dementierte am Sonntag, Kommentare über angebliche Äußerungen von Varoufakis in einer italienischen Zeitung, dass Athen überlege, Neuwahlen oder ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft anzusetzen, wenn seine Vorschläge nicht akzeptiert würden.

Selbst nachdem sein Brief brüsk abgelehnt worden war, war Varoufakis das ganze Wochenende damit beschäftigt, Illusionen in die EU zu verbreiten. Er anzuerkannt zwar, dass sein Vorschlag, die gegenwärtigen Schulden Griechenlands durch Eurobonds zu ersetzen, die an das nominale Wachstum gebunden wären, mit „Stillschweigen“ quittiert worden sei. Dennoch bettelte er: „ Ich möchte, dass Europa versteht, dass dies ein Weg wäre, mehr und nicht weniger Geld zurückzuzahlen.“

Während ein Teil der herrschenden Elite über die Auswirkungen eines möglichen „Grexit“ auf die Stabilität der fragilen europäischen Wirtschaft Europas besorgt ist, fordern andere Stimmen, dass Griechenland erlaubt werden solle, die Eurozone zu verlassen, wenn es nicht noch tiefere Kürzungen durchführt. Sie wollen damit unterstreichen, dass es weder in Griechenland noch irgendwo sonst in Europa ein Nachgeben in den Sparprogrammen geben dürfe.

Bei einem Forum der Financial Times, dem FT City Network, das sich aus 50 der einflussreichsten Finanzleute, Fondsmanager und Versicherungsvertretern der City of London zusammensetzt, beschrieben Robert Swannell, der Vorstandsvorsitzende von Marks and Spencer und Stephen Hester, der Chef der RSA Versicherung die Lage Griechenlands in der Eurozone als der „eines Kaisers ohne Kleider“.

Die Financial Times zitierte Hester: „Die Eurozone sollte eine aggressivere Haltung einnehmen und Griechenland zum Grexit veranlassen, wenn die Regierung sich sträubt, weitere Reformen durchzuführen. Wenn Griechenland nicht bereit ist, genügend zu reformieren, um drin zu bleiben, dann sollte die EU nicht die politische Gefahren riskieren, Griechenland weiter entgegen zu kommen, da dies zum Stillstand der Reformen in anderen Mitgliedsstaaten führen könnte.“

Loading