Das Ende von Sanders' Wahlkampf: die politischen Lehren

Mit seinem Aufruf zur Unterstützung Hillary Clintons hat Bernie Sanders seinem eigenen Wahlkampf ein klägliches Ende bereitet. Nichts hätte Sanders vernichtender entlarven können, als seine eigenen Äußerungen und sein Verhalten auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten.

Am Montag wurde Sanders bei einer Veranstaltung außerhalb der Tagungshalle von seinen eigenen Delegierten ausgebuht, als er sich mit den Worten „So geht es eben zu in der realen Welt“ rechtfertigte. In seiner „realen Welt“ ist jede Opposition gegen die Wahl zwischen Hillary Clinton und Donald Trump ausgeschlossen. Sanders' „politische Revolution“ gegen die „Milliardärsklasse“ entpuppt sich als Verteidigung des Status quo und des Zweiparteiensystems aus Demokraten und Republikanern.

Später am Abend hielt Sanders auf dem Parteitag eine Rede, in der er seine einstige Gegnerin aus dem Vorwahlkampf mit Lob überschüttete und dieselbe Kandidatin, der er vor Kurzem noch ihre engen Beziehungen zur Wall Street vorgeworfen hatte, als fortschrittliche Verbündete der arbeitenden Bevölkerung anpries. Er sparte auch nicht mit Lob für die Obama-Regierung, obwohl sie für die größte Umverteilung von unten nach oben in der Geschichte Amerikas gesorgt hat.

Während des Nominierungsverfahrens am Dienstagabend ließ Sanders die letzten politischen Hüllen fallen, indem er vom Saal aus forderte, die namentliche Abstimmung einzustellen und Clinton per Akklamation zur Kandidatin zu küren.

Alles, was von Sanders' Wahlkampf bleibt, sind leere Parolen und verlogene Phrasen. Doch dieses Ende war zu erwarten und wurde von uns vorausgesagt. Es bestätigt in vollem Umfang die Analysen der World Socialist Web Site seit Beginn von Sanders' Wahlkampf im letzten Jahr. Wir warnten von Anfang an, dass der kapitalistische Politiker Sanders, der sich in betrügerischer Absicht als Sozialist ausgab, den Unmut der Bevölkerung zurück auf die Mühlen der Demokratische Partei leiten und deren Politik des Kriegs und der sozialen Reaktion unterordnen wollte.

Hier einige Zitate aus den wichtigsten Erklärungen der WSWS zu diesem Thema:

„Die wichtigste Funktion von Sanders' Wahlkampf besteht darin, die wachsende soziale Unzufriedenheit und Ablehnung gegenüber dem bestehenden System aufzufangen und vor den Karren der Demokratischen Partei zu spannen, um sie unter Kontrolle zu halten. Seine angeblich ,sozialistische‘ Kampagne soll der Entstehung einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse zuvorkommen und sie verhindern.“ (Aus „Ist Bernie Sanders Sozialist?“, 25. Juli 2015)

„Die Tatsache, dass die Unterstützung für Sanders der Ausdruck einer tiefen gesellschaftlichen Wut ist, bedeutet nicht, dass Sanders Wahlkampf selbst diese Wut ausdrückt und repräsentiert. Sanders spricht nicht für die Arbeiterklasse, sondern für einen Teil der herrschenden Klasse und des politischen Establishments, der die wachsende soziale Opposition voller Furcht betrachtet und einen Weg sucht, sie unter Kontrolle zu bringen... Sanders hat nicht die Absicht, eine ,Revolution‘ in Gang zu setzen, wie er in seinen Wahlkampfreden behauptet, sondern sie zu verhindern.“ (Aus „Die politische Rolle des Wahlkampfs von Bernie Sanders“, 12. Februar 2016).

Was Sanders eigenes Programm angeht, so hat die WSWS vor allem auf seine Unterstützung für imperialistische Kriege hingewiesen. Er hatte unter anderem erklärt, die USA sollten „das stärkste Militär der Welt“ haben, und versprochen, das Drohnenmordprogramm der Obama-Regierung fortzusetzen. „Seiner Version einer so genannten ,politischen Revolution‘ mangelt es nicht an Tiraden gegen die Milliardäre und ihre Korrumpierung der amerikanischen Politik. Aber sie endet genau an dem Punkt, wo sie eigentlich beginnen müsste. In der Außenpolitik unterscheidet sich Sanders praktisch nicht von Clinton oder von sonst irgendeinem Politiker des herrschenden Establishments.“ (Aus „Präsidentschaftsdebatte der Demokraten: Bernie Sanders' 'politische Revolution' – eine politische Trockenübung“, 21. Januar 2016)

Sanders' Unterstützung für imperialistische Kriege war eng verbunden mit seiner Propagierung von nationalem Chauvinismus und Wirtschaftsnationalismus. „Sanders stellt sich völlig hinter die Gewerkschaftsbürokratie und Teile der Demokratischen Partei, die versuchen, die Wut der Arbeiterklasse über Entlassungen und Arbeitslosigkeit in nationalistische Kanäle zu lenken und so amerikanische Arbeiter gegen ihre Klassenbrüder und ‑schwestern im Rest der Welt aufzuhetzen.“ (Aus „Bernie Sanders, die Demokratische Partei und Sozialismus“, 17. Oktober 2015).

Die Erklärung der WSWS für die politische Rolle und Bedeutung von Sanders' Wahlkampf basierte auf einer Klassenanalyse und auf historischen Erfahrungen. Sanders Verhalten bei der Wahl 2016 lag ganz auf einer Linie mit seiner früheren politischen Laufbahn. Hinter seinem Auftreten als „Sozialist“ und seiner nominellen Unabhängigkeit hatte er schon seit geraumer Zeit ein prokapitalistisches Programm verborgen, das sich kaum vom Mainstream der Demokratischen Partei unterschied. Seine Entwicklung vom radikalen Studenten in den 1960ern zum wirtschaftsfreundlichen Bürgermeister von Burlington (Vermont) in den 1980ern und schließlich zu einem langjährigen Verbündeten der Demokraten im Kongress widerspiegelte die allgemeine Rechtswende einer ganzen Schicht kleinbürgerlicher Protestler, die in das politische Establishment integriert wurden.

Die Demokraten haben immer wieder die Wahlkämpfe von „Außenseitern“ benutzt, um sich politische Glaubwürdigkeit zu verschaffen und Widerstand einzudämmen. Beispiele dafür sind der „populistische“ Wahlkampf von William Jennings Bryan im späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert oder die Wahlkämpfe von Jesse Jackson oder von Dennis Kuncinich in den 1980ern und 1990ern. Zudem hat Sanders zu Beginn seines Wahlkampfs selbst versprochen, den endgültigen Kandidaten der Demokraten zu unterstützen.

Sanders' Wahlkampf wurde von Anfang an von einer Schar politischer Anhänger aus dem pseudolinken Milieu begleitet, die Illusionen schürten, indem sie entweder aktiv für ihn Wahlkampf betrieben oder ihn aus taktischen Gründen kritisierten, seine tatsächliche Politik aber unterstützten. Genau wie Sanders lehnen auch die Gruppen aus dem Umfeld der Demokraten und der Gewerkschaften eine unabhängige Bewegung der Arbeiterklasse ab und versuchen, ihre Entstehung mit aller Kraft zu verhindern.

Gruppen wie Socialist Alternative, Solidarity, die International Socialist Organization, die Young Democratic Socialists und die Grünen treffen sich nun zeitgleich mit dem Parteitag der Demokraten zur Socialist Convergence-Konferenz in Philadelphia. Ohne jede politische Bilanz über das, was sie selbst gestern noch geschrieben hatten, stellen sie bereits die nächste politische Falle auf: den Wahlkampf der Grünen-Politikerin Jill Stein, die Sanders noch vor einem Monat ihren Platz auf der Wahlliste der Grünen angeboten hatte.

Aus dieser Erfahrung müssen Lehren gezogen werden. Die immensen sozialen Spannungen und die Wut, die sich in der Unterstützung für Sanders Wahlkampf äußerte, wird nicht einfach verschwinden. Unabhängig davon, wer die Wahl im November gewinnt, wird die kommende Periode von explosiven Klassenkämpfen geprägt sein.

Die zentrale politische Schlussfolgerung besteht darin, mit der bürgerlichen Politik in allen ihren Spielarten, ob rechts oder dem Namen nach links, zu brechen. Es ist Zeit, eine wirklich sozialistische Bewegung aufzubauen, die auf den Prinzipien des Internationalismus, des Antiimperialismus und der sozialen Gleichheit basiert. Die politische Unabhängigkeit der Arbeiterklasse ist eine zwingende Notwendigkeit.

Auf dieser Perspektive beruht der Präsidentschaftswahlkampf von Jerry White und Niles Niemuth von der Socialist Equality Party. Wir rufen alle Arbeiter und Jugendlichen, die von Sanders' Verrat angewidert sind, dazu auf, unseren Wahlkampf zu unterstützen, der Socialist Equality Party beizutreten und den Kampf für den echten Sozialismus aufzunehmen.

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