Katalanische Separatisten erringen Mehrheit bei Regionalwahl

Die nationalistischen Parteien haben am letzten Sonntag die Regionalwahl in Katalonien gewonnen. Sie stellten die Wahl als Volksentscheid über die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien dar. Allerdings erhielten sie nur 48 Prozent der Stimmen.

„Zusammen für ein Ja“ (Junt pel Si) – die wichtigste separatistische Koalition, die aus der Demokratischen Konvergenz Kataloniens (CDC) unter Führung des ehemaligen katalanischen Präsidenten Artur Mas, der Republikanischen Linke Kataloniens (ERC), der Demokraten von Katalonien und der Bewegung der Linken besteht – gewann 62 Sitze, sechs weniger als für die absolute Mehrheit im 135-köpfigen Parlament notwendig gewesen wären.

Vor der Wahl hatten die Führer dieser Organisationen ihre Absicht bekundet, innerhalb von achtzehn Monaten eine einseitige Unabhängigkeitserklärung herauszugeben und sich von Spanien zu lösen, wenn sie bei der Wahl am Sonntag eine absolute Mehrheit erzielen sollten. Mas erklärte bei der Verkündung des Wahlergebnisses öffentlich: „Wir werden nicht locker lassen. Wir haben gewonnen, obwohl alle gegen uns waren, und das verleiht uns enorme Stärke und große Legitimität, um dieses Projekt vorwärts zu bringen.“

Unterstützung erhielt er von dem ERC-Vorsitzenden Oriol Junqueras, der erklärte: „Die 'Ja'-Option hat nach Stimmen und nach Sitzen gewonnen... Wir haben eine mehr als ausreichende Mehrheit, um an der Unabhängigkeit Kataloniens zu arbeiten.“

Trotz des nationalistischen Getöses haben die ERC und die CDC zusammen weniger Stimmen erhalten als bei der letzten Regionalwahl im Jahr 2012. Die Zahl ihrer Sitze ist von 71 auf 62 gesunken. Sie konnten nur in den ländlicheren Provinzen Lleida und Girona die Mehrheit der Stimmen erringen, nicht aber in den städtischen Provinzen Barcelona und Tarragona, in denen 85 Prozent der Bevölkerung der Region leben.

Beide Parteien sind verantwortlich für brutale Angriffe auf das Bildungs- und Gesundheitswesen und weitere Teile des Sozialstaates, in denen Kürzungen in Höhe von zwanzig Prozent und mehr durchgesetzt wurden. Dadurch ist die Armut in Katalonien, der reichsten Region Spaniens, stark angestiegen. 2,2 Millionen Katalanen, d.h. fast 30 Prozent der Bevölkerung der Region, sind von Armut betroffen.

„Zusammen für ein Ja“ ist von der Unterstützung der pseudolinken „Kandidatur für Volkseinheit“ (CUP) abhängig, die die Zahl ihrer Sitze von drei auf zehn erhöhen konnte, indem sie den Widerstand gegen den Sparkurs ausnutzte. Seit 2012 hat sie sich zur konsequentesten pro-separatistischen Kraft entwickelt und versucht, die Arbeiter mit der Behauptung zu täuschen, in einem unabhängigen Katalonien würden Sozialleistungen wieder eingeführt und Löhne erhöht werden.

Im Jahr 2014 erklärte sich die CUP bereit, gemeinsam mit der amtierenden Union und Konvergenz (CiU), der ERC und der Grünen Initiative für Katalonien (ICV) ein Referendum durchzuführen. Sie ließ ihre bisherige Anti-Austeritäts-Haltung fallen, um wie es der stellvertretende Vorsitzende der CUP, Quim Arrufat, formulierte, „die gleiche Verantwortung zu übernehmen, unsere eigenen Interessen hintanzustellen und den Katalanen zu erlauben, am 9. November zu wählen.“

Als das Referendum vom Verfassungsgericht ausgesetzt wurde, widersetzte sich Mas dem Gericht und rief zu einem „Partizipationsprozess“ auf, in dem sich 80 Prozent der fast 2,3 Millionen Teilnehmer für die Abspaltung aussprachen – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von kaum mehr als 37 Prozent. Der CUP-Vorsitzende David Fernandez blamierte sich an diesem Tag, als er Mas umarmte, obwohl er ihm vorwarf, den Unabhängigkeitsprozess zu „verwässern“.

Im Wahlkampf warf die CUP den Parteien von „Zusammen für ein Ja“ vor, dass sie Sparmaßnahmen umgesetzt hätten. Doch ihr Kandidat Antonio Baños forderte eine „Allparteienregierung“, um die einseitige Unabhängigkeitserklärung durchzusetzen. Am Wahlabend erklärte er: „Ab morgen muss und wird sich die katalanische Bevölkerung den spanischen Gesetzen widersetzen... Die katalanische Souveränität wird sich allen Gesetzen widersetzen, die sich gegen Katalonien richten.“

Da die Mas-Regierung aufgrund ihrer Sparmaßnahmen und ihrer Korruptheit unter Wählern der CUP unpopulär ist, erklärte eine andere CUP-Führungspersönlichkeit namens Anna Gabriel: „Mas ist nicht unverzichtbar“. Damit stellte sie die Möglichkeit in den Raum, eine „Zusammen für ein Ja“-Regierung ohne Mas zu unterstützen.

Die Bürgerpartei, mit fünfundzwanzig Sitzen die zweitgrößte Partei im katalanischen Parlament, ist zum ersten Mal stärkste Oppositionspartei. Sie konnte ihre Stimmenzahl verdreifachen und wurde zur wichtigsten Partei der Abspaltungsgegner. Sie profitierte vom Zusammenbruch der traditionellen Oppositionspartei in der Region.

Die Sozialistische Partei Kataloniens (PSC) erhielt nur sechzehn Sitze. Sogar die PSC-Hochburg l´Hospitalet de Llobregat, ein Arbeiterviertel am Stadtrand von Barcelona, ging an die Bürgerpartei.

Sie profitierte außerdem vom Zusammenbruch der rechten antisezessionistischen Volkspartei (PP), die nur elf Sitze und 8,5 Prozent der Stimmen erhielt. Die Bürgerpartei entstand 2006 als Partei der Abspaltungsgegner in Katalonien, entwickelte sich aber letztes Jahr zu einer landesweiten Partei und zur dritten politischen Kraft bei den Kommunalwahlen. Die Partei, die nach dem Aktienindex der Madrider Börse auch „Ibex 35-Partei“ genannt wird, will die PP als wichtigste Partei des Großkapitals verdrängen. Ihr wirtschaftliches Programm auf nationaler Ebene orientiert sich an den Forderungen des spanischen Arbeitgeberverbandes CEOE und wurde von Neoliberalen geschrieben, die mit der Stiftung für Analyse und Sozialstudien (FAES) zusammenhängen.

Der Vorsitzende der Bürgerpartei, Albert Rivera, erklärte: „Als erstes muss man Artur Mas zum Rücktritt bewegen.“ Er fügte hinzu, Katalonien stünden aufgrund der Schwierigkeiten bei der Bildung einer neuen Regierung vermutlich vorgezogene Wahlen bevor, wenn die CUP „Zusammen für ein Ja“ nicht unterstützt.

„Katalonien, ja, wir können“, eine Koalition aus Podem, der katalanischen Sektion der pseudolinken Podemos, der ICV und der stalinistisch geführten Vereinigten und Alternativen Linken (EUiA) erhielt elf Sitze, zwei weniger als die ICV und EUiA 2012 zusammen erhalten hatten.

Der Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias erklärte, die Ergebnisse seien „höchst enttäuschend“. Er fügte hinzu, die Koalition habe „Verantwortung“ vor „die Jagd nach Stimmen“ gestellt. Der Fehler sei gewesen, „soziale Rechte“ und „das Bedürfnis der Katalanen, grundlegende Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen“, vor den „Selbstmord durch Austerität“ von Mas' gestellt zu haben. „Wenn das unser Fehler ist, werden wir ihn weiterhin machen“, fügte er rhetorisch hinzu.

Das ist eine inhaltsleere Aussage. Ihre Behauptung, die wichtigste Partei der Austeritätsgegner zu sein, war durch und durch heuchlerisch angesichts der Tatsache, dass ihre neue Marke so verkommen ist wie ihre Bestandteile vorher waren. Die ICV und die stalinistische EUiA waren an der Regionalregierung von 2006 - 2010 beteiligt, die Kürzungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro durchgeführt hat. Ihre Schwesterpartei in ganz Spanien, die Vereinigte Linke, hat in Andalusien, der Extremadura und Asturien Regionalregierungen der PP und der Sozialistischen Partei (PSOE) unterstützt, die ebenfalls Kürzungen durchgesetzt haben.

Und Podemos kann trotz ihrem Gerede über „Selbstmord durch Austerität“ die Tatsache nicht verbergen, dass Iglesias die Entscheidung seiner Schwesterpartei Syriza in Griechenland, der breiten Masse Sparmaßnahmen aufzuzwingen, uneingeschränkt unterstützt hat. Er hatte sogar seinen eigenen Wahlkampf unterbrochen, um den Syriza-Ministerpräsidenten Alexis Tsipras bei der Wahl in Griechenland zu unterstützen.

Das Wahlergebnis in Katalonien hat auch die separatistischen Bestrebungen im Baskenland gestärkt, wo Regionalpräsident Iñiigo Urkullu die spanische Regierung warnte, sie hätte außer in Katalonien „auch ein Problem im Baskenland“. Als Grund nannte er die „Rezentralisierungsversuche“ der Regierung und die „Nichterfüllung der Vereinbarungen“ – womit er auf die Befugnisse anspielte, die der Region noch nicht übertragen wurden.

Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy von der PP reagierte mit der Erklärung, er wolle einen „Dialog“, werde jedoch keine Verhandlungen akzeptieren, die die „Einheit und nationale Souveränität Spaniens“ in Frage stellen.

In den Monaten vor der Wahl setzte die PP-Regierung rechtliche Mechanismen in Kraft, um alle sezessionistischen Bestrebungen der katalanischen Regionalregierung zu unterdrücken. U.a. wurden das Verfassungsgericht gestärkt und das Nationale Sicherheitsrecht verschärft. Die Regierung drohte mit der Anwendung von Artikel 155 der Verfassung, d.h. mit der Absetzung der katalanischen Regierung und möglicherweise dem Einsatz des Militärs.

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