Regierungskoalition gewinnt die Oberhauswahlen in Japan

Die Regierungskoalition von Premierminister Shinzo Abe gewann am Sonntag bei den Oberhauswahlen in Japan die Mehrheit der Sitze. Zusammen mit anderen Parteien besitzt Abe jetzt die Zweidrittelmehrheit, die benötigt wird, um die Verfassung des Landes zu ändern. Die Remilitarisierung soll beschleunigt und weitere Angriffe auf grundlegende demokratische Rechte geführt werden.

Abes Liberaldemokratische Partei (LDP) errang 56 der 121 Sitze, die neu verteilt wurden. Ihr Juniorpartner in der Koalition, Komeito, gewann 14 und die rechte Osaka Ishin no Kai sieben Sitze. Letztere hat bereits ihre Unterstützung für Verfassungsänderungen bekundet. Das würde Abe die nötige Mehrheit im Oberhaus verschaffen. Die größte Oppositionspartei errang nur 32 Sitze. Die Hälfte der Sitze im Oberhaus wird alle drei Jahre neu besetzt.

Die Wahl am Sonntag zeichnete sich eher durch massenhafte Enthaltung aus als durch breite Unterstützung für Abes Politik. Die Wahlbeteiligung lag bei 54,7 Prozent. Das war die niedrigste Beteiligung seit dem Zweiten Weltkrieg. Es war außerdem das erste Mal, dass Jugendliche im Alter von 18 und 19 Jahren an einer Wahl teilnehmen konnten. Jeff Kingston, Direktor der Tokyo Asian Studies an der Temple-Universität erklärte: „Ich denke, die Menschen sind unzufrieden, aber sie sehen nicht, dass Wahlen etwas ändern können. Es gibt keine Alternative. Das ist eine durch und durch halbherzige Unterstützung.“

Die offizielle Opposition um die Demokratische Partei (DP) bot tatsächlich keine wirkliche Alternative. Die DP, die früher Demokratische Partei Japans hieß, bevor sie mit der Japanischen Erneuerungspartei zusammenging, ist seit ihrer Regierungszeit von 2009 bis 2012 immer noch höchst unbeliebt. In dieser Zeit hatte sie ihre Versprechen gebrochen, den Lebensstandard zu verbessern und eine Außenpolitik einzuschlagen, die unabhängiger von den USA sein sollte. Obwohl sie bei der Wahl als Gegnerin der LDP auftrat, hatte die DP zuvor Verfassungsänderungen und Auslandseinsätze der Armee unterstützt.

Etliche Wähler äußerten sich gegenüber den Medien besorgt über die Remilitarisierung. Nagisa Kato erklärte: „Ich denke das Hauptthema bei der Wahl war die Verfassungsänderung. Aber [Abe] hat den Schwerpunkt auf die Wirtschaftsfragen verlegt. Das beunruhigt mich. Wenn die LDP an der Macht bleibt, könnte Japan sehr schnell zu einem Land werden, das in der Lage ist, einen Krieg zu führen.“

Verfassungsänderungen erfordern eine Zweidrittelmehrheit sowohl im Unterhaus wie im Oberhaus des japanischen Parlaments und dann eine Mehrheit in einem nationalen Referendum. Vor der Wahl vom Sonntag besaß Abe bereits eine Zweidrittelmehrheit im Unterhaus. Nach den Wahlen sind es jetzt 165 Oberhausmitglieder, die sich für die Verfassungsänderung ausgesprochen haben, und damit drei mehr als notwendig. Darunter befinden sich drei Abgeordnete der „Partei, der das Herz Japans wichtig ist“ und vier Unabhängige, deren Sitze am Sonntag nicht neu besetzt wurden.

Änderungen an der japanischen Verfassung würden einen historischen Wandel bedeuten. Mehrere Regierungen haben die Interpretation der Verfassung bereits gebeugt und geändert, seit sie 1947 nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinigten Staaten erlassen wurde. Sie wurde jedoch niemals formell geändert. Der umstrittenste Aspekt der Änderung ist der Artikel 9, die sogenannte pazifistische Klausel, die es Japan verbietet, eine bewaffnete Armee zu unterhalten oder an Kriegen teilzunehmen. Washington hat Japan ermutigt, Änderungen vorzunehmen, damit japanische Truppen an US-Kriegen im Nahen Osten und an den Vorbereitungen für einen Konflikt mit China und Russland teilnehmen können.

Auf einer Pressekonferenz nach der Wahl versuchte Abe, die Aufmerksamkeit auf die Wirtschaft zu lenken. Unter Bezug auf seine Wirtschaftspolitik erklärte der Premierminister: „Die Nation hat mir ein starkes Mandat gegeben, die Abenomics voranzutreiben. Ich bin dankbar dafür.“

Als er gedrängt wurde, sich zur Frage des Artikels 9 zu äußern, versuchte Abe, der an der Spitze der Bewegung für eine Remilitarisierung steht, auszuweichen. Er erklärte: „Die Verfassungskommission sollte zuerst im Detail darüber diskutieren, welche Artikel verändert und wie sie verändert werden sollten. Es ist davon auszugehen, dass die Diskussion genau darüber angestoßen und entwickelt wird.“

Nicht alle Parteien, die eine Verfassungsänderung unterstützen, sind sich vollständig einig darüber, wie sie aussehen soll. Der Juniorpartner der LDP, Komeito, der sich als buddhistisch-pazifistische Partei darstellt, wird sicherlich etwas Kosmetik für die Abdeckung ihrer Kriegspolitik verlangen.

Andere Funktionäre der LDP drückten ihre Absichten direkter aus. Tomomi Inada, der Richtlinienbeauftragte der LDP, erklärte: „Unserer Partei hat schon einen Entwurf für eine Verfassungsreform vorgelegt.“ Dieser Entwurf enthält mehr als nur Änderungen an Artikel 9. Er beinhaltet eine Reihe von Änderungen, die demokratische Rechte einschränken und die Stellung des Kaisers stärken.

Entsprechend den Änderungen der LDP, die im April 2012 vorgelegt wurden, werden Japans Selbstverteidigungs-Streitkräfte (Self-Defense Forces, SDF) in „Nationale Verteidigungs-Streitkräfte“ (NDF) umbenannt. Sie könnten unter dem Deckmantel einer Friedensmission oder „kollektiver Selbstverteidigung“ im Ausland eingesetzt werden, so wie es schon in den Militärgesetzen vom letzten September festgeschrieben wurde. Der Premierminister würde gleichzeitig Oberbefehlshaber. Die vorgeschlagene NDF könnte auch eingesetzt werden, um Widerstand im Inneren zu unterdrücken. Der Premierminister und sein Kabinett könnten im Fall einer „Notsituation“ mit diktatorischen Vollmachten regieren.

Die Freiheit, die Regierung zu kritisieren, würde eingeschränkt und gleichzeitig die Bevölkerung verpflichtet, die Flagge, die Nationalhymne und die Verfassung zu respektieren. Die Änderung der LDP besagt u.a.: „Sich an Aktivitäten zu beteiligen, die das öffentliche Interesse oder die öffentliche Ordnung beeinträchtigen oder sich mit anderen zu diesem Zweck zusammenzutun, ist nicht erlaubt.“

Der Entwurf der LDP würde den Kaiser zum „Staatsoberhaupt“ machen und seine Pflicht abschaffen, die Verfassung zu achten. Das würde zu einer größeren Machtkonzentration in seinen Händen führen. Es ist schon seit langem das Bestreben der extremen Rechten in Japan, dem Kaiser wieder die Rolle zu verleihen, die er vor dem Zweiten Weltkrieg gespielt hat, als er der Sammelpunkt für den japanischen Militarismus war.

Abe ist sich sehr bewusst darüber, dass ein Durchboxen der Verfassungsänderung auf breiten Widerstand stoßen wird, selbst wenn er die notwendige parlamentarische Unterstützung hat. Der Widerstand gegen die Remilitarisierung ist in Japan tief verankert. Im letzten Sommer gab es in Tokio und überall im Land massive Proteste gegen die Abe-Regierung und die Militärgesetze, die der Armee erlauben, zusammen mit einem Verbündeten, und zwar den Vereinigten Staaten, an Kriegen im Ausland teilzunehmen.

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