Kapitulation von Syriza vor der EU entlarvt Podemos in Spanien

Die Kapitulation der Syriza-Regierung vor den Banken hat die hohlen Phrasen sämtlicher pseudolinker Parteien bloßgestellt. Das gilt in besonderem Maße für Podemos in Spanien

Die kleinbürgerliche Gruppe Antikapitalistische Linke (IA) und ein Klüngel stalinistischer Akademiker von der Universität Complutense in Madrid, deren Kopf der 36-jährige Professor und Fernsehmoderator Pablo Iglesias ist, gründeten 2014 Podemos. Die Gruppe bezeichnete Syriza offen als ihr Vorbild und strebte danach, sie als Bündnispartner zu gewinnen. Inzwischen kommt Podemos bei Umfragen auf 25 Prozent der Wählerstimmen. Sie profitiert davon, dass die konservative Volkspartei und die sozialdemokratische Partei mit der Austeritätspolitik identifiziert werden und hofft, nach den Wahlen im November Teil der neuen Regierung zu werden.

Die Bilanz von Syriza zeigt, dass eine Podemos-Regierung in Spanien dem Imperialismus dienen und mit äußerst rechten Kräften gegen die Arbeiterklasse zusammenarbeiten würde.

Die führenden Köpfe von Podemos spenden den Angriffen von Syriza auf die Arbeiter bereits Beifall. Am 20. Februar unterzeichnete Syriza eine Vereinbarung mit der EU, mit der sie ihr Versprechen aufgab, den Austeritätskurs zu beenden und das EU-Austeritätsmemorandum zurückzuweisen. Vier Tage nach dieser Kapitulation legte Syriza Pläne für neue Haushaltskürzungen, Privatisierungen, Einschnitte im Gesundheitswesen und eine Heraufsetzung des Rentenalters vor.

Groteskerweise pries Iglesias Syrizas widerliche Kapitulation vor der EU als Beweis für Syrizas kämpferische Haltung. „Es gibt etwas zu feiern. Endlich gibt es in Südeuropa eine Regierung, die verhandelt und keinen Kniefall macht. Es ist ihr zum Glück gelungen, eine Vereinbarung auszuhandeln, eine vernünftige Vereinbarung, die sie in Ruhe ihre Regierungsarbeit verrichten lässt“, meinte er gegenüber Telecino News.

Iglesias‘ Unterstützung für Syrizas Angriffe auf die griechische Arbeiterklasse ergibt sich logisch aus der Tatsache, dass Podemos schon vor den Wahlen am 25. Januar Syriza über längere Zeit unterstützt hatte.

Syriza-Führer Alexis Tsipras, inzwischen griechischer Ministerpräsident, hat monatelang eng und öffentlich mit Iglesias zusammengearbeitet. Im Juli 2014 trafen beide in Athen zusammen, um die Aktivitäten ihrer Parteien mit dem Ziel zu koordinieren, in beiden Ländern „linke“ Regierungen zu bilden. Bei ihrem nächsten Treffen im Oktober riefen sie eine „Allianz für politische Veränderung“ ins Leben. Bei der Gelegenheit nannte Iglesias Syriza „den natürlichen Verbündeten von Podemos in Griechenland“, und Tsipras schwärmte: „Podemos kann eine weitere Syriza für Europa werden, die Syriza Spaniens.“

Beim Gründungskongress und der Wahl ihrer Führung im November erhielt Podemos nicht nur Applaus von Tsipras, der selbst anwesend war, sondern auch vom Sprachrohr des europäischen Finanzkapitals, der Londoner Financial Times. „Die radikale Linke hat Recht in der europäischen Schuldenfrage“, hieß ihr Kolumnist Wolfgang Münchau Podemos‘ Finanzpolitik gut: „Das Establishment fürchtet, dass diese Politik das Land in das Venezuela Europas verwandeln könnte. Doch die Aussage, dass Schulden umstrukturiert werden müssen, wenn sie nicht mehr tragbar sind, wird von allen geteilt.“

Im Januar setzten führende Podemos-Mitglieder, darunter Teresa Rodriguez von IA, die für Podemos im Europäischen Parlament sitzt und bei der Wahl am Sonntag in der südlichen Region Andalusien Kandidatin der Partei ist, ihren Namen unter ein Manifest, das zur Stimmabgabe für Syriza aufrief. Es müsse verhindert werden, erklärte Rodriguez, „dass die Demokratie von den Märkten besiegt wird. Wir sind überzeugt, dass das griechische Volk an der Wahlurne für den Rausschmiss der Diebe stimmen wird.“

Die Liebesheirat war perfekt, als Iglesias am 22. Januar an Syrizas Wahlparty teilnahm. Händehaltend standen er und Tsipras vor Syriza-Anhängern und riefen „Syriza, Podemos, wir werden siegen.“ Iglesias sagte: „Der Wind demokratischer Veränderungen weht bereits. Die Veränderung in Griechenland heißt Syriza, in Spanien Podemos. Hoffnung kommt auf.“

Diese Sprechblasen platzten bereits weniger als einen Monat nach Syrizas Wahlsieg. Einige Wochen lang bereisten Syriza-Politiker die wichtigsten europäischen Hauptstädte und Börsenplätze. Es kam ihnen nicht in den Sinn, an die breite Ablehnung der Austeritätspolitik in der europäischen Arbeiterklasse zu appellieren; stattdessen kapitulierten sie bereitwillig vor der EU, den Banken und der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds.

Podemos hat nicht nur die Kürzungsmaßnahmen von Syriza gutgeheißen, sondern auch Syrizas Koalition mit der weit rechts stehenden Partei der Unabhängigen Griechen (Anel), eine nationalistische, antisemitische Abspaltung von der rechten Partei Neue Demokratie (ND). „Wir empfinden größten Respekt für die von Syriza erzielten Vereinbarungen“, erklärte Iglesias und fügte hinzu: „Ich zweifle nicht daran, dass Syriza sich vom Wichtigsten leiten lassen wird, vom Programm, und nicht von Etiketten.“

In der Tat ist das Programm wichtiger als Etiketten: Syrizas rechtes Programm hat die „linken“ Etiketten, mit denen die bürgerlichen Medien und befreundete pseudolinke Parteien wie Podemos bei ihrer verlogenen Propaganda für eine Regierung Tsipras Syriza geschmückt haben, völlig ad absurdum geführt.

Bei ihrer Lobhudelei für Syriza ist sich Podemos völlig im Klaren darüber, dass Tsipras vor der EU kapituliert hat. Sorgfältig hat sie vermieden zu erwähnen, dass Syriza ihre Wahlversprechen gebrochen hat, und argumentiert nun, dass sie gegenüber der EU eine härtere Linie einschlagen würde als Syriza – und das, noch bevor Syriza die Vereinbarung mit der EU unterzeichnete.

Kurz nach den Wahlen in Griechenland sagte Iglesias, Spanien „ist die viertstärkste Wirtschaftsmacht der Eurozone und wird nicht von der Bundesbank bedroht“. Spanien sei in einer besseren Position als Griechenland, weil „niemand unsere Hausaufgaben an unserer Stelle erledigt“. Er brüstete sich, dass Podemos Investoren und Botschafter treffe, auch den Botschafter der Vereinigten Staaten, und Leute, mit denen er „nicht übereinstimme“. Iglesias fügte hinzu, er treffe sich sehr gerne „mit jedermann“, auch mit Angela Merkel.

Iñigo Errejón, der an der Complutense Doktorand war und jetzt politischer Sekretär von Podemos ist, äußerte sich ähnlich gegenüber der Tageszeitung El País: „Spanien ist nicht Griechenland. Spanien ist die viertstärkste Wirtschaftsmacht Europas, und unser Verhandlungsspielraum ist größer. Auch unsere institutionellen, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen sind anders.“

Das ist politischer Betrug. Syriza kapitulierte nicht vor dem EU-Austeritätsrogramm, weil Griechenland kleiner als Spanien oder Deutschland ist, sondern weil Syriza das kapitalistische System uneingeschränkt verteidigt. Sie ist eine bürgerliche Partei, die sich auf privilegierte Teile der Mittelklasse stützt, die der sozialen Revolution und der Arbeiterklasse organisch feindselig gegenüberstehen. Von Anfang an hat sie den bestehenden Rahmen der EU und des Euro unterstützt, d. h. das Europa der Banken.

Bei einer Regierungsübernahme in Madrid würde Podemos gegenüber den Arbeitern die gleiche Haltung einnehmen. Nach einem Rückgang der Wirtschaft um sieben Prozent sind etwa ein Viertel der spanischen Arbeiter und mehr als fünfzig Prozent der spanischen Jugendlichen arbeitslos. Der Blick über die Polizeikordons vor dem Moncloa-Palast auf die demonstrierende Bevölkerung würde einen Premierminister Iglesias ebenso in Schrecken vor den Arbeitern versetzen wie Tsipras oder den amtierenden spanischen Premier Manuel Rajoy.

Wenn überhaupt, dann unterscheidet sich Iglesias von Tsipras nur dadurch, dass seine Rhetorik noch seichter und rechter ist. Als Iglesias im Februar der Wall Street im Anschluss an den Besuch von Tsipras bei seinen CIA-Kontakten bei der Brookings Institution in Washington, DC, einen Besuch abstattete trat er im Finanznachrichten-Sender CNBC auf und sang das Loblied auf den Kapitalismus. „Wir gehen von der Realität der Marktwirtschaft aus, auch wenn sie ihre Grenzen hat“, sagte er.

Doch in Wirklichkeit entwickelt sich ein umfassender Zusammenbruch des Kapitalismus. Die soziale Katastrophe in Europa signalisiert das Ende des politischen Gleichgewichts, das aus den Massenkämpfen der 1960er und 1970er Jahre hervorging, die zum Sturz der Generäle in Griechenland 1974 und der Franco-Diktatur in Spanien 1975 führte. Parteien, die viele Jahre die bürgerliche Herrschaft verteidigten und in diesen Krisenjahren gegründet wurden, wie die sozialdemokratische PASOK in Griechenland und die Spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), verlieren dramatisch an Einfluss, weil sie als Werkzeug der EU-Austeritätspolitik und antisozialer Politik diskreditiert sind.

Die Rolle von Syriza und Podemos besteht darin, den Zorn der Massen wirkungslos verpuffen zu lassen, indem sie die Wahl einer anderen bürgerlichen Regierung propagieren. Die populistischen Appelle von Podemos, die die PSOE und die rechte Volkspartei (PP) als „die Kaste“ kritisiert, sind die Pervertierung der explosiven sozialen Wut, die in der Arbeiterklasse gegen die bürgerliche Ordnung gärt. Diese Appelle sind äußerst demagogisch, da die wohlhabenden Mittelschichten in Podemos sich nichts sehnlicher wünschen, als „der Kaste“ anzugehören.

Ihren historischen Ursprung hat diese Perspektive in der Ablehnung der sozialistischen Revolution durch die stalinistischen und pseudolinken Kräfte, die in Podemos organisiert sind. Unter der Franco-Diktatur strebte die Kommunistische Partei Spaniens (PCE) eine „nationale Versöhnung“ zwischen der Arbeiterklasse und den „fortschrittlichen“ Vertretern des spanischen Kapitalismus an, um ein bürgerlich-parlamentarisches System zu verwirklichen. In der ersten Zeit nach Franco würgte die PCE den Widerstand der Arbeiterklasse im Gegenzug für Zugeständnisse ab, die 1978 im Moncloa-Pakt und dem Arbeiterstatut festgeschrieben wurden.

Seit Jahrzehnten dienen die PCE und ihre Satellitenorganisationen, die in der Vereinigten Linken (IU) zusammengeschlossen sind, als Werkzeug der bürgerlichen Ordnung. Iglesias hat daher mit Hilfe von IA und ähnlichen pseudolinken Gruppen, die sich zu Unrecht als „antikapitalistisch“ bezeichnen und im Parlament schwach vertreten sind, Podemos zur Opposition hochstilisiert. Doch die Syriza-Erfahrung reißt ihnen die Maske vom Gesicht.

Diese pseudolinken Kräfte treten jetzt, da die Krise des Kapitalismus Kriege und revolutionäre Kämpfe, wie sie für das 20. Jahrhundert kennzeichnend waren, wieder auf die Tagesordnung setzt, als Hüter der bestehenden Ordnung hervor. Ihre Schlussfolgerung aus der Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten 1991 und der Restauration des Kapitalismus in Osteuropa lautet, dass es zum Kapitalismus keine Alternative gibt. Ihre politische und ideologische Orientierung macht sie zu bezahlten Handlangern des Finanzkapitals.

Weil sie dem bürgerlichen Staat immer direkter dient, macht sich Podemos auch ein Vokabular zu Eigen, das traditionell mit rechter Politik in Verbindung gebracht wird – lobende Worte für die Kirche, die Monarchie und die Armee.

Iglesias hat immer wieder betont, dass er zu jeder Art von politischem Bündnis bereit ist, auch mit offen rechten Kräften, ganz nach dem Muster der Koalition von Syriza mit Anel. In einem Statement über eine mögliche Zusammenarbeit mit der PSOE und der PP erklärte er: „Wir sind keine Sektierer. In programmatischen Fragen werden wir mit niemandem Probleme bekommen.”

Podemos hat auch Gruppen in der Armee gegründet und unterstützt Forderungen der Armee. Iglesias traf mit dem Verband des spanischen Militärs (AUME) zusammen, um „ein politisches Programm aufzustellen, das die unveräußerlichen Bürgerrechte der Angehörigen des Militärs beinhaltet und den Bürgern eine fortschrittliche Vision der Streitkräfte anbietet. Deshalb wird der Koordinierungsrat von Podemos eng mit den Vertretern der Verbände der Streitkräfte zusammenarbeiten.“

Iglesias hat geäußert, er stimme „in Vielem mit Papst Franziskus überein“ und hoffe, ihn persönlich zu treffen, ebenso König Philipp VI, dem Iglesias bescheinigte, „enorme Sympathien“ der spanischen Bevölkerung zu genießen.

Für derlei patriotische Sprüche wird Podemos von der rechten Presse gelobt. Die rechte Tageszeitung El Confidencial schrieb, Podemos erreiche, woran PP und PSOE gescheitert seien: „Iglesias hat den Patriotismus wieder zu den Linken gebracht. Die Linke kann jetzt eine Lösung anbieten, die an ein echtes kollektives Empfinden appelliert, das auf wundersame Weise wieder auflebt, nachdem es Jahrzehnte im hintersten Winkel verstaubte. Das scheint mir so wichtig, von so historischer Bedeutung zu sein, dass ich es unbedingt mit Ihnen teilen musste.“

Bei ihrer Suche nach ausländischen Bündnispartnern appelliert Podemos nicht an die internationale Solidarität in der Arbeiterklasse, sondern an Diplomaten und reaktionäre Politiker.

Iglesias suchte den US-Botschafter in Madrid nach seinem Besuch an der Wall Street auf und nannte die Beziehungen zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten eine „strategische“ Frage. Außerdem lobte er Obama für dessen „nachvollziehbare und vernünftige“ Haltung, der Syriza-Regierung eine „Chance“ zu geben. Er äußerte seine Absicht, zusammen mit dem Botschafter in die USA zu reisen und bot ihm an, Treffen mit Kongressabgeordneten vorzubereiten.

Podemos knüpft gleichzeitig Kontakte mit Teilen der französischen Linksfront. Deren Führer, Jean-Luc Melenchon, ehemaliger sozialdemokratischer Minister, brachte letztes Jahr ein Buch heraus, in dem er das endgültige Ende aller linken Politik verkündete.

Die Arbeiterklasse und die Jugend können nicht mit Syriza und Podemos, sondern nur in einem schonungslosen politischen Kampf gegen sie einen Schritt voran machen. Die zunehmende Klassenunterdrückung und soziale Ungleichheit in ganz Europa ruft nicht nur Kräfte wie Podemos auf den Plan, die der Verteidigungsreflex einer untergehenden Gesellschaftsordnung sind. Die Arbeiterklasse muss und wird sich als unabhängige politische Kraft ebenfalls zu Wort melden.

Die entscheidende Aufgabe ist der Aufbau einer Partei, die dem Kampf der Arbeiterklasse politische Führung und eine sozialistische Perspektive zum Sturz des Kapitalismus gibt. Diese Partei kann nur auf der Grundlage von Trotzkis historischem Kampf gegen den Stalinismus und alle Formen des kleinbürgerlichen Opportunismus entstehen. Jetzt gilt es, Sektionen des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Spanien, Griechenland und ganz Europa aufzubauen.

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