Perspektive

Amerikas Provokation gegen China und die Gefahr eines dritten Weltkriegs

Am Dienstag drang ein amerikanisches Kriegsschiff in die Zwölf-Meilen-Zone der Inseln und Riffe ein, die China im Südchinesischen Meer für sich beansprucht. Diese bewusste und abenteuerliche Provokation der USA könnte einen noch viel größeren Konflikt zwischen den beiden Atommächten heraufbeschwören.

Die Washingtoner Regierung behauptet wenig glaubhaft, sie übe lediglich ihr Recht auf die „Freiheit der Meere“ nach internationalem Seerecht aus. Anders als China und zahlreiche andere Länder haben die Vereinigten Staaten die Konvention der Vereinten Nationen zum internationalen Seerecht (UNCLOS), die sie angeblich hochhalten, nicht einmal ratifiziert. Einmal mehr bastelt sich der US-Imperialismus einen Vorwand zurecht, um seine militaristische Agenda voranzutreiben. Was in diesem Fall bedeutet, die amerikanische Vorherrschaft in Asien und die Unterordnung Chinas unter die ökonomischen und strategischen Interessen der USA aufrecht zu erhalten.

US-Verteidigungsminister Ashton Carter machte am Dienstag vor einem Kongressausschuss klar, dass die USA völlig eigenmächtig handeln und ihre so genannte Aktionsfreiheit weiter praktizieren werden. „Wir werden fliegen, fahren und operieren, wo immer internationales Recht es erlaubt“, erklärte er. „In der Region finden schon mehrere Tage lang Marineoperationen statt und in den nächsten Wochen und Monaten wird es weitere geben.“

Ian Storey, strategischer Analyst des Institute of South East Asian Studies in Singapur, unterstrich, welche Bedeutung es hat, dass das Pentagon den Lenkwaffenzerstörer USS Lassen in den umstrittenen Gewässern einsetzte. „Sie fahren wirklich schweres Geschütz auf. Es gibt kaum etwas Bedrohlicheres, außer ein Flugzeugträger“, sagte er dem Guardian.

Tatsächlich hatte die US Navy auch zwei Flugzeugträger in nicht allzu großer Entfernung parat. Die USS Theodore Roosevelt hatte gerade den Nahen Osten verlassen und sollte in Singapur, d.h. in unmittelbarer Nähe zum Südchinesischen Meer, neu beladen werden. Und die USS Ronald Reagan ist in Japan stationiert.

Die Entscheidung, China herauszufordern und damit einen Krieg zu riskieren, entspringt der Verschwörung der Kriegstreiber in der amerikanischen Militärführung. Die involvierten Politiker und Generäle handeln ohne jede demokratische Legitimation. Sie intrigieren hinter dem Rücken der amerikanischen Bevölkerung, die die Kriegspolitik der Regierung mit großer Mehrheit ablehnt. Seit Monaten agitieren hohe Vertreter des US Pacific Command gegen die Landgewinnungsaktivitäten Chinas im Südchinesischen Meer. Obama war nur insoweit darin verwickelt, als dass er der Operation letztlich seinen Segen erteilte.

Der pensionierte US Admiral James Stavridis sagte der Financial Times dass die USA nicht bereit seien, „internationale Gewässer vor den Küsten Chinas einer aufstrebenden Regionalmacht zu überlassen“. Die Washingtoner Regierung ist nicht nur nicht bereit, China einen Fußbreit zu überlassen. Sie betreibt auch eine aggressive diplomatische, ökonomische und militärische Strategie mit Namen „Pivot to Asia“, die darauf abzielt, China wieder in einen halbkolonialen Status zurückzuversetzen.

Die USA heizen mit voller Absicht gefährliche Konfliktherde wie das Südchinesische Meer an, um einen Vorwand für die militärische Aufrüstung in der ganzen Region zu haben und einen Keil zwischen China und andere territoriale Anspruchsteller in Ostasien zu treiben. Jahrzehntelang wurden die Streitigkeiten in der Region über Seegebiete weitgehend ignoriert, aber Mitte 2010 erklärte die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton provokativ, dass die Vereinigten Staaten ein „nationales Interesse“ daran hätten, die Freiheit der Meere in den umstrittenen Gewässern sicherzustellen.

Seit fünf Jahren ist Washington schon bemüht, geringfügige Gebietsstreitigkeiten in einen Kriegsgrund gegen China zu verwandeln. Es ermutigt besonders die Philippinen und Vietnam, China die Ansprüche streitig zu machen. Parallel zu dieser diplomatischen Offensive werden die militärischen Bündnisse mit Australien und den Philippinen neu strukturiert. Gleichzeitig werden die Verteidigungsbündnisse in der ganzen Region erneuert und gestärkt. Die USA beabsichtigen, bis 2020 sechzig Prozent ihrer Marine- und Luftwaffenfähigkeiten im Indopazifik zu konzentrieren.

Die Entsendung der USS Lassen in von China beanspruchte Gewässer ist die erste Phase der Kriegspläne des Pentagon. Sie ist angeblich die Antwort auf die chinesische Taktik des Anti-Access/Area Denial. Damit wäre diese Operation der erste Teil einer umfassenden Kampfstrategie zu Land und zu Wasser. Sollte China zurückschlagen, würden verheerende Luft- und Raketenangriffe auf das chinesische Festland folgen.

Hinter der Kriegstreiberei der USA steht die Krise des Weltkapitalismus. Die amerikanische herrschende Klasse reagiert auf ihre eigene geschwächte Position am Weltmarkt, indem sie zu immer rücksichtsloseren militärischen Mitteln greift, um ihre Rivalen zu schwächen. Gleichzeitig greift sie die demokratischen Rechte und den Lebensstandard der Arbeiterklasse im eigenen Land an.

Im gleichen Atemzug, in dem Verteidigungsminister Ashton Carter weitere Aktivitäten im Südchinesischen Meer gegen China ankündigte, gab er am Dienstag auch die Ausweitung der amerikanischen Kriegspläne im Nahen Osten bekannt. Dort sollen US-Truppen jetzt auch in Bodenkämpfe eingreifen dürfen. Washingtons Provokation in Asien findet darüber hinaus zu einem Zeitpunkt statt, an dem Nato-Kräfte sich auf Konfrontationen mit Russland in Osteuropa vorbereiten. Die ganze Welt steht inzwischen im Fadenkreuz der USA und schon ein kleinerer Zwischenfall, absichtlich oder unabsichtlich, könnte jederzeit einen Krieg auslösen.

Was das chinesische Regime betrifft, so ist sein Vorgehen völlig reaktionär, auch wenn seine Reaktion im Wesentlichen defensiv ausgerichtet ist. Der bürokratische Apparat in Beijing repräsentiert die Interessen einer winzigen Schicht ultrareicher Oligarchen. Weil er organisch unfähig ist, die Arbeiterklasse in China oder international zu mobilisieren, greift er zu Militarismus und chinesischem Nationalismus und erhöht damit die Kriegsgefahr.

Ein Leitartikel der aggressiven staatlichen Global Times rief gestern die chinesische Führung auf, „sich auf das Schlimmste gefasst zu machen“ und dem Weißen Haus zu zeigen, dass sie „nicht davor zurückschrecke, in der Region einen Krieg gegen die USA zu führen“.

Mehr und mehr ähnelt die Weltlage der Situation im Vorfeld des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Leo Trotzki erklärte in einem Interview im September 1938, am Vorabend der Münchener Konferenz, dass die objektive Logik der Ereignisse zum Krieg führen müsse: „Es ist möglich, dass die Diplomatie auch diesmal einen faulen Kompromiss zustande bringt. Aber er wird nicht lange halten. Krieg ist unvermeidlich, und sogar in sehr naher Zukunft. Eine internationale Krise folgt auf die nächste. Diese Erschütterungen sind mit Geburtswehen des nahenden Kriegs vergleichbar. Jeder neue Krampfanfall ist noch schlimmer und gefährlicher.“ (Leon Trotsky, Anti-Imperialist Struggle is Key to Liberation, an Interview with Mateo Fossa)

Wie das Internationale Komitee der Vierten Internationale (IKVI) in seiner Erklärung „Sozialismus und der Kampf gegen Imperialistischen Krieg“ von Juli 2014 erklärte, treiben auch heute die gleichen grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus die Welt in den Krieg. Das ist einmal der Widerspruch zwischen der globalen Wirtschaft und dem veralteten Nationalstaatensystem, und zum andern jener zwischen der gesellschaftlich organisierten Produktion und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln. In dieser Erklärung warnte das IKVI: „Wenn die internationale Arbeiterklasse nicht auf der Grundlage eines revolutionären marxistischen Programms eingreift, ist ein weiteres imperialistisches Blutbad nicht nur möglich, sondern auch unvermeidlich.“

Die IKVI-Erklärung skizzierte die politische Basis für den Aufbau einer Anti-Kriegsbewegung der internationalen Arbeiterklasse. „Alle großen Probleme der Arbeiterklasse – die wachsende soziale Ungleichheit, die zunehmend autoritären Herrschaftsformen – sind untrennbar mit diesem Kampf verbunden. Es kann keinen Kampf für Sozialismus ohne Kampf gegen Krieg geben, und umgekehrt keinen Kampf gegen Krieg ohne Kampf für Sozialismus. Die Arbeiterklasse muss sich der Kriegsgefahr entgegenstellen und die Jugend und die unterdrückten Massen unter einem sozialistischen Programm anführen. Sie muss die politische Macht übernehmen, die Banken und großen Konzerne enteignen und beginnen, eine Weltföderation von Arbeiterstaaten aufzubauen.“

Ein Jahr danach hat diese Aufgabe eine neue Dringlichkeit erhalten. In ihrem Zentrum steht die Notwendigkeit, das IKVI als revolutionäre Führung für diesen Kampf aufzubauen.

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