Die Pseudolinken und die libysche Katastrophe

Nicht nur Barack Obama und Hillary Clinton, Nicolas Sarkozy und David Cameron haben das Blut der im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge an den Händen, sondern auch pseudolinke Intellektuelle und Gruppen aus aller Herren Länder, die die imperialistische Intervention unterstützten, den Krieg der USA und der Nato gegen Libyen als „humanitäre“ Rettungsmission bejubelten und behaupteten, die Ereignisse in Libyen seien eine „Revolution“.

Ein Vertreter dieser soziopolitischen Schicht ist der Professor an der Universität von Michigan, Juan Cole, der seine vielfach gelesene Website „Informed Comment“ in ein Propagandainstrument für imperialistischen Krieg verwandelt hat.

In einem „Offenen Brief an die Linke“ schrieb Professor Cole im März 2011: „Ich begrüße und ermutige die Befreiungsbewegung ohne Gewissensbisse und bin froh, dass die vom UN-Sicherheitsrat autorisierte Intervention ihre Vernichtung verhindert hat.“

Sarkastisch schrieb er, er wolle die Linke ermutigen, zu lernen, gleichzeitig Kaugummi zu kauen und spazieren zu gehen. Damit meinte er, sie solle lernen, sich pragmatisch an den Imperialismus anzupassen und „von Fall zu Fall“ zu entscheiden, welche US-Kriege für Regimewechsel sie unterstützen solle und welche nicht.

Er leugnete rundheraus, dass die sogenannte „Befreiungsbewegung“ von Elementen geführt wurde, die mit al-Qaida in Kontakt standen, obwohl es schon damals ausreichend Belege dafür gab, ganz zu schweigen von der blutigen Bestätigung dieser Tatsache seitdem. Er wandte sich heftig gegen die Vorstellung, dass die Obama-Regierung aus einem anderen Grund als aus lautersten „humanitären Motiven“ handle. Behauptungen, dass die USA und ihre imperialistischen Verbündeten die Dominanz über Libyen und seine Ölreserven und die Verdrängung ihrer Rivalen, besonders Chinas, im Sinn hatten, nannte Cole „bizarr“.

Stolz erklärte er: „Wenn die Nato mich braucht, dann bin ich da.“

Coles letzter aussagekräftiger Artikel über Libyen datiert vom Juni 2012. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in dem Land schrieb er einen glühenden Bericht, in dem er sich über „schwarze Legenden über Libyen lustig machte: Dass das Land zu einem gescheiterten Staat geworden und im Chaos versunken sei, überall Milizen herumlaufen würden und jeder zweite ein Sezessionist sei; dass die Übergangsregierung nichts tue und aus der Subsahara stammende Menschen auf den Straßen belästigt würden, usw., usw.“.

Nun, da jedes Element dieser „schwarzen Legenden“ offensichtlich und unbestreitbar ist – was ist Coles Einschätzung heute?

Im Februar schrieb er in einem oberflächlichen Artikel über die Bombardierung Libyens durch Ägypten als Reaktion auf die Massenenthauptung koptischer Christen, dass der IS „in Libyen aufgrund eines Machtvakuums den Fuß in die Tür bekommen habe“. Beruhigend fügte er hinzu: „In revolutionären Staaten bricht oft politische Gewalt aus, wie zum Beispiel in der Vendee in Frankreich 1789. Das ist Teil des Prozesses, neue Formen der Legitimität zu etablieren.“

Als Historiker gibt Cole sein akademisches Renommee schamlos her, um den Propagandabedürfnissen des US State Departements gerecht zu werden. Wenn es in Libyen ein „Machtvakuum“ gibt, dann gerade deswegen, weil es keinen revolutionären Staat gibt, der die Unterstützung der Massen hätte. Die vielschichtigen Streitereien von Islamisten und Warlords über die Kontrolle von Ölquellen und Land in Libyen mit der Unterdrückung des von Katholiken und Königstreuen geführten Bauernaufstands gegen die Französische Revolution durch die Jakobiner zu vergleichen, kommt intellektuellem Schwachsinn gleich.

Cole war nicht der einzige, der auf den „humanitären“ Kriegszug der USA und der Nato aufsprang. Auch die französische Neue Antikapitalistischer Partei (NPA) unterstützte den Krieg in Libyen enthusiastisch. Als der Krieg sich seinem blutigen Ende nährte, erklärte die NPA, dass dieser „Revolutionäre Prozess“ „dem libyschen Volk ein neues Leben eröffne“. Überschäumend erklärte sie: „Freiheit, demokratische Rechte und die Nutzung des natürlichen Reichtums zur Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse der Menschen stehen jetzt auf der Tagesordnung.“

Was hat die NPA heute über diese optimistischen Vorhersagen zu vermelden? Das „neue Leben“, das der libyschen Bevölkerung versprochen wurde, besteht aus nicht nachlassender Gewalt, wirtschaftlichem Zusammenbruch und sozialem Elend.

„Freiheit und demokratische Rechte?“ Folter, standrechtliche Erschießungen und willkürliche Inhaftierung sind an der Tagesordnung. Was den „natürlichen Reichtum“ angeht, befindet sich die Wirtschaft in freiem Fall. Sie ist letztes Jahr um ein Drittel geschrumpft. Die Ölproduktion, die ca. 80 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, ist auf weniger als 20 Prozent der Menge von vor dem Nato-Krieg gefallen. Schulen und Krankenhäuser, einst die besten in der ganzen Region, sind wegen der Kämpfe geschlossen. Stromausfälle sind normal, genauso wie Mangel an Lebensmitteln und Treibstoff sowie medizinischen Gütern.

Teile der Linkspartei in Deutschland, die International Socialist Organisation in den USA, die Socialist Workers Party in Großbritannien und einige andere, ähnliche pseudolinke Gruppierungen waren dem Imperialismus behilflich und unterstützten die proimperialistischen „Rebellen“ und halfen eine eiskalte Intervention für Öl und geostrategische Interessen als Kreuzzug zum Schutz von Zivilisten, Demokratie und Menschenrechten zu verschleiern.

Die Anziehungskraft des „humanitären“ Imperialismus auf diese Schichten begann nicht mit dem kriminellen Krieg gegen Libyen und endete nicht mit ihm. Die neuen pseudolinken Anhänger des Imperialismus feierten ihr Debüt, als sie 1999 die „humanitäre“ Bombardierung des ehemaligen Jugoslawiens durch die USA und die Nato unterstützten. Ähnlich wie im Fall Libyens fand die Intervention unter dem Vorwand statt, die Kosovo-Albaner vor einem angeblichen Massaker der Serben zu schützen. Letztendlich führte das aber gerade zu einem sprunghaften Anstieg der Todesopfer.

Was war das Endergebnis dieses „humanitären“ Krieges für „Befreiung“, der vor 15 Jahren zu Ende ging? Der Kosovo mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern ist nach wie vor wirtschaftlich, politisch und sozial nicht überlebensfähig und von Armut, organisiertem Verbrechen und Korruption gezeichnet. Die Arbeitslosenrate beträgt 45 Prozent und bei jungen Arbeitern 60 Prozent. Zehntausende verlassen das Land.

Auch in Syrien stellten sich all diese Organisationen hinter den Stellvertreterkrieg für einen Regimewechsel, der von den USA und ihren europäischen Verbündeten und den reaktionärsten monarchischen Regimes im Nahen Osten unterstützt wird. Wieder nannten sie einen schmutzigen imperialistischen Krieg eine „Revolution“ und wollten von den überwältigenden Beweisen, wonach die zentralen bewaffneten Kräfte, die gegen das Assad-Regime aufgeboten wurden, aus al-Qaida ähnlichen und mit ihr verbundenen islamistischen Milizen bestanden, nichts wissen. Wie in Libyen war das Ergebnis die völlige Zerstörung einer ganzen Gesellschaft.

Der Versuch der Pseudolinken, imperialistische Interventionen als „Revolutionen“ zu verkaufen, erreichte seinen Höhepunkt, oder genauer gesagt seinen Tiefpunkt, mit dem von den USA inszenierten Putsch in Kiew, der von diesen Gruppen als (mit den Worten der NPA) „Massenrevolte für Demokratie“ verkauft wurde. Der Führer der russischen pablistischen Organisation ging so weit, die neofaschistischen Schläger, die an der Spitze des Putsches standen, als die „kämpferischsten und militantesten Teile der Bewegung“ zu preisen.

Alle diese Organisationen tragen moralische und politische Verantwortung für die Katastrophen, die diese imperialistischen Interventionen über ein Land nach dem anderen gebracht haben. Ihre Unterstützung der blutdürstigen aggressiven „Menschenrechtskriege“ ist kein Zufall und kann nicht mit politischer Dummheit entschuldigt werden. Sie widerspiegelt die Hinwendung einer privilegierten Schicht des oberen Kleinbürgertums zum Imperialismus. Dazu gehören auch akademische Schichten und solche in den Medien, deren gesellschaftlichen Interessen von der Politik dieser Gruppen formuliert werden.

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