Iranisches Atomabkommen:

Scharfe Spannungen im amerikanischen Establishment

Am Sonntag wiederholte Präsident Barack Obama in einem Fernsehinterview seine Warnung vor einem neuen, noch größeren Nahostkrieg. Offenbar sehen die Gegner seines Atomabkommens mit dem Iran in einem solchen Krieg die einzig gangbare Möglichkeit.

Fareed Zakaria von CNN hatte Obama eingeladen, um ihm Gelegenheit zu geben, von seinem Vergleich der Republikaner im Senat mit den Ultraorthodoxen im Iran abzurücken. Stattdessen wiederholte Obama seinen Vorwurf und sagte, sowohl die Republikaner, als auch die Hardliner in Teheran, seien gegen eine Entspannung der amerikanisch-iranischen Beziehungen.

Nur wenige Tage vorher hatte der New Yorker Senator Charles Schumer angekündigt, er werde gegen das Abkommen stimmen. Damit reagierte er auf Obamas Rede vom 5. August, worin der Präsident davor gewarnt hatte, dass die einzige Alternative zum Nuklearabkommen ein neuer Krieg sei, der sich leicht über den Iran und den Nahen Osten hinaus ausdehnen könnte. Schumer soll nächstes Jahr als Nachfolger von Harry Reid Fraktionsführer der Demokratischen Minderheit im Senat werden.

Ob das Abkommen letztendlich angenommen wird, hängt noch in der Schwebe. Auch Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland sind daran beteiligt, und die Vereinten Nationen begrüßen es. Die Abstimmung im Kongress wird voraussichtlich stattfinden, wenn die Abgeordneten am 8. September aus der Sommerpause zurückkehren.

Praktisch die gesamte Republikaner- Fraktion in beiden Häusern wird gegen das Abkommen stimmen, außerdem ein beträchtlicher Teil der Fraktion der Demokraten. Das Weiße Haus kämpft darum, unter den Demokraten genügend Stimmen zu bekommen, damit das Repräsentantenhaus und der Senat zusammen nicht das Veto des Präsidenten überstimmen können. Das würde die Umsetzung des Abkommens durch die USA blockieren.

Der Konflikt im amerikanischen Staat zeigt, dass eine große Mehrheit im Parlament auf einen baldigen Krieg gegen den Iran setzt. Diese Gruppe spricht für mächtige Kreise in der herrschenden Elite und im Geheimdienst- und Militärapparat. Sie sind bereit, den Zusammenbruch der amerikanisch-europäischen Allianz und den Ausbruch eines dritten Weltkriegs zu riskieren. Obama vermittelt den Eindruck eines „Oberkommandierenden“, der die Kontrolle über den Verlauf eines Kriegs verliert, der weit gefährlicher ist als die Kriege im Irak und in Afghanistan zusammengenommen.

Obama versucht, sich als Friedenspolitiker hinzustellen. Dabei hat er noch in seiner Rede vom 5. August geprahlt, er habe in seiner Amtszeit seit 2009 in sieben Ländern US-Soldaten in den Kampf geschickt. Im Konflikt über das Iran-Abkommen befürworten beide Fraktionen uneingeschränkt die Verteidigung der imperialistischen Interessen Amerikas in aller Welt. Keine von beiden zögert, notfalls massive Gewalt anzuwenden.

Die Differenzen treten auch deswegen auf, weil die jüngsten Interventionen im Nahen Osten unter Bush und Obama den amerikanischen Imperialismus in ein Debakel geführt haben. Die USA haben den Irak, Syrien, Libyen und den Jemen (um nur die bekanntesten zu nennen) politisch unterwandert und militärisch angegriffen. Alle diese Einsätze endeten im Misserfolg und blutigen Bürgerkrieg.

Nun versucht Obama eine taktische Umorientierung und testet aus, ob das bürgerliche iranische Regime unter Präsident Hassan Rouhani mittels Wirtschaftssanktionen, diplomatischem Druck und der Drohung mit Krieg dazu gebracht werden könne, mit der amerikanischen Regierung zusammen zu arbeiten.

Das Atomabkommen sieht er als möglichen Auftakt dafür, dass der Iran die US-Truppen im Irak unterstützen und eine Beseitigung des Assad-Regimes in Syrien akzeptieren könnte. Auch möchte er erreichen, dass der Iran seine Wirtschaftsbeziehungen von Russland und China auf die westlichen imperialistischen Mächte umorientiert.

In seinem Interview vom Sonntag sagte Obama: „Ich habe Grund zur Hoffnung … dass die Russen inzwischen stärker daran interessiert sind, zu diskutieren, wie ein politischer Übergang in Syrien aussehen könnte“, oder zumindest einen Rahmen dafür abzustecken. Er fuhr fort: „Und vermutlich erkennt auch der Iran, dass einige dieser Trends für ihn nicht gerade günstig sind.“

Der US-Kongress wird sich mit dem iranischen Atomabkommen im September befassen, wenn die Sommerpause zu Ende ist. Beide Häuser werden über Resolutionen abstimmen, die das Abkommen zurückweisen und eine Aufhebung von Sanktionen gegen den Iran missbilligen. Eine Resolution der Republikanischen Führung wird ganz sicher das Repräsentantenhaus passieren, da es eine Republikanische Mehrheit hat. Aber im Senat benötigt sie sechzig Stimmen, um das Quorum zu erreichen. Das bedeutet, dass mindestens sechs Demokraten mit den Republikanern stimmen müssten.

Wenn der Kongress die ablehnende Resolution annimmt, wird Obama sein Veto einlegen. Daraufhin werden seine Gegner das Veto durch eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern zu überstimmen versuchen. Unter der Annahme, dass alle Republikaner gegen das Veto stimmen, bräuchten die Republikaner die Unterstützung von dreizehn Demokraten im Senat und von 44 Demokraten im Repräsentantenhaus, um sich durchzusetzen.

Josh Earnest, Sprecher des Weißen Hauses, nahm auf Schumers Stellungnahme zum Atomabkommen Bezug und erklärte, er würde sich „nicht wundern“, wenn sich Demokratische Senatoren bei der Führungswahl im Senat Ende 2016 an Schumers abweichende Meinung erinnern würden.

Earnest wies auf die Unterstützung des New Yorker Demokraten für den Irakkrieg im Jahre 2002 hin und sagte: „Man kann nicht leugnen, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen Senator Schumer und Präsident Obama, die jetzt plötzlich ausgebrochen sind, schon seit mehr als zehn Jahren schwelen.“

„Senator Schumer vertritt eine Tendenz in der Außenpolitik, die immer weniger auf diplomatische Erfolge setzt und sich immer stärker darauf verlässt, dass die Vereinigten Staaten ihren Willen einseitig und durch Gewalt durchsetzen können“, fuhr Earnest fort.

Diese Bemerkung wirft natürlich sofort viele Fragen auf, weil Schumer weiß Gott nicht der einzige führende Demokrat ist, der für Bushs Kriegsresolution für einen Einmarsch im Irak gestimmt hat. Hillary Clinton, Vizepräsident Joe Biden und Außenminister John Kerry, der den Iranvertrag jetzt ausgehandelt hat, haben damals ebenfalls für die Kriegsresolution gestimmt.

Als nun Zakaria am Sonntag Barack Obama auf CNN über die Gefahren einer Ablehnung des Iran-Abkommens im Kongress befragte, lautete seine letzte Frage: „Haben Sie Angst davor, in ihrer restlichen verbliebenen Amtszeit noch in die Lage zu kommen, einen nuklear-- ich meine einen militärischen Konflikt führen zu müssen, um den Iran am Besitz einer Atombombe zu hindern?“

Der offensichtliche Freud’sche Versprecher bezog sich darauf, dass Washington möglicherweise Atomwaffen gegen den Iran einsetzen könnte. Obama schob die Frage beiseite und sagte, er ziehe es vor, „nicht von einem Scheitern der Ratifizierung des Iran-Abkommens auszugehen“.

Aber die Tatsache bleibt bestehen: Ein amerikanischer Krieg gegen den Iran bliebe nicht darauf beschränkt, dass Luftschläge gegen Anlagen zur Produktion von Atomstrom geführt würden. Er wäre möglicherweise auch nicht auf den Einsatz konventioneller Waffen beschränkt.

Das Ziel eines solchen Krieges wäre die militärische Eroberung des Iran und die Einsetzung einer Marionettenregierung. Um dieses Ziel gegen ein Volk von achtzig Millionen Menschen in einem Land zu erreichen, das viermal so groß ist wie der Irak, wäre eine Besatzungsmacht von Hunderttausenden Soldaten oder der Einsatz von Atomwaffen – oder beides nötig.

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