Wissenschaft statt Kriegspropaganda

Am 13. Oktober wird an der Berliner Humboldt-Universität das Akademische Jahr eröffnet. Im Rahmen eines „Infomarkts“ stellen sich dort auch Studierenden-Organisationen vor. Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE) begrüßen die neuen Studierenden mit folgendem Flugblatt.

Liebe Erstsemester,

die militärischen Interventionen der Großmächte haben im Nahen Osten die Gesellschaft ganzer Länder zerstört. Die Konfrontation in Syrien droht in einen nuklearen Krieg zwischen den USA und Russland zu münden. Die verzweifelten Menschen, die den Kriegen entfliehen, für die Deutschland mitverantwortlich ist, werden an den Grenzen gestoppt, in unmenschliche Lager gepfercht oder im Mittelmeer in den Tod getrieben.

Die Humboldt-Universität steht im Zentrum dieser Entwicklung. Studierende, die sich gegen die Kriegspolitik einsetzen und für Solidarität mit den Flüchtlingen eintreten, geraten in unmittelbaren Konflikt mit der Uni-Leitung und bestimmten Professoren. Ihr betretet hier keinen Tempel der Gelehrsamkeit, sondern ein politisches Kampffeld.

Die Humboldt-Universität hat in dieser Hinsicht eine lange und wechselvolle Geschichte. Hier lehrten nicht nur herausragende Philosophen und Wissenschaftler, wie Hegel und Einstein, sondern auch der „Kronjurist des Dritten Reiches“, Carl Schmitt. Hier studierte nicht nur Karl Marx, hier wurde 1926 auch der Nationalsozialistische Studentenverband gegründet und 1933 wurden die ersten Bücher verbrannt.

Heute versuchen einflussreiche Kreise, die HU wieder in eine staatlich gelenkte Kaderschmiede für rechte und militaristische Ideologien zu verwandeln. Es hängt von uns Studierenden ab, ob dies gelingt oder ob die Universität ein Ort der Wissenschaft und Forschung bleibt.

Eine führende Rolle bei diesem Unterfangen spielen die Professoren Herfried Münkler (Theorie der Politik) und Jörg Baberowski (Geschichte Osteuropas). Es vergeht keine Woche und oft kein Tag, an dem sich nicht mindestens einer von ihnen öffentlich zu Wort meldet.

Münkler wirbt in Büchern, Zeitungsartikeln und Interviews für eine deutsche Großmachtpolitik. Er fordert, dass Deutschland in Europa die Rolle des „Hegemons“ und „Zuchtmeisters“ spielt. Er unterstützt die Forderung der Bundesregierung nach einem „Ende der militärischen Zurückhaltung“ und polemisiert gegen eine „Weltsicht, wonach nicht Eingreifen, sondern Heraushalten und Zuwarten der Schlüssel zum Friedlicherwerden der Welt seien“.

Baberowski verharmlost die Verbrechen des Nationalsozialismus. Vor eineinhalb Jahren bekannte er sich im Spiegel zu Ernst Nolte, dem bekanntesten Nazi-Apologeten unter den deutschen Historikern, und bescheinigte Hitler, er sei „kein Psychopath“ und „nicht grausam“. In seinen Büchern stellt er die deutschen Kriegsverbrechen im Osten als Reaktion auf bolschewistische Gewalt dar und leugnet jede Verantwortung der nationalsozialistischen Ideologie.

Im Oktober 2014 plädierte Baberowski im Kampf gegen dschihadistische Gruppen für Methoden, die allen völkerrechtlichen Normen und Konventionen widersprechen. Wörtlich sagte er: „Und wenn man nicht bereit ist, Geiseln zu nehmen, Dörfer niederzubrennen und Menschen aufzuhängen und Furcht und Schrecken zu verbreiten, wie es die Terroristen tun, wenn man dazu nicht bereit ist, wird man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen, dann soll man die Finger davon lassen.“

Mittlerweile betätigt sich Baberowski ganz offen als politischer Agitator und nutzt seine Stellung an der HU, um eine ultrarechte Bewegung aufzubauen. In zahlreichen Artikeln und Interviews – u.a. in der Frankfurter Allgemeinen, dem Schweizer Tagesanzeiger, der Neuen Zürcher Zeitung und der österreichischen Presse – sowie auf einer CSU-Versammlung in Erding hetzte er in den vergangenen Tagen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.

Er fordert die Abriegelung der Grenzen, geifert gegen „das Gerede von der Willkommenskultur“ und behauptet, zu viele Einwanderer aus fremden Kulturen zerstörten das Fundament der Gesellschaft. Baberowski greift die Bundesregierung von rechts an. Deutschland habe „seine nationale Souveränität aufgegeben und die Entscheidung darüber, wer kommen und wer bleiben darf, in die Hände illegaler Einwanderer gelegt“, wirft er ihr vor. Die Kanzlerin verschließe „die Augen vor der Katastrophe, die sie angerichtet hat“, und verletze „ihren Amtseid“.

In Pegida-Manier verkündet Baberowski, die Leitmedien hätten Deutschland in ein „Reich der Moralprediger“ verwandelt, in dem „Besonnenheit und Vernunft“ verboten seien. Kritiker, „die ihre Stimme gegen den Tugendwahn erheben“, würden von „der Obrigkeit“ von der Debatte über die Einwanderung ausgeschlossen.

Die faschistische NPD hat Baberowski als Geistesverwandten anerkannt. Seine Artikel werden zustimmend auf NPD-Facebook-Seiten zitiert. Das monatliche Parteiblatt Deutsche Stimme widmet einen Artikel seiner aktuellen Ausgabe der Verteidigung Baberowskis gegen linke Kritiker.

Es ist unsere Aufgabe als Studierende, die Verwandlung der HU in ein Zentrum rechtsextremer Ideologie zu verhindern. Die Universitätsleitung und die Professoren werden es nicht tun. Sie haben sich hinter Baberowski und Münkler gestellt.

Die IYSSE haben im vergangenen Jahr die rechten Standpunkte von Baberowski öffentlich kritisiert. Wir haben dies auf Flugblättern getan und mehrere gut besuchte Versammlungen durchgeführt. Die Universitätsleitung reagierte darauf mit Zensur, Einschüchterung, Verleumdung und der Mobilisierung der bürgerlichen Presse.

Prof. Burschel vom Institut für Geschichtswissenschaften und Uni-Präsident Prof. Olbertz veröffentlichten offizielle Stellungnahmen, die uns ohne jeden Beweis „Verleumdung“ und eine „Rufmordkampagne“ vorwarfen. Sie forderten die Lehrenden und Studierenden auf, der „Kampagne“ der IYSSE entgegenzutreten. Trotz mehrmaliger Aufforderung, diesen Angriff auf die Meinungsfreiheit zurückzunehmen und die Stellungsnahmen von der offiziellen Website der Universität zu entfernen, befinden sie sich bis heute dort.

Auch die Medien stellten sich hinter Baberowski und Münkler. Dutzende Artikel verurteilten die Kritik an ihren rechten Auffassungen als „Pöbelei“ und „Mobbing“. Die F.A.Z. brachte die Kritik sogar mit „Bombendrohungen und Mordaufrufen“ in Verbindung. Die Universitätsleitung verteidigte die Studierenden nicht gegen diese Hetze, sondern beteiligte sich daran.

Baberowski fühlte sich dadurch offensichtlich bestärkt und ermutigt, mit seinen fremdenfeindlichen Standpunkten an die Öffentlichkeit zu treten. Alles, was die IYSSE über ihn gesagt und geschrieben haben, wird dadurch bestätigt. Jeder kann das selbst überprüfen. Die Artikel, Erklärungen und Vorträge, die wir im Laufe er Auseinandersetzung verfasst haben, sind in dem Buch „Wissenschaft oder Kriegspropaganda?“ dokumentiert.

Wir haben uns von der Hetzkampagne nicht einschüchtern lassen. Im Januar gewannen wir trotz der Kampagne der Universitätsleitung einen Sitz im Studierendenparlament. Im Juni verabschiedete das Parlament auf Initiative der IYSSE mit großer Mehrheit eine Resolution, die die Angriffe der Universitätsleitung und des Instituts für Geschichtswissenschaften missbilligte und die Studierenden aufforderte, „sich politisch zu äußern, Herrschaft zu hinterfragen und … Tendenzen der Verharmlosung der menschenverachtenden deutschen Geschichte entgegenzutreten“.

Die Auseinandersetzung hat aber erst begonnen. Mit der Kriegsentwicklung im Nahen Osten und dem Aufmarsch der Nato gegen Russland drängen die herrschenden Eliten immer stärker auf die Wiederbelebung des deutschen Militarismus. Der Kapitalismus befindet sich weltweit in einer tiefen Krise. Um die soziale Opposition und den Widerstand gegen Krieg zu unterdrücken, brauchen sie wieder eine starke, rechte Bewegung.

Wer verhindern will, dass die HU in ein Zentrum des Militarismus, der Fremdenfeindlichkeit und rechter Ideologie verwandelt wird, muss den Kampf der IYSSE unterstützen.

Wir laden alle Studierenden herzlich ein, mit der IYSSE Kontakt aufzunehmen, zu unseren Veranstaltungen zu kommen, unsere Web Site (iysse.de) zu verfolgen und täglich die World Socialist Web Site (wsws.org) zu lesen.

Als Jugend- und Studierendenorganisation der Partei für Soziale Gleichheit und der Vierten Internationale arbeiten wir eng mit unseren Schwesterorganisationen auf der ganzen Welt zusammen.

IYSSE an der Humboldt-Universität

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